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PARKWAY DRIVE, WHILE SHE SLEEPS, LORNA SHORE: Olympiahalle, München – 17.09.2022 – Konzertbericht

Unumstritten ist das siebte Album “Darker Still” keineswegs, doch live waren PARKWAY DRIVE schon immer eine Macht. Auch ungeachtet der hochkarätigen Supports WHILE SHE SLEEPS sowie LORNA SHORE ist somit keine große Überzeugungsarbeit nötig, um die eingestaubten Konzerttickets mit zweieinhalb Jahren Verspätung doch noch aus der Schublade zu kramen.

Als PARKWAY DRIVE vor rund drei Jahren ihre „Viva The Underdogs“-Europatour ankündigten, befanden sich die fünf Australier gerade am höchsten Punkt ihrer Karriere. Mit der ausverkauften „Reverence“-Tour 2019 und dem Headlinerslot auf dem damaligen WACKEN OPEN AIR im Rücken sollte nochmals eine Nummer draufgelegt werden. Die größten Arenen wurden gebucht, die opulenteste Live-Show konzipiert – doch dann kam die Pandemie und mit ihr der komplette Stillstand. Die Band sei während dieser Pause fast zerbrochen, das aktuelle Album „Darker Still“ (2022) dementsprechend Ausdruck dieser schwierigen Phase voller psychischer Belastungen.

Unumstritten ist das düstere siebte Werk des Quintetts dabei keineswegs. Doch live waren PARKWAY DRIVE schon immer eine Macht, weshalb wir mit rund zweieinhalb Jahren Verspätung endlich die eingestaubten Tickets aus der Schublade kramen, um das damals gegebene Versprechen einzulösen: die bislang aufwendigste Live-Produktion der Band in den größten Hallen Europas. Zusammen mit den beiden hochkarätigen Supports WHILE SHE SLEEPS sowie LORNA SHORE also drei gute Gründe, dem heutigen Wiesnauftakt den Rücken zu kehren und stattdessen mit frostigem Wind um den Backen die Münchner Olympiahalle anzusteuern.

LORNA SHORE

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Rund 15.500 Personen fasst die Lokalität, die jedoch dank zahlreicher Treppenstiege und Zugänge selbst bei voller Auslastung kein allzu dichtes Gedränge produziert. Die Ausnahme ist so früh am Abend die Menschentraube am Merchandise-Stand, den wir daher lieber hinter uns lassen, um den Auftritt des heutigen Support-Acts nicht zu verpassen. Dabei haben wir LORNA SHORE in den vergangenen Wochen bereits zweimal erlebt: Einmal im hiesigen Backstage Werk und einmal auf der großen Festival-Bühne des SUMMER BREEZE 2022.

Dass die US-Amerikaner mit ihrem verspielten Symphonic Deathcore auch die großen Arenen bespielen können, zweifeln wir somit zu keiner Sekunde an – obwohl die Formation heute mit Handicap auftreten muss. Schlagzeuger Austin sitzt die Tour aufgrund eines Bandscheiben-Leidens aus, seinen Platz übernimmt kurzfristig Bassist Michael Yager, der selbst Erfahrung am Drumkit hat. Dem gebührt Respekt, vor allem weil die Performance des Aushilfsdrummers, wenngleich nicht immer absolut perfekt, durchaus zu überzeugen weiß.

LORNA SHORE machen auch ohne ihren Stammschlagzeuger eine gute Figur

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Die massiven Breakdowns von „To The Hellfire” sitzen ebenso wie die verflixt schnellen Blast- und Double-Bass-Salven, die der Musik LORNA SHOREs einen unerbittlichen Charakter verleihen. Heute sogar noch etwas mehr als sonst, da die Symphonic-Tracks im Mix etwas in den Hintergrund treten und so die beiden Gitarristen Adam und Andrew ins Rampenlicht bugsieren. Rein bildlich gesprochen natürlich, denn tatsächlich steht die Band in der großen Halle weitgehend im Dunkeln: Die Lichtanlage des Hauptacts dürfen die Vorbands nur in Teilen für sich nutzen.

Macht aber nichts, denn Frontmann Will Ramos zeigt sich nicht nur stimmlich bestens aufgelegt, sondern überzeugt auch als Motivator. An der Spitze des Laufstegs dirigiert der Sänger das Publikum wie ein alter Hase: So gibt es zu seinen Füßen schon während „Of The Abyss“ einen beachtlichen Circle Pit, bevor auf das Intro von „Sun // Eater“ die erste Wall of Death folgt. Auf den Rängen und in den hinteren Reihen der rund halb gefüllten Halle lassen es die Münchner derweil ruhiger angehen – zu diesem frühen Zeitpunkt allerdings kaum die Schuld LORNA SHOREs, die einmal mehr eine beherzte Performance abliefern und deren Gitarristen dabei ab der Hälfte einzig gegen den im Mix übermächtigen Bass anzukämpfen haben.

LORNA SHORE Setlist – ca. 30 Minuten

1. To The Hellfire
2. Of The Abyss
3. Sun // Eater
4. Cursed To Die
5. Into The Earth

Fotogalerie: LORNA SHORE

WHILE SHE SLEEPS

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Mittlerweile zieren zwei Aufbauten aus Verstärkern die Bühne links und rechts des Schlagzeugs. Darauf aufgemalt das Bandlogo mit den Initialen WHILE SHE SLEEPS‘, während Scheinwerfer und vertikale LED-Leisten die Bühnenelemente einrahmen. Für atmosphärische Beleuchtung ist also gesorgt, wenngleich wir die fünf Musiker durch das Lichtkonzept vornehmlich als Silhouetten wahrnehmen. Im Endeffekt halb so wild, denn die Körpersprache der Briten ist unmissverständlich: Bassist Adam wirbelt wie ein Wahnsinniger über die Bühne, während sich Fronter Loz nur mit Mühe auf dem zentralen Steg halten kann.

Immer wieder sucht er wie in „You Are All You Need“ den Kontakt zur feierwütigen Meute, erklimmt dabei die Barriere im Graben und lässt sich auf den Händen der Zuschauer tragen. Ihrem Ruf als hervorragender Live-Act werden WHILE SHE SLEEPS somit allein deshalb schon gerecht, weil Loz auch heute Abend wieder die unaufhaltsame Rampensau mimt. Das macht Spaß und ist höchst ansteckend, woraufhin die Arena zu „The Guilty Party“ ausgelassen im Takt springt und auch sonst jeglicher Forderung des Shouters nachkommt: Wall of Death zum Auftakt von „Anti-Social“? Kein Problem. Drei Circle Pits während „Eye To Eye“? Schon lange gestartet. Mehr Crowdsurfer für „You Are We“? Sind unterwegs.

WHILE SHE SLEEPS haben stets noch eine weitere Eskalationsstufe in petto

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Auf diese Weise treiben Band und Publikum das Spiel immer weiter; schaukeln sich gegenseitig hoch, bis die Sause im Hit „Silence Speaks“ ihren vorläufigen Höhepunkt nimmt – natürlich mit einer weiteren Flut an Crowdsurfern und dem völlig aufgedrehten Loz, den es ein weiteres Mal zu einem Bad in der Menge hinzieht. Mission erfüllt, würden wir sagen, hätten WHILE SHE SLEEPS nicht noch eine weitere Eskalationsstufe in petto: Für das abschließende „Systematic“ sollen es gleich drei Walls of Death werden: eine links, eine rechts und die letzte zentral in der Mitte. Das resultierende Getümmel spricht für sich und lässt uns zwischenzeitlich ernsthaft daran zweifeln, ob der Headliner das noch überbieten kann.

WHILE SHE SLEEPS Setlist – ca. 45 Minuten

1. Sleeps Society
2. Anti-Social
3. You Are All You Need
4. The Guilty Party
5. I’ve Seen It All
6. Eye To Eye
7. You Are We
8. Fakers Plague
9. Silence Speaks
10. Systematic

Fotogalerie: WHILE SHE SLEEPS

PARKWAY DRIVE

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Eine halbe Stunde haben wir Zeit zu grübeln, bevor wir die großspurige Antwort serviert bekommen: Im Hintergrund der Bühne öffnet sich eine Felsspalte, aus der langsam und feierlich ein Fackelzug tritt. Es ist nur eine Videoprojektion, die den Einmarsch begleitet, doch die Illusion funktioniert. Aus der Mitte des Marsches brechen nach und nach die Musiker, um ihre Plätze auf der neugestalteten und teils zackenbewehrten Bühne einzunehmen. Es folgen die ersten Töne der „Darker Still“-Leadsingle „Glitch“, bevor unter einer lauten Explosion Frontmann Winston McCall direkt am Ende des zentralen Stegs durch eine Luke auf die Bretter steigt. Das mag dick aufgetragen sein, ist aber verdammt eindrucksvoll inszeniert, auch weil PARKWAY DRIVE die Halle damit in Sekundenschnelle auf Betriebstemperatur bringen.

Mit theatralischer Gestik vor feuriger Kulisse setzt McCall so schnell die Erwartungen für die kommenden anderthalb Stunden, in welchen die charismatische und vereinnahmende Präsenz des Shouters immer wieder Fixpunkt der Show sein wird. Seine Kollegen können sich dadurch im Hintergrund entspannt ihrer Instrumente widmen und dabei das Spektakel genießen: „Prey“ ist wie schon 2019 der Eisbrecher, der die Arena zum kollektiven Springen bringt, während der Klassiker „Carrion“ mit großem Jubel quittiert wird.

Über weite Strecken zeigen sich PARKWAY DRIVE in Bestform, obwohl die Australier jegliches Risiko meiden

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Keine Frage, für PARKWAY DRIVE ist eine Show dieser Größe selbst nach der langen Live-Pause Routine, das merken wir anhand jeder kontrollierten Bewegung und jeder Interaktion. Und dennoch ist die Freude des Quintetts aufrichtig: „Just keep the crazy shit going, that’s all you gotta do!“, bringt Winston McCall selbige vor „Vice Grip“ zum Ausdruck. Gesagt, getan: Es folgt das übliche Konzert-Workout, dem die Münchner natürlich mit Fleiß nachkommen: Im Schein der Flammenwerfer werden zum heftigen „Dedicated“ die Grenzen des Moshpits neu definiert, auf das atmosphärische „Cemetery Bloom“ folgt in „The Void“ Sprungtraining mit Effektuntermalung und das treibende „Karma“ leitet ein stattlicher Circle Pit ein.

In diesen Momenten erleben wir PARKWAY DRIVE in Bestform, obschon die Australier nach der Pandemie keinerlei Risiko eingehen: Große Teile der nun etwas kürzeren Setlist hat die Band nahezu unverändert von der „Reverence“-Tour übernommen, weshalb sich die Überraschungen heute Abend arg in Grenzen halten. Eine solche gibt es einzig in Form eines kurzen Gastauftritts: Das samt atmosphärischem Intro unter Streicherbegleitung vorgetragene „Schattenboxen“ („Shadow Boxing“) trägt die Band gemeinsam mit Rapper CASPER vor. Für Fans des Musikers sicherlich eine nette Sache.

Sobald Sänger Winston McCall den kompletten Innenraum zum offiziellen Moshpit deklariert, ist die Welt wieder in Ordnung

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Eingerahmt ist das Gastfeature in zwei Stücke des neuen Studioalbums „Darker Still“, wobei „The Greatest Fear“ durch die begleitenden Videoprojektionen auch live ein besonderes Ambiente heraufbeschwören kann. Dabei waren wir zunächst skeptisch, da ausgerechnet „Ground Zero“ nach einer durchaus emotionalen Ansage McCalls am Ende des ersten Drittels nicht wirklich zünden wollte. Mit Startproblemen hat auch die Ballade „Darker Still“ zu kämpfen, deren erste Hälfte aufgrund des dünnen und wackligen Klargesang auch kein Lichtermeer im Publikum retten kann. Den Karren aus dem Dreck zieht anschließend Gitarrist Jeff Ling, welcher während seines gefühlvollen Solos im wahrsten Sinne des Wortes abhebt: Das vordere Ende des zentralen Stegs entpuppt sich als Hebebühne, die den Musiker für einige Momente zum Star der Show macht.

Doch so untypisch diese kleinen Ausrutscher für PARKWAY DRIVE sein mögen, aus dem Konzept bringen können sie die Metal-Institution kaum. Wenn Winston McCall für das Finale von „Bottom Feeder“ kurzerhand den kompletten Innenraum zum offiziellen Moshpit deklariert, ist die Welt wieder in Ordnung. Zwischen Flammen und buntem Feuerwerk bringen die fünf Musiker die Olympiahalle noch einmal an den Rand der Eskalation, um sich dann erstmal von den Brettern zurückzuziehen.

Auf das flammende Inferno “Crushed” folgt ein entwaffnender Moment der Intimität

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Das hat auch dramaturgische Gründe, denn die Zugabe „Crushed“ zelebrieren PARKWAY DRIVE auch 2022 in aller Ausführlichkeit: Der Fackelzug kehrt zurück und hat diesmal sogar eine Violinistin im Schlepptau, um das folgende Inferno gebührend einzuleiten. Alsbald steht die komplette Front samt Laufsteg in Flammen, während die opulenten Pyro-Effekte den stampfenden Riffs und massiven Growls McCalls Nachdruck verleihen. Flammensäulen schießen aus dem Boden empor, außerdem von beiden Seiten in Richtung Mitte und hüllen die Olympiahalle in einen lodernden orange-roten Schein.

Es ist eigentlich ein genialer Schachzug, diesem showtechnischen Höhepunkt einen geradezu entwaffnenden Moment der Intimität gegenüberzustellen: Arm in Arm schreiten alle Musiker Richtung Spitze des Laufstegs, verteilen dabei Gitarrenplektren und Drumsticks an die begeisterten Fans. Es ist das Bild einer Band, die „schwierige Zeiten durchstanden“ habe, so McCall, doch dafür nun umso enger zusammengewachsen sei. Diesen Augenblick der Menschlichkeit teilen sie mit der bayerischen Landeshauptstadt, bevor gemeinsam das letzte Stück angestimmt wird: Jeff Ling spielt die Gitarre, die Fans singen die Melodie.

Die Bindung zu ihren Fans ist PARKWAY DRIVE auch in den größten Hallen ein Anliegen

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„Wild Eyes“ begleitet die Live-Shows PARKWAY DRIVEs nicht ohne Grund seit vielen Jahren, hat am Ende der Setlist aber doch einen ganz besonderen Stellenwert. „Forever the underdogs“, heißt es dort. Und auch wenn diese Worte von einer Band dieses Formats auf den ersten Blick absurd klingen mögen: Dass sie selbst auf den großen Bühnen aus dem Herzen kommen, will hier niemand anzweifeln.

Schließlich haben die fünf Australier einst selbst ganz unten angefangen, vom australischen Jugendzentrum bis zum Main-Act in der Münchner Olympiahalle. Das alles durch harte Arbeit sowie „Blut, Schweiß und Tränen“, wie uns die Band eine Stunde zuvor in „Dedicated“ bereits verriet – und so wird „Wild Eyes“ als Closer zum Statement: Ganz egal, ob nun wie damals 50 oder dieser Tage mehr als 10.000 Besucher den Weg zu ihren Auftritten finden, selbst auf dem höchsten Punkt ihrer Karriere sucht das Gespann weiterhin den Schulterschluss mit ihren Fans, deren inbrünstiger und leidenschaftlicher Gesang am Ende dieser anderthalb Stunden die Magie eines PARKWAY DRIVE-Konzerts wohl besser einfängt, als es jedes noch so bombastische Showelement jemals könnte.

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PARKWAY DRIVE Setlist – ca. 90 Minuten

1. Glitch
2. Prey
3. Carrion
4. Vice Grip
5. Dedicated
6. Ground Zero
7. Cemetery Bloom
8. The Void
9. Karma
10. The Greatest Fear
11. Schattenboxen
12. Darker Still
13. Bottom Feeder
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14. Crushed
15. Wild Eyes

Fotogalerie: PARKWAY DRIVE

Fotos: Tatjana Braun (https://www.instagram.com/tbraun_photography/)

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