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PARKWAY DRIVE, KILLSWITCH ENGAGE, THY ART IS MURDER, Zenith, München, 16.2.2019

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Seit einer Dreiviertelstunde schon sind die Jungs und Mädels der Security unermüdlich am Einlass beschäftigt, während eine junge Dame im Freien ihr übriges Ticket feilbietet. „30€“ hat sie mit schwarzem Filzstift auf ein Schild geschrieben, das sie in die Nacht emporreckt. Ein paar Meter hinter ihr ist der Weg zur Abendkasse ausgeschildert. Noch am Vorabend haben PARKWAY DRIVE vor ausverkauftem Publikum gespielt – Tickets für diese Show waren schon seit Dezember nicht mehr zu bekommen. Das für den heutigen Samstag anberaumte Zusatzkonzert der „Reverence“-Europatour hat mit diesem Luxusproblem augenscheinlich nicht zu kämpfen.

Daher verblüfft der Schritt durch die Tore des Zenith in die alte Eisenbahnhalle auch nicht. Das hintere Drittel der Nutzfläche trennt heute ein schwarzer Vorhang vom Bühnenareal und beherbergt lediglich die Garderobe. Um Viertel nach Sechs sieht es noch etwas mager aus, wenngleich ein steter Strom an Zuschauern durch den hinteren Eingang den Weg an Garderobe und Merchandise vorbei in die Halle findet.

THY ART IS MURDER bringen gewaltigen Death Metal ins Zenith

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Und gut gefüllt ist es dann auch gegen 19 Uhr, als zum ersten Mal die Lichter ausgehen und mit THY ART IS MURDER der erste Supportact die Bühne betritt. Die Australier verschwenden keine Zeit mit Intros oder anderweitigem Spannungsaufbau, sondern nutzen ihre halbe Stunde für das, was wirklich zählt: hämmernden, walzenden Death Metal. „Dear Desolation“ ist genau deshalb der perfekte Einstieg, weil er dem Publikum einen Vorgeschmack auf das bietet, was von THY ART IS MURDER zu erwarten ist. Monströse Riffwände türmen sich auf, welche Drummer Lee Stanton mit präzisen Blastbeats zu durchbrechen weiß.

Animiert durch Fronter und dedizierte Rampensau Chris McMahon bildet sich bereits zu „The Purest Strain of Hate“ der erste kleine Moshpit. Zugegeben, die Reaktionen auf THY ART IS MURDER sind vielerorts im Zenith recht verhalten. Das mag auch dem teils schlecht abgemischten Ton geschuldet sein, der viele Details im Songwriting der härtesten Band des Abends schlicht verschluckt. Wenn McMahon nicht gerade damit beschäftigt ist, mit seinem mächtigen Organ neue Tiefenregionen zu erkunden, gibt er sich immerhin als unermüdlicher Animateur und Entertainer. So wird ein PARKWAY DRIVE-Plastikbecher, der im Eifer des Gefechts auf der Bühne landet, umgehend zum schönsten Geschenk der Tour erklärt. Und das möge etwas heißen, schließlich könne sich die Band normalerweise vor weiblicher Unterwäsche kaum retten, so McMahon.

Angesichts der Spielfreude des Quintetts verzeiht man ihnen sogar das unsägliche RAMMSTEIN-Cover „Du hast“, das im Death-Metal-Gewand THY ART IS MURDERs nur schwer zu ertragen ist. Was sich die Jungs dabei gedacht haben, weiß ich bis heute nicht. Dafür liefern die Australier mit „Puppet Master“ noch ein Highlight ab, das eine rundum solide Show beschließt, der einzig ein besserer Klang vergönnt gewesen wäre.

Setlist THY ART IS MURDER

  1. Dear Desolation
  2. The Purest Strain of Hate
  3. Holy War
  4. Du hast (RAMMSTEIN-Cover)
  5. Reign of Darkness
  6. The Son of Misery
  7. Puppet Master

KILLSWITCH ENGAGE spielen sich durch nahezu alle Schaffensperioden

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Aus irgendeinem Grund haben es KILLSWITCH ENGAGE auf dem europäischen Markt nicht einfach. Schon Ende 2009 spielten die Amerikaner in der gleichen Örtlichkeit – damals noch mit Altsänger Howard Jones – im Vorprogramm von IN FLAMES. Gut zehn Jahre später hat sich an dieser Rolle nichts geändert, nur der Headliner trägt einen anderen Namen. Aber sei‘s drum, was die Männer um Gitarrist Adam Dutkiewicz heute abliefern, ist nichts anderes als eines Headliners würdig.

Während Dutkiewicz unermüdlich über die Bühne wirbelt, laufen bei Sänger Jesse Leach alle Fäden zusammen. Es braucht schon einiges an Charisma, um neben der extrem spielfreudigen Rhythmusfraktion nicht unterzugehen. Für Leach ist das die geringste aller Sorgen: Schon beim Opener „Strength of the Mind“ zieht der Mann mit dem Irokesen alle Blicke auf sich und liefert eine nahezu fehlerfreie Performance. Markerschütternde Screams treffen auf sonoren Klargesang, der sich mittlerweile auch live nicht mehr hinter seinem Vorgänger Howard Jones verstecken muss.

Eine Setlist gespickt mit Hochkarätern

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Bei Sänger Jesse Leach laufen alle Fäden zusammen.

Für das Münchner Publikum haben KILLSWITCH ENGAGE am zweiten Abend einen bunten Querschnitt nahezu aller Schaffensperioden im Gepäck. Alteingesessene Fans freuen sich neben dem beliebten Klassiker „My Last Serenade“ vor allem über „Vide Infra“ vom selbstbetitelten Debüt. „Always“ sowie „The Arms of Sorrow“ schlagen langsamere Töne an, während Jesse Leach bei den mitreißenden Singles “Hate By Design” und “In Due Time“ zum Mitsingen animiert.

Dass das Quintett selbst ohne ihre vielleicht größten Hits „Rose of Sharyn“ und „My Curse“ eine Dreiviertelstunde mit Hochkarätern füllen kann, zeigt die ganze Klasse dieser Band. Bei aller Routine wirken KILLSWITCH ENGAGE an diesem Abend so frisch und energiegeladen, als würde man sie nach langem Hiatus endlich wieder auf die Bühnen dieser Welt loslassen. Jesses Einladung an alle „echten Metalheads“, das abschließende DIO-Cover „Holy Diver“ gemeinsam zu feiern, folgen wir daher nur zu gerne.

Setlist KILLSWITCH ENGAGE

  1. Strength of the Mind
  2. This is Absolution
  3. The Arms of Sorrow
  4. Vide Infra
  5. Hate by Design
  6. Always
  7. My Last Serenade
  8. Just Barely Breathing
  9. A Bid Farewell
  10. In Due Time
  11. Holy Diver (DIO-Cover)

PARKWAY DRIVE loten die Extreme aus

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Es dauert ein bisschen, bis sich alle Köpfe von der Bühne abwenden und sich das Raunen in erster Hysterie entlädt. Aus der entlegensten Ecke des Zenith bahnt sich ein Fackelzug in stetem Tempo einen Weg durch das Menschenmeer, während rings um das Mischpult im Takt des hämmernden Intros Flammensäulen gen Himmel klettern. Es hat etwas von Theater, wie PARKWAY DRIVE ihren Einzug zelebrieren und sich nach und nach im grellen Scheinwerferlicht an ihren Instrumenten positionieren.

Als urplötzlich alle Lichter erlöschen und die Akustikgitarre das Intro von „Wishing Wells“ einläutet, wirkt der musikalische Auftakt nach der Opulenz des Einmarsches wie ein Understatement. Doch es ist nur ein Stilmittel, das Sänger Winston McCall in einen einsamen Lichtkegel taucht. Schon bald brechen Schlagzeug und Riffwände mit erdrückender Macht über uns herein. Es sind noch keine zehn Minuten vergangen und schon haben PARKWAY DRIVE alle Extreme ausgelotet. Ob es nun Routine oder Kalkül ist, direkt im Anschluss die eingängige Single „Prey“ hinterherzuschieben, interessiert im Zenith niemanden. Fakt ist, dass die Australier exakt wissen, die Intensität ihrer Musik zu nutzen. So entsteht ein unwiderstehliches Momentum, das sich dank der cleveren Songwahl immer wieder selbst erneuert. Schon beim erwähnten „Prey“ springt die Menge unermüdlich auf und ab, während der Refrain von „Vice Grip“ aus rund 4000 Kehlen schallt. Dazwischen packen PARKWAY DRIVE älteres Material Marke „Carrion“ oder „Karma“, welches den Pit umgehend auf die zweifache Größe anwachsen lässt.

Ein dramaturgisches Feuerwerk der Spitzenklasse

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Bei „Writings on the Wall“ werden PARKWAY DRIVE von Streichern begleitet.

Das minimalistische „Cemetery Bloom“, bei dem Winston McCall abermals alleine im Scheinwerferlicht steht, markiert nach dem furiosen Auftakt das Ende des ersten Akts. Selbst der Spannungsbogen, der sich durch die Setlist zieht, erinnert an modernes Theater. Derweil schicken sich PARKWAY DRIVE an, diesem Anspruch gerecht zu werden, und bieten eine grandiose Bühnenshow, die ein ums andere Mal für offene Münder sorgt. So regnet es während des Gitarrensolos in „The Void“ grelle Funken von der Decke, während im Banger „Absolute Power“ lautstarke Explosionen dicke Rauchpilze nach oben steigen lassen. Für das eindringliche „Writings on the Wall“ sowie „Shadow Boxing“ erklimmt gar ein Steicherquartett die errichteten Podeste im Hintergrund der Bühne. Davor agieren die fünf Australier mit unbändiger Spielfreude, suchen den Kontakt zum Publikum, aber lassen sich auch gebührend feiern. Die spektakuläre Lightshow setzt die Rhythmusfraktion dabei perfekt in Szene, als im epischen Instrumentaloutro von „Chronos“ eine Hebevorrichtung Lead-Gitarrist Jeff Ling rund zweieinhalb Meter emporsteigen lässt.

Eigentlich ein würdiger Abschluss des Hauptsets, doch plötzlich richten sich die Scheinwerfer auf das Mischpult. Dort hat Winston McCall in der Zwischenzeit in Begleitung einer Cellistin das dort aufgestellte Podest erklommen. Nicht einmal anderthalb Meter vor ihm recken sich ihm dutzende Smartphones entgegen, deren Besitzer dem Frontmann plötzlich so nah sind wie noch nie zuvor. Neben mir verfallen zwei junge Besucherinnen in hysterisches Kreischen, als hätte ihnen Justin Bieber auf dem roten Teppich einen Handkuss zugeworfen. Nach diesem Schock hüllt sich das Publikum jedoch schnell wieder in ehrfürchtiges Schweigen, als Winston McCall mit zerbrechlicher Stimme das melancholische „The Colour of Leaving“ anstimmt. Es ist eine leise Zäsur, die PARKWAY DRIVE hier setzen, und gerade deshalb so effektiv.

Das Zenith wird zum Schauplatz einer Apokalypse

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Bei „Crushed“ setzen PARKWAY DRIVE die Bühne in Brand.

Ein paar Momente dauert, es bis der Frontmann – nun mit entblößtem Oberkörper – wieder auf der Bühne erscheint. In seiner linken Hand hält er eine Flasche, aus deren Öffnung ein brennendes Tuch ragt. Mit fast schon theatralischer Gestik katapultiert McCall den Molotow-Cocktail hinter das Schlagzeug. Die resultierende Explosion setzt den gesamten Bühnenaufbau in Brand und lässt keine Zweifel mehr offen: „Crushed“ ist das Stück, mit dem PARKWAY DRIVE das Zenith endgültig abreißen wollen. Zwischen donnernden Gitarrenwänden, meterhohen Flammensäulen und dem tobenden Publikum fühlt sich das alte Bauwerk wie der Schauplatz einer Apokalypse an. Als nach diesem Spektakel verbrannte Asche vom Bühnendach regnet, ist sich selbst Winston McCall mit einem Lachen nicht sicher, was da gerade in Flammen aufgegangen ist. Der Live-Hit „Bottom Feeder“ ist schließlich das opulente Finale einer anderthalbstündigen Aufführung, an deren Ende – es kann nicht passender gewählt sein – der Vorhang fällt. „Reverence“ („Verehrung“) steht in großen Buchstaben darauf geschrieben. Das mag der Name des aktuellen Albums sein. An diesem Abend richtet sich die Botschaft jedoch an die nun sichtlich erschöpften Anhänger PARKWAY DRIVEs, die bis zu letzten Minute alles gegeben haben, um den Stopp in München für die Australier zu einem Unvergesslichen zu machen.

Setlist PARKWAY DRIVE

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    Mit dem letzten Ton fällt der Vorhang.

    Wishing Wells

  2. Prey
  3. Carrion
  4. Vice Grip
  5. Karma
  6. Cemetery Bloom
  7. The Void
  8. Idols and Anchors
  9. Dedicated
  10. Absolute Power
  11. Writings on the Wall
  12. Shadow Boxing
  13. Wild Eyes
  14. Chronos
  15. The Colour of Leaving

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  1. Crushed
  2. Bottom Feeder

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