Diese Woche ist wieder KEEP IT TRUE und die eine oder andere Band, welche dort auftritt, nimmt um das Festival herum noch ein paar Gigs mit. So auch HELSTAR und SÖLICITÖR, die mit wechselnden Openern die Runde machen. In Oberhausen sollte diese Rolle FER DE LANCE zukommen, was dann auch deren erster Auftritt in Europa gewesen wäre. Wäre? Ja, dazu später mehr.
HELSTAR hatte ich 2019 zuletzt mit FLOTSAM & JETSAM auf Tour gesehen, wo die Band bereits einen starken Auftritt hingelegt hatte. Dazu noch SÖLICITÖR, deren 2020er Album “Spectral Devastation” ich schon ziemlich geil fand – das ist schon ein ziemlich starkes Paket. Später wurden dann noch FER DE LANCE als Opener bestätigt, um das ganze abzurunden.
Also nach der Arbeit ab ins Auto und nach Oberhausen. Natürlich mal wieder verpeilt, im Vorverkauf ein Ticket zu kaufen, aber es sollen noch ausreichend Tickets an der Abendkasse vorhanden sein – immerhin ist es ja Dienstagabend und HELSTAR leider Gottes kein Kassenmagnet. Am Ende sind es dann immerhin doch um die achtzig Leute, die sich an diesem Abend im Helvete einfinden. Der Veranstalter teilte es früher am Tag schon auf Social Media mit – FER DE LANCE würden es nicht pünktlich nach Oberhausen schaffen, da ihr erster Flug gecancelt wurde und der Folgeflug Verspätung hatte. Ob die Band es überhaupt noch schaffen wird, steht in den Sternen.
FER DE LANCE verspäten sich – SÖLICITÖR bringen das Publikum auf Betriebstemperatur
Also eröffnen SÖLICITÖR den Abend. Die Speed Metal-Truppe um die imposante Frontfrau Amy Lee Carlson gibt vierzig Minuten Vollgas. Amy wirkt bei den Ansagen noch etwas zurückhaltend, liefert dafür aber gesanglich eine tadellose Leistung ab. Die ganze Band ist top eingespielt, speziell das Gitarrenduo Patrick Fry und Matt Vogan läßt ordentlich die Saiten qualmen. Bassist Damon Cleary-Erickson verbringt einen Großteil des Gigs auf dem Drumriser, wohl um seinen Kollegen mehr Platz auf der Bühne zu lassen. Vor “Betrayer” bittet Amy die Fans um Hilfe beim Refrain – die anwesenden Maniacs kommen dem natürlich nur allzu gerne nach. Gegen kurz nach halb neun ist Schluss und SÖLICITÖR können sicher sein, sich an diesem Abend ein paar neue Fans erspielt zu haben.
Zwischenbericht zur causa FER DE LANCE: Inzwischen ist die Band gelandet, muss aber noch von Frankfurt am Main bis nach Oberhausen fahren. Ich finde mich so langsam mit dem Gedanken ab, die Band heute wohl nicht mehr live zu erleben. Erwähnen muss ich mal die sehr fairen Preise am Merch-Stand. Shirts für zwanzig Euro sind ja inzwischen fast schon ein Schnäppchen, CDs für einen Zehner, Vinyl für Zwanzig und Patches für fünf Euro, letztere leider nur von HELSTAR. Da kann man nicht meckern. Dementsprechend muss dann auch ein HELSTAR-Shirt mit dem Motiv der aktuellen Tour mit.
63 und kein bisschen leise – HELSTAR-Sänger James Rivera ist stimmlich immer noch in überragender Form
Um neun Uhr ist es Zeit für den Headliner. Nach dem guten Gig von vor vier Jahren hab ich echt Bock auf HELSTAR aber was die Texaner an diesem Abend hier abliefern übertrifft meine Erwartungen bei weitem. Die Band ist super motiviert und extrem spielfreudig, das frische Blut in Form von Drummer Alex Erhardt (springt für Michael Lewis ein) , Bassist Garrick Smith sowie Gitarrist Andrew Atwood, die alle drei auch bei THE SCOURGE aktiv sind, tut den beiden Urgesteinen Larry Barragan und James Rivera definitiv gut. Larry ist auf der Bühne eher zurückhaltend und lässt die Musik sprechen. James Rivera führt als sympathischer Frontmann durch den Abend, gefällt sich in der Rolle des blutsaugenden Untoten, kündigt für dieses Jahr endlich das neue Album an und singt nebenbei wie ein junger Gott! Da sitzt jeder Ton! Unglaublich, was der kleine Mann mit 63 (zwei Tage vor diesem Konzert hatte er Geburtstag) noch aus seinen Stimmbändern holt.
Und die Setlist! Jedes Album mit Ausnahme des umstrittenen 1995er Werkes “Multiples Of Black” sowie dem 2008er Comeback “The King Of Hell” wird mit mindestens einem Song bedacht. Los geht es mit “Dark Incarnation (Mother of the Night)” von der aktuellen EP “Clad In Black”, direkt im Anschluss gibt es mit “Conquest” und “Evil Reign” einen Doppelpack vom 1986er Zweitwerk “Remnants Of War”. “Abandon Ship” spielt die Band laut James zun ersten Mal seit der 1988er Tour wieder live – das Publikum rastet aus. Die beiden Post-Reunion Songs “Fall Of Dominion” und “Pandemonium” sowie “Black Cathedral” vom letzten Album “Vampiro” kommen ebenfalls gut an, doch bei den Klassikern brennt die Hütte! Meine Nackenmuskulatur arbeitet auf Hochtouren.
HELSTAR machen den Auftritt mit großer Spielfreude und einer perfekten Setlist zum Triumphzug
Aber es kommt noch besser. James kündigt das grande finale an und diese Bezeichnung passt perfekt. Los geht der Endspurt mit dem lang erwarteten “The King Is Dead” – jetzt ist es an der Zeit völlig auszurasten! Dieses brachiale Drum-Intro, diese unfassbaren Killerriffs! Danach “Burning Star”, “Baptized In Blood” (aaaargh!) und als Abschluss “Run With The Pack”, bei dem nochmal alle mitsingen. Unglaublich! Auch HELSTAR sind begeistert von der feierwütigen Meute in Oberhausen und sichtlich gerührt. Nach knapp anderthalb Stunden ist ein denkwürdiger Auftritt, ja ein Triumphzug, zu Ende. Wer vor Achtzig Leuten dermaßen abliefert, der hat ganz eindeutig noch jede Menge Feuer in sich! Spielfreudig und mit einer perfekten Setlist – besser kann man US Metal nicht zelebrieren. Ich bin völlig durchgeschwitzt, die Ohren klingeln und der Nacken schmerzt – und es fühlt sich verdammt richtig an! Dafür lieben wir diese Musik, dafür LEBEN wir diese Musik!
Nach dem Gig erfahre ich dann, dass FER DE LANCE immer noch eine Stunde von Oberhausen entfernt sind, heute also nicht mehr spielen werden. Es tut mir echt leid für die Band, die zu diesem Zeitpunkt schon eine echte Odyssee hinter sich hat und die ich gerne live gesehen hätte, doch eigentlich darf nach so einem Auftritt wie dem von HELSTAR eh niemand mehr auf die Bühne.
Setlist HELSTAR, 18.04.2023 Oberhausen
Dark Incarnation
Conquest
Evil Reign
Fall Of Dominion
Pandemonium
Abandon Ship
Winds Of War
To Sleep, Per Chance To Scream
Black Cathedral
Dark Queen
The King Is Dead
Burning Star
Baptized In Blood
Run With The Pack