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ARCHITECTS, BEARTOOTH, POLARIS, Zenith, München, 6.2.2019

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Es ist ein frostiger Winterabend in München. Die kahlen Bäume sind weiß vor Reif und neben den Schneemassen in den Parkbuchten der Lilienthalallee die verbleibenden Zeugen des Winterchaos, das Bayern in den vergangenen Tagen heimgesucht hat. Dennoch tummeln sich bei fünf Grad unter null hunderte Gestalten auf dem Vorplatz der Kulturhalle, als wäre es ein später Sommerabend. Dass Winterjacken trotz Eiseskälte im Auto geblieben sind, ist vielleicht auch dem Motto der heutigen Veranstaltung geschuldet: Zu „Holy Hell“ haben ARCHITECTS geladen, und heiß sollte es getreu dem Motto dann auch werden.

POLARIS zelebrieren den ersten Circlepit des Abends

blankAls pünktlich um 19 Uhr die Australier POLARIS auf die Bühne treten, ist das Münchner Zenith bereits gut gefüllt und in bester Stimmung. Schon der treibende Opener „The Remedy“ bringt die Masse ins Schwitzen, bevor Frontmann Jamie Hails beim folgenden „Casualty“ den ersten Circlepit des Abends anleiten darf. Nur die bösesten Zungen würden behaupten, der Bewegungsdrang des sonst oft als kalt verschrienen Münchner Publikums sei den Minustemperaturen geschuldet. Im Gegenteil, der kraftvolle Metalcore reißt mit, kann aber auch in „Dusk to Day“ zwischendurch leisere Töne anschlagen. Dieser dynamische Mix funktioniert live hervorragend und bringt die rund 4000 Anwesenden schon am frühen Abend auf Kurs. Dass auf Nachfrage Jamie Hails‘ knapp jeder Zehnte das Debütalbum der Australier sein Eigen nennt, unterstreicht die Tatsache, dass an diesem Tag POLARIS weit mehr sind als nur ein weiterer Eröffnungsact. Vielmehr gelingt es dem Quintett mit der Hitsingle „Lucid“, zum Abschluss des halbstündigen Sets den ersten in einer Reihe von Höhepunkten zu setzen.

POLARIS Setlist

  1. The Remedy
  2. Casualty
  3. Crooked Path
  4. Dusk to Day
  5. Consume
  6. Lucid

BEARTOOTH sind der Inbegriff einer Konzerterfahrung

blank„I’ll be banging my head till my brain rots.” Wahre Worte gibt es zum Auftakt “Bad Listener”, als BEARTOOTH vor dem imposanten orangefarbenen Backdrop die Kulturhalle unter einem Riffmonstrum begraben. Selten erreicht eine Show quasi aus dem Stand den Siedepunkt, und dass jener schon beim Opener der Vorband überschritten wird, ist nahezu undenkbar. Aber nicht wenige sind an diesem Abend gerade wegen der Amerikaner angereist – und das ist zu spüren. Bei „Aggressive“ fliegen mal Bierbecher, mal T-Shirts oder Kappen durch die Halle und als Caleb Shomo zum ersten Mal den Refrain des Hits „The Lines“ anstimmt, singt das Zenith beinahe so laut wie der Frontmann selbst. Der Mix aus Punk Rock, Hardcore und Metal ist der Inbegriff einer Konzerterfahrung, wie unschwer an den jetzt tobenden Anhängern zu erkennen ist. Der leidenschaftliche Fan neben mir tanzt ausgelassen, singt jede Zeile, jeden Schrei euphorisch mit und droht nicht nur einmal, das Sicherheitsgeländer um das Mischpult auszureißen. Treibende Riffs („Manipulation“), große Refrains („In Between“), Circle Pits und ein Drumsolo. Mehr kann sich der Konzertgänger nicht wünschen – außer vielleicht kein Schlagzeugsolo. Sei’s drum, BEARTOOTH sind live ganz großes Kino und setzen in nur 45 Minuten die Messlatte für den Hauptact enorm hoch.

BEARTOOTH Setlist

  1. Bad Listener
  2. Aggressive
  3. Hated
  4. The Lines
  5. Drum Solo
  6. Manipulation
  7. You Never Know
  8. In Between
  9. Body Bag
  10. Disease

ARCHITECTS bieten ein audiovisuelles Spektakel

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Es beginnt mit zarten Streicherklängen, als fünf schemenhafte Figuren nach und nach die Bühne erklimmen. Sam Carters kraftvolle Stimme erfüllt die Halle, offenbart kurzzeitig einen Hauch von Zerbrechlichkeit und lässt dann einen Orkan losbrechen. Begleitet von grellem Lichtgewitter und symbolhaften Projektionen fällt der Auftakt mit „Death Is Not Defeat“ sowie „Modern Misery“ drückend und eindringlich aus. „I won’t go to the grave with the song still in me”, singt Carter mit dem Publikum im Chor. Keine Frage, hier stehen Musiker auf der Bühne, die sich heute noch viel vom Herzen zu schreien haben.

Die Botschaften, die ARCHITECTS mitbringen, untermalen sie mit einem visuellen Spektakel. Ausladende Videoprojektionen, eine Armada an Scheinwerfern, Laser und sogar Flammenwerfer sorgen für ein sagenhaftes Erlebnis. Da simuliert erst Blitzgewitter die akustische Intensität von „Nihilist“ oder „Naysayer“, dann wird das Zenith bei „Hereafter“ in ein wunderschönes Meeresgrün getaucht, durch das tiefblaue Laser gen Dachverstrebungen schießen. Doch nicht nur an der technischen Produktion merkt man schnell, dass nun der Headliner des Abends auf der Bühne steht.

Um einen Circlepit muss Sam Carter nicht zweimal bitten

blankDie Musiker um Fronter Sam Carter sind in ihrer Rolle nicht einfach nur Beiwerk einer pompösen Show, sondern Fixpunkt der Aufmerksamkeit. Auf einem Podest zur Rechten spielt sich Drummer Dan Searle die Seele aus dem Leib, während ihm gegenüber Bassist Alex Dean immer wieder den dortigen Aufbau erklimmt, um etwa in „Holy Hell“ das dort platzierte Keyboard zu bedienen. In vorderster Reihe tobt Sam Carter selbstverständlich von einer Seite auf die andere und hat im Dialog mit dem Publikum zugegeben leichtes Spiel: Für einen Circle Pit muss der Herr nicht zweimal bitten. Auch sonst zeigen sich die Münchner textsicher und singen altes wie neues Material zuverlässig mit. Eines der Highlights ist zweifelsohne der Klassiker „These Colours Don’t Run“ mit seinem legendären Breakdown, der auch beim allerletzten Besucher den Schalter umlegt.

ARCHITECTS setzen ein wundervolles Denkmal

blankNach einer energiegeladenen Stunde schließen ARCHITECTS mit dem melancholischen „A Wasted Hymn“ ihr reguläres Set und leiten mit „Memento Mori“ – oder besser dessen Mittelteil – in den finalen Akt über. Für den Zugabenblock haben sich die Briten ihre beiden größten Hits aufgehoben: „Gone With The Wind“ und „Doomsday“, die aus der dunkelsten Stunde der Formation geboren sind, aber zugleich dem 2016 verstorbenen Gitarristen Tom Searle ein wundervolles wie unvergessliches Denkmal setzen. Als schließlich dessen Initialen auf die Rückwand der Bühne projiziert werden, ist es für ein paar Momente ganz leise im Zenith. In jeder Ecke der Halle schenken die Umrisse von Fingern in einer symbolischen Geste diesen Initialen einen herzförmigen Rahmen. Es ist ein kurzer Augenblick während eines energiegeladenen Abends, an dem die Zeit still zu stehen scheint. Für ARCHITECTS ist diese Tour jedoch auch eine Gelegenheit, um nach vorne zu blicken. Sam Carter versichert den Zuschauern, dass es der Band mittlerweile emotional gut gehe. Und dieser Gemütszustand überträgt sich dann auch auf das finale „Doomsday“, das uns seiner melancholischen Botschaft zum Trotz mit einem Stück mehr Freude und Zuversicht in die kalte Winternacht entlässt.

ARCHITECTS Setlist

  1. Death is Not Defeat
  2. Modern Misery
  3. Nihilist
  4. Broken Cross
  5. Holy Hell
  6. Royal Beggars
  7. Gravedigger
  8. Mortal After All
  9. Downfall
  10. Naysayer
  11. These Colours Don’t Run
  12. A Match Made in Heaven
  13. Herafter
  14. A Wasted Hymn
  15. Memento Mori (Mittelteil)

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  1. Gone with the Wind
  2. Doomsday
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