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ARCHITECTS: Lost Forever // Lost Together

ARCHITECTS zeigen auf “Lost Forever // Lost Together” nicht nur Haltung, sie liefern auch eine Blaupause für den modernen Metalcore: ein wegweisendes Werk für das Genre, dessen Einfluss selbst zehn Jahre später noch zu spüren ist.

Manchmal ist es schwer, im Augenblick dessen eigentlich bahnbrechende Bedeutung wahrzunehmen. Als ARCHITECTS am 11. März 2014 ihr sechstes Studioalbum veröffentlichten, ahnte noch niemand, was die Briten in der folgenden Dekade damit losbrechen würden. Nach dem Stilbruch von „The Here And Now“ (2011) und der Rehabilitation „Daybreaker“ (2012) definierte das Quartett mit „Lost Forever // Lost Together“ nicht einfach nur ihren Sound neu, sondern prägte von da an maßgeblich die Marschrichtung des Metalcore.

Die Melodic-Death- und Thrash-Schule um AS I LAY DYING, KILLSWITCH ENGAGE und DARKEST HOUR hatte auf einmal ausgedient. Es wurde technischer, härter, progressiver und dabei doch aufrichtig wie emotional. Textlich erkundet Gitarrist und Mastermind Tom Searle († 2016) vorwiegend gesellschaftskritische Themen, richtet den Blick auf religiösen Fundamentalismus, den Umweltschutz und Korruption, aber auch seine Krebserkrankung, welcher er nur wenige Jahre später erliegen würde. Dass Searle so nah am Puls der Zeit schreiben und dabei persönliche Themen doch in universellen Kontext rücken konnte, ist nur einer der Gründe, warum „Lost Forever // Lost Together“ selbst eine Dekade später nichts von seiner Dringlichkeit eingebüßt hat.

ARCHITECTS zeigen Haltung und klare Kante – textlich wie musikalisch

Zeitlos sind auch die Arrangements, die bisweilen an Intensität kaum zu überbieten sind und inmitten vielschichtiger Ebenen oftmals einen zerbrechlichen Kern offenbaren. Träumerische Melodien und eine an Post Rock angelehnte Leadgitarre im Abschluss „The Distant Blue“ verleihen Song und Album Gravitas, während die intelligent eingewobenen Synthesizer ausgewählten Stücken eine dezent ätherische Qualität verleihen. Es ist die menschliche Seite, die hier aus ARCHITECTS spricht: hin- und hergerissen angesichts der besungenen Themen, die zuweilen viel zu groß wirken für vier vergleichsweise unbedeutende Individuen aus Brighton.

Und doch schwingt immer Entschlossenheit und ein wenig verbitterte Wut mit, wenn ARCHITECTS in „Naysayer“ ihre eigene Position klar formulieren und in „Gravedigger“ ihrer Enttäuschung über politische Wendehälse Luft machen. Mit Haltung und klarer Kante – auch musikalisch: Denn die Art und Weise, wie die Band trotz zahlreicher Haken und Tempowechsel immer den Flow aufrechterhält, ist beeindruckend. Knackige Breakdowns reichert Kreativchef Tom Searle durch kreative und niemals eindimensionale Einschübe, Layers oder Licks an, was dem rohen Grundcharakter der Platte zusätzlich eine organische Qualität spendiert.

Mit “Lost Forever // Lost Together” lieferten ARCHITECTS eine Blaupause für den modernen Metalcore

Anteil daran hat selbstredend auch Frontmann Sam Carter, der zwischen Gift und Galle die eigene Gefühlslage nicht vergisst. Ob hochaggressive Shouts, dezent platzierter Klargesang oder die zum Markenzeichen gewordene Fry-Technik – wir nehmen dem Sänger jedes einzelne Wort ab. Die punktuelle Streicheruntermalung wie in „The Devil Is Near“ oder „Colony Collapse“ wäre daher nicht einmal nötig.

Läuft das Album ob seines unnachgiebigen Grundcharakters doch mal Gefahr, in Gleichförmigkeit zu enden, brechen ARCHITECTS die Homogenität durch ein konsterniertes Instrumentalstück wie „Red Hypergiant“ auf, nachdem „Dead Men Talking“ mit Groove und Djent-Einschlag genau jene Qualitäten vorgelebt hatte, die nachfolgende Generationen nun fest in ihre DNA aufgesogen haben. Nur die Finesse, die Stücke wie „Broken Cross“ oder „C.A.N.C.E.R“ so unverwechselbar machen, lässt sich nicht so einfach reproduzieren.

“Lost Forever // Lost Together” ist ein wegweisendes Genre-Werk

Eine Erfahrung, die leider auch ARCHITECTS selbst machen mussten: Nach Searles beeindruckendem Abschiedswerk „All Our Gods Have Abandoned Us“ (2016) und der teils aus dessen Nachlass entstandenen Trauerbewältigung „Holy Hell“ (2018) schlossen die Könige des modernen Metalcore ihrerseits dieses Kapitel ab, um künftig einen simpleren, leicht bekömmlichen Ansatz zu verfolgen. Was allerdings bleibt, ist ein wegweisendes, bisweilen monumentales Werk, dessen Einfluss bis zum heutigen Tag und wohl darüber hinaus nicht genug gewürdigt werden kann. Dass all das an jenem 11. März 2014 noch niemand richtig realisieren konnte, soll letztlich keinem zum Verhängnis werden – hinterher ist man bekanntlich immer schlauer.

Veröffentlichungstermin: 11.03.2014

Spielzeit: 49:14

Line-Up

Sam Carter – Vocals
Tom Searle – Guitars, Keyboards, Programming
Alex “Ali” Dean – Bass
Dan Searle – Drums, Percussion, Programming

Produziert von Henrik Udd und Fredrik Norström

Label: Epitaph Records

Homepage: https://architectsofficial.com/
Facebook: https://www.facebook.com/architectsuk

ARCHITECTS “Lost Forever // Lost Together” Tracklist

1. Gravedigger (Video bei YouTube)
2. Naysayer (Video bei YouTube)
3. Broken Cross (Video bei YouTube)
4. The Devil Is Near
5. Dead Man Talking
6. Red Hypergiant
7. C.A.N.C.E.R.
8. Colony Collapse
9. Castles In The Air
10. Youth Is Wasted On The Young
11. The Distant Blue

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