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VELNIAS: Analog – der einzig wahre Weg

Auf ihrer ersten Europatour als Support von AGALLOCH machten die amerikanischen Black Metaller VELNIAS eine mehr als gute Figur. Zeit, mit Mastermind Petras über Black Metal, analoge Aufnahmetechniken und die Unterschiede zwischen der Alten und der Neuen Welt zu diskutieren.
 
Während viele norwegische und schwedische Black Metal-Bands der glorreichen Tage entweder in Vergessenheit geraten sind oder sich stilistisch neu orientiert haben, haben sich in der bergigen Region des amerikanischen Wilden Westens VELNIAS formiert, die mit ihrer Musik die archaische Faszination des Schwarzmetalls neu interpretieren. 

Was im Underground schwelt, kommt endlich ans Licht – und VELNIAS absolvierten im April eine Tour mit AGALLOCH, um ihr neues Werk “RuneEater” zu promoten. Zeit, die Band aus Colorado vor ihrem letzten Tourkonzert im Sounddock 14 im schweizerischen Dietikon zu interviewen. Mastermind Petras gibt Auskunft und beleuchtet nicht nur die Hintergründe zu ihrem neuen, tollen Album “RuneEater”.

Warum habt ihr den Namen VELNIAS gewählt? Habt ihr Verbindungen zu Litauen, oder war es eine ästhetische Namenswahl?
Wir haben den Namen VELNIAS gewählt, weil in meiner Familie von der Seite meiner Mutter her alle aus Litauen kommen. Sie kamen vor zwei Generationen in die USA, und wir haben viele litauische Traditionen beibehalten. Darum sprechen wir, die Kinder, auch Litauisch und kennen zudem viele Traditionen dieses Landes.
Den Namen VELNIAS haben wir aus mehreren Gründen gewählt. Erstens erhält er einen Teil Folklore am Leben, die mit einem Volk und einem Land verbunden ist, die viel Scheiss ertragen mußte während der Sovietbesatzung. Die Soviets versuchten, die Geschichte, die Sprache und ältere Folklore Litauens auszumerzen. Der Name VELNIAS hält also etwas am Leben, das zu einer Kultur gehört, die älter ist als das christliche Litauen. Außerdem steht die Figur VELNIAS für etwas, mit dem ich Lyrics-mäßig was anfangen kann, sprich thematisch und verbunden mit meiner Sicht der Welt. 
Auf eine Art ist VELNIAS ein Mittel für mich, um auszudrücken, was ich in der Welt sehe. VELNIAS war der Gegenpunkt zu Perkunas (der der Beschützer der Menschen war, er war eine Figur wie Thor, beschützte also die Menschen und nährte sie). VELNIAS hingegen war der Gott, der alle Schwierigkeiten kreierte, er machte Wölfe, die die Schafe der Menschen assen und bereitete so den Menschen Probleme. Er wird zudem mit der Unterwelt, der Weisheit und der Eiche assoziiert, ähnlich wie Odin. Man sagte, dass sich VELNIAS immer vor Perkunas unter den Wurzeln von Eichen versteckte – jedes Mal, wenn man ihn jagte. 
VELNIAS wird allerdings nicht mit der dunklen Seite des Bösen assoziiert, auch wenn er der Gegenspieler der Menschen ist. Denn die Religionen scheinen zu vergessen, dass wir diese Dualität brauchen, um weiterzukommen. Du kannst das an jeder Situation sehen. Nehmen wir das Beispiel eigene Kinder erziehen. Du kannst das nicht tun, wenn du nur die Sonnenseiten siehst. Du brauchst auch die Schwierigkeiten, die damit verbunden sind, um stärker zu werden.
Viele Leute denken, dass VELNIAS einfach ein Teufel ist, aber das ist er nicht, das ist ein von den Christen geschürter Irrglaube, der alle Götter betrifft, die den Menschen halt Schwierigkeiten bereiten – sie alle werden in diesen Böse-Topf geworfen. Mit Lucifer ist es dasselbe: er war der Bringer von Wissen, er kreierte Situationen, die Menschen dazu brachten, denken zu müssen. Er öffnete so manchen die Augen, und deswegen machen seine Hindernisse die Menschen stärker, auch wenn oder gerade weil sie Herausforderungen sind.
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Wie würdest du jemandem euren Musikstil beschreiben, der VELNIAS nicht kennt?
Wir sind definitiv sehr beeinflusst vom älteren Black Metal, Folk Music und Doom. Irgendwo zwischen CANDLEMASSAHABBLACK SABBATHDARKTHRONE, frühen BURZUM und PRIMORDIAL. Wir schubladisieren uns nicht gern, wir verpassen uns also nicht einfach das Label Black Metal. Wir schreiben Riffs, und wie auch immer diese Riffs sind, so sind sie. Wir versuchen nie, Riffs in eine bestimmte Richtung zu forcieren. Man kann uns Blackened Folk Doom Metal nennen, das ist vermutlich am einfachsten einzuschätzen für diejenigen, die VELNIAS noch nicht kennen. Denn wir haben definitiv Elemente des Black, Folk und Doom Metals in unserer musikalischen Ästhetik.
Das ist ja eure erste Europatour. Wie war es bis jetzt?
Es war fantastisch, wir bekamen tolles Feedback! Wir konnten vor vielen Leuten spielen, die uns vorher noch nie gehört und nie live gesehen hatten, und wir hatten eine echt gute Zeit. Gut in allen Dingen!
Wie würdest du die Gigs in Europa mit denen in den USA vergleichen?
In den USA zu Touren ist kompliziert. Es macht zwar Spaß und ich genieße es, aber du hast die West- und die Ostküste, wo die Shows gut gehen, vor allem an der Westküste. Und dann gibt es den großen Teil dazwischen, wo es eine reine Glückssache ist, ob du eine gute oder eine schlechte Show hast. Hier in Europa ist es anders, denn hier wird mit mehr Hingabe gehandelt. In Europa fahren die Leute Stunden, um zu einer Show zu kommen, zu der sie wirklich wollen. In den Staaten sind 20 Minuten Fahrzeit und 15 US$ Eintritt bei vielen Leuten schon das Killerargument gegen eine Show, und dann gehen sie nicht hin. Die Apathie und die Faulheit der Amerikaner, das ist der größte Unterschied zu Europa!
Europa ist ja auch nicht überall gleich. Welche Städte waren besser bezüglich Shows und Publikumsauflauf?
Nun, da wir mit AGALLOCH auf Tour sind, hatten wir bei jeder Show ordentlich Publikum. AGALLOCH sind schon seit einer Weile im Business und wir sind froh, dass wir sie begleiten dürfen auf dieser Tour. Die cooleren Shows für uns waren diejenige in Christiania (Dänemark), Paris und London. So oder so, schlecht war keine einzige Show auf dieser gesamten Tour. Das ist toll!
In dem Fall nehme ich an, dass das Touren mit AGALLOCH eine gute Idee gewesen ist.
Ja, das war eine fantastische Idee. Ästhetisch war es die richtige Wahl, denn ich denke, dass Leute, die AGALLOCH gut finden, auch uns mögen. Von dem her gibt es keine stilistischen Brüche in der Performance. Außerdem besteht AGALLOCH aus tollen Jungs und wir hatten eine gute Zeit zusammen. Wie gesagt, alles super!
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Ihr habt ja auch beim INFERNO FESTIVAL in Oslo gespielt – zusammen mit namhaften Bands wie ARCTURUS oder BORKNAGAR. Wie war es für euch in Norwegen?
Es war ziemlich cool, in Oslo zu spielen, zumal diese Stadt sozusagen das Zentrum des Black Metals ist, den wir mögen. Außerdem war das INFERNO FESTIVAL unsere erste Erfahrung mit einem europäischen Festival, und es war schön zu sehen, wie es bei einem europäischen Festival zu geht. Als amerikanischer Jugendlicher hörst du nur immer von den europäischen Festivals und siehst ihre Line Ups, und dann denkst du Verdammt, die haben so viele tolle Festivals mit so geilen Billings, es wäre zu schön, nur mal an einem dabei zu sein!. Deswegen war es eine coole Erfahrung, am INFERNO FESTIVAL auftreten zu dürfen.
Konntest du einige andere Bands angucken am INFERNO und am ROADBURN FESTIVAL sowie auf eurer Tour?
Wir haben auf der Tour nicht wirklich viele Opener gehabt, meistens haben nur wir und AGALLOCH gespielt. In Deutschland waren HERETOIR dabei und FEN spielten mit uns in London. Das war cool, denn wir hören uns die Musik von FEN schon seit einer Weile an. Heute Abend spielen wir mit EXCRUCIATION. Sie gibt es schon lange, und auf ihre Art sind sie deswegen schon legendär hier in der Schweiz. Das ist also cool. Die Festivals waren auch cool, denn wir hatten die Möglichkeit, Bands wie ULVERVOIVOD und MICHAEL GIRA zu sehen. Viele tolle Möglichkeiten!
VELNIAScovervonband 
Es scheint, dass euer neues Album RuneEater erst gerade auf dieser Tour erschienen ist, ohne Promotion vor der Tour. Außerdem habt ihr es nur auf Vinyl veröffentlicht. Wieso dieses scheinbar geschäftsfeindliche Vorgehen?
Business und Kunst lassen sich für mich nicht vereinen. Wir versuchen etwas Neues, deswegen geht alles etwas langsamer. Ich mag es einfach nicht, Leuten was aufzuschwatzen und ihnen aufzuzwingen. Wenn die Leute mögen, was wir machen, dann finden sie uns und unsere Kunst aus eigenem Antrieb. Ich werde ihnen nicht sagen, dass sie uns anhören müssen. Ich glaube an RuneEater, ich denke, es ist ein wirklich gutes Album und ich bin glücklich über das, was wir kreiert haben, und für mich ist es gut so. 
Shows zu spielen, nur um ein neues Album zu promoten, fühlt sich einfach nicht richtig für mich an. Ich mag es lieber, wenn Leute meine Musik gehört haben, und dann kommen sie zu einer Show, um uns auch noch live zu erleben. Natürlich ist es auch schön, für ein neues Publikum zu spielen, das dein Material noch nicht kennt, aber ich spiele nicht Shows, um Leute krankhaft überzeugen zu müssen. 
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Ihr habt ja seit den Arbeiten an RuneEater neue Mitglieder an Bord. Wie lassen sich RuneEater und das Vorgängeralbum Sovereign Nocturnal stilistisch vergleichen?
Ich würde sagen, dass der Mitgliederwechsel nicht wirklich das Songwriting beeinflußte. Denn eigentlich machen wir das schon die ganze Zeit, seit dem Demo. Wir komponieren Riffs, und dann kombinieren wir sie mit einer Struktur, um Songs zu kriegen, die Sinn machen und der Musik entsprechen, die wir in der Welt finden. Und so bewegen wir uns vorwärts. 
Ich denke, es ist eher eine Realisation, weil wir mit der ganzen Tourerei halt viel Schlechtes gesehen haben und so die Musik an Reiz verlor. Da war ein Line Up-Wechsel natürlich zusätzlich frustrierend. Aber ich glaube, dass die neue VELNIAS-Einheit gut darin sein wird, neue Türen aufzumachen und zusammen als Musiker in die gleiche Richtung voranzuschreiten. Ich glaube, es ist immer eine fluide Evolution, die nicht nur die Musik an sich betrifft und die Richtung, in die wir wollen, sondern auch unsere Einstellung und unser Handling unserer Instrumente und wie wir sie spielen. Es ist eine Art Wiedergeburt, ein Wiederaufflammen – deswegen habe ich damals angefangen, Gitarre zu spielen, das ist das, was ich will. Und mit dem neuen Line Up haben wir unseren Fokus wieder darauf gelegt.
Es scheint so, als ob ihr ziemlich viel Aufwand betrieben habt, um den truesten Analogsound hinzukriegen. Da ihr das geschafft habt: Welche Gefühle kommen bei dir auf, wenn du an den Aufnahmeprozess und dessen Endresultat denkst?
Wir haben dieses Album komplett analog aufgenommen, primär aus dem Grund, dass wir mit unserem Freund Adam (PESANTA URFOLK) zusammenarbeiteten. Er hat sehr strikte Regeln, wenn es um seine Releases geht. Er glaubt, dass die Integrität der Musik intakt gehalten werden muss, von den Aufnahmen bis zur Veröffentlichung. Somit wurde alles analog gemacht: analoges Aufnahmeequipment, keine digitale Überarbeitung, sondern Two-Inch-Tape zu Half-Inch Masters, dann Lack und schließlich die Pressung auf Vinyl. Für mich ist das eh der einzige wahre Weg, und das meine ich nicht als Vinylsammlersnob.  
Und das Ganze macht sehr wohl Sinn, denn mit digitalem Aufnehmen macht man ja eigentlich nur eins: Man samplet etwas und zerstört damit die Integrität. Es ist wie wenn man von einem Gemälde ein Foto macht, und dann diesen Print verkauft. Es ist eine Repräsentation davon, was die Musik ist, aber es ist nicht die eigentliche Musik. Studien zeigen, dass das Gehirn verschieden auf analoge und digitale Aufnahmen sowie Live-Performances reagiert. 
Es ist eine Schande, aber es ist salonfähig geworden, dass man einfach Mp3-Downloads von Musik rausgibt. Natürlich höre ich mir selber auch Mp3s an, es ist schnell und einfach. Aber es ist eine völlig andere Erfahrung, wenn du selber auf der anderen Seite stehst und als Musiker involviert bist. Der Prozess nimmt dich völlig für sich ein. Sogar die Energie, und jede Bewegung in diesem Raum, alles ist ein direkter elektrischer Transfer zum Magnetrest auf diesem Tape. Danach wird alles zur Bewegung der Nadel durch die Grooves der Platte. Es ist alles genau dort, nicht eingeengt durch 44000 Samples pro Sekunde, wo es noch immer Lücken gibt, die der Computer durch sein Ratespiel zu schließen versucht. Nein, diese analoge Einstellung birgt ein sehr echtes Gefühl in sich, und das ist etwas, was meiner Meinung nach in all diesen modernen Dingen verloren geht.
Soweit ich es gehört habe, klingt euer Album ziemlich vielschichtig. Welche Instrumente habt ihr bei den Aufnahmen benutzt?
Wir haben RuneEater live aufgenommen. Wir haben alles so in einem Raum aufgestellt, wie wir es tun, wenn wir live spielen. Wir haben ein paar kleine Leadfills für die Gitarren dazu gemischt und die Vocals wurden danach aufgenommen. Aber alles andere haben wir einfach so alle zusammen gleichzeitig im gleichen Raum eingespielt. Wir wollten die Energie einfangen, die wir haben, wenn wir live spielen. 
Beim Opener Velnio Maldavimas (The Invocation of VELNIAS) benutzten wir Konzert-Bassdrums, Timpani und Kangling Hörner (diese machten wir aus Oberschenkelknochen von gefolterten Kriminellen). Die Kangling Hörner sollen Dämonen heraufbeschwören können, und das passt natürlich gut dazu, dass VELNIAS eigentlich ein Dämon ist. In diesem Teil ist es ein Heraufbeschwören dieses Dämons, er soll kommen und die Herausforderung präsentieren, so dass wir als Menschen durch diesen Trubel wachsen. Die Veränderung, die kommen muss.
Folgen die Texte einem ähnlichen Weg wie die Lyrics der vorherigen Releases? Und um was geht es eigentlich?
      
Ich würde sagen, dass es textlich insgesamt Sinn macht, wenn du es als eine Art Prosa aus vergangenen Zeiten liest und es als Geschichten über die Mühen dieses Mannes siehst. Man könnte aber auch realistisch sein und diese Songtexte als Linse benutzen, um auf die heutige Welt zu schauen, das funktioniert auch. Drauf schauen, wie alle dasjenige, das wichtig ist, aus ihrem Sichtfeld verloren haben. Wie alle auf Geld und Geschwindigkeit und Effizienz fixiert sind, statt ein gutes Leben zu leben, wo Menschen Stärke, Integrität und moralische Grundsätze haben. Die Texte sind Prosa gegen diese verwaschene Riesenkultur, die eine Art großes graues Nichts ist, weil alle wollen, dass wir Englisch sprechen, Christen sind und die gleiche Währung benutzen. Wofür? Geschwindigkeit und Effizienz, was nützt das? Wir haben die Fähigkeit, zu denken und uns Welten in unseren Köpfen zu erschaffen, aber wir geben es auf für simple materielle Ziele. Für mich ist das lächerlich. Und es fällt mir schwer, diese Welt noch ernst zu nehmen.
Kommen wir zu weniger zeitkritischen Belangen: Soweit ich weiß, hättet ihr RuneEater schon zu Beginn der Tour mit dabei haben sollen, aber ihr habt das Album erst in der Mitte der Tour gekriegt. Warum?
Alles war Monate im Voraus geplant worden. Wir hatten Kontakt mit dem Presswerk in Prag, und bis zum Zeitpunkt unserer Abreise sollte das Album gepresst sein. Leider gab es auf der Seite des Presswerks etliche Komplikationen und Verzögerungen, weswegen wir mittlerweile die Tour praktisch fertig absolviert haben und lediglich mit der Vinylversion (statt mit CD und Vinyl) da stehen. Bald sollte jedoch alles fertig sein, hoffe ich. Es wird drei Editionen geben, die europäische, die schwarz auf rot ist (also The Blood Of Kings); die weiss-auf-rot Version (Blood On Snow) und dann noch die silber-rot-Splatter-Variante (Blood On Steel).
Und die CD-Version?
Es wird auch eine CD-Version geben, ein sehr schönes Deluxe Digibook. Eigentlich sind CDs nicht so Adams Fall, weil er nicht gerne mit einem digitalen Medium arbeitet. Er will nur mit Kassetten und Vinyl arbeiten. Also ist die VELNIAS-CD die erste, die er macht, denn man muss heutzutage Musik einfach auch in diesem Format veröffentlichen. Nur so kommen mehr Leute in den Genuss deiner Musik, denn nicht alle haben einen Kassettengerät oder einen Plattenspieler daheim. 
Wer hat sich um das Artwork von RuneEater gekümmert?
Ein guter alter Freund aus meiner Kindheit, Adam Watts. Er ist ein sehr begabter Künstler. Sein Stil fokussiert auf schwerer, tintenreicher Linienarbeit, die an alte Holzdrucke erinnert. Das mögen wir sehr. Für uns ist er genau der richtige, denn er schafft es, unsere Visionen von den Lyrics und dem Klang unserer Musik visuell perfekt umzusetzen. Es war toll, mit ihm zusammenzuarbeiten, denn er wusste ganz genau, was wir wollten. Es ist auch gut, ihn zu haben, denn wir können so zusammen wachsen mit diesen Ideen, und er ist immer sehr begeistert davon, neue visuelle Konzepte zu realisieren.
Das Bandfotoposter, das mit der LP kommt, ist wirklich cool von der Perspektive her. Wo wurde die Aufnahme gemacht?
Es ist einer meiner Lieblingsorte zum Wandern in der Nähe unseres Hauses. Das Foto wurde in der Nähe des Caribou Summit gemacht, etwas 20 Minuten entfernt von unserem Wohnort auf dem Continental Divide im Staat Colorado. Es ist ein großartiger Ort und toll fürs Wandern.
VELNIASlabellogovonband 
Ihr seid jetzt ja quasi in der Alten Welt auf Tour und habt so schon viele europäische Städte gesehen. Hat dies einen Einfluss auf deine Wahrnehmung der Welt und Amerikas? Falls ja, inwiefern?
Ich weiß nicht, ob dieser Trip wirklich einen Effekt hatte in dieser Beziehung, denn es ist immer alles recht schnell gegangen. Man wacht in einer Stadt auf und spielt eine Show, dann reist man weiter. Aber als ich früher mit meinem Bruder und einigen Freunden nach Europa reiste, dann hatten wir einiges an Gepäck dabei und blieben jeweils einige Tage in einer Stadt. Wir schauten uns dann in dieser Stadt so viel wie möglich an und reisten erst danach weiter. So haben wir 16 Länder gesehen. Diese Reise hat mich wirklich beeinflusst. Ich ging wieder zurück nach Litauen, wo ich vorher mit meinem Vater gewesen war. Aber jenes Mal hatten wir mehr Zeit, das Land auf eigene Faust zu erkunden. Es ist witzig, aber das hat mich wirklich beeindruckt, dass ich mich in einem fremden Land so zuhause fühle, obwohl ich nie vorher dort gewesen war. Aber ich hatte halt dennoch die Verbindungsstränge Sprache, Kultur und all diese Dinge, die mir meine Eltern mitgegeben hatten. So waren die Litauer mir gegenüber viel wärmer, sie wussten, dass ich abstammungsmäßig einer von ihnen bin. Ich würde sagen, dass mich diese Reise damals definitiv veränderte – und sie fand statt, als ich jünger war und bevor ich mit VELNIAS anfing.
Als ich also aus Litauen zurück nach Amerika kam, war das schon ein gewisser Schock. Obwohl ich noch so jung war, realisierte ich, dass die Amerikaner zu nichts eine echte Verbindung hatten. Sie sind einfach Menschen, sie fühlen sich dem Land nicht verbunden, sie fühlen sich einander nicht verbunden, sie kennen die Kultur ihrer Vorfahren nicht. Es ist so anders, und diese Reise hatte mir das gezeigt, hatte mich aufgeweckt und mich und meine Ansichten tiefgreifend verändert. Amerikaner haben keine Ahnung und eigentlich ist es nicht ihr Fehler, aber es gibt zum Beispiel Leute, die deutsches und französisches Blut haben, und gleichzeitig keinen Schimmer von deutscher oder französischer Kultur haben. Sie haben keine Verbindungen zu den grundsätzlichen Traditionen oder Sprachen, sie können nur Englisch. Sie sind Amerikaner. Was heißt das überhaupt?
Die anderen Länder sind schon seit Ewigkeiten da und haben eine reiche Geschichte und Kultur. Menschen starben, um diese Sprachen und Kulturen zu bewahren und sicherzustellen, dass sie weiterleben. Darum ist es ja auch so deprimierend, dass jetzt aufgrund von Geld und der EU und diesem Drang nach effektiverem Kommerz und schnellerer Kommunikation, diese Sprachen und Kulturen einfach weggeschmissen werden, obwohl in der Vergangenheit Menschen ihr Blut eben dafür vergossen hatten. Was ist das Endresultat, was soll das Ziel sein davon? 
Schau dir Amerika an und all seine FDA (federal department of agriculture)-Regulationen: obwohl die Menschen gar keine Nahrung zu sich nehmen, sondern nur irgendwelchen chemischen Mist. Aber das ist okay. Sie müssen Werbung machen für natürliches und Bio-Essen – ist das akzeptierbar? Wir schlagen uns die Bäuche voll, und spachteln die Substanz unseres Seins zu mit diesem Mist, der so krass reguliert sein soll. Nun bringen sie diesen Mist auch noch in andere Länder. 
Was ist der Sinn davon, 120 Jahre alt zu werden, wenn man sich in der heutigen Zeit für irgendeine idiotische Aufgabe versklaven lässt, nur damit man schnell ein bisschen Geld verdient? Niemand hinterlässt mehr etwas, niemand beschützt mehr etwas, niemand schert sich darum, woher sie gekommen sind und wohin sie gehen. Es ist so eine oberflächliche kleine Jagd. Mich macht es schweinesauer und mein Blut kocht deswegen. Die Menschen haben keinen Sinn mehr für die wichtigen Dinge im Leben: die Familie, einen Moment da zusitzen und die Ewigkeit genießen, den Duft der Luft genießen, sein Essen wirklich wahrnehmen, die Gesellschaft, in der man sich befindet, wirklich schätzen. Die Menschen machen das nicht mehr, denn sie haben nur 15 Minuten Zeit, und dann müssen sie schnell weg und sich um das nächste Ding kümmern. Wohin eilen wir?
Dieses Eilen ist, wie du sagst, in Amerika wohl noch ausgeprägter als hier in Europa. Denkst du, dass Europäer sich auch eher dem Metal verschrieben haben als Amerikaner? Und sind sie irgendwie auch stolzer auf Metal aus diesem Grund?
Das ist eine Unterscheidung, die man nur schwer vornehmen kann. Ich glaube, dass es viele Menschen in Amerika gibt, die den Metal wirklich lieben. Aber die Europäer haben sich mehr dem Metal verschrieben, denn die Amerikaner mögen gleichzeitig noch diese dämliche Crust und Hippie-Kultur. Der Grund, weswegen ich mich für Metal zu interessieren begann war, dass ich Leute sah, die extreme Dinge taten und extreme Ansichten vertrugen. Sie machten Dinge, sie glaubten an etwas und sie handelten dafür. Sei es, weil sie jung waren, sie verrückt waren, sie dumme Sachen machten – aber sie machten was. Sie schnappten sich Gitarren und spielten Riffs, statt diesen Drone-Nonsens. 
Aber heutzutage gibt es in Amerika Bands, die wollen gar nicht mehr, dass du eine Gitarre nimmst und ein Riff lernst, auch wenn das der wahre Kern des Metal ist. Aber diesen Kern verliert Amerika zurzeit mehr und mehr, weil sie zu sehr mit diesem Hipster-ich-starre-den-Boden-an-und-nicke-mit-meinem-Kopf Mist beschäftigt sind. Ich mag das Vorgehen der Europäer mehr. 
Und darum ist es so dämlich, wenn die Europäer sich amerikanische Bands anschauen und denken, dass das alles ist, was aus Amerika kommt, dieses Drone-Zeug. Musik, die einen dazu bringt, nur herumsitzen zu wollen, deprimiert zu sein und sich selber aufzuritzen. Ich mag das nicht, und es scheint, dass Amerika aber genau das geil findet. Natürlich generalisiere ich das jetzt etwas, ich weiß, dass es viele Menschen in Amerika gibt, die was anderes machen. Aber wenn du in den Staaten tourst, siehst du so viele Leute, die einfach keine Ahnung haben. Und ich denke, da gibt es eine Verbindung zum vorher erwähnten kulturellen Zerfall. Sie haben keinen Background, sie wissen nicht, wovon sie sprechen. Und dann gibt es deswegen Leute, die einfach Black Metal wie DARKTHRONE machen wollen, aber gleichzeitig über irgendwelchen Hippie-Mist singen wollen. Ich kann damit gar nichts anfangen, so absolut gar nichts.
Gibt es denn noch gute Black Metal-Bands ausser VELNIAS in den USA, die du empfehlen kannst?
Es gibt nicht viele Bands aus den USA, die ich mag. Die meisten amerikanischen Bands langweilen mich. Ich kann mich nicht mit ihnen identifizieren, denn sie stehen für nichts. Wenn du für nichts stehst, warum existierst du dann überhaupt? Wenn du in etwas bist, dann teile den Leuten etwas mit, warum soll man dann nichts sagen? Warum sollte dich dann irgendjemand anhören? Du hängst einer Ästhetik an, die bereits gemacht worden ist. Wenn du dröhnenden Metal willst, dann höre dir BURZUM an. Er machte das und er glaubte an das, was er machte. Hör dir nicht diesen Mist an, der keinen richtigen Sinn hat. Sorry, jetzt habe ich den Faden verloren. 
Zurück zu den empfehlenswerten Bands aus Amerika: Wir haben einige Freunde in Colorado, deren Musik wir mögen: FLIGHT OF SLEIPNIR heißen sie, und sie machen Folk Doom Metal mit einem leichten Stoner-Einschlag. NIGHTBRINGER aus Colorado Springs sind auch toll, sie machen richtig düsteren Black Metal.
Und dann natürlich AGALLOCH. Sie sind schon sehr lange da, sie haben den Standard festgelegt und machen etwas Echtes. John ist ein toller Typ, er hat eine Vision. Er macht AGALLOCH, er macht Musik, die schon immer AGALLOCH gewesen ist. Sie sind natürlich schon sehr bekannt, aber AGALLOCH sollten sogar noch mehr Bekanntheit und Respekt erlangen!
Wenn du eine Interviewfrage an dich stellen könntest, welche wäre es und was wäre die Antwort darauf?  
Ich denke, das ist diejenige, die du mir schon gestellt hast, sprich, wofür VELNIAS steht, und dann natürlich die Frage zur Verbindung zu anderen Teilen der Musik. Es war für mich immer am schmerzhaftesten, mit all den anderen amerikanischen Bands, deren Mitglieder keine Ahnung haben, in einen Topf geworfen zu werden. Eigentlich ist es mir ja egal, weil in Wirklichkeit jeder Mensch eine Stimme hat und was zu sagen hat. Und ich ziehe es vor, zu polarisieren. Sprich: entweder hassen oder lieben die Leute VELNIAS. Das ist besser als ein lasches Oh, yeah-Feedback voller Gleichgültigkeit. Es gibt Leute, die es für nötig halten, online über unseren Lebensstil zu schreiben. Dass wir alle Hipster seien mit dicken Brillen, die so schwach und zart spielen, weil sie Angst hätten, sich beim Musikmachen die Knochen zu brechen. Das ist cool, ich bin froh, dass die Leute uns so gut kennen. Yeah. Wir sind alle Hipster-Warmduscher, die nur Metal machen, weil sie mal WOLVES IN THE THRONE ROOM gehört haben… haha…
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Wie sehen die Zukunftspläne von VELNIAS aus? 
Ein ewiger Eroberungsfeldzug, solange die Flamme für die Musik brennt. Wir sind immer dabei, zu kreieren, aus Paul strömen die Riffs heraus und ich habe noch so viel, was ich textlich zum Ausdruck bringen will. Mein Gehirn ist immer auf Zack und ich werde hibbelig, wenn ich diese Energien nicht herauslassen kann. All diese Konzepte, die in meinem Kopf herumgeistern, und für mich steht die Zeit nur still, wenn ich diese Ideen in ein Riff verpacken kann. Die ganze Welt um dich herum rast ja schon die ganze Zeit, und will dich zum Schnelldenker machen. Aber in der Musik ist der eine Ort, wo man die Vibration einer Saite anhören kann und so die Zeit stoppt. Solange uns die Inspiration nicht verlässt, schreiben wir weiter und touren so viel wir können.
 
Ich will auf jeden Fall nach Europa zurückkommen so oft es geht, denn diese Europatour mit AGALLOCH war eine großartige Erfahrung und die Leute haben uns darum gebeten zurückzukommen. Diesen Sommer haben wir noch eine US-Tour vor uns mit OBTEST aus Litauen. Das ist sehr cool, denn wir mögen ihre Musik sehr und sie waren noch nie in Amerika. Wir werden mit OBTEST auch noch eine 7´-Split machen – eine litauische Zusammenarbeit. Wenn man aus Litauen ist, weiß man, dass das Land bis 1989 so viel Scheiße ertragen musste, und wir haben dazu definitiv was zu sagen – zum Beispiel wie man trotz allem die eigene Kultur am Leben hält, standfest bleibt und nicht zulässt, dass man ausgerottet wird. Litauer zu sein ist tief in mir verankert. Ich mag es, Ziele zu haben und etwas zu sagen zu haben.
Dann spielen wir noch bei zwei Festivals in den USA: GATHERING OF SHADOWS in Colorado (zusammen mit NIGHTBRINGER) und dann das STELLA NATURA-Festival in den Sierra Nevada Mountains. Letzteres Festival wird von PESANTA URFOLK organisiert und das sollte ziemlich cool werden. Das ist ein exklusives Bergfestival, ganz in der Natur, mit Lagerfeuern und so. Für mich die einzig wahren Festivals in Amerika.
 
Interview und Titeldesign: Markus H.D.
Übersetzung und Layout: Arlette Huguenin Dumittan
Bilder: Band 
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