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TIME REQUIEM: Ein Grabgesang für MAJESTIC

Nach zwei Alben wurde es plötzlich still um MAJESTIC, die Band des skandinavischen Keyboarders Richard Andersson. Doch jüngst tauchte der blonde 2 Meter-Hüne wieder aus der Versenkung auf. An sich nicht weiter erstaunlich, wäre da nicht die Verlautbarung, MAJESTIC gäbe es nicht mehr und der neue Name, der fortan für komplexen und dennoch melodischen Neoklassic Metal bürgen solle, laute TIME REQUIEM. Was war geschehen? Richard Andersson berichtet…

Nach zwei Alben, die von der einschlägigen Presse wohlwollend aufgenommen worden waren, wurde es plötzlich still um MAJESTIC, die Band des skandinavischen Keyboarders Richard Andersson. Doch jüngst tauchte der blonde 2 Meter-Hüne wieder aus der Versenkung auf, und mit ihm ein Großteil der Musiker, die bereits auf dem MAJESTIV-Album ‘Trinity Overture’ zu hören waren. An sich nicht weiter erstaunlich, wäre die Wiederkehr der Schweden unter altem Namensbanner erfolgt. Stattdessen überraschte Andersson mit der Verlautbarung, MAJESTIC gäbe es nicht mehr. Der neue Name, der fortan für komplexen und dennoch melodischen Neoklassic Metal bürgen solle: TIME REQUIEM. Was war geschehen?

Ich war der Ansicht, daß unser europäisches Label hinsichtlich der Promotion der MAJESTIC-Alben keine gute Arbeit geleistet hat, erklärt Andersson.Sie standen einfach nicht wirklich hinter uns und unserer Musik und haben gehofft, daß sich die Alben von alleine verkaufen. Ähnlich erging es uns mit unserem Management und unserer Production-Firma, sie alle haben sich nur wenig für uns eingesetzt. Ich wollte mit Leuten weiterarbeiten, die etwas motivierter sind und uns voranbringen. Da waren allerdings die ganzen Verträge. Um aus diesen herauszukommen, mußte ich eine Schnitt machen. Ich habe beschlossen, MAJESTIC auf Eis zu legen und eine neue Band zu gründen. Mir schwebte schon seit einiger Zeit vor, etwas progressivere Songs zu schreiben und grob in die Richtung DREAM THEATER und SYMPHONY X gehen. TIME REQUIEM ist grundsätzlich also etwas Neues, und das ist mir auch wichtig. Aber es gibt natürlich musikalische Reminiszenzen an MAJESTIC.

Und jetzt erfahrt Ihr mehr Unterstützung?

Definitiv, ja. Regain Records ist ein kleines schwedisches Label. Daß es nicht so groß ist wie unsere alte Plattenfirma kommt mir durchaus entgegen. Große Labels haben einfach zu viele Bands unter Vertrag und es ist ihnen einfach unmöglich, jede einzelne Band optimal zu unterstützen. Bei Regain sind nur rund zehn Bands und die Promotion unseres aktuellen Albums hat eine hohe Priorität. Sie haben auch ein gutes Netz an Vertriebspartnern, so daß ich sehr zuversichtlich bin, daß alles in unserem Sinne laufen wird. Viele junge Bands machen den Fehler, unbedingt bei einer großen Company landen zu wollen. Ich kann aber jedem Newcomer nur raten, zunächst nur kleinere Labels in Betracht zu ziehen, denn die können einfach mehr für eine Band machen, die sich erst einen Status erarbeiten muß. Als kleine Band läuft man bei einer großen Plattenfirma nur nebenbei. Man kriegt keine vernünftige Tour ermöglicht, keine Interviews vermittelt und eben ganz allgemein schlecht unterstützt. Und meine Musik ist mir bei weitem zu wichtig, als daß ich sie weiterhin den falschen Leuten überlassen möchte. In Japan lief mit MAJESTIC alles sehr viel besser und als ich nun dort wegen TIME REQUIEM bekam ich gleich fünf oder sechs Angebote und habe auch dort bei einer neuen Plattenfirma unterschrieben, die sich sehr für uns einsetzt. Regain hat mir gerade die jüngsten Verkaufszahlen durchgegeben: In den ersten eineinhalb Wochen haben wir in Japan schon an die 10.000 Alben abgesetzt. Das spricht schon für sich selbst. Im Februar werden wir dort auch auf Tour gehen. Momentan bin ich also sehr zufrieden, wie alles läuft.

Du warst also mit dem, was MAJESTIC erreicht haben, nicht zufrieden. Letztlich ist die Musik, die Du mit TIME REQUIEM machst, allerdings auch nicht eben “kommerziell”. Wie erfolgreich kann man dieser doch recht komplexen Musik überhaupt sein, noch dazu, wenn man kein aufsehenerregendes Image vorweisen kann?

Was SYMPHONY X erreicht haben, ist wohl das Maximum, und die machen ähnliche Musik wie wir. Sie werden wohl auch nicht mehr weiter wachsen. Der Erfolg DREAM THEATERs ist in dem Genre natürlich ohnehin einzigartig, aber den wird wohl niemand wiederholen können. Immerhin haben DREAM THEATER das Genre Progressive Metal mit ihrem Erfolg gewissermaßen gegründet. Keine neue Band dieser Stilrichtung wird derlei jemals wiederholen können. Für mich selbst ist dieser große kommerzielle Erfolg allerdings auch nicht so wichtig. Ich möchte von meiner Musik leben können, das reicht mir schon. Solange ich mit kompetenten Leuten weiterarbeiten kann, bin ich zufrieden. Und wenn die Fans mir das Gefühl geben, daß sie meine Musik ebenso sehr schätzen wie ich, ist das schon reichlich Lohn. Natürlich wäre ich glücklich, wenn ich eine Millionen Album verlaufen würde, aber es reicht schon, wenn ich meine Musik machen und meine Rechnungen bezahlen kann. Ich liebe es, zu komponieren und Musik zu machen und verbringe das ganze Jahr damit. Die Möglichkeit, das zu tun, bedeutet mir letztlich alles…

Soviel Hingabe an seine Musik bringt nicht jeder mit, der im Business präsent ist. Genau genommen wimmelt es in der Szene nur so von Interpreten, denen das, was sie da machen, wahrscheinlich nicht allzu viel bedeutet. Stößt das jemandem wie Dir nicht gelegentlich bitter auf?

Yeah, I fucking hate it, haha! Das stimmt schon. Merkwürdigerweise kommen eine ganze Reihe solcher Bands ausgerechnet aus Finnland, keine Ahnung warum. Die springen einfach auf einen fahrenden Zug. Mir kommt es vor, als wären das Bands, die sich mal eben im Proberaum treffen, dort auslosen, wer denn nun Gitarre spielt und wer singt, dann ein paar Songs runterschreiben, ein Demo aufnehmen, damit umgehend einen Deal bekommen und dann Europa erobern. Die Musik bleibt dabei auf der Strecke. Natürlich gibt auch für die Bands ein Publikum, das, was sie machen, mag. Für mich ist Musik allerdings mehr. Um noch einmal auf DREAM THEATER zu sprechen zu kommen: Man hört einfach, was alles in diese Musik investiert wird. Es dauert sehr lange, derart komplexe Stücke zu schreiben. Und es ist ein riesiger Aufwand, das alles einzuspielen und vernünftig zu produzieren. Aber dieser simple Power Metal, den jetzt alle machen, scheint eine Art Erfolgsrezept zu sein, an dem sich viele junge Bands einfach mal eben orientieren. Vielleicht liege ich mit meiner Einschätzung ja falsch, keine Ahnung. Ich mag schließlich schon diese hohen Power Metal-Stimmen nicht. Diese hohen Vocals stören mich immer wieder. Und ein großartiger Sänger ist in der Regel schon die halbe Miete. Ich mag Sänger wie Dio, Tony Martin, David Coverdale oder Russel Allen von SYMPHONY X. Als wir dieses Album aufgenommen haben, habe ich unserem Sänger Apollo Papathanasio die ganze Zeit gesagt, er müsse gefälligst klingen wie Russel Allen, haha. Nein, das habe ich natürlich nicht, schließlich ist er selbst großartig und es macht viel Spaß, mit ihm zu arbeiten. Wir waren ja im vergangene Jahr mit SYMPHONY X auf Frankreich-Tour und haben uns mit den Jungs in den zwei Wochen angefreundet. Ihr Keyboarder Michael Romeo und ich haben den gleiche musikalischen Background und haben sehr viel gemein.

Als du beschlossen hattest, TIME REQUIEM ins Leben zu rufen, waren da Apollo und die anderen MAJESTIC-Musiker sofort bereit, das mit dir durchzuziehen?

Richard Andersson, Keyboarder und uneingeschränkter Boss von TIME REQUIEMJa. Bei den Aufnahmen von ‘Trinity Overture’ war ich schon sehr zufrieden mit der Band und ich wollte auf jeden Fall weiter mit ihnen arbeiten. Als ich ihnen dann die Situation mit MAJESTIC erklärte, bestärkten sie mich in meinem Entschluß, denn sie kennen Ähnliches. Peter Waldoer spielt ja auch bei DARKANE und hat ebenso wie die anderen bereits so manche Business-Erfahrungen sammeln können. Ich fragte sie also, ob sie auch in der neuen Band spielen würden, und nur der Bassist war dazu nicht bereit, aber er wollte sich ohnehin ein wenig aus dem Business zurückziehen. Ich glaube, er studiert inzwischen. Dick Lövgren, der jetzt an seiner statt dabei ist, ist allerdings ein Glücksgriff: Er ist gerade mal 22, aber unglaublich talentiert und hat all seine Parts an nur einem Tag eingespielt. Die anderen drei waren sofort wieder dabei und ich war sehr froh, daß sie mir alle folgen wollten. Sie mögen meine Musik und sie mögen es auch, wie ich die ganzen Business-Details handhabe.

Du bist offensichtlich in jeder Hinsicht der uneingeschränkte Chef deiner Bands…

Es ist wie in einer Firma: Es muß einen Boss geben, der bestimmt, wo es lang geht. Ich kann mir auch nur schwer vorstellen, mit jemand anderem zusammen zu komponieren. Das ist, als würden drei oder vier Leute gemeinsam ein Gemälde in Angriff nehmen; Einer malt die Sonner, der andere die Bäume, und am Ende kommt ein furchtbares Durcheinander heraus. TIME REQUIEM ist allein meine Vision und ich halte es wie die alten Meister Bach oder Vivalsi, die alles allein gemacht haben. Natürlich kann es bei anderen Bands auch anders funktionieren und es gibt gute Somgwritingteams, ich kann mir aber so etwas bei TIME REQUIEM nicht vorstellen.

Als Produzent hat allerdings Jonas Reingold fungiert…

In gewisser Hinsicht schon, ja. Aber genau genommen war ich schon auch der Prouzent. Alles war bis ins Detail vorbereitet, bevor wir mit Jonas ins Studio gegangen sind. Er hat im Grunde nur den Aufnahmeknopf bedienen müssen. Aber wenn man ihn mit den Jungs vergleicht, die den gleichen Job bei ‘Trinity Overture’ übernommen haben, nun… Jonas ist ein alter Freund von mir, er ist ebenfalls Musiker und Komponist, außerdem ein wunderbarer Mensch, der mich hundertprozentig versteht. Ich hatte einfach keine Lust auf all die Diskussionen mit irgendjemandem, der nicht versteht, was für Entscheidungen ich beim Aufnahmeprozess treffe. Mit Jonas war das so verdammt easy. Er wußte genau, worauf ich hinauswollte und hat fast immer schon im voraus gewußt, wenn ich die Aufnahme unterbrechen und neu starten wollte. An ein paar Arrangements haben wir auch gemeinsam gearbeitet.

Über Euer persönliches Verhältnis wußte ich nichts, aber der Fakt, daß Du mit ihm arbeitest, hatte mich zunächst aus einem ganz bestimmten Grund überrascht. Er ist nämlich auch Bassist einer Band namens REPTILIAN…

(etwas zögerlich) Ja…

Dort spielen ehemalige MAJESTIC-Musiker, die in Interviews kein gutes Haar an dir lassen und mehr über Dich herziehen als ihre eigene Band promoten…

Keine Ahnung, warum sie das immer noch tun. In ihrem Booklet haben sie mich explizit auf die “No thanks to…”-Liste gesetzt. Ich finde das albern, immerhin liegt alles schon zwei Jahre zurück und im Grunde ist gar nichts wirklich Schlimmes passiert. Wir kamen damals von einer Tour zurück und ich war der Meinung, daß sie sich nicht genug in die Band eingebracht haben und ihre Leistungen zu wünschen übrig ließen. Es war wohl eine Frage des Geldes: Sie hatten einfach mehr erwartet und waren entsprechend unmotiviert. Ich sagte: “OK, dann müssen wir eben getrennte Weg gehen!”. Das war alles. Seitdem habe ich nicht mehr mit ihnen gesprochen, aber sie sind wohl immer noch sauer. Ich selbst trage ihnen nichts nach und wünsche ihnen nur das Beste, aber im Grunde sind sie mir vollkommen egal, deshalb beteilige ich mich auch nicht an diesem Beschimpfungsspiel. Ich finde es nicht gut, ewig dreckige Wäsche zu waschen und ehemalige Mitmusiker ständig schlecht zu machen. Manchmal kommt es eben zu Konflikten und jeder muß sein Ding durchziehen. Also, was soll’s… Es ist sicherlich besser, wenn sich jeder so gut wie möglich auf das konzentriert, was er gerade macht, als immer nur der Vergangenheit nachzuhängen.

blankDann also wieder zurück zu TIME REQUIEM. Die musikalischen Aspekte der Band stehen nicht zuletzt wegen der technisch komplexen Ausrichtung der Songs relativ weit im Vordergrund. Welche Rolle spielen da noch die Texte?

Oh, die sind sehr wichtig! Insbesondere dann übrigens, wenn es darum geht, die Vocals zu arrangieren. Die Texte müssen mit der Atmosphäre der Musik in Einklang stehen. Deshalb gibt es auch kein bestimmtes Konzept auf dem Album. Der Song ‘Time Requiem’ handelt von den Umbrüchen, die ich eingangs beschrieben habe: Der Trennung von meinen ehemaligen Business-Partnern. Ein Requiem ist ja nichts anderes als eine Todesmesse, und wie ein kleiner Tod kam mir damals auch alles vor. Ich bringe also auch persönliche Aspekte in die Texte ein. Aber in der Regel ist die Bedeutung der Worte nicht so wichtig. Sie müssen vor allem gut zur Musik passen.

Dir scheint es generell sehr wichtig zu sein, daß sich alle Aspekte der Band ineinanderfügen und ein bestimmtes ästhetisches Konzept vermitteln. Das umfaßt offensichtlich auch Cover-Artwork, Homepage und andere visuelle Aspekte…

Richtig. Ich habe die Homepage übrigens selbst erstellt, denn ich bin ausgebildeter Webdesigner und arbeite seit Jahren in dem Metier. Mir ist es sehr wichtig, stets die Kontrolle zu bewahren und jedes Detail der Bandpräsentation in der Hand zu haben. Die Idee für das Coverartwork stammt ebenfalls von mir und ich bin sie mit dem Designer gründlich durchgegangen. Ja, diese Kontrolle ist mir sehr wichtig. Wenn das alles ein Erfolg wird, ist das letztlich sehr befriedigend, wenn nicht, dann weiß ich immerhin, daß ich mein Bestes gegeben habe und daß es nicht an irgendwelchen Dingen lag, die außerhalb meines Zugriffes waren. Es ist außerdem wichtig, eine bestimmte Identität zu vermitteln, insbesondere dann, wenn man noch recht unbekannt ist. Wenn jemand, der sich die CD einer Newcomer-Band gekauft hat, später auf der Suche nach aktuellen News die Homepage einer Band besucht und die in einem komplett anderen Stil gehalten ist wie Cover und Promotionphotos fühlt er sich ja da völlig falsch. Genau das war mein Anliegen: Daß man sofort erkennt, um wen es da geht, ein gewisser Wiedererkennungswert also.

Warst Du seit jeher ein sehr kreativer Mensch?

Ja, absolut. Ich habe als Kind nie sehr viel geschlafen. Meine Eltern kamen regelmäßig nachts in mein Zimmer und fanden mich vor, wie da saß und baute irgendwelche Dinge aus Legosteinen zusammen. Ich hatte schon immer sehr viel Energie. Als Kind bin ich auch nie einfach nur normal gelaufen, ich bin immer gerannt. Schon damals mußte immer alles sehr schnell passieren, und das ist noch heute so. Manchmal ist das auch keine allzu angenehme Eigenschaft, denn ich werde rasch ungeduldig. Wenn ich mit einem Projekt beginne, muß ich recht bald gewisse Ergebnisse sehen und das Gefühl haben, daß das Ganze langsam Gestalt annimmt, sonst werde ich unzufrieden. Es ist übrigens interessant zu sehen, daß meine Tochter sich ganz ähnlich entwickelt wie ich damals. Sie ist ein sehr aufgewecktes Kind, sehr gut in der Schule, und ebenfalls voller Energie.

Hast Du noch weitere Kinder?

Noch einen Sohn.

Ist es nicht mitunter schwer, die Karriere als Musiker und das Dasein als Familienvater unter einen Hut zu bringen?

In meinem Falle geht das. Das liegt daran, daß ich hier zu Hause mein eigenes Studio habe und im Grunde fast immer da bin und mich auch um meine Familie kümmern kann. Es liegt mir auch nicht so, ständig unterwegs zu sein. Ich bin froh, daß ich es mir leisten kann, den größten Teil des Jahres zu Hause zu sein. Ich bin auch nicht einer von den Musikern, die die ganze Nacht durcharbeiten und dann den Tag verschlafen. Vor einiger Zeit habe ich ja eine Weile mit Yngwie Malmsteen zusammen gearbeitet, und der macht ja genau das. Ich habe aber schnell festgestellt, daß das nichts für mich ist.

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