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HENRY ROLLINS: Bush is an evil man – die Inkarnation des Bösen

Er bezeichnet Adjektive als “langweilige Füllwörter” – aber um Henry Rollins zu beschreiben, wäre selbst das Adjektiv-Repertoire eines versierten, eloquenten Autors extrem gefordert – und notwendig, denn Rollins ist eine vielschichtige, echte Persönlichkeit – kompliziert, gebildet, kultiviert, sensibel, brutal, subtil, energisch, eitel sogar, laut in der Zeile und leise dazwischen, ein bisschen neurotisch auch und ein bisschen ordinär. Er hat das Zeug – alle Prädikate – einer Kultfigur. Seine Pressekonferenz in Roskilde war ein wirklicher Genuss – interessant, informativ und (man höre und staune) überaus unterhaltsam, stellenweise sogar witzig. Und trotzdem: Derjenige, dessen Muttersprache nicht Englisch ist, hat kaum die Chance, alles zu erfassen, was dem sehr sehr klugen Kopf dieses 33jährigen Kaliforniers entspringt. Verdammt sei hier die Sprachbarriere – und wer diesen Mangel nicht empfindet, ist entweder bewundernswert versiert im Englischen oder einfach nur ignorant. Nach der Konferenz hatte man das Gefühl “Das ist noch nicht ausgereizt, da ist noch mehr – und auch noch was Anderes”. Nun will ich Rollins nicht zum “Heiligen Heinrich” zerreden, aber dass dieser Multi-Media-Künstler etwas ganz Besonderes ist (auch ohne Sahne?Bonbons), zeigen schon die eher unorthodoxen Fragen der internationalen Presse beim Roskilde-Festival im Juni 1994, die der Vielseitigkeit und dem Intellekt dieses Mannes Rechnung tragen. Der Versuch, die Antworten von Henry Rollins in Sinn und Pointe angemessen zu formulieren, gehört für mich mit zur anspruchsvollsten Übersetzerarbeit, die ich bisher gemacht hab´. Im Ernst!



Er bezeichnet Adjektive als “langweilige Füllwörter” – aber um Henry Rollins zu beschreiben, wäre selbst das Adjektiv-Repertoire eines versierten, eloquenten Autors extrem gefordert – und notwendig, denn Rollins ist eine vielschichtige, echte Persönlichkeit – kompliziert, gebildet, kultiviert, sensibel, brutal, subtil, energisch, eitel sogar, laut in der Zeile und leise dazwischen, ein bisschen neurotisch auch und ein bisschen ordinär. Er hat das Zeug – alle Prädikate – einer Kultfigur. Seine Pressekonferenz in Roskilde war ein wirklicher Genuss – interessant, informativ und (man höre und staune) überaus unterhaltsam, stellenweise sogar witzig. Und trotzdem: Derjenige, dessen Muttersprache nicht Englisch ist, hat kaum die Chance, alles zu erfassen, was dem sehr sehr klugen Kopf dieses 33jährigen Kaliforniers entspringt. Verdammt sei hier die Sprachbarriere – und wer diesen Mangel nicht empfindet, ist entweder bewundernswert versiert im Englischen oder einfach nur ignorant. Nach der Konferenz hatte man das Gefühl “Das ist noch nicht ausgereizt, da ist noch mehr – und auch noch was Anderes”. Nun will ich Rollins nicht zum “Heiligen Heinrich” zerreden, aber dass dieser Multi-Media-Künstler etwas ganz Besonderes ist (auch ohne Sahne?Bonbons), zeigen schon die eher unorthodoxen Fragen der internationalen Presse beim Roskilde-Festival im Juni 1994, die der Vielseitigkeit und dem Intellekt dieses Mannes Rechnung tragen. Der Versuch, die Antworten von Henry Rollins in Sinn und Pointe angemessen zu formulieren, gehört für mich mit zur anspruchsvollsten Übersetzerarbeit, die ich bisher gemacht hab’. Im Ernst!

Wie würdest Du Schwäche definieren?

Ich denke, sie ist eine der elementaren Ursachen, die Gewalt und Gefahren in der Welt bewirken. Ich sehe es so, wie der großartige Autor Henry Miller: “Die größte Sünde der Welt ist Schwäche.” Alles, was bisher in Amerika falsch lief oder im Moment falsch läuft, hat Schwäche als Ursache: Rassismus, Sexismus, politischer Missbrauch jeder Art. Schwäche hat viele Erscheinungsformen – und in erster Linie die, den Freiraum eines Anderen zu beschneiden oder besetzen zu müssen, um den eigenen schaffen zu können.

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Wie siehst Du Hass in diesem Zusammenhang?

Also, Hass hat als Antriebskraft bei mir keinen großen prozentualen Anteil. Wie jeder Mensch hab’ ich natürlich auch ‘ne Menge Ängste, die jeden Morgen meine Adern füllen. Ich weiß nicht, woher Ihr alle kommt – ich jedenfalls komme aus Amerika, und wenn Ihr nicht blöd seid oder korrupt, seht Ihr dort ‘ne ganze Reihe Sachen, über die man wütend sein kann oder die zur Vorsicht mahnen – so viele Gefahren. Nimm doch nur mal die Verteilung des Reichtums: Es gibt reiche Leute und arme Leute und ‘ne Menge Leute dazwischen; Amerika ist ein sehr rassistisches Land und diese Probleme determinieren die Musik, die du machst.

Hast Du jemals daran gedacht, Amerika zu verlassen?

Nein! Niemals! Ich bin schon viel in der Welt rumgekommen – und es gibt auch ‘ne Menge Orte, die ich mag. Amerika ist mein favorisierter Aufenthaltsort, auch wenn Du Gefahr läufst, auf der Straße erschossen zu werden. Fakt ist: James Brown kommt von hier, also … (Gelächter).

Hast Du ‘mal daran gedacht, Politiker zu werden?

Nein, nein, nein (hahaha). Als Politiker bist du, wie hier, von all diesen Mikrofonen umstellt, und dann geht’s: “Ich war’s nicht! Ich war’s nicht! Der Mann hat das Geld doch nicht von mir!” (Gelächter). Also, ich komme aus einem politischen Land, in dem schon das Leben an sich ein politisches Spiel ist. Selbst Sexualität ist politisch. Von daher: Wenn was in mir ausbricht, liegt es hauptsächlich daran, dass ich eben dort lebe.

Für wann planst Du die nächste “Spoken”-Tour? (Rollins arbeitet auch als Autor und hat bereits 11 Bücher verfasst, aus denen er im Rahmen seiner “Spoken-Word”-Tourneen vorliest – der Verf.)

Gute Frage! 1994 ist für die Band verplant, ebenso ein Teil von ’95 – und da sind noch einige andere Projekte, die ich machen möchte. Es bleibt für die “Spoken-Word”-Tour Ende ’95, Anfang ’96. Ich mache eben gerne viele verschiedene Sachen: Filme, Soundtracks, Schauspielerei – und die Band arbeitet ja auch richtig durch. Wir verbringen Zeit auf Tour, allein 12 Monate, um auf der ganzen Welt zu spielen – das beansprucht viel Zeit, und ich kann dann einfach nicht Beides machen.

Du bist täglich im Fitness-Raum. Warum trainierst Du so viel?

Ich mag es, in der Lage zu sein, etwas voll durchzuziehen – den totalen Einsatz, fünf oder sechs Nächte pro Woche aufzutreten, mit drei bis fünf Stunden Schlaf pro Nacht in absoluter Streß-Situation – dann bin ich zufrieden, fühle mich einfach besser.

Wie kamst Du dazu, Gedichte und Kurzgeschichten zu schreiben und die Spoken-Tourneen zu machen?

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Ich mag so was einfach. Ein Fehler innerhalb der Band war für mich immer: Mir war langweilig. Nichts gegen die Band – die ist großartig und keinesfalls langweilig. Aber ich mag es einfach, viele verschiedene Sachen zu machen. Deshalb hab ‘ ich immer einige Monate “Spoken-Tours” zwischengeschoben – und danach war es dann auch gut und Zeit für mich, wieder zur Band und zur Musik zurückzukehren. Dort finde ich, wieder die Erfüllung darin, Songs zu schreiben und zu spielen – bis es wieder langweilig wird. So hab’ ich es immer gehalten, seit ich das Glück hatte, viele verschiedene Dinge machen zu können. Es gibt wirklich viele Sachen, die mich interessieren und ich glaube ehrlich, dass sich diese Dinge auch gegenseitig ganz ausgezeichnet ergänzen, d.h. die “Spoken-Word”-Tour verbessert die Musik, die Musik verbessert die Schauspielerei, diese wiederum das Schreiben usw.. Weißt du, wenn du früher ins Show-Business wolltest, musstest du tanzen, schauspielern, singen und ein Instrument spielen – und alles ist gut. Ich denke, die heutigen Künstler werden viel zu sehr auf ein Gebiet spezialisiert – was nicht falsch sein muss – aber ich z.B. bin ein echter Fan von … (hier nannte Rollins wieder einen der unzähligen Namen aus der Avantgarde- und Underground-Szene, den ich beim besten Willen nicht korrekt angeben, geschweige denn einordnen kann. Sorry, keine Chance – der kulturgeschockte Verf.), der gemalt, fotografiert, bildhauerisch gearbeitet und gefilmt hat – ein echter Künstler, und ich versuche auf meinem eigenen “boneheaded level” auch so umfassend zu arbeiten.

Teilst Du die Hoffnung, dass sich die politische Situation in Amerika mit Bill Clinton, der in der Generation nach Reagan und Bush aufgewachsen ist, verbessern wird?

Ja! Ich glaube, 12 Jahre mit den Republikanern haben Amerika zum Schlechten gewendet. Mit Clinton wird es meiner Meinung nach besser werden, aber es ist auch schon großartig, dass Bush keine weiteren vier Jahre bekommen hat, um das Land kaputtzumachen. Bush is an evil man, er hat Menschen getötet, er ist der schlimmste Präsident, seit ich lebe – die Inkarnation des Bösen. Reagan ist dagegen zu dumm, um böse zu sein (Gelächter). Aber Bush ist Ex-Chef vom CIA, dessen Agenten ganze Familien ausgelöscht haben, um sagen zu können, da wäre irgendwo ein Krieg auf der Welt, wo wir hin müssen – die sind damit umgegangen, als wollten sie mal eben ‘ne Pepsi verkaufen. Bill Clinton ist, glaube ich, der richtige Mann, auch wenn die Situation jetzt ziemlich heftig ist. 1992 war er ein Demokrat, der die amerikanische Bühne betrat, auf der die Republikaner immer noch einen Gig spielten. Ich glaube, jeder Andere in dieser Situation wäre am Arsch. Ich jedenfalls würde das für alles Geld der Welt nicht machen – eher gehe ich auf Tour mit Michael Bolton (Gelächter, Applaus).

Du hast sowohl im Spielfilm “The Chase”, als auch im “Liar”-Video einen Polizisten gespielt. Gibt es da eine besondere Verbindung zwischen Dir und dieser Berufsgruppe?

Nein! In dem Film sollte ich einen dummen Polizisten spielen – und das war really fun. Als ich das Script gelesen und der Charakter der Rolle durchschaut hatte, fragte ich den Regisseur, ob ich auch improvisieren könnte. Naja, er sagte “Versuch es” und ich hatte im Vorfeld für einen Nicht- Kriminellen die ‘Liebe’ der amerikanischen Polizei schon sehr intensiv erfahren. Vor diesem Hintergrund war es ‘ne großartige Sache für mich, vier Wochen diese Cop-Rolle laufen zu lassen, denn der Typ kriegt nichts auf die Reihe, er ist nur ein Idiot. Trotzdem sind jetzt für mich nicht alle Cops scheiße und zumindest in der amerikanischen Gesellschaft brauchst du sie auch, denn nicht jeder dort hat begriffen, dass ein Verbrechen ne schlechte Idee ist, auch wenn es das einzige Einkommen darstellen mag. Ein gewisses Maß an Ordnung sollte einfach vorhanden sein. Eine funktionierende Polizei ist zwar kein Qualitätsmerkmal für eine gute Gesellschaft, aber sie schützt die Menschen schließlich vor Überfällen und schlimmeren. Hey, das ist cool! Wenn mich jemand beraubte, wäre ich dankbar für einen Cop, der kommt und sagt: “Hey, tu’ das nicht”. (Gelächter und ich bin sicher, dass einige Probleme hätten, wenn kein Cop käme).

Aber während den Spoken-Tours hast Du immer wieder gesagt, that all Cops are bad!

Nun … du weisst … in einer gewissen Weise sind sie es (Gelächter)! Wenn Du ‘ne ganze Zeit mit Cops oder Marines abgehängt hast, erkennst Du ein total abgefucktes politisches Selbstverständnis, dass die wohl haben müssen, um diesen Job haben zu wollen. Das ist alles ein bisschen befremdlich … !

Was hältst Du von Rap-Songs, in denen Leute aufgerufen werden, Cops zu töten und Marihuana zu rauchen?

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Also, ich hab’ kein wirkliches Problem mit dem Genuss von Marihuana – ich rauche nicht. Die Zivilisation ist davon nicht bedroht, in die Kanalisation gespült zu werden. Ganz im Gegenteil zu den anderen Späßen, die sich die Menschheit Jahr um Jahr erlaubt. Zum anderen Teil der Frage: Du hast einfach zu verstehen, dass Leute wie Ice T. Cop-Hasser sind, denn mit den Erfahrungen, die sie von Kind auf gemacht haben, würdest du genauso denken. Alleine schon als männlicher Schwarzer auf dem Weg zur Arbeit von Polizisten begrüßt zu werden: “0.K.,Boogie, komm aus dem Wagen! Hey, Nigger, die Hände aufs Autodach!” würde dir das eine oder andere Problem mit Cops bereiten – da bin ich sicher. Die Bezeichnungen, die Cops mir gegeben haben, waren schon heftig, als einer von ihnen, jünger als ich und mit zittrigen Händen, mir seine Dienstwaffe in die Augenhöhle drückte. Ein gerade mal herangewachsener Teenager mit einer abgefuckten Kanone. In diesem Moment hab’ ich sie alle gehasst. Ich meine, es war nicht so, dass dort der Cop-Hasser in mir geboren wurde. Aber ich habe begriffen, dass es für unterschiedliche Menschen auch unterschiedliche Realitäten gibt. Ice ist ein ausdrucksstarker und kluger Kopf – und seine Empörung ist sehr definiert. Ich mag seinen Song “Cop Killer”, wir haben ihn auch zusammen dutzende Male gespielt. Ob ich einen Cop töten würde? Nein! Ob ich mal einen gehasst habe oder hassen könnte, um so einen Song zu machen, der mich dann auch wieder runterpumpt? Ja, das ist alles, worum es dabei geht. Wenn ein Cop getötet wird, sind das für mich “bad news”.

Was hältst Du von Zensur in diesem Zusammenhang?

Oh, Zensur ist eine großartige Sache! (Gelächter) Nein, natürlich nicht. Obwohl – etwas selektive Zensur wäre ganz spaßig, weil dann nie wieder ein Album von Iggy rauskäme … “Hier ist meine neue Platte!” – “Nein, Iggy, ich kann die Platte leider nicht veröffentlichen!” (amüsiert sich prächtig über die Absurdität dieses Gedankens). Nein, nein – Zensur ist negativ. Auch wenn ich oft wünsche, manche Leute hätten besseres Material veröffentlicht. Aber ich würde niemals z.B. Ice Cube zensieren wollen. Er ist brillant – trotzdem, als ich seine letzte Scheibe hörte, das erste Stück, in dem er irgendeinen Weißen erschießt, hat mich das rausgehauen. Ich dachte: “Oh, was ist das denn, magst du mich nicht? Ich war ein Fan und jetzt muss ich vor dir Angst haben?” – Würde ich sein Recht, das zu sagen, jetzt deswegen beschneiden? Würde ich das zensieren? Nein, ich würde ihm allenfalls wünschen, er hätte mehr positives, worüber er singen könnte. Trotzdem sollte er sein Ding machen. – Ich hab ‘ einen Buch-Verlag in Amerika, und wir hatten mal zwei Bücher, bei denen die Druckerei den Druck verweigerte. Das war uns noch nie vorher passiert. Der Autor des einen Buches, Alan Vega – ein großartiger Künstler aus N.Y., hatte lediglich eine deftige Sprache benutzt, mit einigen “shits” und “fucks” hier und da – nun ja, und zwei Druckereien verweigerten die Veröffentlichung. So was hatte ich noch nicht erlebt – ich war unglaublich sauer und drauf und dran den Laden auseinander zunehmen, ich hätte die Typen am liebsten im Gefängnis gesehen. Ich war wirklich außer mir – aber gleichzeitig auch erstaunt, wie sehr mich das aufregte.

Erzähl’ uns doch bitte etwas über den Hintergrund Deiner Wut…

Wenn du in Amerika leben würdest, wüsstest du ihn – aber o.k., ein Beispiel: Der Freund eines Freundes von mir wurde eines Abends auf dem Fußweg nach Hause von zwei 1 5jährigen mexikanischen Jungs überfallen. Der eine hielt ihm ‘ne 45er oder irgendeine automatische Handfeuerwaffe an den Schädel, während der Andere ihn ausnahm. Der Junge mit der Kanone, der sich wahrscheinlich noch nicht ‘mal rasieren musste, war schon im Begriff, wieder wegzulaufen, als der Andere ihn anschrie: “Du Pussy, du sollst ihn doch umlegen!” – D.h., das ganze war ein Bandenauftrag, er würde erst Gang-Mitglied sein, wenn er jemanden umgepustet hatte. Der Freund meines Freundes starb also beinahe, nur weil ein 15jähriges Kind in eine Gang wollte. Stell dir vor, du müsstest deswegen sterben – nur damit einer seine Leder-Jacke bekommt. Siehst du, was ich meine? Das passiert in Amerika ca. alle vier Minuten. Diese Todesangst zu erleben und dabei zu wissen, dass auch Deine Regierung ihren Anteil daran hat, dass Kinder in diese Situation gestoßen werden, in der sie Anderen diese Todesangst bereiten und mehr – das macht dich hellwach!

Ich hab’ gelesen, Du wärst Besitzer eines alten Recordlabels…

Hab’ ich auch gelesen … das stimmt aber so nicht. Ich habe mittlerweile einige Labels gegründet – und eines davon ist “Infinite Zero” (arbeitet in Europa mit dem Londoner Label “Human Pitbull” zusammen. Alle Veröffentlichungen von Rollins’ Labels gehen in Europa unter diesem Label in den Handel – der Verf.). “Infinite Zero” macht Neuauflagen von alten Platten, die wir gut finden, die aber vergriffen sind – wie DEVO, GANG OF FOUR, ALAN VEGA, JAMES WHITE AND THE BLACKS oder TROUBLEFUNK. Wir sind große Musik-Fans – und der Gedanke war, diese coole Musik wieder in die Läden zu bringen und den musikinteressierten Leuten in die Regale zu stellen, damit sie darin stöbern können. Ein anderes Label von mir konzentriert sich mehr auf Avantgarde, Jazz usw.. Hier hab’ ich auch viel mit dem Saxophonspieler Charles Gayle eng zusammen gearbeitet, der mit Chris (Haskett, Gitarrist der Rollins Band – der Verf.) dessen Solo-Album eingespielt hat.

Hast Du jemals einen Love-Song geschrieben?

Alle meine Songs sind Love-Songs, mein Liebes! Oh yeah! I love you, I love you, I love you!

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Was kannst Du über Dein Treffen mit Hubert Selby sagen?

Für alle, die nicht wissen, wer Hubert Seiby ist: Er ist einer der größten Autoren in Amerika, sein bekanntestes Werk ist “Last Exit To Brooklyn”, ein wirklich großartiges Buch (1964 erschienen, dt. Titel “Letzte Ausfahrt Brooklyn” – Selby ist Jahrgang 1928 – der Verf.). Das Treffen mit ihm war eine der signifikantesten Erfahrungen meines Lebens. Er war mir vorher schon acht oder neun Jahre bekannt und hatte als Autor, und nun als Mensch, einen großen Eindruck auf mich hinterlassen – er ist eine starke, intensive Persönlichkeit, hat viel erlebt und viel gesehen, z.B. auch Charlie Parker zusammen mit Miles Davies, Billy Holliday – er hat Gigs gesehen, für die wir Heim & Mutter verkauft hätten.

Was sagst Du zum Selbstmord von Kurt Cobain?

Schrecklich! Die Frage wurde mir schon oft gestellt, und ich glaube, wenn man zuviel darüber spricht, wird es unseriös. Ich kann nur sagen: schrecklich. Als ich davon erfuhr, hatte ich das Gefühl, nach Hause gehen zu müssen, um 10 Jahre nichts mehr zu hören oder zu sehen. Er war so inspirierend, erstaunlich. Es gibt niemanden in diesem Raum, der die genauen Umstände kennt- ich kann also auch nicht viel mehr dazu sagen, als dass ich ernsthaft daran gedacht habe, für eine Weile keine Musik mehr zu machen. Ich hab’ mich danach wirklich mies gefühlt.

Kannst Du Dir vorstellen, dass es am Druck von außen lag, von Presse, Label, Fans usw.?

Ich will nicht so viel darüber spekulieren, was jetzt der Auslöser für den Selbstmord war. Das läuft nur auf tausend “vielleichts” und “möglicherweises” hinaus. Fakt ist: Er hat sich umgebracht – und Frau und Kind hinterlassen. Und er wird von vielen Menschen auf der Welt vermisst. Ich denke eigentlich jeden Tag daran – und kann seine Platten auch nicht hören oder gar damit Geschäfte machen.

Du bist ein vielseitig engagierter Mensch – aber glaubst Du wirklich, alles unter einen Hut zu bekommen?

In gewisser Weise schon. Schau mal, ich gehöre mittlerweile zu den Bessergestellten. Ich versuche ständig auch, andere zu inspirieren; aber immer unter dem Vorzeichen, mich selbst respektieren zu können. Ich mache im Moment ‘ne Menge Geld – und steck’ es in Bands und Künstler. Dafür werde ich aber nicht bezahlt, obwohl ich nichts dagegen hätte, die Platten gut zu verkaufen, die ich produziere. Aber das steht nicht im Mittelpunkt. Ich will raus, touren und die Leute wegpusten, sie abheben sehen. Ich will nicht dabei reich werden. Das Geld, das dabei reinkommt, fließt weiter – und eben auch in andere Bands, die die Leute zum abheben bringen sollen.

Was ist denn mit der “Straight Edge”-Bewegung?

Weiß’ ich doch nichtl Das ist etwas, worüber lan McKay schrieb, als er 15 war. Ich bin 33 Jahre, Baby, und hab’ keine Ahnung, was heute in den Köpfen der Teenager vor sich geht. Die Bands, die sie hören, sind dumm; die Klamotten, die sie tragen, sehen dumm aus – ich weiß nichts über Teenager aus der “Straight Edge”-Bewegung. Ich kann dir da nicht weiterhelfen, tut mir leid.

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Sag’ mal, können wir Dir trauen?

Oh ja, Ihr könnt mir trauen … (grinst) (Gelächter). Natürlich könnt Ihr das! (grinst noch breiter). Aus einem einfachen Grund: Ich will Nichts was Ihr habt!

Erklär’ mal Dein Video “Liar”!

Zunächst laufen da einige Charaktere durchs Bild: ein Cop, Superman, eine Nonne und ich – in diesen verschiedenen Outfits. Warum? Weil man Superman vertraut, man vertraut Polizisten und Nonnen. Kennt Ihr das? “Wer raubte die Bank aus? – Oh, nicht die da! Sie ist eine Nonne! Nonnen rauben keine Bank aus!” Superman würde niemals in deine Cornflakes scheißen, oder? Polizisten dienen und sichern – und wir haben diese lkonen der Ehrlichkeit benutzt! Das Video beginnt ja damit, dass der freundliche Polizist alle grüßt a la “Hi Kids, wie geht’s euch?” und Superman alle lieb hat – und zum Ende fällt das alles weg! – Das ist wohl jetzt etwas anmaßend für Euch, aber für mich ist das Video wie ein Kyril Sour-Film (kenn’ ich leider nicht – der Verf.) – das ist wohl wirklich anmaßend. – O.K., Ihr wisst nicht wer Kyril Sour ist, so it all make sense to you. Das Merkmal von Kyril Sour-Filmen war immer, dass die “good guys” vom Anfang die “fucked up bad guys” am Ende sind. Das gilt auch fürs Video, für die Charaktere und für mich: Am Anfang bin ich sauber und adrett, am Ende schlammig, rot angemalt und derangiert. Jeder hat etwas davon an bzw. in sich. Ich lüge manchmal – jeder tut das. Die Sache mit dem Mephisto, für den ich mich hab ‘ breitschlagen lassen, rot angemalt zu werden, wollte ich erst nicht – na ja, o.k., da war ich schwach … Egal, steckt nicht zuviel in dieses vier-Minuten-Video; das haben wir in zwei Tagen in der Wüste und im Studio gedreht – ich hab’ noch drei Tage zusätzlich gebraucht, um die rote Farbe abzubekommen das ist alles. – Das nächste Video, für den Song “Disconnect”, ist brutal, komisch und an den Film “Taxi Driver” angelehnt. Das haben wir in New York gedreht, und zwar an zum Teil so gefährlichen Orten, dass wir dazu voll ausgestattete Bodyguards bekommen haben. Als wir das erfuhren, sagte ich einem: “Hey Mann, ich brauche keinen verdammten Bodyguard.” Der sah mich ganz ruhig an und meinte nur: “Doch, brauchst du.” – Wow, das war dann mein o.k. dazu.

Welches Verhältnis hast Du zu Pressearbeit?

Ich mache sie! Hier bin ich, oder nicht? Ich verstehe darunter jedenfalls nicht, irgendein Image zu fördern. Manche Leute oder Bands wollen nicht unvorbereitet fotografiert werden, wenn also entweder die Klamotten nicht stimmen oder die Haare nicht gemacht sind. Es gab eine Foto-Situation, bei der ich mit einem Musiker von FIGHT zusammen war – nicht Rob Halford – der ist gut drauf. Jedenfalls fragte er mich, ob wir nicht zusammen auf ein Foto könnten. “Klar!”, sagte ich und als der Fotograf anlegte, stellte er sich mit verschränkten Armen und bösem Blick in eine totale Macho-Positur (macht sie vor – Gelächter). Und das war so albern, dass ich mich meinerseits in eine Pose stellte, bei der ich ihn versuchte zu küssen (macht sie ebenfalls vor – Riesengelächter) Ich scheiss was aufs Image! “Ich weiß, dass ich O.K. bin – und wenn ihr mich nicht mögt: Na und!?” Ich sage: “Das Leben ist kurz, mach’ dein Dingl Nicht jeder ist dazu da, um dich zu lieben. Wenn du das nicht respektieren kannst, fuck you!”

Layout: Uwe Möllers (axiser)

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