Es gibt Situationen, in denen die deutsche Sprache einem Minenfeld gleicht, so zum Beispiel beim Verfassen von Songtexten, die von Romantik und Sturm und Drang beeinflusst sind. Wie leicht gleitet der Versuch ab in pathetischen Kitsch, wie leicht wirken etwa emotionale Metaphern nach außen hin wie jämmerlicher Schmalz. Und so ist es ORPLID schon hoch anzurechnen, dass die von ihnen vertonte Lyrik dieses sonst in der Wave-Szene oft genug vorkommende Klischee nicht erfüllt, sondern gerade in der Verbindung mit ruhiger, mal waviger, mal neofolkiger Musik durchaus ihre Anhänger im Fankreis von EMPYRIUM, HEKATE und OF THE WAND AND THE MOON finden könnte. Zwar ist die oftmals geradezu zwanghaft deutliche Artikulation der beiden Sänger nicht immer dazu angetan, unfreiwillige Komik zu verhindern, nicht zuletzt, weil der übermäßige Hall auf den durch ihn verschwimmenden Stimmen bei ein paar Songs (z.B. Erzengel Michael) alles Bemühen wieder zunichte macht. Dennoch vermögen es Uwe Nolte und Frank Machau, mit neoklassischen Elementen wie Streichersounds und Paukenschlägen, meistens sehr gefühlvoll gezupften Gitarren (hier und da sogar elektrische) sowie ihren angenehm tiefen Stimmen eine beruhigende, besinnliche Stimmung zu erwecken, wenngleich etwas mehr Abwechslung und Dynamik dem Material von ORPLID noch mehr Reiz verliehen hätte. Bemerkbar wird dies am Höhepunkt des Albums, der Schiller-Vertonung Das Mädchen aus der Fremde. Die zarte Stimme von Nadine Spindler bringt eine neue Klangfarbe ins Spektrum der Band ein, und die Auswahl des Gedichts des Poeten aus dem Vampsterländle zeugt von literarischem Geschmack. Da Das Mädchen aus der Fremde leider jedoch einer der wenigen wirklichen Höhepunkte bleibt, kann sich das Songmaterial von ORPLID nicht einer sich einschleichenden Monotonie erwehren. Und diese Monotonie zum Stilmittel zu machen, wie es OF THE WAND AND THE MOON auf Emptiness:Emptiness:Emptiness so hervorragend umsetzten, gelingt dem Duo auf Nächtliche Jünger nicht. Als Rezensent bleibe ich also zwiegespalten, was eine insgesamte Bewertung angeht, und bin froh, dass bei vampster keine Noten verteilt werden, denn die Diskrepanz zwischen guten Ansätzen und den angesprochenen Mängeln macht ein einheitliches Urteil unmöglich. Die Zeit wird zeigen, ob ORPLID die nötige Einsicht in ihre Lieder erlangen, um in Zukunft noch vorhandene Schwächen auszubessern.
Veröffentlichungsdatum: Juli 2002
Spielzeit: 58:05 Min.
Line-Up:
Uwe Nolte – Gesang
Frank Machau – Gesang, Instrumente
Label: Prophecy Productions
Homepage: http://www.orplid.de
Tracklist:
Erzengel Michael
Auf unbekanntem Pfade…
Später Tag
Nächtliche Jünger
Winternacht
Das Mädchen aus der Fremde
Im Schatten der Queste
Stille
Söhne des Ares
Abendstern
Maria
Auferstehung
Inneres Heer