Zurück in die Zukunft: Nach der zwischenzeitlichen Kurkorrektur „Maniac“ (2023), mit der MARATHONMANN mittels Synthesizer dem Geist der 80er nachjagten, sah sich die Band am Scheideweg. Sogar das Ende der Formation stand zur Debatte, ließen die Musiker durchblicken. Was folgt, ist jedoch kein kümmerlicher Abgesang, sondern die Erkenntnis, dass es am Ende des Tages doch zu Hause am schönsten ist.
Praktischerweise wartet dort auch noch die alte VHS-Sammlung in einer halbvergessenen Schublade: Die Achtziger sind nicht verschwunden, sondern weiterhin präsent. Wenngleich sich ihr Einfluss nun primär in der Lyrik bemerkbar macht, wo MARATHONMANN unermüdlich Querverweise auf alte Filmklassiker streuen. Das ist nicht immer so offensichtlich wie im Albumtitel „Poltergeist“, der Single „Memento“ oder anhand des Sci-Fi-Vokabulars à la „Deflektorschild“ (inklusive „Twin Peaks“-Referenz im Song). „Phenomena“ etwa zitiert auch mal frei Rocky Balboa, ohne dabei zu plakativ zu werden.
„Poltergeist“ konzentriert sich auf die ursprüngliche DNA eines MARATHONMANN-Albums
Gleichzeitig müssen wir keinerlei cineastische Vorkenntnisse mitbringen, um an „Poltergeist“ Gefallen zu finden. Stilistisch orientiert sich die Formation schließlich an ihren Wurzeln, lässt die Keyboard- und Synth-Rock-Elemente wieder fallen, um sich auf die ursprüngliche DNA eines MARATHONMANN-Albums zu konzentrieren. Kompakte Strukturen mit einem deutlichen Drang nach vorne prägen die Platte, die mit „Memento“ ein deutliches Ausrufezeichen an den Anfang stellt: Die Leadgitarre rüttelt wach, das Schlagzeug scheucht uns vor sich her.
Keine Frage, es steckt viel Energie in den ersten Minuten des Albums; so viel sogar, dass die bandeigene Spekulation über das Ende MARATHONMANNs plötzlich stark übertrieben scheint. Im Gegenteil balanciert „Frequenzen“ fast schon jugendlichen Sturm und Drang mit einem Hang zur Introspektion. Die latent melancholische Note hier ist eine durchaus vertraute Begleitung in den Texten der Band, die ihre Botschaften einerseits direkt formuliert, die konkrete Wirkung auf den menschlichen Gemütszustand jedoch in passende Bildsprache zu verpacken weiß.
„Poltergeist“ ist eine leidenschaftliche Momentaufnahme
Setzen MARATHONMANN mit „Poltergeist“ auf einen geradlinigen Ansatz, so erweitern sie das kantige Punk Rock-Fundament gerade im Bereich der Gitarren durch diverse Klangfarben von Alternative / Indie („…es kann ja nicht immer regnen“) bis Post Hardcore („Phenomena“, „Vertigo“). Neue Wege erkundet schließlich „Nie Wieder Licht“, wo Bassist und Sänger Michael Lettner in den atmosphärisch instrumentierten Strophen den Erzähler mimt, als hätte man versucht, ein wenig LA DISPUTE bzw. TO KILL ACHILLES in den eigenen Sound zu integrieren. Dass es eher ein behutsames Ausprobieren ist, belegt hingegen der recht klassisch konzipierte Refrain des Stücks.
Vielleicht verbirgt sich dahinter auch ein kleiner Ausblick: Dass eine Rückbesinnung eben nicht mit Stillstand gleichgesetzt werden darf und es selbst nach einer leidenschaftlichen Momentaufnahme wie „Poltergeist“ weiterhin neues Terrain zu erkunden gibt. Wohin es MARATHONMANN dabei letzten Endes verschlagen wird, ist angesichts des abermaligen Stilwechsels schwer zu sagen. Sicher scheint uns angesichts des gezeigten Elans jedoch, dass sie dort, wohin sie gehen, auch ohne Hoverboards im Jahr 2025 vermutlich keine Straßen brauchen werden.
Veröffentlichungstermin: 15.10.2025
Spielzeit: 32:42
Line-Up
Michael Lettner – Vocals, Bass
Bastian Scholl – Gitarre
Kev – Gitarre
Johannes Scheer – Schlagzeug
Produziert von MARATHONMANN
Label: Redfield Records
Homepage: https://marathonmann.band/
Facebook: https://www.facebook.com/marathonmannband/
Instagram: https://www.instagram.com/marathonmannmuc
MARATHONMANN “Poltergeist” Tracklist
1. Sie
2. Memento (Audio-Stream)
3. Frequenzen (Audio bei YouTube)
4. Poltergeist
5. … es kann ja nicht immer regnen
6. Deflektorschild (Audio bei YouTube)
7. Phenomena
8. Stendhal Syndrom
9. Vertigo (Audio bei YouTube)
10. The Darkness (Audio-Stream)
11. Nie wieder Licht