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LIGHT OF THE MORNING STAR: Charnel Noir

Dimmt das Licht, denn der Morgenstern leuchtet hell genug. „Charnel Noir“ suhlt sich verführerisch im Gothic Metal der Neunziger und erweitert die Palette mit anderen stilistischen Farbkleksen.

Noch schnell diese Zeilen fertig stellen, bevor die Sonne aufgeht und dieses Album zu Staub zerfällt. Also keine Zeit verlieren: Gothic Metal hat in meiner Pubertät kurz eine wichtige Rolle gespielt, die erste Auflehnung gegen das konservative Bild der Familie und so weiter. Aber bald war es mir zu schwülstig und nicht wild genug. Ich höre nur noch wenige Bands von damals, Mitte der Neunziger, und selbst dann ist immer ein bisschen guilty pleasure dabei. Vielleicht ging es LIGHT OF THE MORNING STAR ähnlich. So ließe es sich erklären, dass „Charnel Noir“ nicht nur unverschämt sexy, verführerisch verdorben, sondern auch eingängig und unpoliert geraten ist. So stellt man sich die finsteren Ecken von Whitechapel in der viktorianischen Zeit im Cyberpunk-Flair vor, und das ist immerhin einigermaßen cool, oder?

LIGHT OF THE MORNING STAR spielen auf „Charnel Noir“ Gothic Metal ohne Penetranz und Peinlichkeit.

LIGHT OF THE MORNING STAR beherrschen pumpende, treibende Rhythmen, starke Riffs und morbide Rhythmen, addieren Keyboards, die glücklicherweise meilenweit von Penetranz und Peinlichkeiten entfernt sind und tiefen, beschwörenden Gesang. Das lässt manchmal an TIAMAT denken, dann kommen wieder MOONSPELL zu Zeiten von „Irrelegious“ in den Sinn, aber alles fern von der Ästhetik der Neunziger. Dieser Drahtseilakt klingt dabei eher zufällig und natürlich statt konstruiert. Schon der eröffnende Titelsong geht wahnsinnig gut ins Ohr und ins Bein, und auch im weiteren Verlauf präsentieren sich LIGHT OF THE MORNING STAR als routinierte Komponisten.

„Charnel Noir“ ist eine Hitplatte, bei der große Refrains auf Atmosphäre und Kraft treffen. Eine Besonderheit des zweiten Albums der Londoner ist, dass das Soundgewand rau und unpoliert ist und ein wenig nach Black Metal klingt. Kratzige Gitarren und Black Metal Riffs wie in „Lid of The Casket“ sind somit nicht überraschend. Dazu kommen immer wieder Post Punk-Rhythmen oder kleinere doomige Einflüsse, die das stilistische Bild verbreitern.  „There Are Many Shadows“ zeigt besonders gut, wie das geht. Und weil LIGHT OF THE MORNING STAR so unverkrampft an das Songwriting herangehen, sind Lieder wie „Our Night Hours“, „Ghostmoon“, „The Endless Procession of The Guillotine“ und „Spectres“ nicht nur echte Volltreffer, sondern auch überraschend originell. An der Langzeitwirkung der Kompositionen müssen O-A und JSM aber noch arbeiten, die Stücke nutzen sich relativ schnell ab, für die Heavy Rotation ist „Charnel Noir“ weniger geeignet.

„Charnel Noir“ ist ein Album mit überraschend hoher Hitdichte, auch dank Einflüsse aus Black Metal, Doom Metal und Post Punk.

Die Performance von LIGHT OF THE MORNING STAR auf „Charnel Noir“ ist solide, der tiefe, beschwörende Gesang wirkt fesselnd, wenn auch nicht in einer Liga mit ROPE SECT, die Instrumente sind punktgenau, wenn auch ohne große Finessen gespielt, die Produktion erzeugt eine gewisse Rauschhaftigkeit im Spannungsfeld aus Vampirismus, den Verführungen einer absinthgeschwängerten Nacht und starker Gothic Metal-Songs. Da mag sich der eine oder andere fast der Vampirdame auf dem Cover hingeben, obwohl klar ist, dass die von ihr so obszön präsentierten Fingernägel nicht für Zärtlichkeiten eingesetzt werden. Insgesamt ist dem Duo ein cooles Album gelungen; punktgenau passend zur dunklen Jahreszeit leuchtet dieser Morgenstern in faszinierendem, kalten Licht.

Wertung: 6,5 von 9 Bissspuren

VÖ: 1. Oktober 2021

Spielzeit: 39:02

Line-Up:
O-A
JSM

Label: Debemur Morti

LIGHT OF THE MORNING STAR „Charnel Noir“ Tracklist:

1. Charnel Noir
2. Our Night Hours
3. Ghostmoon
4. Hym in Hemlock
5. Lid of A Casket
6. There Are Many Shadows (Official Audio bei Youtube)
7. The Endless Procession of the Guillotine
8. Spectres (Official Audio bei Youtube)
9. Fangs in The Tree of Life

Mehr im Netz:

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