blank

ISKANDR: Spiritus Sylvestris

Ein konsequenter Stilbruch, ohne die musikalische Identität zu verlieren: ISKANDR entdecken sich auf „Spiritus Sylvestris“ selbst neu.

Dass die niederländische Szene um FLUISTERAARS den Black Metal neu denkt, ist kein Geheimnis mehr. Neben dem Musterschüler-Duo sind ISKANDR eine der bemerkenswertesten Formationen aus diesem Umfeld. Deren letztes Album „Vergezicht“ ist ein episches, vor Triumph und Kraft berstendes Mammutwerk und gab der Szene trotz vertrautem Klang neue Impulse. Ihr viertes Album „Spiritus Sylvestris“ geht nun einen völlig anderen Weg und ist gar nicht mal so wild, wie der Titel es verspricht. Fern vom Black Metal suchen ISKANDR nun zwischen Neofolk, Industrial, Post Punk und Doom ihre neue Mitte und klingen dabei deutlich vertrauter, als man es befürchten musste.

Wirklich überraschen ISKANDR mit ihrem neuen Sound nicht. Dass sie sich vom Metal verabschieden, wurde bereits der letztjährigen Single „Glas“ angeteasert. Eine neue Eingängigkeit war jedoch noch zu erwarten: „Spiritus Sylvestris“ schmiegt sich über weite Strecken an die Hörer an, verführt mit betörenden Melodien und ist dank klarer Songstrukturen sehr zugänglich. Lange Stücke gibt es kaum auf diesem Album, dennoch lassen sich ISKANDR Zeit und geben ihren Liedern Raum sich zu entfalten. Obwohl die meisten Songs nur aus wenigen Teilen bestehen, leidet „Spiritus Sylvestris“ selten unter Längen. Bandchef O. Iskandr beherrscht sein Songwriting und baut genug Variation in die Lieder ein, um lange Spannungsbögen auszuhalten.

„Spiritus Sylvestris“ ist nicht fremd im Kosmos von ISKANDR, es ist lediglich eine andere Betrachtungsweise.

Dass ISKANDR auch abseits vom Black Metal eine unverkennbare Identität besitzen, liegt an O. Iskandrs Songwriting und dem Einsatz von Harmonien und Rhythmen, die es in anderem Gewand schon auf „Vergezicht“ zu hören gab. Die Musik mag nun fern vom Metal sein, mag eher nach DER BLUTHARSCH, SWANS, DEAD CAN DANCE und sogar JESU klingen, doch dass der Komponist und Performer hinter all dem der gleiche ist, wird jederzeit deutlich. Dass ein Stück wie „Knagend Zout“ treibend, elegant, eklektisch und sinnlich zugleich ist, dass „Waterwolf“ hypnotisch und mit düsterer Magie durchtränkt ist, dass „Nachtvorst“ sogar tanzbar ist und sich dynamische Steigerungen trotz unverzerrter Gitarren wie in „Hoor het Smeken“ auf dem Album finden, zeigt, dass in dieser Dreiviertelstunde mehr los ist, als es beim ersten Hören den Anschein machen könnte.

Zum Träumen und Schwelgen eignet sich „Spiritus Sylvestris“ nur bedingt. Der Musik wohnt eine Energie inne, die sich direkt auf die Hörer*innen überträgt. Gleichzeitig ruhen ISKANDR in sich. Die Körperlichkeit der Musik wird authentisch von Pieter Kloos eingefangen, der den Songs ein erdiges, voluminöses und rohes Klangbild geschenkt hat. Instrumental ist „Spiritus Sylvestris“ solide dargeboten, O. Iskandr liefert an Gitarre, Bass, Synthesizern und der Hammondorgel routinierte Arbeit, lediglich der an Justin Broadrick erinnernde Gesang ist stellenweise etwas eindimensional. M. Koops stampfende und bisweilen martialische Rhythmen sind recht simpel, aber effektiv – dass er mehr kann, beweist er bei FLUISTERAARS, aber hier nimmt er sich zurück, um den Stücken das zu geben, was sie brauchen.

ISKANDR fühlen sich im Spannungsfeld zwischen Neofolk, Doom, Post Punk und Industrial hörbar wohl: „Spiritus Sylvestris“ ist rituell, tief und vielschichtig.

Wunderschöne Momente finden sich auf diesem Album, es gibt rituelle Klänge, es geht tief und es ist äußerst vielschichtig. „Spiritus Sylvestris“ setzt völlig neu an, nachdem „Vergezicht“ den bisherigen Stil ISKANDRs perfektionierte. Das bedeutet auch, dass noch nicht alles hundertprozentig sitzt, das elfminütige „Hof der Valken“ kämpft etwa mit der ein oder anderen Länge, auch „Hor Het Smeken“ wird erst in der zweiten, druckvollen Hälfte richtig interessant. Da ISKANDR aber auch wundervolle Stücke wie „Knagend Zout“, „Waterwolf“ und „Nachtvorst“ schreiben, strahlt das Album aber dennoch eine Faszination und Anziehungskraft aus, die von den Pferden auf dem Artwork gut versinnbildlicht wird: Der wilde Geist lebt in diesen betörend schönen Tieren, und trotz ihrer Sanftmütigkeit, ist ihre Kraft und Energie von archetypischer Natur. Kurz und gut: Schön, dass ISKANDR es spannend halten und doch sie selbst bleiben.

Wertung: 5 von 7 Metamorphosen

VÖ: 29. September 2023

Spielzeit: 43:13

O. Iskandr – Instrumente, Vocals
M. Koops – Toms, Cymbals

Label: Eisenwald

ISKANDR „Spiritus Sylvestris“ Tracklist

1. Spiritus Sylvestris
2. Knagend Zout (Official Video bei Youtube)
3. Waterwolf
4. Hoor het Smeken (Official Video bei Youtube)
5. Hof der Valken
6. Interlude
7. Nachtvorst

Mehr im Netz:

https://iskandr.bandcamp.com/

WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner