DORDEDUH: Har

Machen wir uns nichts vor, es ist vermutlich ein wenig vermessen, dass ich mich mit diesem Album auseinandersetze: Weder bin ich ein Fan von NEGURA BUNGET (aus denen DORDEDUH hervorgegangen sind) noch weiß ich mangels Rumänischkenntnissen, worüber hier so gesungen wird. Andererseits soll “Har” laut Promo-Material nicht weniger sein als eine “Reise ins Ungewisse”, die mich mit einem “kosmischen Erbe, tief im Unterbewussten begraben” verbinden und “kollektive Erinnerungen” hervorbringen soll. Na dann, darüber weiß ich Bescheid!

Was mir zunächst jedoch an “Har” auffällt, ist die ungemein cleane, professionelle Produktion Jens Bogrens, die schon Kollegen wie OPETH oder DEVIN TOWNSEND veredelt hat, und die mir als Bewohner des Unterholzes erstmal Skepsis entlockt; ist ein solch glatter Klang nicht erstmal ein Hindernis auf dem Weg ins Ungewisse? Wird viel passieren, alles wunderbar klingen, aber die tiefe Seele damit eher verschrecken als hinterm Ofen hervorlocken?

Mit Räucherstäbchen und hervorragendem modernem Metal ins Nirwana

Die Sorge ist unbegründet: “Har” entpuppt sich nämlich als von Beginn an eingängiges modernes Metal-Opus, das Hörerin und Hörer niemals überfordert. Dafür sorgt zunächst das moderate Tempo, in dem die Einzelteile der Stücke aneinandergereiht werden – was dazu führt, dass es trotz des avantgardistischen Anspruchs anfangs etwas an kompositorischer Finesse und Witz, an anarchischer Überraschung fehlt. Doch dann sind da die folkloristischen Elemente, die spätestens in “Descant”, dem dritten Stück, auffallen und durchweg Spaß machen. Eingebettet sind sie in epische, von weiten Synthesizer-Klängen dominierte Parts, die sich durchaus dafür eignen, den Blick und die Gedanken schweifen zu lassen, um so dem eingangs erwähnten Ungewissen näher zu kommen. Unterstützt von ritualistischem Getrommel und Geraune brauche ich dann nur noch ein paar Räucherstäbchen (oder so), um mich endgültig ins Nirwana zu schießen.

Und da geht es zunächst ganz schön episch und bombastisch zu, bis sich das Metal-Instrumentarium plötzlich verabschiedet und elektronischen Rhythmen Platz gibt – ob man das nun passend oder verstörend findet, ist wohl Geschmackssache. Ich für meinen Teil habe da so meine Schwierigkeiten mit, die Idee ist aber hervorragend umgesetzt und sorgt für die Abwechslung, die es braucht, um angesichts eines so ambitionierten Werks nicht abzudriften. Anschließend machen DORDEDUH wieder mehr auf moderne Metal-Rhythmik und erinnern nicht zum ersten Mal an SYSTEM OF A DOWN – allerdings durchweg in langsamem Tempo. Das Werk schließt dann nach einer weiteren sphärischen Räucherstäbchen-Session wieder episch und etwas flotter mit einem echten Höhepunkt ab: “De neam vergur” startet zwar esoterisch, haut aber metalmäßig gut auf die Kacke und hat einen verdammt geilen Groove zu bieten.

Bin ich nun im Ungewissen angekommen? Schon irgendwie, denn ich kann mich nicht so recht entscheiden, ob ich DORDEDUH-Fan werde oder nicht: Mir fehlt einfach der Zugang zu den “Ethno”-Parts, zu dem bedeutungsschwanger Epischen, das “Har” immer wieder atmet wie nichts Gutes – zumal die Synthesizer-Flächen etwas zu flach ausfallen, wenn wir mal ehrlich sind; außerdem ist mir das Werk insgesamt zu schwerfällig. Gleichzeitig bereue ich es nicht, mich damit beschäftigt zu haben, allein schon deshalb, weil Rumänien als Metal-Land immer noch Exotenstatus hat; aber auch, weil dies ansonsten einfach ein qualitativ hochwertiges Werk ist, an dem man dieses Jahr nicht vorbei kommen sollte.

Spielzeit: 61:32 Min.

Veröffentlichung am 14.5.2021 auf Prophecy Productions

ORDEDUH “Har” Tracklist

1. Timpul întâilor
2. În vieliștea uitării (Audio bei YouTube)
3. Descânt (Audio bei YouTube)
4. Calea magilor
5. Vraci de nord
6. Desferecat (Video bei YouTube)
7. De neam vergur
8. Văznesit

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