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CULT OF LUNA: A Dawn To Fear

Je länger wir den kreisförmigen monochromen Fleck anstarren, desto mehr Ebenen scheinen sich uns darin zu erschließen. Erst war es lediglich ein Baumstumpf von oben, dann entdeckten wir einen Horizont. Ist das etwa eine Landschaft? Aus der Mitte steigt plötzlich eine Rauchwolke empor, dahinter meinen wir einen Sonnenaufgang zu erkennen. Alles nur Einbildung? Gut möglich, aber dieser Prozess des Entdeckens und der Interpretation gehört zu CULT OF LUNA seit sie mit ihrem selbstbetitelten Debüt vor 18 Jahren dem Post Metal ihren eigenen Stempel aufdrückten.

„A Dawn To Fear“ ist in dieser Hinsicht nicht anders, obwohl die Schweden nach über zwei Dekaden im Geschäft ihren Sound gefunden haben und große Innovationen im Proberaum nicht mehr ganz oben auf der Agenda stehen. Böswillig könnten wir von einem Nummer-Sicher-Album sprechen, doch würden wir CULT OF LUNA damit nicht gerecht werden.

Zu Beginn bleibt der Monolith “A Dawn To Fear” kalt und unnahbar

Die anfangs ernüchternden Klanglandschaften öffnen sich; der Tau glitzert im Licht der aufsteigenden Morgensonne und offenbart die Schönheit dieser zerklüfteten Felsenlandschaft. Es ist ein Bild, vor dem wir alsbald ehrfurchtsvoll erstarren. Dabei hinterlässt „A Dawn To Fear“ anfangs einen zutiefst pessimistischen Eindruck. Trotz der farbigen Synthesizer umhüllt „The Silent Man“ und „Lay Your Head To Rest“ eine düstere Atmosphäre.

Nichtsdestotrotz müssen wir eingangs nur dem kratzigen Bass folgen, bis uns das typische CULT OF LUNA-Riffing die Orientierung in der Dunkelheit ermöglicht. Die ersten Minuten sind von „Vertikal“ so weit nicht weg. Klar, das industrielle Element, die fast schon mechanische Rhythmik, ist einem warmen Unterbau gewichen. Kalt und unnahbar bleibt der Monolith „A Dawn To Fear“ zu Beginn dennoch.

Zwischen ihren Post Metal-Ungeheuern holen CULT OF LUNA tief Luft

Dass wir inmitten dieser vertonten Aussichtslosigkeit überhaupt Hoffnung empfinden können, ist neben Bassist Andreas Johansson vor allem Keyboarder Kristian Karlsson (PG.LOST) zu verdanken. Obwohl CULT OF LUNA erneut sehr riffbetont agieren, scheinen die acht Kompositionen regelrecht zu atmen. Um das mächtige Fundament webt Karlsson seine Synthesizer, als behüte er einen lebenden Organismus.

Wie ein solcher hebt und senkt sich der Brustkorb von „A Dawn To Fear“ in einem nahezu geregelten Takt. Als würden CULT OF LUNA zwischen ihren typischen Post Metal-Ungeheuern tief Luft holen, reduzieren die Schweden in „We Feel The End“ ihr Soundgerüst auf ein Minimum. Vor einem fast unscheinbaren Synthesizer-Beat scheinen die langgezogenen Leadgitarren zu weinen, während entrückter Klargesang das zerbrechliche Fundament schützend in seine Arme schließt. Für die Schweden ist dieser Ruhepol fast schon traumhaft schön. Mit einem betörenden Gitarrenlead sorgen CULT OF LUNA im unheilvollen Titeltrack für einen ähnlich zurückgenommenen Spannungsaufbau, der sich aber noch im selben Track entladen darf.

„Nightwalkers“ beginnt mit einem unheilvollen, fast schon hypnotischen Gitarrenloop, das sich minutenlang in unser Gehirn frisst, bis die drückenden Gitarrenwände unter der Regie von Johannes Perssons mächtigen Vocals über uns herfallen. Insbesondere das Drumming beschwört hier den Charakter von „Eternal Kingdom“ herauf, indem es uns erst schleppend hinter sich herzieht, bevor uns Thomas Hedlund nach halber Strecke mit seinen peitschenden Becken plötzlich vor sich hertreibt.

Was CULT OF LUNA zum Ende auffahren, ist schlicht großartig

Da CULT OF LUNA ihr neues Werk ob der stolzen Laufzeit von 79 Minuten in zwei Kapitel geteilt haben, markiert „Nightwalkers“ zugleich eine Zäsur. Es ist das Finale eines Aktes, der unverhohlen mit einem Cliffhanger endet. Die Fortsetzung beginnt mit „Lights On The Hill“ fast schon unverschämt ruhig und behäbig. Das viertelstündige Opus atmet zunächst den Geist von „Somewhere Along The Highway“ mit seinen Folk-Harmonien, bevor uns die Gitarren nahezu schwerelos davontragen. Nach der beklemmenden Dunkelheit der ersten Hälfte sind die Post Rock-Arrangements mit den progressiven Leadgitarren ein wahrer Lichtblick.

Und es soll kein Einzelfall bleiben, denn was CULT OF LUNA zum Ende auffahren, ist nicht minder großartig. Während das aufpeitschende „Inland Rain“ unseren Adrenalinspiegel ans Limit bringt, führt das gewaltige „The Fall“ dieses Mammutwerk „A Dawn To Fear“ zu einem kathartischen Ende. Noch einmal führen uns die Schweden durch raues Terrain Richtung Gipfel, wo sich die Gitarren wie gewaltige Felsen drohend um uns herum auftürmen. Kurz bevor wir erschöpft das Handtuch werfen, gelingt ein letzter Befreiungsschlag und ein versöhnliches Gitarrenlead, wie es sonst nur GHOST BRIGADE schreiben können, trägt uns die letzten Meter bis zur Spitze, wo gerade vor wolkenverhangenem Himmel ein neuer Tag anbricht. Je länger wir in die Dämmerung blicken, desto sicherer sind wir uns letztendlich: So furchteinflößend ist dieses Naturschauspiel gar nicht – es ist vielmehr wunderschön.

Veröffentlichungstermin: 20.9.2019

Spielzeit: 79:06

Line-Up:

Johannes Persson – Guitars and Vocals
Magnus Lindberg – Drums and Studio-Engineering
Andreas Johansson – Bass
Fredrik Kihlberg – Guitars and Vocals
Kristian Karlsson – Keyboard and Vocals
Thomas Hedlund – Drums and Percussion

Label: Metal Blade

Homepage: https://www.cultofluna.com/
Facebook: https://www.facebook.com/cultoflunamusic/

CULT OF LUNA “A Dawn To Fear” Tracklist

Disc 1

  1. The Silent Man (Video bei YouTube)
  2. Lay Your Head To Rest (Video bei YouTube)
  3. A Dawn To Fear
  4. Nightwalker

Disc 2

  1. Lights On The Hill
  2. We Feel The End
  3. Inland Rain
  4. The Fall
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