So großartig Somewhere Along the Highway auch ist, was soll bitte danach kommen? Wie soll diesem Überalbum die Krone aufgesetzt werden? Am besten gar nicht. Einfach sein lassen. CULT OF LUNA haben einen Background, der breit genug ist, um das einzig Richtige zu tun. Eternal Kingdom schreiben. Denn dieses Album zeigt das schwedische Kollektiv aus einem ganz anderen Blickwinkel. Songorientierter als zuvor, härter als zuletzt, aber auf eine völlig andere Art und Weise als noch auf The Beyond.
Das heißt, dass Eternal Kingdom der etwas ungehobelte, ungewaschene Bruder von Somewhere Along the Highway ist. Sicherlich wieder episch und mit wunderschönen Stellen ausgestattet, aber oftmals unbequem, wütend und eruptiv. Die völlige Gitarrenbreitseite lassen CULT OF LUNA aber beiseite, stattdessen sind die Riffs wuchtig, aber nicht bis zum Gehtnichtmehr verzerrt. Das kommt dem Material absolut zugute. Einerseits weil die Produktion wie schon beim Vorgänger recht rau und ursprünglich ist, andererseits, weil die Songs ihre Tiefe ansonsten nicht entfalten könnten. Das erfährt man spätestens beim Titeltrack, der durch die eingesetzte Dynamik und die extrem guten Arrangements extrem intensiv wird.
Was folgt ist ein pures Feuerwerk der Kreativität. Ghost Trail, der einzige Song mit einer Spielzeit von über zehn Minuten, entfaltet sich zu einer schönen Hymne hin, kollabiert, wird zu einer Art Countrysong und wälzt dann alles nieder. Was wie ein relativ bodenständiges Album wirkt, hat gewaltig viele versteckte Details parat. Gerade die Synthesizer werkeln viel im Hintergrund, so dass zusätzliche Tiefe und hier und da eine schaurige Atmosphäre entsteht. Wenn sie allerdings wie im Beginn von Mire Deep ganze Welten im Kopf des Hörers entstehen lassen, ist der Begeisterung keine Grenzen mehr gesetzt. Ansonsten wird dieser Song mit zunehmender Dauer, ebenso wie The Great Migration unbequem, heftig und ist nicht immer zu ertragen. Hier sind CULT OF LUNA so tonnenschwer, wie seit langem nicht mehr.
Dennoch haben sie ihre Sternstunden wieder, wenn sie sich Zeit zum atmen nehmen. Diese Pausen sind bei derartig intensivem, wuchtigem Material enorm wichtig. Hier kommen die drei kurzen instrumentalen Zwischenstücke besonders zur Geltung, vor allem Österbotten ist mehr als nur ein Intro, es birgt enorm viel Raum in sich. Obwohl größtenteils elektronisch, mit gesampelten Drums, fügt es sich nahtlos zum restlichen Material ein. Danach folgen die beiden mächtigen Stücke Curse und Following Betulas, beide vielschichtig, aber bis zu einem gewissen Grad schnörkellos, so dass Eternal Kingdom sehr beeindruckend endet. Das verbindende Ugín verleiht noch einen desperaten Touch, der das Ende, das dramatische Finale schon ankündigt.
Schnörkellos bedeutet in diesem Fall das gleiche wie songorientiert. Denn es geht vor allem um Riffs, in verschiedenen Farben und Formen, variiert und doch immer wieder am Ausgangspunkt. Zwar sind CULT OF LUNA nach wie vor weit davon entfernt, klassische Songstrukturen zu benutzen, doch schon beim ersten Hören erscheint das Werk greifbarer als Somewhere Along the Highway. Dazu trägt auch die erhöhte Regelmäßigkeit des Gesangs bei. Klas Rydberg hat auf Eternal Kingdom wieder mehr Gesangseinsätze und dennoch wirkt das nicht störend, obwohl seine Stimme doch eher limitiert ist. Doch das Kunststück wurde vollbracht und die Musik vereinnahmt die Vocals so, dass die fehlende Abwechslung nicht negativ auffällt, im Gegenteil. Er dirigiert die Musik und das ist auch gut so.
Hinter den Kulissen hält nach wie vor Gitarrist Johannes Persson das Zepter in der Hand, seine Songs sind dieses Mal simpler, aber nach einer gewissen Eingewöhnungsphase nicht minder wertvoll als die des letzten Albums. Die Mitmusiker lassen ebenso nichts anbrennen, vor allem Drummer Thomas Hedlund spielt großartig. Auch die Synthesizer von Anders Teglund sind hervorragend originell und essentiell für das Material. Auch der massive Bass und die übrigen Gitarren fügen sich perfekt ein, zusammen gehalten wird das von Magnus Lindbergs wunderbarer Produktion.
Das I-Tüpfelchen des eh schon fantastischen Albums ist das wunderschöne Artwork, welches das Konzept des Werkes schön zusammen fasst. Die Tagebuchauszüge von Holger Nilsson, der in den 1920er Jahren in einer Nervenheilanstalt saß, sind sehr surreal, aber irgendwo auch wunderschön. Texte, Artwork und Musik werden zu einem Ganzen zusammengefügt, das von Konsumenten immer wieder und wieder erfahren wird. Eternal Kingdom ist anders als Somewhere Along the Highway, so dass man die beiden Alben nicht miteinander vergleichen kann. Fakt ist jedoch, dass CULT OF LUNA sich nicht verleugnet haben und aus der Not eine Tugend machten. Das macht Eternal Kingdom zum bisherigen Highlight des Jahres. Ein ganz, ganz großes Album.
Veröffentlichungstermin: 13. Juni 2008
Spielzeit: 60:53 Min.
Line-Up:
Johannes Persson
Klas Rydberg
Erik Olofsson
Fredrik Kihlberg
Anders Teglund
Magnus Lindberg
Thomas Hedlund
Andreas Johansson
Produziert von CULT OF LUNA
Label: Earache Records
Homepage: http://www.cultofluna.com
Tracklist:
1. Owlwood
2. Eternal Kingdom
3. Ghost Trail
4. The Lure
5. Mire Deep
6. The Great Migration
7. Österbotten
8. Curse
9. Ugín
10. Following Betulas