FULL METAL VILLAGE

Wacken erhält den feuilletonistischen Ritterschlag – wer hätte das gedacht?

Ein wenig schräg geguckt haben die Macher des WACKEN+OPEN+AIR schon, als Sung-Hyung Cho um eine Drehgenehmigung bat — kommt die junge Südkoreanerin doch gar nicht aus der Szene, geschweige denn aus dem sonst so gerne in sich geschlossenen Heavy Metal-Mikrokosmos. Nun hat ihr einfühlsames Dorfporträt Full Metal Village tatsächlich den renommierten Max Ophüls-Preis gewonnen.

Um das Festival – das größte seiner Art in Europa, vielleicht der ganzen Welt – geht es in dem Dokumentarfilm jedoch nur am Rande. Sung-Hyung Cho interessiert die Bevölkerung in diesem verschlafenen 1900-Seelen-Kaff hoch droben im Norden vorbei an Hamburg und dann noch mal ein ganzes Stück hinter Itzehoe auf dem platten Land, in das jeden Sommer 60.000 Heavy Metal-Fans aus aller Welt einfallen. Wie ticken die Menschen da oben? Wie gehen sie damit um, wenn die Schwarzen, die Satanisten anrücken? Und was treiben sie den Rest des Jahres über?

Weil die guten Geschichten bekanntlich auf der Straße liegen, die 41-Jährige die richtigen Fragen stellt und auch ihr Kameramann Marcus Winterbauer den Blick für das Wesentliche hat, funktioniert dieser selbst ernannte Heimatfilm auf ganzer Linie. Die Offenheit der Eingeborenen ist umwerfend: Sung-Hyung Cho besucht Wirtshaus und Wohnzimmer, spricht mit Teenagern über die Tristesse auf dem Land, erfährt den Unterschied zwischen Kuh und Kalb und Bulle und Ochse und dass man als Geistlicher früher hierher strafversetzt wurde. Und ist live dabei, wenn sich das Dörfchen für den Ansturm rüstet, das Kriegerdenkmal abgesperrt und das Ortsschild – Königstrophäe der Schlachtenbummler – abmontiert wird.

Man darf dem Geld nicht nachlaufen, man muss ihm entgegengehen, erklärt Bauer Trede und spricht von der Biogasanlage hinter seinem Haus. Wer wagt, gewinnt – die Formel gilt natürlich auch für das Open Air, das die Gemeinde weltberühmt gemacht hat. Heute ernährt das Musikspektakel das halbe Dorf. So gesehen ist Full Metal Village auch ein Film über ein deutsches Erfolgsmodell, der aber die Kehrseite nicht ausspart: Norbert war einst Mitbegründer, stieg jedoch aus, als 1994 mit den BÖHSEN ONKELZ das erste Schwergewicht verpflichtet wurde und die Veranstalter zur Sicherung der Künstlergage Hypotheken aufnahmen. Heute bereut er es: er ist arbeitslos, sein Sohn trägt ein Made in Wacken-Shirt. Hier passt wirklich alles zusammen.

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