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DEVILDRIVER, GOD FORBID, THE SORROW – Stuttgart, Röhre, 25.9.2007

Aggression statt Nikotin!

Wer bislang ein Konzert in der Stuttgarter Röhre, diesem sympathischen Urgestein undergroundiger und subversiver Klänge inmitten der auf Hochglanz polierten Stuttgarter Kulturmeile, gehen wollte, beachtete stets drei goldene Grundsätze:

1. Erscheine nie vor 21 Uhr, um dir das Warten im Bundesstraßensmog zu ersparen, denn Angaben zur Türöffnung des Clubs sind eher als unverbindliche Empfehlungen zu verstehen.

2. Ziehe deine ältesten Klamotten an, denn von der Decke tropfen Blut, Schweiß und Kondenswasser herunter, vom Hintermann schwappt gelegentlich eine Bierwelle über deine Jacke und Sauerstoff wird grundsätzlich nach 15 Minuten vollständig von Nikotinschwaden verdrängt. Dazu passen gut Schuhe mit dicker Sohle, um in der sich aus dieser Mixtur ergebenden Brühe auf dem Boden gefahrlos waten zu können.

3. Wenn du ein zartfühlendes Innenohr hast, das auf ein ausgewogenes Klangbild und hochklassige Boxensysteme Wert legt, nimm dir eine Familienpackung Ohrenstöpsel mit, denn die Arbeit des Tontechnikers ist bei der P.A.-Anlage vor Ort hier und da bereits mit der Tätigkeit des trotz Defibrillators machtlosen Rettungsarztes verglichen worden.

Tja, Verfallsdatum: 2007, denn zum einen befinden sich selbst nach drei schweißtreibenden Bands dank Rauchverbot noch immer Spuren von Sauerstoff in der Luft der Röhre, die dadurch aber auch nicht besser riecht, zum anderen quellen bereits kurz nach der offiziellen Einlasszeit die letzten martialischen Klänge der Senkrechtstarter THE SORROW in glasklarer Qualität aus dem Inneren des Tunnels. Die vier Österreicher kämpfen bis zum letzten wuchtigen Breakdown und können mit ihrem abwechslungsreichen Metalcore anerkennendes Kopfnicken und gelegentlich sogar Fäusterecken der Frühansteher hervorrufen. Die ganz große Unterhaltung sieht dennoch anders aus, hier gilt es noch Schüchternheit abzulegen.

GODWie das geht, zeigt im Anschluss Rampensau Byron Davis von GOD FORBID: Von der ersten Sekunde an fordert er verschmitzt grinsend, aber dennoch bestimmt das Stuttgarter Publikum zum Mitgehen auf – erfolgreich. Gleichzeitig läuft er sich trotz beengter Bühne die Fersen platt und bangt selbst noch beim Singen. Die Band mörtelt ihre Riffs zwischen Moderne und Tradition dazu weitaus variabler und packender runter als auf Platte. Hier war jemand definitiv hungrig drauf, auf Tour zu gehen! Enorm tight ballern die Jungs ihr Material von der Bühne, wobei besonders die beiden Gitarristen Doc und Dallas Coyle mit respektablen zweistimmigen Harmoniegesängen für wohlige Gänsehaut sorgen, nicht zuletzt bei der Dimebag-Hommage To The Fallen Hero. Da kann man nur hoffen, dass manch ein jammernder Zweitsänger aus der Legion der Metalcore-Epigonen zugehört hat und erkennt, dass man durchaus auch live in der Tonart bleiben kann.

DEVIL
Entsprechend aufgeheizt ist die Röhre danach für DEVILDRIVER, die vor einigen Jahren in Stuttgart noch als Vorband mühsam um Anerkennung kämpfen mussten, heute jedoch die Röhre bis unters Dach füllen. Entsprechend entspannt kommt Dez Fafara auf die Bühne und grinst mit seinen zugekniffenen Augen in die Menge, die schon beim ersten Ton steilgeht. Denn ansonsten regiert die blanke Aggression, die einem sowohl aus älteren Krachern wie dem frenetisch mitgebrüllten I Could Care Less als auch aus neuem The Last Kind Words-Edelstahl Marke Clouds Over California direkt ins Gesicht springt. Erste Leiber werden nach vorne durchgereicht, Köpfe zucken rauf und runter, doch Dez mag´s noch heftiger: Dank Wall of Death erlebt die Röhre einen ihrer größten Moshpits, der bis hinter zur Bar kreiselt. Die klare Soundmauer trägt dazu bei, dass DEVILDRIVER auf ganzer Linie abräumen. Allerdings machen sich nach einigen Songs gewisse Abnutzungsspuren bemerkbar, da sich viele der Lieder doch aus einem zu kleinen Ideenpool bedienen und somit gleichförmig wirken. Doch was soll´s, an diesem Abend stört das kaum einen der Anwesenden, viel lieber wird eine zünftige Party gefeiert, die zwar früh ihr Ende findet, den Fans jedoch noch lange ein zufriedenes Grinsen ins Gesicht zaubern dürfte. Wen kümmern da noch goldene Grundsätze?


DEVIL

Bericht: Rachendrachen
Fotos: Tina Haug

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