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SLAYER: Repentless

Da kann man sicher sein, dass nun wieder dieser eine Schlachtruf durch allerlei Konzerthallen und über Festivalwiesen schallen wird: "SLAAAAAAAAAYYYYYYEEEEEER"! Wer das Wort SLAYER fehlerfrei lesen kann, der hat einen Pflichtkauf!

Was waren das für Zeiten: Die Big Four hin oder her, es waren nicht METALLICA, ANTHRAX oder gar MEGADETH, egal auf welchem Konzert Du warst – das konnte dann auch mal bei BON JOVI sein – immer wieder irgendwo im Publikum erschallte dieser eine mächtige Ruf: SLAAAAAAAAAYYYYYYEEEEEER! Der Status der Band aus Kalifornien war lange unantastbar, die unangefochtenen Großmeister des brutalen 80er Thrash-Metal, den es ohne SLAYER in dieser Form wohl nie gegeben hätte. Der Meilenstein Reign In Blood wurde ja auch von unserem Redaktionsteam abgefeiert. Aber auch Götter können nicht jeden glücklich machen, nach dem großartigen 90er Album Seasons In The Abyss war zumindest für mich die Luft raus. Statt zermürbender Dunkelheit und greifbarer Wut, eingepackt in fantastische Killergrooves, gab es pro Album nur noch 2-3 Songs, die aufhorchen ließen, da folgte nach jedem Durchgang der neuen Alben unvermeidbar der Griff nach hinten, meist zu Seasons In The Abyss oder South Of Heaven. Mit so dramatischen Änderungen im Hinterkopf, Mr. Ichhaujedessoundlochzu Lambardo war wegen Vertrags- und Kohlequerelen raus, und über allem stand der Tod von Jeff Hanneman, der ja im Mai 2013 an Leberversagen starb. Nicht nur für mich war er der prägende Gitarrist in der Band, gefühlt war damit auch SLAYER tot. Das sahen zum Glück Tom Araya und Kerry King anders. Paul Bostaph (FORBIDDEN, TESTAMENT, EXODUS) sitzt wieder hinter den Drums, wie schon in den 90ern nach dem ersten Rauswurf von Lombardo. Aber Jeff an der Gitarre ersetzen? Wenn, dann nur mit einem anderen Helden, einen wie Gary Holt (EXODUS). Möge das Spiel mit dem nunmehr 12. Studioalbum Repentless beginnen, die im Vorfeld schon bekannten vier Songs hatte ich mir bisher nicht angetan. Bei mir können sich SLAYER nur ganz ins Aus schieben oder mich halt überraschen. Das dürfte schwer werden, wenn man vorher noch die persönlichen Lieblingsalben South und Seasons gehört hat…

Brauch so ein Album ein Intro? Gern, wenn es so eine unerwartet dunkle Stimmung aufbaut! Und plötzlich klingt alles nach den glühenden Bay Area-Zeiten, der Titelsong, der auch ohne Intro hervorragend eingeschlagen hätte, ist der Schlag ins Gesicht, den ich mir so gewünscht hatte. Voll nach vorne, direkt der Tritt in den Magen oder Hintern, je nachdem, wohin einen der Einmann-Moshpit gerade dreht. Araya schreit sich die Seele aus dem Hals, wie in guten alten Zeiten, das nervige Rumgepöbel der letzten Alben ist vergessen. Interessant, wie viel Holt´s EXODUS hier einfließen dürfen, Take Control kommt wie ein böser Mix aus deren Moshgroove und der Schwere von SLAYER. Cast The First Stone beginnt herrlich düster und zäh, so will ich´s, das ist HEAVY Metal! Noch dunkler das zurückgezogen groovende When The Stillness Comes, Araya bemüht sich erfolgreich um Abwechslung in der hörbar älter gewordenen Stimme. Bööööse kann er immer noch, und der Groove, aaaaargh! Chasing Death überrollt einen wie ein Güterzug, vollgepackt mit Containern voller Stahl, beim rasenden Implode ist es ein ICE auf Fullspeed. Immer wieder gibt es auch in den anderen Songs Querverweise zum Sound der frühen Alben, ein notwendiger Schritt zurück, ohne zu sehr in der eigenen Vergangenheit zu versinken. Dazu taucht oft genug ein Element auf, das man so nicht erwartet. Beim Riff von Atrocity Vendor mag man sogar mal kurz an JUDAS PRIEST auf dem Extremtrip denken, der Rausschmeißer Pride In Prejudice noch mehr zurückgezogen könnte auch als Doomcore durchgehen, klingt so aber etwas zu gewollt modern. Und immer wieder überraschen die Momente, wo man eher an EXODUS denkt als an SLAYER. Und mit Piano Wire gibt es eine Würdigung an Jeff Hanneman, einer seiner letzten Songs, den er selbst nun nicht mehr spielen kann.

Hätte man einen echten Klon des frühen Bandsounds rausgeschoben, das hätte ihnen keine abgenommen und als Anbiederung abgetan. Was hier unter dem Banner SLAYER passiert, das geht deutlich in Richtung Zukunft. Die klassischen, in dieser Form lange vermissten Elemente der frühen Alben erhalten eine Frischzellenkur, auch durch das konzentrierte, ideenreiche Drumming von Bostaph, der aber natürlich kein Dave Lombardo ist. Gerade in den schleppenden Momenten fehlt Bostoph das, was Lombardo so einzigartig machte. Aber vor allem ist es nun an Gary Holt, mit seiner Gitarrenarbeit mit Kerry King eine echte Einheit zu bildet. Was hier aus den Boxen drückt gefällt, bisweilen hat man aber den Eindruck, als käme der Großteil der Gitarren nur von King. Das räudig-punkige von Hanneman, bei Atrocity Vendor nochmal durchscheinend, weicht der doch metallischeren Linie von Kerry King, mir soll´s Recht sein! Natürlich fehlt dieser auf den ersten Blick unmögliche Kontrast der beiden Stile von Hanneman und King, den sie so perfekt mit- und gegeneinander laufen lassen konnten. Aber das kriegen wir eh so nie wieder, lassen wir Jeff Hanneman in Frieden ruhen, ihm würde das Album sicher gefallen. Hier groovt und mosht alles, von Gänsehaut bis Poptreten ist alles da. Auch der Sound, erstmals von Terry Date für´s neue Label und nicht wie gewohnt von Rick Rubin, klingt zwar zeitgemäß fett, aber viel mehr wie damals, die Gitarren sind dreckig, erstaunlich oft wird auf endgradige Verzerrung verzichtet, und wieder startet der Einmann-Moshpit. Klar mag die Euphorie etwas übertrieben sein, gerade die Midtempo-Songs haben nicht die gnadenlose Macht wie die der großen Alben. Aber die Freude überwiegt, hier wieder so viel SLAYER zu finden wie lange nicht mehr.

Repentless bietet das, was zumindest ich lange vermisst habe: es unterhält, verbreitet trotz der derben Musik schlichtweg gute Laune, das fühlt sich fast an wie damals, als man schwitzend in der ersten Reihe stand und die Energie von der Bühne direkt ins Gesicht gehauen bekam, als die Herren noch durch kleine Hallen zogen. Ob es so eine Langzeitwirkung hat wie die Bandklassiker, das muss sich noch zeigen. An deren Klasse kommt Repentless allerdings auch nicht heran. Aber das Album blickt spürbar nach vorn und nicht nur zurück auf die genreprägenden Frühwerke, ist musikalisch mit einigen auftauchenden typischen punkigen Ausflüge sicher auch eine Würdigung an Jeff Hanneman, wird davon aber nicht zu sehr geprägt. Und nein, ich verspüre nicht wie bisher den Drang, gleich noch nach einem meiner Lieblingsalben zu greifen. Repentless ist SLAYER pur und noch eine angenehme Portion mehr, sowas hatte ich nach den letzten Alben und dem Besetzungswechsel echt nicht erwartet. Ok, ob man in der heutigen Welt solche Texte braucht, aber wir sind hier ja nicht im Kuschelclub, wir sind immer noch bei SLAYER. Da ist es durchaus passend und sicher gewollte Provokation, dass das neue Album am 11. September erscheint, wie schon God Hates Us All, das ja 2001 direkt am Horrortag der USA erschien.

Fazit: Begeisterung macht sich breit, Repentless überzeugt mit Rückblick auf die Bandklassiker und belegt, dass SLAYER in dieser Form wieder ganz klar zeigen, wer die Götter dieses Genres sind. In der Reihe der Bandklassiker wird Repentless natürlich nicht ganz weit vorne stehen, lässt aber so manche der neueren Scheiben vergessen. Jetzt ist es endlich wieder spannend, wohin es musikalisch mit den Herren geht. Da kann man sicher sein, dass nun wieder dieser eine Schlachtruf durch allerlei Konzerthallen und über Festivalwiesen schallen wird: SLAAAAAAAAAYYYYYYEEEEEER! Wer das Wort SLAYER fehlerfrei lesen kann, der hat einen Pflichtkauf!

Veröffentlichungstermin: 11.09.2015

Spielzeit: ca. 40 Min.

Line-Up:
Tom Araya – Vocals, Bass
Kerry King – Guitar
Gary Holt – Guitar
Paul Bostaph – Drums

Produziert von Terry Date

Label: Nuclear Blast Records

Homepage: http://www.slayer.net

Mehr im Netz: http://www.facebook.de/slayer

Tracklist:
1. Delusions Of Saviour
2. Repentless
3. Take Control
4. Vices
5. Cast The First Stone
6. When The Stillness Comes
7. Chasing Death
8. Implode
9. Piano Wire
10. Atrocity Vendor
11. You Against You
12. Pride In Prejudice

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