WENN TRÄUME FLIEGEN LERNEN

Netter Versuch, die Geschichte um Peter Pan neue aufleben zu lassen, doch für das Staunen zum hundertsten Geburtstag des kleinen grünen Chaoten führt nach wie vor kein Weg an der Lektüre vorbei.

Seit einem Jahrhundert weigert er sich beharrlich, erwachsen zu werden – was seiner ungebrochenen Faszination keinen Abbruch tut. Zu Peter Pans 100. Geburtstag wärmt Regisseur Marc Forster die sattsam bekannten Nimmerland-Nummer nicht noch einmal neu auf, sondern widmet sich statt dessen der Entstehungsgeschichte des zeitlosen Kinderbuchklassikers. Basierend auf dem Theaterstück The Man Who Was Peter Pan von Allan Knee inszeniert der gebürtige Ulmer (Monster’s Ball) James Matthew Barries Meisterwerk als hübsche halbfiktive Werkstattschau.

Auf der Suche nach Inspiration trifft der mäßig erfolgreiche schottische Bühnenautor Barrie 1903 in einem Londoner Park auf die junge Witwe Sylvia Llewellyn-Davies und ihre vier Söhne. Für die unbeschwerten Buben denkt sich der Schriftsteller fantastische Spiele aus und findet darüber den Weg in die Traumwelt Nimmerland. Die vaterlose Familie wird seine Muse, über die er – kritisch beäugt von Sylvias garstiger Mutter Emma (Julie Christie) – seine eigene Ehefrau zunehmend vernachlässigt.

Neben diversen zumeist werkgetreuen Adaptionen scheiterten in der Vergangenheit schon namhafte Regisseure wie Steven Spielberg (Hook, 1991) an dem Versuch, Peter Pans Abenteuer zu visualisieren. Wo Nimmerland stets nur eine Tür weit entfernt und Glöckchen keine zickige Girlie-Elfe ist, sondern ein rastlos umherschwirrendes Licht, räumt Finding Neverland (so der Originaltitel von Wenn Träume fliegen lernen) der grenzenlosen Fantasie Barries den gebührenden Platz ein.

Trotz ästhetischer Bilder und gewitzten Zappings von der Real- in die Traumwelt und zurück segelt das brave gradlinige Melodram jedoch hart am Abgrund zum Kitsch und bleibt, was seine Charaktere angeht, erschreckend oberflächlich. Sämtliche Brüche und Untiefen werden nur angedeutet. Dafür punktet die großartige Besetzung: Johnny Depp als J. M. Barrie bestätigt einmal mehr den Erfahrungswert, dass Hauptrollen mit ihm nie wirklich schlecht besetzt sind. Mit Kate Winslet als aufopferungsvoller Mutter, Dustin Hoffman als verständnisvollem Theatermäzen und dem gerade mal zwölfjährigen Freddie Highmore als merkwürdig-verschlossenen Peter Davies steht ihm ein starkes Ensemble zur Seite. Dennoch hat die Fantasieschlacht merkliche Längen. Das überzogene Finale lässt den Film vollends in ein schwer sentimentales Rührstück kippen, die finale Aussage pendelt sich einmal mehr auf die hollywood-übliche alles ist möglich, wenn du nur fest genug daran glaubst-Lesart ein. Als wäre Käpt’n Hook höchstpersönlich mit seinem Piratenschiff am Morgen vorbei in die Realwelt gesegelt und hätte dort eine zuckersüße Klischeefalle aufgestellt, auf dass jeder Regisseur, der sich an dem zeitlosen Stoff versucht, hineintappen möge. Netter Versuch, doch für das Staunen zum hundertsten Geburtstag des kleinen grünen Chaoten führt nach wie vor kein Weg an der Lektüre vorbei.

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