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WISDOM TOOTH FESTIVAL 2024: Der Festivalbericht

Sonne, Regen, Schlammbad: Das WISDOM TOOTH FESTIVAL durchlebt 2024 an einem Wochenende alle möglichen Extreme und schafft es dennoch irgendwie, das kleine Open Air zu einer Wohlfühloase für alle Beteiligten zu machen.

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Freitag, 12. Juli 2024

Musch’t Du Habba | Interstellar Dust | Stones Of Jordan | Inhaled Screams | Enslave The Chain | Overnoize | Fragmentation | Infected Rain | Fiddler’s Green

Samstag, 13. Juli 2024

Flötenkids | Hive Leader | Nitrogen | Soul Demise | Dieversity | Trollfaust | Yellowcakes | The Privateer | Schattenmann | Equilibrium

Fazit / Impressionen

Ein kleiner Schock war es für uns seinerzeit schon, als wir im zarten Teenager-Alter die Diagnose bekamen. Die Weisheitszähne mussten unbedingt raus, wenn es auch noch so schmerzte. Etwas unklarer ist die Sache noch im bayerischen Bissingen: Ob die Gemeinde ihren Einzigen verlieren würde, steht an diesem Juli-Wochenende noch in den Sternen. Im Mai schon hatte sich der Veranstalter Tooth Fairy e.V. in einem Statement an die Öffentlichkeit gewandt, um die prekäre Lage zu schildern. Dass die Zukunft des WISDOM TOOTH FESTIVALs auf der Kippe steht, drückt bei unserer Ankunft natürlich zumindest unterschwellig ein wenig aufs Gemüt, haben wir das kleine Open Air im vergangenen Jahr doch aufgrund seiner familiären und harmonischen Atmosphäre sofort liebgewonnen.

Tatsächlich scheint man am Wildbachstadion noch gar nicht an ein mögliches Ende denken zu wollen: Zu drei Seiten von allerlei Grün blickdicht eingerahmt, öffnet sich beim Durchschreiten des schmalen Zugangs ein offen angelegtes Sportfeld, das in den kommenden zwei Tagen jedoch eine ganze Reihe neuer Disziplinen kennenlernen soll. Statt Fußball stehen Circle Pit und feucht-fröhliches Weitrutschen auf dem Programm, wobei zumindest Letzteres zur glühend heißen Mittagszeit noch undenkbar scheint.


Freitag, 12. Juli 2024

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Aus diesem Grund zieht es uns erstmal Richtung Ausschank, wo u.a. Bier (4,-€) und Wasser (2,-€) im 0,4L-Becher und zu absolut fairen Preisen die Hände wechseln. Für das leibliche Wohl sorgt zudem eine vernünftige Auswahl an Grillgut und weiteren Sattmachern wie Käsespätzle oder Pizza, wobei letztere sogar in einer veganen Variante angeboten wird. Kaffee und Kuchen vertreibt hingegen die örtliche Freiwillige Feuerwehr neben dem Hauptareal, wo uns schnell eine der größten Veränderungen zum Vorjahr ins Auge springt: Das unmittelbar anliegende Feld steht 2024 als Campingplatz leider nicht mehr zur Verfügung, weshalb man für die neue Zeltstätte einen kleinen Fußmarsch von 10-15 Minuten auf sich nehmen muss.

Analog sorgt der Platzmangel für eine Verlegung des Biergartens, dem man aber nun statt behelfsmäßiger Palettenkonstruktion eine waschechte Bühne spendiert hat: Für das Programm der sogenannten „Babytooth Stage“ zeichnet sogleich die sympathische Rotzrock-Band OVERNOIZE verantwortlich, um auch hier die größtmögliche Abwechslung zu garantieren. Diese Vielfalt ist ein zentraler Pfeiler des WTF-Konzepts, was sich 2024 auch in den fast schon gegensätzlichen Headlinern FIDDLER’S GREEN und EQUILIBRIUM widerspiegelt.


MUSCH’T DU HABBA

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Zum Auftakt jedenfalls erfüllt sogar internationales Flair das Wildbachstadion, als die ersten Klänge von GUNS ‘N‘ ROSES‘ „Sweet Child Of Mine“ erklingen. Intoniert wird der Klassiker von einer ganzen Schar an Musiker:innen, welche die klassische Rockbesetzung um Keyboard, Percussion, mehrstimmigen Gesang und sogar zwei dezidierte Luftgitarristen bereichern.

Letztere sind am linken Bühnenrand ob ihres unermüdlichen Einsatzes in der Mittagshitze sicherlich der Blickfang auf den Brettern, wo man dem zur frühen Stunde noch spärlichen Publikum zeigt, wo es langgeht. Dass die meisten Zuschauer:innen indes Zuflucht an der Schatten spendenden Bar suchen, nehmen MUSCH’T DU HABBA augenscheinlich niemandem übel.

MUSCH’T DU HABBA dürfen am Ende sogar für eine Zugabe ran

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Im Gegenteil, zeigt die Band der Lebenshilfe Dillingen sowohl bei Cover-Nummern wie „Kompliment“ (SPORTFREUNDE STILLER), „Born To Be Wild“ (STEPPENWOLF) oder „Whiskey In The Jar“ als auch den Eigenkompositionen vollsten Einsatz. Dabei schlägt die von Sänger Michael Maurer vorgetragene Halbballade „Eiszeit“ nachdenkliche Töne an, bevor uns MUSCH’T DU HABBA mit rotziger Hard-Rock-Attitüde von den Vorzügen einer Kettensäge überzeugen.

Tatsächlich kommt die Eröffnungsshow des Festivals so gut an, dass selbst nach einer Stunde Programm noch nicht Schluss sein soll. Den Zugabe-Forderungen entspricht man mit der erneuten Darbietung des Openers, der schließlich sogar den ersten kleinen Moshpit des Open Airs vom Zaun bricht.

Fotogalerie: MUSCH’T DU HABBA


INTERSTELLAR DUST

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Die Gegensätze könnten bereits an diesem Nachmittag kaum größer sein: In die unendlichen Weiten entführen uns INTERSTELLAR DUST mit ein einigen Minuten Verspätung. Dass es dort statt romantischem Sternegucken eher kalt und erdrückend zugeht, vermittelt uns der massive Sound des Quartetts. Der moderne und progressive Death Metal scheut sich nicht vor zeitgenössischen Einflüssen, die von tief gestimmter Gitarre bis hin zu Djent-Nuancen reichen können.

Abseits einiger gnadenlos walzenden Groove-Monster bedient sich die Band derweil eines breitgefächerten Repertoires, wobei insbesondere der zweistimmige Klargesang in „Altered Perception“ in Erinnerung bleibt. Dass Sängerin Kim zwischendurch die Bühne räumt, lässt ihre Rückkehr für „Twisting The Knife In“ und schließlich das brandneue „The Strength Inside“ dafür umso erfrischender wirken. Für letztere Live-Premiere dreht man dann auch vor der Bühne munter die ersten Runden, nachdem zuvor schon der eine oder andere Crowdsurfer sicher in die Hände der immer motivierten Grabenschlampen-Security gegeben wurde. Das kommt auch auf den Brettern gut an: „Ihr seid so scheiß geil!“, heißt es nicht ohne Grund von Sänger und Gitarrist Clive – eine Feststellung, die im Infield durchaus auf Widerhall trifft.

Fotogalerie: INTERSTELLAR DUST


STONES OF JORDAN

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+1 auf alle Skills verspricht der „Stone of Jordan“ in der bekannten Computerspielreihe „Diablo“. Dort muss man zwar eigentlich statt musikalischer Instrumente eher solche fürs Grobe bedienen, Wirkung zeigt der Bonus jedoch auch auf den Brettern. Dort geht es nach dem kurzen SNOOP DOGG-Intro mit „Stabbed“ nämlich erst rabiat und dann mit dem wohl besten Breakdown-Call-out des Wochenendes weiter. „One, two, three, four“, zählt Shouter Tobi an, bevor die Fetzen fliegen.

Den dominanten Thrash- und Groove-Metal-Anleihen addiert „Betrayer“ einige Hardcore-Vibes hinzu, bevor Band wie Publikum in „Hatred“ zum Sprung aus der Hocke ansetzen. Auch dank der prägnanten Leadgitarre holen STONES OF JORDAN die Zuschauerschaft auf ihre Seite, obgleich der Knoten erst in der zweiten Hälfte des Sets platzen will.

STONES OF JORDAN brechen das Eis mit einer Cover-Nummer

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Als sich Fronter Tobi für das SEPULTURA-Cover „Roots“ in den Graben wagt, um zeitweise das Mikro an die textsicheren Besucher:innen weiterzureichen, bricht schließlich die letzte Barriere zwischen Band und Publikum. Entsprechend prallt unter dem sanften Nieselregen des Wasserschlauchs in „Devil“ die Wall of Death ineinander, bis uns in „Made To Die“ zwei maskierte Gestalten plötzlich am Bühnenrand rot brennende Magnesiumfackeln entgegenrecken.

Ein unerwartetes Gimmick, zugegebenermaßen, das den motivierten und kraftvollen Auftritt STONES OF JORDANs jedoch visuell abrundet. Möglich geworden ist dieser u.a. auch, weil MUSCH’T DU HABBA der Band großzügigerweise den vergessenen Schlagzeugteppich zur Verfügung gestellt haben – einen Bonus auf Erinnerung gewährt das namensgebende Utensil nämlich offenbar nicht.

Fotogalerie: STONES OF JORDAN


INHALED SCREAMS

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Um kurz nach fünf startet auch das Programm der Babytooth-Stage, wo bei Kaffee und Kuchen im nahegelegenen Biergarten die gemütliche Stimmung in Kürze einer ordentlichen Keule weichen soll. Wie viel Zug nach vorne INHALED SCREAMS mit ihrem Thrash Metal entwickeln würden, war uns im Vorfeld nicht bewusst. Dass es das Publikum bei einem Track wie „Spineless“ nicht direkt von den Bänken fegt, können wir uns anfangs noch nicht so recht erklären – möglicherweise war man dort aber ob der zur Schau gestellten Aggression zunächst schlicht geplättet.

Als hätte man das passende Wetter bestellt, zieht plötzlich zwar noch kein Sturm, aber ein ziemlich strammes Lüftchen auf, das INHALED SCREAMS mit „Dystopia“ passend zu untermalen wissen. Alles in allem ein netter Auftakt auf der Nebenbühne also, welcher vor allem eine Botschaft vermittelt: Anders als im vergangenen Jahr wird 2024 auch abseits des Infields scharf geschossen.

Fotogalerie: INHALED SCREAMS


ENSLAVE THE CHAIN

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Nach einer solch energischen Vorstellung kommt der traditionelle Ansatz ENSLAVE THE CHAINs gerade recht. Mit ihrem Mix aus Prog und klassischem Heavy Metal nimmt das Quintett im diesjährigen Line-up sicherlich eine Außenseiterrolle ein, die man aber mit Spielfreude und klugen Arrangements auszufüllen weiß. Besonders Gitarrist Robert Balci grinst fasst unablässig über beide Ohren, wenn er mit seinen Mannen die teils ausladenden Kompositionen wie den selbstbetitelten Neunminüter mit Soli und langen Instrumentalpassagen ausfüllt.

Vertrackt bis verkopft wird es in „The Hunting Game“, wobei es die Band versteht, anspruchsvolle Passagen mit klaren Melodiebögen zu verweben. Sogar der wolkenverhangene Himmel hat während der 60 Minuten seine Vorzüge, indem nun endlich auch die Lichtshow die Darbietung von Stücken wie „Under The Willow“ aufwerten darf. Umso bedauerlicher also, dass ausgerechnet heute gesanglich etwas Sand im Getriebe ist: Navigiert Frontmann Tobias Schwenk durch die zurückgenommenen Passagen noch souverän, treffen gerade die theatralischen Spitzen Marke BRUCE DICKINSON an diesem Nachmittag nicht immer ins Schwarze. Ob die Verzögerungen beim Changeover damit zu tun haben? Es wäre immerhin nicht das erste Mal, dass zickende Technik und streikendes In-Ear-Monitoring einer Band das Leben schwer macht.

Fotogalerie: ENSLAVE THE CHAIN


OVERNOIZE

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Zumindest nebenan läuft fast alles nach Plan, außer dass die „Babytooth“-Organisatoren OVERNOIZE durch die Verzögerungen auf der Hauptbühne selbst eine Viertelstunde länger warten müssen, um dann bei ihrem Festivalauftakt eine kleine, aber umso motiviertere Menge um sich zu scharen. Unverkrampft und humorvoll zeigt sich das Quartett, dessen punkiger und stets rotziger Deutschrock mit seinen ganz eigenen Spielregeln zu kommen scheint.

Ohne Kippe und eisgekühlten Gerstensaft in der Hand hat man hier keinen Spaß; zumindest, wenn man sich die lebensbejahende Bandphilosophie zu eigen machen möchte. Um ein bisschen Proll-Faktor kommt man dann zwar nicht herum, findet in den mit Reibeisenstimme vorgetragenen Texten wie „Entscheidungen“ dann aber sogar den einen oder anderen Ratschlag fürs Leben.

Wie viel davon letztlich ankommt, ist schwer zu beurteilen, schließlich steht am Ende des Tages doch die gemeinsame Party im Vordergrund, auf die es letztlich sogar ein Crowdsurfer geschafft hat, der in „Verführ mich“ von einer kleinen Gruppe starker Hände vor der Bühne auf und ab getragen wird.

Fotogalerie: OVERNOIZE


FRAGMENTATION

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Weder der einsetzende Regen noch die technischen Komplikationen während des Umbaus können unterdessen die Stimmung vor bzw. auf der Main Stage trüben. Während im Hintergrund fleißig an der PA getüftelt wird, unterhalten FRAGMENTATION das Publikum mit Witzchen, Gesangseinlagen und bemerkenswerten Schauspielkünsten, als eine überdimensionale Zahnbürste kurzerhand zu Gandalfs Zauberstab umfunktioniert wird. Dass der berühmte Zauberer eigentlich nicht im bunten Hawaiihemd den Balrog bezwang, wollen wir ob der ausgelassenen Stimmung nicht an die große Glocke hängen.

Eine solche ertönt ohnehin mit dem zusammengestückelten Intro im Stil der Tagesthemen, welches die Lokalhelden gebührend und doch mit Augenzwinkern auf den Brettern begrüßt. Welchen Status die Nördlinger auch hier in Bissingen genießen, ist auf den ersten Blick zu erkennen: Vor der Bühne hat sich trotz der grauen Wolken eine ordentliche Menge versammelt, wobei selbst die kleinsten unter den Besuchern ihre Liebe zur Band auf handgeschriebenen Pappschildern kundtun.

FRAGMENTATION können mehr als bunte Hemden und Klamauk

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Dass infolgedessen zum Opener „Next To You” scharenweise die Fäuste gereckt werden, dürfte ebenso wenig überraschen wie der Einfallsreichtum der Fans, dem Regenwetter zu trotzen. Während sich im Zentrum gerade der Pit formiert, öffnet sich knapp dahinter ein dem Biergarten entliehener Sonnenschirm, der während „Bloody Skies“ schließlich zum Mittelpunkt des Circle Pits werden soll. Es ist nicht die einzige Kuriosität des Auftritts, wie sich alsbald herausstellen soll: Spätestens als Gitarrist Richie aus der Seitentasche seiner Funktionshose eine Leberkassemmel hervorzaubert, dämmert es uns, dass heute alle Erwartungen ad absurdum geführt werden.

Glücklicherweise ist aber zumindest eines konstant: Die Live-Qualitäten FRAGMENTATIONs enden nämlich keineswegs mit bunten Hemden und kauzigem Klamauk. Obschon die Lead-Gitarre im Mix ein wenig mehr Präsenz vertragen könnte, reißt der Melodic Death Metal der Mannen binnen weniger Augenblicke mit, wie uns auch die Crowdsurfer in „Circle Of Emptiness“ zu verstehen geben.

Bei FRAGMENTATION zieht es manchem Fan sogar die Schuhe aus

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An anderer Stelle zelebriert das walzende „Claustrophobic Nightmare“ klassischen Death Metal alter Schule mit einer Wucht, dass es so manchem Festivalgänger im wahrsten Sinne des Wortes die Schuhe auszieht. Dem gegenüber steht wiederum der spärlich verwendete Klargesang in Stücken wie „Silent Tears“, der den sonst standesgemäßen Screams und Growls von Frontmann Soulskinner zeitweise Paroli bietet. Bei so viel Einsatz kann man leicht den Überblick verlieren, wie der Shouter nach rund 60 Minuten am eigenen Leib erfahren muss: Erst nachdem der vermeintlich letzte Track „Rotten Cross“ verklingt, wagt der sympathische Sänger einen Blick auf die Uhr, die noch eine ganze Viertelstunde mehr zulässt. Eine Win-Win-Situation: Zumindest dieses Mal muss man offenbar nicht aufhören, wenn es am schönsten ist.

Fotogalerie: FRAGMENTATION


INFECTED RAIN

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Genau andersrum kommt es im Anschluss bei INFECTED RAIN, wo der nicht enden wollende Regen vorab für Kopfzerbrechen sorgt. Unablässiges Gewusel und ratlose Blicke auf der Bühne machen zunächst wenig Hoffnung, bis dann mit einer geschlagenen Stunde Verspätung doch noch der Daumen nach oben zeigt. Die Moldauer machen in der Folge das einzig Richtige: Den aufgestauten Frust lenken die vier Musiker:innen in die richtigen Bahnen, um die geduldigen Fans im Schlammbad vor den Brettern mit einer der intensivsten Darbietungen des Festivals zu entlohnen.

Nicht nur der Sound ist exzellent, auch die Lightshow schafft die richtige Atmosphäre, um die Dynamik der Songs ansprechend in Szene zu setzen. Sehen wir während des ruhigen Parts von „Pandemonium“ etwa nur Lenas schmächtige Silhouette, glitzert schon im nächsten Moment das schwarze, mit Pailletten bestickte Kleid wie ein funkelnder Himmelskörper. Die aktive Frontfrau mit ihren orange-goldenen Dreadlocks ist aber nicht der einzige Fixpunkt auf der Bühne: Bei Kollege Vidick an der Gitarre wissen wir zwischenzeitlich nicht mehr, ob die Haarpracht oder sein Instrument mehr Flugzeit spendiert bekommt, während Bassistin Alice Lane ihrerseits die Mähne kreisen lässt.

Bei INFECTED RAIN können nicht einmal technische Pannen der Euphorie etwas anhaben

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So viel Einsatz ist ansteckend, weshalb die gedrückte Stimmung im nasskalten Infield schnell der erhofften Euphorie weicht. Klatschen die Fans in „Vivarium“ noch zaghaft mit, schießen im energischen „Fighter“ alsbald die Fäuste gen Himmel – nur um direkt wieder ausgebremst zu werden. Der Ausfall der PA im folgenden „The Answer Is You“ kann zu diesem Zeitpunkt aber keinen Keil mehr zwischen Band und Publikum treiben: Als Letzteres kurzerhand „Seven Nation Army“ (THE WHITE STRIPES) im Chor anstimmt, begleitet Drummer Eugene Voluta die Gesänge im Takt, so dass die Bühnencrew die Meute eigentlich gar nicht zusätzlich anfeuern müsste.

Man sitzt eben am Ende des Tages doch im selben Boot, obwohl natürlich nicht alle gleichermaßen der Witterung ausgesetzt sind. Dem ist sich auch INFECTED RAIN-Sängerin Lena bewusst, als sie das WISDOM TOOTH FESTIVAL im starken „Dying Light“ verschmitzt auf die Knie beordert: „You can’t get any more wet!“, setzt sie grinsend hinterher, bevor anschließend rhythmisch springend der Matsch in alle Richtungen spritzt.

Mehr Engagement als INFECTED RAIN kann man kaum in eine Stunde packen

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Dass heute primär das aktuelle Album „Time“ (2024) im Vordergrund steht, tut der Stimmung keinen Abbruch, auch weil Stücke wie „Never To Return“ oder „Because I Let You“ in der zweiten Hälfte des Sets keinen Zweifel an ihrer Live-Tauglichkeit lassen. Zum Abschluss gibt es mit „Sweet Sweet Lies“ dennoch einen unverwüstlichen Klassiker, den man in Bissingen kurzerhand mit einem Circle Pit zelebriert, bis mit den letzten Tönen sogar Gitarrist Vidick auf den Brettern erschöpft zu Boden sinkt. Verdienterweise allerdings, denn mehr Engagement und Spielfreude kann man innerhalb einer Stunde kaum zeigen.

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INFECTED RAIN Setlist – ca. 60 Min.

1. The Realm Of Chaos
2. Pandemonium
3. Vivarium
4. Fighter
5. The Answer Is You
6. The Earth Mantra
7. Dying Light
8. Never To Return
9. Because I Let You
10. Enmity
11. Sweet Sweet Lies

Fotogalerie: INFECTED RAIN


FIDDLER’S GREEN

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Keine Frage, der permanente Niederschlag und die nun doch fortgeschrittene Uhrzeit haben ihre Spuren hinterlassen, als der Headliner des ersten Tages endlich in den Startlöchern steht. Obwohl sich die Reihen hier und da folglich etwas gelichtet haben, wissen FIDDLER’S GREEN, dass das Durchhaltevermögen der verbliebenen und daher umso feierwütigeren Fans keine Selbstverständlichkeit ist. „Respekt, dass ihr noch da seid!“, heißt es nicht ohne Grund seitens der Erlanger nach dem Auftakt „Shanghaied In Portsmouth“, dem das Sextett zunächst das Traditional „Muirsheen Durkin“ und dann das passend betitelte „Perfect Gang“ hinterherschiebt.

Letzteres mögen wir uns in dieser Nacht doch zu eigen machen, führt Sänger Albi aus, bevor das WISDOM TOOTH FESTIVAL diesen Wunsch tatsächlich in die Tat umsetzt. „And we dance and we sing until we see the morning light”, heißt es im Refrain – getanzt wird auf dem verschlammten Acker sodann allerdings, als gäbe es den nächsten Morgen eben nicht mehr. Genau das verkörpert aber auch die Essenz der Irish Speedfolk-Band, der schon auf dem SUMMER BREEZE OPEN AIR 2022 genau das gleiche Kunststück gelang: Nach geradezu sintflutartigen Regenfällen ließ man plötzlich ausgelassen die Hüften kreisen.

FIDDLER’S GREEN halten sich kurz, um möglichst viele Songs unterzubringen

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Auch unsere Zweifel sind zwischen Klassikern wie „A Night In Dublin“ und aktuellen Saufliedern Marke „I Don’t Like Alcohol“ oder „A Good Old Irish Bar“ auf einmal wie weggeblasen. Sodann üben FIDDLER’S GREEN mit ihrem Publikum in „My Fairy Of The West” etwas Discofox, bevor im traditionellen „I’ll Tell Me Ma“ in der Menge spontan ein Kick unter Freunden ausgetragen wird. Dass ein eingesudelter Bierbecher als Ball-Attrappe herhalten muss, passt irgendwie ganz gut zur skurrilen Ausnahmesituation: Ohnehin sei ja nun alles eh schon scheißegal, merkt Gitarrist und Sänger Pat an, um im folgenden Trinklied „Bottoms Up“ nicht nur die Gläser, sondern auch die Beine der Menge gen Himmel zu beordern.

Viel Zeit zum Quatschen bleibt ansonsten nicht: Um in ihrem gekürzten Set möglichst viele Songs unterzubringen, verzichten FIDDLER’S GREEN sowohl auf die ausgefallen Einlagen ihrer Headline-Tour aus dem Frühjahr als auch überlange Ansagen. Stattdessen reiht die Band in der zweiten Hälfte des Sets einen Hit an den anderen, um uns nahezu das volle Programm in kondensierter Form zu ermöglichen. So hängt man an das wunderbare „The Bog“ noch schnell ein kleines Jig an, bevor mit bewährten Live-Krachern wie „Yindy“, „Victor And His Demons“ sowie „One Fine Day“ garantiert kein Beinpaar vor den umherfliegenden Matschpartikeln verschont bleibt.

FIDDLER’S GREEN zeigen dem WISDOM TOOTH FESTIVAL die Freude, im Moment zu sein

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Dass die Bühne zum eigentlich amerikanischen „The Galway Girl“ in die Farben der irischen Nationalfarben getaucht wird, unterstreicht schließlich den Eindruck, den uns FIDDLER’S GREEN nun schon jahrzehntelang immer wieder aufs Neue vermitteln. Irland scheint nicht nur Land und Nationalität, sondern in diesem Fall in erster Linie Lebenseinstellung zu sein – die Freude, im Moment zu sein, egal ob nun wohlig-warme Sonnenstrahlen das Gemüt wärmen oder – wie am heutigen Tag – die Welt im Schlamm zu versinken droht. „Folk’s Not Dead“ eben – schon gar nicht in dieser ungemütlichen Freitagnacht, wo uns dieses Gefühl nach der Zugabe „The Wild Rover“ noch ein ganzes Stück auf dem Nachhauseweg begleitet.

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FIDDLER’S GREEN Setlist – ca. 65 Min.

1. Shanghaied In Portsmouth
2. Muirsheen Durkin
3. Perfect Gang
4. A Night In Dublin
5. I Don’t Like Alcohol
6. My Fairy Of The West
7. I’ll Tell Me Ma
8. Bottoms Up
9. A Good Old Irish Bar
10. The Bog
11. Jig
12. Yindy
13. Victor And His Demons
14. One Fine Day
15. The Galway Girl
16. Folk’s Not Dead
————————–
17. The Wild Rover

Fotogalerie: FIDDLER’S GREEN


Samstag, 13. Juli 2024

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Die gute Nachricht: Tag zwei soll der grauen Wolkendecke zum Trotz in jedem Fall trocken bleiben. Die Schlechte: Die Fluten des Vortags haben auf dem Gelände unweigerlich ihre Spuren hinterlassen. Glücklicherweise haben die Organisatoren und Helfer:innen bis zu unserer Ankunft gegen Mittag bereits ganze Arbeit geleistet und die zentralen Laufwege sowie die vordersten Reihen in Bühnennähe trockengelegt. Rindenmulch und Metallplatten schaffen das, was andernorts offenbar nicht ganz gelungen ist: Unser Schuhwerk mag trocken bleiben, auf der Main Stage allerdings führten alle Vorkehrungen wohl nicht zum gewünschten Erfolg. Die Fehlersuche zieht sich letzten Endes fast eine Stunde hin, bis endlich grünes Licht gegeben wird.


FLÖTENKIDS

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In Geduld jedenfalls scheinen die früh angereisten Zuschauer:innen ohnehin geschult zu sein: Mit der Flötengruppe der örtlichen Musikschule Wertingen eröffnet erfrischenderweise keine traditionelle Blaskapelle, sondern der Nachwuchs von Morgen das Programm. Entsprechend hoch ist die Quote stolzer Eltern und Großeltern vor der Bühne, wo manche Mamas und Papas sogar das eine oder andere Pappschild mit anfeuernder Botschaft hochhalten.

Zu hören gibt es einen bunten Querschnitt bekannter Volkslieder, die mit Schlagzeug und Gitarrenuntermalung sogar ein wenig Rock-Flair entwickeln dürfen. Tatsächlich dürften wir selten derart kraftvolle Interpretation solcher Evergreens wie „Hänschen klein“, „Old McDonald“ oder Rolf Zuckowskis „Vogelhochzeit“ gehört haben. Als Medley verpackt bleibt die Darbietung kurzweilig und durchaus tanzbar, wie sich während „Bi-Ba-Butzemann“ und „Auf der Mauer, auf der Lauer“ beobachten lässt. Bonuspunkte sammeln die Flötenkids schließlich mit URIAH HEEPs „Lady In Black“, bis nach rund 20 Minuten mit einem sympathischen Geburtstagsständchen die Bretter auch schon wieder geräumt werden.


HIVE LEADER

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Ob das WISDOM TOOTH FESTIVAL den größtmöglichen Kontrast bewusst im Anschluss platziert hat? Mit pechschwarzen Kontaktlinsen und gleichfarbiger Kriegsbemalung im Gesicht erschüttern HIVE LEADER das gerade noch so familiäre Event mittels tief gestimmter Gitarren und zweier Shoutern, die sich gegenseitig in puncto Aggression zu überbieten suchen. Das scheint auf Anhieb sogar zu viel für die Anlage zu sein, die aber nach einem kurzen Ausfall zu Beginn schnell wieder auf Vordermann gebracht wird.

Ob der nun vorherrschenden Lautstärke weht plötzlich ein anderer Wind auf dem Gelände, was hier und da nicht ganz unproblematisch scheint. Doch wie schon das gesamte Wochenende über zeigt sich auch hier die Bühnensecurity der Grabenschlampen sowohl umsichtig als auch proaktiv, indem sie das übernimmt, was so manche Eltern wohl versäumt haben: Den kleinsten Zuschauern in den vorderen Reihen händigen die sympathischen Sicherheitsleute den auf Musikveranstaltungen so wichtigen Gehörschutz aus.

HIVE LEADER bringen nach dem familientauglichen Auftakt das Kontrastprogramm

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Denn auch mit Ohropax lassen sich die groovenden Rhythmen und vor allem krachenden Breakdowns solcher Tracks wie „Major Extinction Event“ ausgezeichnet verfolgen. Obgleich Songwriting und Melodieführung hier und da sicherlich noch dynamischer gestaltet werden können, bewegen sich HIVE LEADER als junge Band schon jetzt in vielversprechenden Bahnen. Kurios scheint somit einzig die Bitte, die Arme im Takt der brachialen Deathcore-Klänge zu schwenken – sieht von oben sicherlich toll aus, beißt sich aber mit dem sonst so martialischen Auftreten.

Fotogalerie: HIVE LEADER


NITROGEN

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Wie sehr NITROGEN im Anschluss den Female-Fronted-Aspekt in ihr Konzept integrieren, erkennen wir gleichermaßen an Bühnenbild wie Garderobe. Im grün-schwarzen Catsuit samt farblich abgestimmtem Mikrofon sticht Sängerin Rini natürlich unweigerlich hervor. Die Rolle im Rampenlicht ist derweil gut begründet, denn mit einer derart kraftvolle Stimme haben wir vorab tatsächlich nicht gerechnet. Ob gefühlvoll oder aggressiv – von sanftem Klargesang in der Ballade „Falling“ bis zu giftigen Screams in „Worrier To Warrior“ deckt die rothaarige Fronterin die komplette Bandbreite ab.

Meist allerdings regiert die raue Rockröhre, welche von ihren Kollegen mal beschwingt („Loser“), mal energischer („Limit Your Limits“) untermalt wird. Den Mix aus Alternative Metal und hartem Rock heißt man auf dem WISDOM TOOTH FESTIVAL folglich gerne Willkommen, obwohl so manchem Festivalgänger augenscheinlich noch die letzte Nacht in den Knochen steckt. Es dauert somit etwas, bis das Eis gebrochen ist. Zwar meidet der Großteil der Zuschauerschaft selbst dann noch die Schlammgrube im Zentrum, Spaß und Freude hat man in den Randbereichen mit NITROGEN allerdings trotzdem zur Genüge.

Fotogalerie: NITROGEN


SOUL DEMISE

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Eigentlich hätte um zehn nach vier schon der nächste Act den Soundcheck beschließen sollen; dass man mit dem Zeitplan nun schon über 70 Minuten ins Hintertreffen geraten ist, können wir aber freilich nicht SOUL DEMISE anlasten. Die Melodic Death Metal-Veteranen, die nun auch schon seit drei Jahrzehnten die Metal-Szene bereichern, lassen sich von derlei Unannehmlichkeiten ohnehin nicht verunsichern.

Die Routine und Erfahrung der sympathischen Formation merken wir ab der ersten Sekunde: Rabiat und mit Drang nach vorne intonieren die Musiker ihre Songs, die in puncto Aggression häufig an AT THE GATES erinnern („My Own Coffin“), mit punktuellen Thrash-Anleihen aber auch eine Spur DIMENSION ZERO in sich tragen können („The Tempest“). Allein die Lead-Gitarre könnte für unseren Geschmack ein wenig lauter sein, trübt den Spaß am kurzweiligen wie aufrüttelnden Material letztlich aber nur unwesentlich.

Sympathisch und mit Drang nach vorne lassen SOUL DEMISE keine Langeweile aufkommen

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Dafür sorgt auch Frontmann Roman Zimmerhackel, welcher schon beim zweiten Stück „Obtuse“ einen Ausflug in den Fotograben wagt. Von Distanz somit keine Spur, auch weil der energische Shouter zwischendurch von eigenen Dämonen erzählt, welchen er sich auch in der neuesten Single „Broken Skin“ annimmt. Weil SOUL DEMISE ihren gnadenlosen Göteborg-Sound hin und wieder durch spannende Facetten wie den rhythmisch interessanten Breakdown von „Desperate Cry“ ausschmücken, vergeht die Dreiviertelstunde mit den Bayern schlussendlich wie im Flug.

SOUL DEMISE Setlist – ca. 45 Min.

1. Still Alive
2. Obtuse
3. The Tempest
4. Evidence
5. Plagued By Fear
6. Desperate Cry
7. Broken Skin
8. My Own Coffin
9. Naive
10. Ignore The Truth
11. Six Billion

Fotogalerie: SOUL DEMISE


DIEVERSITY

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Von Allem etwas versprechen DIEVERSITY und ihr kunterbunter Stilmix, der uns zunächst mit dem „Terminator“-Thema cineastisch Willkommen heißt, bevor in den eingängigen Stücken Melodeath mit Alternative, Modern Metal, Rock und Elementen des Metalcore verschmolzen werden. Letztere schimmern am ehesten in der Stimmfarbe des Sängergespanns durch, deren markige Screams jedoch nur eine Seite der Medaille darstellen.

Emotionsgeladener Klargesang ist ein weiterer Eckpfeiler des bandtypischen Sounds, welcher uns ein ums andere Mal zu überraschen weiß. Nicht unbedingt, weil hier gänzlich neues Terrain erforscht wird, sondern weil DIEVERSITY für eine Band aus dem Underground ungemein ausgefeilte Arrangements aufzufahren weiß. So lockert ein rockiges Solo „Too Blind To See“ auf, während das stets präsente Keyboard regelmäßig eigene Akzente setzen darf.

Mit Spielfreude und zündenden Melodien sammeln DIEVERSITY Sympathiepunkte

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Kraftvoll, doch gleichzeitig massentauglich bringt das Material auch das WISDOM TOOTH FESTIVAL schnell in Bewegung. Während die ganz Kleinen begeistert im Schlamm spielen – es könnte gut und gerne der erste offizielle Matsch-Pit der Festivalsaison sein -, lassen die gestandenen Metalheads zunächst lieber im Trockenen Haare wie Fäuste kreisen. Ausgezeichnet ist die Stimmung dennoch, was wohl auch an der Spielfreude DIEVERSITYs liegt, die an diesem Nachmittag nichts anderes als ansteckend ist.

Dass Sänger Robin im stampfenden „Your Lies“ während des Gitarrensolos versehentlich Kollege Michael Steger am Bass in Szene zu setzen versucht, sorgt derweil für ein paar herzhafte Lacher, die aber niemand als bösartig verstehen will. Schließlich kann es bei ganzen sieben Köpfen auf der Bühne schon mal unübersichtlich werden. Zielsicher bleibt der Frontmann wie seine Kollegen jedenfalls dort, worauf es ankommt. Seien es die harmonischen Backing Vocals von Keyboarder Chris Walther, das tatsächlich gut in den eigenen Sound übersetzte IRON MAIDEN-Cover „Be Quick Or Be Dead“ oder die härteren Ausbrüche à la „Mr. God“, wo dem Melodic Death Metal auch eine Prise Thrash auf die Sprünge hilft.

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DIEVERSITY Setlist – ca. 60 Min.

1. Life
2. Too Blind To See
3. If I Close My Eyes
4. End Of The Line
5. The Bitter Taste Of Sin
6. Just Lies
7. Don’t Teach Me
8. Be Quick Or Me Dead (IRON MAIDEN-Cover)
9. 1408
10. Mr. God
11. In Your Dreams
12. Enemies
13. Last Day

Fotogalerie: DIEVERSITY


TROLLFAUST

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Als „laut und brachial“ vermarkten TROLLFAUST ihre mittelalterliche Marktmusik – das mögen zwar Attribute sein, die auf so ziemlich jede einschlägige Kapelle zutrifft, doch im Fall der Donauwörther hat die Marketing-Abteilung definitiv nicht zu viel versprochen. Mit vier Sackpfeifen, einer Davul und einem Schlagzeug entwickeln Eigenkompositionen wie traditionelle Stücke gleichermaßen eine Art Eigenleben. Mal tanzbar, mal wehmütig weiß die Band doch stets, den Umsatz am nahegelegenen Ausschank möglichst effektiv anzukurbeln.

Zwar könnten TROLLFAUST hier und da für unseren Geschmack etwas straffer zu Werke gehen, überbrücken potenzielle Längen aber dennoch geschickt mit einer aufwendigen und rundum stimmigen Show. Nicht nur schießen im „Hexenreigen“ am vorderen Bühnenrand regelmäßig Flammensäulen gen Himmel, auch mit Nebel und Lichtuntermalung geizt man am frühen Abend nicht. Das macht es bisweilen gar nicht so einfach, das imposante Schlagwerk im Hintergrund oder die liebevoll gestalteten Masken der Musiker zu bewundern, führt die stimmige Inszenierung aber schlüssig zusammen. Spätestens als dann in „Absinth“ tiefgrüner Rauch aus Frontmann Arachons gerecktem Krug aufsteigt, stimmen auch wir in den manchmal etwas monotonen Gröhlgesang ein.

Die spektakuläre Inszenierung ist die große Trumpfkarte im Ärmel der TROLLFAUST

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Nebst Dudelsäcken, Drehleier und Schalmei/Rauschpfeife greifen TROLLFAUST auch mal zu martialischem Werkzeug, wenn Arachon von der Trollfaust etwa in „Brandschatzen ist schön“ dem Wikingermotto mit Axt und Schild zusätzlich Nachdruck verleiht. Dass schließlich zu „Von Liebe und Totschlag“ auch munter geschunkelt werden darf, passt zum feucht-grimmigen Auftritt des Sextetts, das sich selbst als musikalischer Außenseiter über ein stattliches wie engagiertes Publikum freuen darf – und dem TROLLFAUST in ihrer derben Art mittels dezenter NDH-Anleihen sogleich versuchen, das angeblich zu Unrecht verschmähte „Menschenfleisch“ schmackhaft zu machen.

Fotogalerie: TROLLFAUST


YELLOWCAKES

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Derartige Delikatessen findet man auf der Babytooth Stage derweil nicht vor, wie uns YELLOWCAKES bald offenbaren. Zwar könne die Nürnberger Rock-Band nicht mit Menschenfleisch dienen, dafür habe man jedoch mit Drummer Nico ein nagelneues Bandmitglied im Gepäck, das die unverkrampften Arrangements des Quartetts souverän antreibt. Überhaupt scheint der lockere Alternative-Sound zum idealen Zeitpunkt zu kommen: Neben den Sitzreihen füllt sich auch die Tanzfläche vor der Bühne innerhalb kurzer Zeit mit ungezwungen feiernden Gästen.

„I won’t let the fire die!”, heißt es analog von Sänger und Gitarrist Stefan Besner im passend betitelten „Rock ‘N‘ Roll Requiem“, wo YELLOWCAKES beschwingt und spielfreudig exakt jene Lebenslust versprühen, wie wir sie nur auf sommerlichen Open-Air-Konzerten finden können. Daher ist es durchaus ein wenig schade, dass wir uns ob des drängenden Zeitplans ein wenig früher als geplant in Richtung Hauptbühne verabschieden müssen.

Fotogalerie: YELLOWCAKES


THE PRIVATEER

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Die dort bereits wildernden Freibeuter THE PRIVATEER sind für uns keine gänzlich Unbekannten: Vor rund zwölf Jahren erreichte uns das Debüt „Facing The Tempest“ (2012) in einem Digipak, dessen stilechtes Wachssiegel wir bis heute nicht zu zerstören wagten. Immerhin: Der liebevolle Marketing-Kniff blieb uns all die Zeit in Erinnerung, auch wenn die Details unterdessen etwas verschwammen: Dass die Freiburger ihre Folk-Einflüsse mit einer ordentlichen Portion Melodic Death Metal vermischten, hatten wir so nicht mehr auf dem Schirm.

Beklagen wollen wir uns über die härtere Marschroute indes nicht, zumal die Musiker:innen in ihren Arrangements abseits der genretypischen Göteborg-Riffs den gleichen Blick fürs Detail beweisen, wie sie es auch bei ihren liebevoll gestalteten Bühnenoutfits tun. Härteren Passagen setzen Sänger Pablo und Geigerin Clara oftmals zweistimmigen Klargesang entgegen, wobei letztere in „Queen Of Fire And Wind“ zeitweise sogar die Führung übernehmen darf.

THE PRIVATEER füttern den Moshpit mit schmissigen Kompositionen

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Weil THE PRIVATEER darüber hinaus mit Motivation und Freude bei der Sache sind, überträgt sich dieser Elan schnell auf die Anhängerschaft zu ihren Füßen, die in „Foretold Story“ energisch die Fäuste nach oben reißt und in der zweiten Hälfte der Show schließlich alle Hemmungen fallen lässt, um den gut gewässerten Boden ein weiteres Mal umzupflügen. Den Moshpit füttert das Sextett bereitwillig mit schnelleren Nummern à la „For What Lurks In The Storm“ oder „Ghost Light“, bis schließlich das finale „The Island, It’s Calling“ den packenden Gig mit einer dezent epischen Note zu einem würdigen Ende trägt. Da hinterlässt man im Anschluss am Merchandise doch gerne ein paar Taler in der bandeigenen Schatzkiste – auch wenn ehrlicher Handel mit Piraten vielleicht nicht ganz ohne Risiko sein mag.

Fotogalerie: THE PRIVATEER


SCHATTENMANN

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Wenn die entgleiste Zeitplanung etwas Positives an sich hat, ist es wohl der Nebeneffekt, dass SCHATTENMANN ihre Show von Beginn an unter dunklem Nachthimmel bestreiten dürfen. Das kommt vor allem dem charakteristischen Make-up des Quartetts zugute, dessen „Glow in the Dark“-Effekt in gewissen Momenten grün leuchtende Totenkopf-Fratzen auf die Gesichter der Musiker zaubert.

Als Gimmick ist das ein kongenialer Blickfang und doch nur eine Facette der abwechslungsreichen und visuell stimmig inszenierten Show. Das beginnt bei den rankenbewehrten Torbögen, die als Deko in verschiedenen Farben leuchten, und endet mit dem Auftritt eines maskierten Komparsen während „Chaos“, um dem Luftschlangenregen per CO2-Kanone ein energisches Element zur Seite zu stellen.

SCHATTENMANN lassen sich von einer Meniskus-Verletzung nicht zurückwerfen

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Tatsächlich kommuniziert jedes Detail des Auftritts von einer Band, die es ernst meint; die nach Höherem strebt. Deshalb lassen sich SCHATTENMANN auch nicht von einer einfachen Meniskus-Verletzung zurückwerfen, die Gitarrist Jan heute an den Barhocker fesselt.

Bewegung herrscht auf der Bühne dennoch genug, allein schon weil Sänger Frank im Laufe der 75 Minuten wirklich jeden Zentimeter beackert und in Stücken wie „Spring“ oder „Jeder ist schlecht“ dem Publikum mustergültig demonstriert, wie sich die Beine ordnungsgemäß vom Erdboden lösen lassen.

SCHATTENMANN-Sänger Frank Herzig macht einem Fan ein einzigartiges Angebot

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Hier kommt SCHATTENMANN der gute Sound, aber auch das recht eingängige Songmaterial entgegen, das irgendwo zwischen hartem Rock und Neuer Deutscher Härte mittels satter Riffs, stampfender Rhythmen sowie Singalongs zum Nackentraining einlädt. Industrial und RAMMSTEIN-Touch durchziehen etwa „Schwarz = Religion“ und „Licht an“, wohingegen „Abschaum“ geradezu danach verlangt, die Titelzeile inbrünstig in die Nacht zu schreien.

Dem kommt das WISDOM TOOTH FESTIVAL genauso gerne nach wie der Aufforderung in „Extrem“, sich liebevoll in den Arm zu nehmen. Wie stark die Bindung zwischen Band und Publikum ist, erleben wir zudem vor „Dickpic“, als Fronter Frank Herzig eine Zuschauerin auf die Bühne holt, um ihr einen ganz besonderen Deal vorzuschlagen: ein gemeinsames Polaroid-Foto im Tausch gegen das Versprechen, das Smartphone bis zum Ende des Auftritts in der Tasche zu lassen. Ein Angebot, das man als Fan kaum ablehnen kann und darüber hinaus die Wertschätzung zeigt, die man sich beiderseits entgegenbringt.

Zum Ende hin ziehen SCHATTENMANN nochmals das Tempo an

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Überhaupt zeigen SCHATTENMANN kein Interesse an der oft im Genre üblichen Macho-Schiene. Im Gegenteil, zeigt sich Herzig regelrecht geschmeichelt, als auf „Cosima“ plötzlich lautstark die erste Zugabe gefordert wird. Man sei ja noch gar nicht am Ende angelangt, so die unmittelbare Entwarnung, auf die mit „Komet“ jedoch das eher verzichtbare APACHE 207-Cover folgt.

Dafür ziehen SCHATTENMANN zum Ende nochmals das Tempo an, servieren das schmissige „Día de Muertos“, bevor „Hände hoch“ mit goldenem Lametta und dezenten Hardstyle-Vibes auf die Zielgerade einbiegt, wo uns „Ewigkeit“ ein paar mahnende Worte mit auf den Weg gibt. Eine rundum überzeugende Performance also, deren Erfolg wir mit einem Blick ins heute oft verwaiste Zentrum messen können: Wo für SCHATTENMANN am Nachmittag im Rahmen eines Videodrehs noch die feuchte Erde als Kriegsbemalung Verwendung fand, toben nun die eigenen Fans ausgelassen im Schlamm. Hut ab!

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SCHATTENMANN Setlist – ca. 75 Min.

1. Dämonen
2. Jeder ist schlecht
3. Abschaum
4. Schwarz = Religion
5. Brennendes Eis
6. Epidemie
7. Extrem
8. Chaos
9. Menschenhasser
10. Dickpic
11. Licht an
12. Amok
13. Cosima
14. Komet
15. Spring
16. Día De Muertos
17. Hände hoch
18. Ewigkeit

Fotogalerie: SCHATTENMANN


EQUILIBRIUM

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Wir sind ehrlich: Nach zwei Tagen vollen Programms merken wir um kurz vor Mitternacht langsam auch die eigenen Knochen. Dass wir dennoch nicht vorzeitig die Segel streichen, liegt allerdings auf der Hand. Mit EQUILIBRIUM steht nicht nur der Festival-Abschluss, sondern auch der zweite Headliner bevor, der darüber hinaus mit einer Premiere aufwarten kann. Live erleben konnten wir Neuzugang Fabian Getto bislang nämlich noch nicht, weshalb die folgende Stunde gerade auch hinsichtlich des älteren Materials interessant werden dürfte.

Los geht’s aber zuerst mit aktuellem Stoff: „Shelter“ profitiert vom klaren wie druckvollen Sound, aber auch Gettos mitreißender Bühnenpräsenz. Der motivierte Frontmann fegt nahezu unentwegt über die Bretter, während er aktiv den Kontakt zu den Anhänger:innen der Band sucht. Gleichzeitig lassen Mastermind René Berthiaume und Dom R. Crey an den Gitarren im dichten Nebel keine Gelegenheit aus, sich in fotogene Posen zu werfen – eine gute Figur machen EQUILIBRIUM, die heute ohne Bassist Skar angereist sind, auf diese Weise auch ohne zusätzliche Showeffekte.

Eine Stunde lang geben EQUILIBRIUM zum Abschluss Vollgas

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Für solche hätten wir und die ausdauernde Menge ohnehin keine Zeit, müssen wir in „Renegades – A Lost Generation“ doch erst auf und abspringen, um dann in „One Folk“ Geschlossenheit zu demonstrieren. Hierzu folgen die Fans mit gestreckten Armen den Anweisungen des Shouters, der sich immer wieder für das Durchhaltevermögen der Bissinger bedankt und dabei die witterungsbedingte Kürzung des Sets bedauert.

Für rund eine Stunde Vollgas reicht es dennoch: Von Crowdsurfern bis hin zum engagierten Moshpit im Evergreen „Blut im Auge“ lässt man sich nicht lumpen, zumal Fabian Getto auch den Klassiker stimmlich spielend meistert. Zeit zu üben hatte er ja, wie er uns beiläufig wissen lässt: Mit 15 zum ersten Mal im eigenen Kinderzimmer gehört, darf der neue Chef am Mikro nun selbst den Ton angeben. Gerne auch mal per tiefem Growling, wie er anschließend im versöhnlichen „Heimat“ demonstriert.

EQUILIBRIUM müssen leider aufhören, wenn es am schönsten ist

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Dass nach dem „Skyrim“-Cover „Himmelsrand“ und dem mächtigen „Apokalypse“ schneller Schluss sein muss, als es allen Beteiligten eigentlich lieb ist, bleibt im Folgenden nicht verborgen. Ohne Widerhalle verklingen müssen die Zugabe-Wünsche nach dem gemeinsamen Foto aufgrund der fortgeschrittenen Uhrzeit dennoch. Aufhören also, wenn es am schönsten ist? Was FRAGMENTATION am Vortag erspart blieb, holt nun ausgerechnet EQUILIBRIUM ein.

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EQUILIBRIUM Setlist – ca. 60 Minuten

1. Shelter
2. Renegades – A Lost Generation
3. Rise Again
4. Born To Be Epic
5. Prey
6. Revolution
7. Cerulean Skies
8. One Folk
9. Blut im Auge
10. Heimat
11. Himmelsrand
12. Apokalypse

Fotogalerie: EQUILIBRIUM


Das WISDOM TOOTH FESTIVAL war auch 2024 eine kleine Wohlfühloase

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Auch für das Festival selbst steht diese Option weiterhin im Raum, selbst wenn das eigentlich niemand möchte. Belege dafür haben wir nach der Hitzeschlacht 2023 auch in diesem Jahr zur Genüge erlebt. Von Wind und Wetter gebeutelt, ließ sich die Moral auf Seiten der Veranstalter davon nicht beeinflussen. Mit Geduld, Freude und ganz viel Fleiß hielt man den Laden am Laufen, selbst wenn zwischendurch die Technik streikte oder die Witterungsbedingungen Lauf- und Zufahrtswege in temporäre Sumpfgebiete verwandelten. Dank zahlreicher freiwilliger Helfer legte man über Nacht Wege trocken und schleppte darüber hinaus so manches Fahrzeug vom Acker.

Faire Preise, gutes Essen und mit dem Biergarten ein Rückzugsort samt Sitzgelegenheiten sorgten dafür, dass das WISDOM TOOTH FESTIVAL nicht für für hartgesottene Metalheads, sondern auch Familien eine kleine Wohlfühloase darstellen konnte. Ein gutes Event machen schließlich auch die Menschen, die daran beteiligt sind: Das fängt bei der sympathischen Crew an und setzt sich im Bühnengraben fort, wo die Abordnung der Grabenschlampen in Hawaii-Hemd die Sonne zumindest im Geiste nach Bissingen getragen haben: nicht nur durch das Outfit, sondern vor allem den stets fairen wie freundlichen Umgang mit den Gästen – den Kleinsten half man mit Gehörschutz aus, doch auch die eine oder andere Süßigkeit zum Naschen hatte man für den Nachwuchs übrig.

Auf dem WISDOM TOOTH FESTIVAL dürfen sich alle wie zu Hause fühlen

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Das mag ein kleines, fast unbedeutendes Detail im großen Ganzen sein, symbolisiert für uns aber das Alleinstellungsmerkmal des WISDOM TOOTH FESTIVALs. Mit seinem bunt gemischten Programm mag man in dieser Größenordnung nicht den leichtesten Stand haben, gewisses Spartenpublikum zu aktivieren, vermittelt aber zugleich eine umso wichtigere Botschaft. Nicht nur der Metal an sich, auch das Open Air ist ein Ort, an dem sich jeder zu Hause und willkommen fühlen darf; dort haben gestandene Acts wie EQUILIBRIUM, FIDDLER’S GREEN sowie SCHATTENMANN genauso ihren Platz wie der Untergrund um HIVE LEADER und INTERSTELLAR DUST. Gleichzeitig öffnet man jedoch auch die Bühne für Musikschule und Lebenshilfe – das ist nicht einfach nur Inklusion, sondern ein Begegnen auf Augenhöhe.

Auch wir sind genau aus diesen Gründen ein weiteres Mal voller Freude nach Bissingen zurückgekehrt, wo die Zukunft dieses familiären und wunderbaren kleinen Festivals nach wie vor ungewiss scheint. Ob die Gemeinde ihren einzigen Weisheitszahn verlieren wird? Es wäre ein Jammer, denn im Gegensatz zu unseren eigenen würden wir diesen Verlust auch in den kommenden Jahren noch schmerzlich spüren.

Fotogalerie: Impressionen

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Fotos: Tatjana Braun (https://www.instagram.com/tbraun_photography/)