blank

POLAR, TRIPSITTER, Backstage Club, München, 13.5.2019

blankEs ist ein Montagabend, also vielleicht der denkbar schlechteste Wochentag für ein Konzert, als wir über das Gelände des Münchner Backstage schlendern. Insofern sind wir sogar dankbar, dass lediglich zwei Bands auf dem heutigen Billing stehen und der Beginn mit Punkt 20 Uhr relativ human gehalten ist. Da sowohl Headliner POLAR als auch der Toursupport TRIPSITTER ihre Wurzeln im Hardcore haben, bereiten wir uns auf einen kurzen wie intensiven Abend vor.

Der Auftritt von TRIPSITTER ist vereinnahmend

blankBeide Attribute passen bestens zum Auftritt TRIPSITTERs, wie wir umgehend feststellen sollten. Ohne Intro oder Vorankündigung erklimmen die Österreicher die Bühne und starten mit „The Illusion“ ein Theaterstück der Kontraste. Die Lichtshow bleibt bewusst spartanisch: Eine einsame Nachttischlampe im Retrostil zu den Füßen von Sänger und Gitarrist Meinhard Taxer erhellt dessen Gesicht in der Dunkelheit. Hinzu kommen grelle Strahler und eine Handvoll ringsum platzierte Glühbirnen, welche die musikalischen Spitzen visuell untermalen. Das erinnert bisweilen an eine atmosphärische Variante des Stroboskop-Wahnsinns der französischen Black Metal-Band CELESTE und hilft der Dramaturgie des intensiven Sets ungemein.

blankDer dichte Klangteppich zwischen Melodic Hardcore, Post Metal und Noise ist vereinnahmend und bisweilen hypnotisch, lebt geradezu von seinen Kontrasten. „Metamorphose“ und „Bury Me“ ebben mit Laut-Leise-Dynamik auf und ab, während die hysterischen Vocals Mark und Bein durchdringen. „Dreamer“ erinnert gar an die schneidenden Soundwände der Kanadier BURIED INSIDE. Eine solche Darbietung ist nicht die leichteste Kost, was anfangs auch im Publikum zu spüren ist.

Die Münchner zeigen sich zunächst verhalten, doch nicht etwa aus Langeweile: Die Musik TRIPSITTERs will erfahren, will aufgesogen werden. Als nach einer guten Viertelstunde zum ersten Mal Applaus zu vernehmen ist, fällt es uns wie Schuppen von den Augen. Die Zuhörer verfolgen den Auftritt der Österreicher gebannt, um ja kein Detail zu verpassen. Davon gibt es im ausgedehnten Finale „Of Flowers“ eine ganze Menge: TRIPSITTER verlegen den Hauptschauplatz kurzerhand vor die Bühne, wo sie inmitten des Publikums eine Trommel und ein Mikrofon platzieren. Die Percussioneinsätze verleihen dem Song eine ungeheure Energie, die unmittelbar auf die ringsum aufgereihten Besucher überspringt und sich schließlich in donnerndem Applaus entlädt.

POLAR lassen einen Orkan losbrechen

blankAusverkauft ist der kleine Backstage Club heute nicht und doch wird es einigermaßen kuschelig, als nach kurzer Umbaupause ein knackiges Intro den Hauptact ankündigt. POLAR lassen mit dem gewaltigen „Breathe“ umgehend einen Orkan losbrechen. Die Engländer rücken auf dem aktuellen Album „Nova“ Richtung Metalcore, doch es überrascht uns trotzdem, wie heavy das neue Material live ist. Wir geben zu, der Opener erwischt uns auf dem falschen Fuß; müssen erstmal schlucken, bevor wir Sänger Adam Woodfords Aufforderung nachkommen können, den Refrain mitzusingen.

Woodford strahlt während der ersten Hälfte des Sets eine Autorität aus, der sich die Münchner nur schwer entziehen können. Was der Frontmann anleitet, wird auch exakt so umgesetzt. Der Pit während „Adore“ reizt schnell die Dimensionen des kleinen Clubs aus und drängt so manchen Fan in Richtung Tresen, woraufhin der Sänger das Publikum wieder nach vorne zitiert. Dass sich dieses Spiel im Verlaufe des Sets noch einige Male wiederholen soll, spricht für die Intensität des Songmaterials.

Sänger Adam Woodford nimmt ein Bad in der Menge

blankDas sehen auch zwei urbayerische Fans an der Bar so, die während „Deus Ex Machina“ mit breiter Gestik den fünf Musikern auf der Bühne huldigen. Dort herrscht trotz beengter Verhältnisse reichlich Bewegung, wobei weder Bassist Jonny Bowman noch Gitarrist Tom Green eine Gelegenheit verstreichen lassen, sich in Szene zu setzen. Wie sein Kollege Fabian Lomas findet Letzterer jedoch immer wieder den Weg zurück zum Mikro, um Frontmann Adam Woodford stimmlich zu unterstützen.

Das Repertoire reicht von berstenden Shouts bis hin zu einfühlsamem Klargesang in „Cradle“, dessen emotionales Finale den ersten Höhepunkt des Sets markiert. Zeit zu genießen lassen uns POLAR derweil kaum, indem sie mit „Blood For Blood“ umgehend zur doppelten Wall of Death aufrufen. Obwohl es im Club heute nicht allzu eng ist, gehen jetzt immer mehr Zuhörer auf Tuchfühlung. Das geht auch an Sänger Woodford nicht vorüber, der zum Ende hin die harte Schale ablegt und zunächst „Black Days“ gemeinsam mit den Anwesenden feiert, bevor er im Finale der Single „Drive“ ein Bad in der Menge nimmt. ‚No Stagediving‘ steht eigentlich auf einem Schild neben der Bühne. Für POLAR drücken die Münchner aber gerne ein Auge zu, schließlich soll eine knappe Stunde voller Leidenschaft und Energie nicht unbelohnt bleiben. „…At least our hearts had adventure“ lauten die letzten Zeilen, die noch aus den Lautsprechern schallen. Ein Statement, dem wir mit Blick auf den heutigen Abend gerne zustimmen möchten.

POLAR Setlist

1. Breathe
2. Deus Ex Machina
3. Mountain Throne
4. Tidal Waves And Hurricanes
5. Adore
6. Devil
7. Cradle
8. Blood For Blood
9. Dusk
10. Midnight
11. Black Days
12. Drive

Cookie Consent mit Real Cookie Banner