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NIFELHEIM, WATAIN, IMPIETY, SPEARHEAD: Turku: S-Osis, 26.09.2008

NIFELHEIM und WATAIN live – dafür lohnt sich auch ein Trip ins finnische Turku…
 

Merke: Wenn man in Zürich den 13 Uhr-Flug nach Helsinki nimmt, dann sieht man am Bahnhof der finnischen Hauptstadt genau noch die Rücklichter des Zuges nach Turku um 18:03. Danach ist eine Stunde Warten angesagt – und der Zug nach Moskau fährt noch eher. Aber eben – die Minitour der schwedischen Satansbraten mit ihren Genrekollegen aus Singapur und England macht nach dem ersten Gig in Tampere eben in Turku Halt an diesem Freitagabend.

 NifelheimTourposterFinnland2008vonKRKEntertainment
 Stimmiges Tourposter für die drei Finnland-Gigs von NIFELHEIM und WATAIN

Nach neun Uhr trifft der Zug dann im verschlafenen Turku ein. Besoffene Jugendliche torkeln auf der Strasse herum, hier und da ist ein Johlen zu hören. Aber es ist klar: Hier ist man in Finnland, und wer sich betrinkt, tut dies typisch-finnisch still und bis zum Level sternhagelvoll. Vodkatrinken ist hier eine ernste, schweigsame Angelegenheit und Galaxien entfernt von der fröhlichen Biertrinkerei am Oktoberfest.

Dank Taxi erübrigt sich die Fragerei nach dem Weg und das S-Osis stellt sich als Club irgendwo auf der Schwelle zwischen Backstein-Turnhalle und Jugendtreff heraus – gemütlich und alternativ ist das Motto, welches auch die freundliche Security miteinschließt. Ein undefinierter Mief wabert in der Halle, mehrere abgegriffene Sofas dienen als Sitzgelegenheiten und auf der kleinen Bühne geben die jungen Engländer von SPEARHEAD noch die letzten schwarzmetallischen Töne von sich. Immerhin, man merkt, dass hier technische Ambitionen mit am Start sind und nicht einfach willenloses Gebretter zu erwarten ist.

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 Exotisch und evil: IMPIETY aus Singapur

Bald darauf ist es Zeit für die Exotenextremisten IMPIETY. Die Nietennagelfraktion schickt mit dem Quartett sozusagen ihre Vorboten aus. Und IMPIETY zeigen gleich, dass ein warmes Klima nicht zu einem Schwund der Evilness führt. Rau und schroff wird old schooliger Black Metal gebrettert, wobei Material von der letzten Full Length Formidonis Nex Cultus nicht fehlen darf. Obwohl die Asiaten eine solide Performance hinlegen, merkt man, dass die Soundanlage der Location nicht unbedingt als optimal bezeichnet werden kann. Oft überschlägt der Sound und man ahnt bereits, dass sich dieser Missstand wohl auch auf die Tonqualität bei WATAIN und NIFELHEIM auswirken wird. Das finnische Publikum scheint sich daran indes nicht zu stören und hier und da lässt sich die eine oder andere headbangende Matte ausmachen. Applaus ernten IMPIETY zu Genüge und man merkt, dass die Meute nach mehr satanischer Schwarzmetallkunst dürstet.

Und die bekommt sie auch. In der Umbaupause wird klar, dass WATAIN eine weitere Teufelsmesse abhalten werden und hierbei wiederum mehr Sinne ansprechen als Bands, die sich nur auf verbale, auditive und visuelle Kommunikationskanäle beschränken. So werden Fackeln aufgestellt, Sensen, rote Kerzen, Ketten und das Aufziehen des WATAIN-Backdrops würde jeder Prophet als den Beginn der nahenden Apokalypse werten. Und dann natürlich der olfaktorische Faktor – denn die Blutspuren auf den Effektboards der Gitarristen kommen nicht einfach zufällig dorthin.

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 Black Metal-Zeremonie: WATAIN

Die Fackeln werden entzündet, es wird spürbar wärmer im nunmehr gut gefüllten Saal und man sieht sich reflexartig nach den Notausgängen um, falls mit der Zündelei was schief gehen sollte. Doch mittlerweile ist es so schummrig, dass sich die Exitsuche rasch als allzu mühselig entpuppt. Zudem betritt das schwedische Höllenpriesterkommando nun die Bühne und somit ist ein garantierter Einzug in die Hölle im Falle einer Brandkatastrophe sowieso sichergestellt.

Fronter Erik eröffnet das Konzert mit rituellen Gesten. Wie immer sind seine zerrissenen Beinkleider und ein Großteil seines Bühnenoutfits mit verrottetem Schweineblut getränkt. Zusammen mit den brennenden Fackeln vermischt sich dieser süßlich-tote Duft zu einem olfaktorischen Unikat. Während dieses die meisten anekeln dürfte, stellt sich nach einigen WATAIN-Konzerten eine Gewöhnung der Nase an die Umstände ein und man möchte die Gerüche dieses heimeligen Satanisten-Barbeques nicht mehr missen.

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WATAINs Stellavore inklusive Pyro-Inszenierung

Musikalisch zeigen WATAIN wie immer, dass sie nicht nur Männer der großen Gesten sind, sondern auch schwarzmetallisch keine Wünsche offenlassen. Grundlage dafür bietet vor allem das superbe Album Sworn to the Dark, welches mehr oder weniger die gesamte Setliste dominiert. Egal ob das gefährlich raffinierte Satan`s Hunger, Storm of the Antichrist, Unterneath the Cenotaph, The Serpent`s Chalice oder der Titeltrack Sworn to the Dark: WATAIN lassen im wahrsten Sinne des Wortes nichts anbrennen. Hier und da erinnern die Schweden an eine düstere, dreckige Version von DISSECTION, ohne jedoch an Eigenständigkeit einzubüßen. Spielerisch zeigt sich die Tourfreudigkeit der Schweden, alles sitzt, wo es zu sitzen hat. Und immer wieder ist es der schmächtige, aber ungeheuer charismatische Fronter, der die satanische Lyrik packend und wahrhaft dämonisch-zeremoniell präsentiert, ja lebt.

Trotz nicht gerade optimalen Soundbedingungen liefern WATAIN so einen klasse Gig ab, der mit seiner zeremoniellen Note einen ganz eigenen, ergreifenden Reiz hat. Mit God of Death-Chören im epischen Stellavore und perfekter Pyro-Inszenierung naht das Ende des Auftritts, doch das Gefühl, wieder an einer Messe zur Feier des Höllenfürsten teilgenommen zu haben, verflüchtigt sich auch nicht, als die Lichter im Saal wieder angehen. Klar, dass die nachfolgende Band nicht die gleiche Show abziehen kann. Doch die Kombination WATAIN und NIFELHEIM hat sich schon in der Vergangenheit bewährt, man denke etwa an den geilen Gig in Oslo im Mai dieses Jahres. In Sachen Bühnenrequisiten schalten NIFELHEIM zwar einen Gang zurück – stimmige Kerzen, ein übergroßer Sensemann mit stechend-leuchtenden Augen und das Backdrop mit dem Envoy of Lucifer-Coverartwork genügen hier. Aber was an metallischen Utensilien nicht auf die Bühne gestellt wird, trägt das Quintett an Metall auf sich. Wie moderne Gladiatoren, welche nach dem Komplettraub der Nagelnietenläden eines ganzen Kleinstaates ihre Beute auf sich tragen, betreten NIFELHEIM die kleine Bühne zu den bombastischen Tönen ihres Intros.

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 Saitensatan: Vengeance From Beyond

Das Publikum begrüßt die Schweden frenetisch, was angesichts der schweigsamen Natur der Finnen und des Umstands, dass vor allem Stockholmer nicht gerade beliebt sind im Nachbarland, doch etwas erstaunt. Doch um solche Kleinigkeiten schert sich der geneigte NIFELHEIM-Fan wenig. NIFELHEIM-Chöre wechseln sich mit Satan, Satan-Skandieren ab und schon mit dem saftigen Opener Infernal Flame of Destruction haben NIFELHEIM gewonnen.

Der schwermetallisch behängte Hellbutcher packt sein Publikum von der ersten Sekunde an, formt die Faust, lebt seine Lyrics, kreischt sich feurig die Seele aus dem Leib. Sein Zwillingsbruder Tyrant bearbeitet kompetent die Bass-Saiten und legt mit Drummer Insulter of Jesus Christ ein groovendes Rhythmusfundament. Dass einige der Basslines hierbei unverkennbar von IRON MAIDEN inspiriert sind, macht die Sache nur besser. Die Gitarrenfraktion von Apocalyptic Desolator und Vengeance from Beyond zeigt sich ebenfalls von ihrer überzeugenden, flitzfingrigen Seite und überspielt kleine Unsauberheiten routiniert und mit dem nötigen Schmiss. Die von der Bühne aufs Publikum überschwappende Stimmung ist denn auch ganz anders als diejenige bei WATAIN. Während bei WATAIN eine gewisse Feierlichkeit herrscht, regiert bei NIFELHEIM eine große Portion Rock`n`Roll trifft Fuck You-Einstellung ebenfalls mit.

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 Basslines-Bestie: Tyrant (NIFELHEIM)

Und egal ob NIFELHEIM ihre Servants of Darkness-Zeiten mittels Black Evil, Bestial Avenger und War of Doom aufleben lassen oder mit Desecration of the Dead und Demonic Evil das Devil`s Force-Album präsentieren und Satanic Sacrifice sowie Sodomizer vom selbstbetitelten Debüt runterrotzen – das Publikum reagiert auf die alten Songs gleichermaßen positiv wie auf das neuere Material vom superben Envoy of Lucifer-Werk. Von diesem kommt neben dem Opener das zum Bühnenbild passende Storm of the Reaper zum Zug sowie das epische No more life, welches das Set beschließt.

An der Qualität und der Leidenschaft in der NIFELHEIM-Performance können denn auch die suboptimalen Soundbedingungen nichts ändern und so versteht es sich von selbst, dass das Publikum nach mehr verlangt. So kommt die stachelige Satansschar denn auch wieder auf die Bühne zurück, denn es ist längst Usus, dass das Publikum ein von Hellbutcher geäußertes Fuck You als Aufforderung für mehr Applaus versteht und eine hingestreckte Faust als freundschaftliche Verbindung zwischen Fan und Musiker verstanden wird. So reisen NIFELHEIM mit Black Curse nochmals zurück ins Jahr 1995 und reichen als zweite Zugabe noch Storm of Satan`s Fire nach.

Nur schwer lässt das Publikum seine Helden gehen und umso schwerer fällt es, sich nach einem solch feurigen Gig wieder in die finstere, kühle Turku-Nacht zu begeben. Doch die Fahrt mit dem 3-Uhr-Bus wird angesichts seiner Destination rasch zum Gefäß für neue Vorfreude – der nächste Stop der WATAIN / NIFELHEIM-Minitour ist nämlich ebenfalls die finnische Hauptstadt…

 NIFELHEIMturku2008vonArletteHuguenin

 

Fotos und Layout: Arlette Huguenin D.
Tourposter: Band

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