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LEFT TO DIE, HIRAES, DEATH APOCALYPSE: Konzertbericht aus Weinheim – Born Dead Tour 2023 – 22. März 2023

Shirts, die weit über 30 Jahre alt sind, Kutten, die vor mehreren Jahrzehnten mit den ersten Patches verziert und im Laufe der Jahre zu echten Kunstwerken wurden. Also sowas wie ein Klassentreffen in geil, weil man Gleichgesinnte und nicht nur zufällig Gleichaltrige treffen konnte: Willkommen bei der “Born Dead”-Tour!

Im ausverkauften Cafe Central in Weinheim versammelten sich DEATH-Fans zu ultimativen Huldigung einer Ausnahmeband, feierten eine Band und sich selbst. Der Altersdurchschnitt: 40 plus. Frauenanteil: weniger als zehn Prozent.

Und warum das alles? Im Dezember 2021 jährte sich Chuck Schuldiners Todestag zum 20. Mal, er starb am 13. Dezember 2001 mit nur 34 Jahren an einem Hirntumor und dessen Folgen. Mitten in den Pandemie-Lockdowns versammelten sich 2021 ehemalige DEATH-Musiker zu einem Tribute-Streaming-Event. Es folgten richtige Touren in den USA – und nun auch in Europa: Die ex-DEATH-Musiker Rick Rozz (Gitarrist auf “Leprosy”; MANTAS,  ex-MASSACRE) und Terry Butler (Bassist auf “Spiritual Healing”; OBITUARY) haben sich mit Schlagzeuger Gus Rios und Sänger und Gitarrist Matt Harvey (beide sind unter anderem bei der DEATH-“Tribute”-Band GRUESOME aktiv) zusammengetan und zollen Chuck Schuldiner Tribut. Bei aller Heldenverehrung legt die lange Liste der an DEATH-Alben beteiligten Musiker nahe, dass die Zusammenarbeit mit Chuck Schuldiner wohl nicht immer einfach war. Vielleicht erinnert sich der ein oder andere ja auch noch an die „Fuck Chuck-Tour“, als die Band 1990 plötzlich ohne Chuck im Vorprogramm von KREATOR unterwegs war. Sei’s drum. Inzwischen gibt es verschiedene DEATH-Tribute Projekte, die verschiedenen Alben huldigen.

Warum wir eine Band wie LEFT TO DIE brauchen

Das Interesse an solchen Konzerten ist offenbar groß, das Cafe Zentral in Weinheim ausverkauft, auch die anderen Dates in Deutschland waren gut besucht. LEFT TO DIE haben die beste Existenzberechtigung, die man sich vorstellen kann: Sie haben an diesem Abend nicht nur ein Stück Musikgeschichte auf die Bühne gebracht und mit Leben erfüllt, sie haben auch den Spirit früherer Tage wiedererweckt: good violently fun im Moshpit, man teilte seine Getränke mit Wildfremden, der Schweiß rann in Strömen – schließlich hatte man sich wochen- oder monatelang auf ein Konzert gefreut. Das Angebot war kaum vergleichbar mit der Masse an Events heutzutage. Vielleicht waren auch deshalb so viele so textsicher an diesem Abend – Musik musste man sich, als die Originale erschienen, kaufen oder tauschen, Spotify war unvorstellbar. Früher war nicht alles besser, aber vieles anders. Und deshalb war auch dieser Abend anders, denn er war wie früher.

DEATH APOCALYPSE hatten keine Chance – und nutzten sie!

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DEATH APOCALYPSE eröffneten vor HIRAES und LEFT TO DIE in Weinheim

Die komplett undankbare Aufgabe ein Konzert zu eröffnen, an dem alle nur auf den Headliner warten, fiel an DEATH APOCALYPSE. Die Death Metal-Band machte das Beste aus ihrem Heimspiel und überzeugte trotz widrigster Bedingungen: Auf der Bühne war kaum Platz. Es waren zwei Drumkits aufgebaut, dazu stand jede Menge Equipment der folgenden Bands rum. Musikalisch sind DEATH APOCALYPSE obendrein eher in Schweden zu Hause und spielen nicht unbedingt den klassischen Ami-Death. Der Vierer machte das Beste aus der beengten Situation und legte bei den Songs einfach einen Zacken zu. Sänger Timo konnte sich nicht bewegen, weil er ansonsten über den Gitarristen, den Bassisten oder das Schlagzeug gefallen wäre. Er zeigte stattdessen ein beeindruckendes Repertoire an Grimassen, der Rest der Band – übrigens (ex)-Musiker von FRAGMENTS OF UNBECOMING und VENERAL DISEASE – zog mit. Mit sieben Songs vom aktuellen Album „Scars To The Flesh“ nutzten DEATH APOCALYPSE die Chance, die sie nicht hatten, optimal aus und wurden mit freundlichem Applaus entlassen.

HIRAES: Death Metal, präsentiert mit einem hinreißenden Lachen

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HIRAES Sängerin Britta Görtz überzeugt mit positiver Energie und derben Death Metal Growls

HIRAES hatten noch mehr als DEATH APOCALYPSE mit der Minibühne zu kämpfen, für Bassist Christian Wösten blieb sogar nur ein Plätzchen ganz hinten auf der Bühne neben dem Schlagzeug. Sängerin Britta Görtz erklärte schließlich auch, sie moshe nur deshalb wie “eine Giraffe am Wasserloch”, weil sie sich kaum bewegen könne: „Ich habe Schuhgröße 41 und meine Stiefel passen hier genau in eine Lücke, ich kann weder vor noch zurück“, rief sie. Mit ihrem übelst derben Gesang steckt sie nicht nur den Großteil der weiblichen Death Metal Shouter in den Sack, auch der ein oder andere Mann dürfte da ins Grübeln kommen, ob er nicht doch mal einen Vocal-Workshop bei ihr buchen sollte.

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Offen, sympathisch und mit unübersehbarer Begeisterung für das eigene Material des aktuellen Albums „Solitary“ konnte sie das Publikum sofort für sich einnehmen. HIRAES haben wie DEATH APOCALYPSE keinen großen eigenen Backkatalog, dafür aber jede Menge Erfahrung, die Band setzt sich aus DAWN OF DISEASE-Musikern zusammen, Britta Görtz kommt von CRITICAL MESS und war früher bei CRIPPER. Irgendwann wurde es ihr auf der Bühne dann doch zu eng und sie unternahm kurzerhand einen Ausflug ins Publikum. Das erhöhte die Chance der anderen Bandmitglieder, auch mal wahrgenommen zu werden, immens – ansonsten sind wirklich immer alle Blicke auf die Frontfrau gerichtet. Mit „Under Fire“ endete ein kurzweiliger und energiegeladener Auftritt, der eindrucksvoll bewies, dass man nicht nur mit bösen Posen, sondern auch mit einem mitreißenden Lachen und strahlenden Augen Death Metal überzeugend auf die Bühne bringen kann!

 

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LEFT TO DIE – geht doch: extrem kurzer Soundcheck und trotzdem perfekter Sound!

Beim Umbau packten beide Vorbands an, da das Drumkit von LEFT TO DIE schon aufgebaut war, ging’s noch schneller. Der Soundcheck: extrem kurz. Die Bühne: extrem voll mit Monitorboxen und Amps. Das versprach Schalldruck auch in den ersten Reihen. Nix da mit neumodischem In-Ear-Monitoring, oder einer fast leeren Bühne wie zuletzt bei den Konzerten von  KATATONIA oder KREATOR – das wäre auch komplett falsch gewesen. Das Publikum: extrem gespannt. In den ersten Reihe sicherten sich die Die Hard-Fans spätestens jetzt die besten Plätze. Das zahlte sich aus: Rick Rozz, mit weißem Bart und tief in die Stirn gezogener Strickmütze, kam vor der Show mehrmals auf die Bühne und verteilte Bier in der ersten Reihe – da konnten einige ihr Glück kaum fassen. Flaschenbier! Eiskalt! Aus der Hand einer Legende! Persönlich überreicht!

Als ob CHUCK SCHULDINER dabei gewesen wäre

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Von der ersten Minute an ging’s ab bei LEFT TO DIE – auf wie vor der Bühne

„Infernal Death“ vom Band, angereichert mit Interviewsequenzen und Zitaten von Chuck Schuldiner, eröffnete den Abend – eine supersimple, aber schöne Idee, mit der Chuck Schuldiner an diesem Abend auch irgendwie kurz dabei war. Dann ein paar Takte aus dem „Halloween“-Soundtrack und LEFT TO DIE eröffneten ihr Set mit „Leprosy“, „Born Dead“ und „Forgotten Past“ – den drei ersten Songs des „Leprosy“-Albums. Und es war von der ersten Minute an magisch. Der Mob tobte, und besonders Terry Butler freute sich unübersehbar darüber, dass LEFT TO DIE mit hochgereckten Armen, einem ordentlichen Moshpit und lautem Jubel empfangen wurden.

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Brutaler Ami-Death trifft virtuoses Gitarren-Tapping

Matt Harvey verwaltet mit seiner Band GRUESOME das musikalische Erbe von DEATH auf eine korrekte und liebenswerte Art, zudem sieht er aus manchem Blickwinkeln Chuck Schuldiner auch noch etwas ähnlich – wer, wenn nicht er wäre also der richtige Frontmann für ein DEATH-Tribute-Projekt? Seine Vocals waren top und als er bei der obligatorischen Bandvorstellung Chuck Schuldiner erwähnte, schwang in seiner Stimme tiefer Respekt mit.

LEFT TO DIE – Death Metal-Legenden zum Anfassen

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Bei Matt Harvey schwingt auch immer Respekt vor Chuck Schuldiner mit

 

Mit “Mutilation” und “Baptized in Blood” schoben LEFT TO DIE zwei Songs vom DEATH-Debüt „Scream Blood Gore“ ein – dann arbeitete die Band mit „Open Casket“, „Primitive Ways“ und „Choke on It“ weitere Stationen der „Leporosy“-Setlist ab. Die Luft war zum Schneiden dick und gesättigt mit Bierdunst, lief der Band wie Fans der Schweiß über Gesicht und Körper. Terry Butler hatte gar so viel Mitleid, dass er eine seiner Wasserflaschen ins Publikum reichte. Überhaupt, die beiden Death Metal-Legenden Rick Rozz und Terry Butler waren unglaublich nahbar und bauten Kontakt zum Publikum auf. Rozz schüttelte das ein und andere mal ungläubig, aber mit einem fetten Grinsen den Kopf angesichts der komplett durchdrehenden und headbangenden ersten Reihen, Butler zeigte den nach oben gestreckten Daumen und nickte anerkennend, wenn die Banger die Breaks noch richtig in Erinnerung hatten.

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Death Metal-Legende Terry Butler

Mit „Corpse Grinder” schmuggelten LEFT TO DIE dann doch noch eine Überraschung auf die Setlist – angekündigt waren das komplette „Leprosy“-Album plus ausgewählte Songs der „Scream Bloody Gore“. Klug war, „Zombie Ritual“ als letzten regulären Song zu spielen – in Weinheim hätte aber wirklich jeder Track dazu geführt, dass nach Zugaben verlangt wurde. Die gab es mit „Pull The Plug“ und „Evil Dead“ – auch das eine perfekte Wahl für einen verdammt perfekten Abend.

LEFT TO DIE klatschten die erste Reihe ab und verteilten Plektren, bevor sie unter verdientem Applaus hinter der Bühne verschwanden.

Und wer jetzt noch eine Weile in der Zeit herumreisen will, sollte sich auf www.humandeath.de umsehen – dort gibt es in wunderbar authentischem Webseiten-Design wirklich viel zu DEATH zu entdecken.

Hier geht’s zu den Konzertbildern aus Weinheim von LEFT TO DIE, HIRAES und DEATH APOCALYPSE:

 

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