KREATOR, LAMB OF GOD, MUNICIPAL WASTE – State Of Unrest Tour: Konzertbericht aus Ludwigsburg, MHP Arena, 25. Februar 2023

Drei Jahre musste man auf die State Of Unrest“-Tour warten: zuerst wegen der Covid19-Pandemie, und anschließend aus „organisatorischen Gründen“, als die Tour von Ende 2022 auf Februar und März 2023 verschoben werden musste. Unterm Strich hat sich das Warten gelohnt, es wurde ein Abend mit dreimal Thrash Metal – dreimal komplett unterschiedlich interpretiert: einmal old-school, einmal modern und einmal generationsübergreifend.

MUNICIPAL WASTE

Ein Stirnband, ein Ventilator und eine giftgrüne Ibanez-Gitarre – das erinnert schwer an das Ende der Achtziger Jahre. MUNICIPAL WASTE-Gitarrist Nick Poulos hat sich für dieses liebenswert in der Zeit hängengebliebene Bühnen-Setup entschieden und es passt wie die Faust aufs Auge: MUNICIPAL WASTE sind zwar erst gute 20 Jahre dabei, feiern aber zu jeder Sekunde die Vergangenheit. Mit Thrash-Hardcore-Punk-Songs, die gut und gerne von Bands wie NUCLEAR ASSAULT, D.R.I. oder auch den frühen ANTHRAX kommen könnten. Das verspricht Spaß und den hatten schließlich auch alle, denn MUNICIPAL WASTE waren ein toller Opener und ließen einen zwischendurch vergessen, dass an ihrer Stelle POWER TRIP spielen sollten – was durch den Tod von Frontman Riley Gale leider nicht mehr möglich ist.

In Old-School-Manier wünschte sich MUNICIPAL WASTE-Sänger Tony Foresta einen Moshpit und nicht etwa einen Circlepit zu „Poison The Preacher“. Überhaupt, der Frontman war wie der Rest der Band bestens aufgelegt und brachten ordentlich Stimmung in die Bude. Die MHP Arena ist eine Sporthalle und dank der sterilen Atmosphäre in der Heimstätte der Ludwigsburger Basketballer dauert es meist, bis Stimmung aufkommt. Nicht so bei MUNICIPAL WASTE, der Funke sprang schnell über – auch ohne Pyros, die waren erst später am Abend nötig.

Herrliches Old School-Stageacting und eine große Portion Spaß sowie eine durchweg solide Gesangsleistung der Band – man teilt sich in einigen Songs die Vocals. MUNICIPAL WASTE fühlten sich wohl, bedanken sich überschwänglich beim Publikum für’s Warten auf die Tour. Foresta erklärte außerdem, es sei ihm eine Ehre, in dem Land zu spielen, das so großartige Thrash Metal-Band wie ASSASSIN, DESTRUCTION, SODOM und natürlich KREATOR hervorgebracht hat. Und er hatte zum Schluss das Publikum fest in seiner Hand: Mehr als 20 Crowdsurfer kamen seiner Aufforderung bei „Wave of Death“ nach, sich vom Publikum vor bis zur Bühne durchreichen zu lassen. Pluspunkte sammelt dabei auch die Security, die ziemlich freundlich und geübt mit den Surfern umging und sie beim Geleit aus dem Fotograben abklatschten. Die Amis, übrigens zusammen mit LAMB OF GOD aus Richmond, Virginia angereist, waren ein wirklich guter Opener, die ihre Begeisterung für den punkigen Old School-Thrash absolut überzeugend rüberbrachten.

Setlist MUNICIPAL WASTE

Demoralizer
Breathe Grease
Mind Eraser
The Thrashin’ of the Christ
Poison the Preacher
Grave Dive
You’re Cut Off
Sadistic Magician
Slime and Punishment
Headbanger Face Rip
High Speed Steel
Wave of Death
Restless & Wicked

LAMB OF GOD

Von Ludwigsburg nach Paris sind es gute 650 Kilometer, die Bands werden am kommenden Tag also ein paar Stunden im Nightliner rumhängen, bis sie die nächste Konzertvenue der Tour erreichen. Interessant wäre zu wissen, wie LAMB OF GOD-Sänger Randy Blythe die Zeit rumbringt. Rumstehen oder gar stillsitzen scheint nicht so sein Ding zu sein, wenn man ihn auf der Bühne beobachtet. Es ist schlicht beeindruckend, mit welcher Energie sich der 52-Jährige auf der Bühne bewegt. Sein Signature-Move an diesem Abend: Mit lässigem Schwung das Mikro-Kabel in der Hand aufrollen und beim Umherspringen nach und nach Seil geben – dann klappt das alles ohne Verheddern.

Im gut gemischten Publikum, etwa drei Viertel Männer, ein Viertel Frauen, davon etwas mehr LAMB OF GOD-Fans als kuttentragende Alt-Thrasher, war die Stimmung von Anfang an gut. Sprechchöre zwischen den Songs, ein Mini-Circlepit, Crowdsurfer – alles da und zwar ab dem zweiten Song. War der Sound bei MUNICIPAL WASTE durchaus in Ordnung, kam es bei LAMB OF GOD nun auf den Standpunkt an. In der Mitte der Halle war‘s ok, an den Seiten war bis gut zur Hälfte des Sets der Gesang viel zu leise, die Gitarren eher zu erahnen als zu hören und das Schlagzeug viel zu laut. Dafür entschädigte Gitarrist Mark Morton, der Blickkontakt zu den Fans in der ersten Reihe hielt und ein Gitarrenplek so zielgerichtet werfen konnte, dass es dort ankam, wo er es haben wollte. Überhaupt wirkten LAMB OF GOD wesentlich nahbarer und dichter dran am Publikum als KREATOR, die später merkwürdig distanziert rüberkamen.

Zwischen vielen „Motherfuckers“ bedankte sich auch Blythe bei den beiden anderen Bands und beim Publikums fürs Warten auf die Tour. Zwischendurch regelte der Mann am Mischer ein bisschen rum, musste dann aber feststellen, dass einfach nur lauter machen den Sound nicht erheblich verbessert– man ‘spürte’ dann die Bassdrums, anstatt sie nur zu hören. Ziemlich cool umgesetzt hingegen war die Lightshow bei LAMB OF GOD. Zu den ersten Songs „Memento Mori“, „Ruin“ und „Walk With Me In Hell“ erstrahlte die Bühne in den Grundfarben Blau, Rot und Grün – später mischte sich alles, immer wieder durchdrungen von gleißenden weißen Lichtstrahlen. Ziemlich simpel, aber auch ziemlich effektiv.

 

Setlist LAMB OF GOD

Memento Mori
Ruin
Walk With Me in Hell
Resurrection Man
Ditch
Now You’ve Got Something to Die For
Contractor
Omerta
Omens
11th Hour
512
Vigil
Laid to Rest
Redneck

KREATOR

KREATOR hingegen setzten auf einen aufwändigeren Bühnenaufbau – gut eine halbe Stunde dauerte der Umbau hinter einer großen Flagge vor der Bühne. Dahinter wurden zwei Puppen gepfählt, Konfettikanonen geladen, Pyroeffekte platziert und Masken aufgesetzt. Nachdem es in der Umbaupause erschreckend leer im Zuschauerraum wurde, kamen halbwegs pünktlich zum Opener „Hate Über Alles“ nun die KREATOR-Fans nach vorne, der Altersdurchschnitt hob sich deutlich im Vergleich zu LAMB OF GOD.

Auf ihren Alben meistern KREATOR den Spagat zwischen Tradition und Moderne meisterhaft, neben all den Standards gibt es immer wieder überraschende Momente wie Gastmusiker aus anderen Genres. Klassische Thrash-Riffs, aber auch komplexes Songwriting und überraschend melodische und mitreißende Gitarrenparts prägen den Sound der Band – besonders seitdem Gitarrist Sami Yli-Sirniö 2001 mit dem „Violent Revolution“- Album zur Band stieß. Er wirkt live aber auch nach über 20 Jahren immer ein bisschen unbeteiligt auf der Bühne, spaziert von rechts nach links und grinst ab und zu spitzbübisch. KREATOR-Sänger Miland Petrozza verzichtet wieder auf die übliche Metal-Kluft und zog sich ein Oversized-Shirt über, dafür zeigte Bassist Frédéric Leclercq, dass er alle Posen beherrscht.

Es gibt es eine Handvoll KREATOR-Songs, die für Konzerte geschrieben sind, das ist legitim, schlau und man muss es auch erstmal können. Ein „Hail“ skandierendes Publikum und Feuerfontänen zu „Hail To Hordes“ fand ich trotzdem einen Moment recht irritierend und wähnte mich ganz kurz bei einer ganz anderen Band. Erwartungsgemäß kamen aber „Hate Über alles“ und „Satan Is Real“ prima an. Richtig cool und eine Riesenüberraschung wäre allerdings gewesen, stattdessen das sperrige „Dying Planet“ vom aktuellen Album “Hate Über Alles” live zu spielen – hätte auch zu KREATOR gepasst, finde ich.

Zu „Phobia“ fielen vier Gehängte vom Bühnendach, immer wieder züngelten Flammen am Bühnenrand und die beeindruckenden Backdrops wechselten zu den Songs der verschiedenen Alben durch. Während LAMB OF GOD auf pure Bühnenpräsenz und energetisches Stageacting setzten, bauten KREATOR auf Kulissen und Effekte. Zweimal erschienen in Kuttel gehüllte Gestalten mit „Violent Mind“-Masken und einem rot leuchtendem Hirtenstab – alles in allem stimmig und vergleichsweise aufwändig umgesetzt.

So ganz ohne die alten Stücke geht es aber auch bei KREATOR nicht und so fand „Flag Of Hate“ wieder den Weg auf die Setlist. In München spielten KREATOR stattdessen „Extreme Aggression“ und „Coma Of Souls“ – beide Songs fehlten in Ludwigsburg leider. Die druckfrische und offenbar nagelneue „Flag Of Hate“-schwenkend gab’s ein „Wer ist lauter?“-Spielchen, das vielleicht einfach einen Tick zu lange war. Neben „Phobia“ war dann der Triple Oldie Treat aus „Flag Of Hate“, „Violent Revolution“ und „Pleasure To Kill” mein Highlight – da dürften die Meinungen aber je nach Alter auseinandergehen. Nach den letzten Tönen von „Pleasure To Kill“ ging sofort das Putzlicht an, eine Zugabe war offenbar nicht vorgesehen, die Halle leerte sich zügig. Wer trödelte, wurde doch noch mit einer Überraschung belohnt: Es ertönte eine ziemlich lässige Country/Western-Version von „Satan Is Real“, gesungen von einer Frau.

Setlist KREATOR

Hate Über Alles
Hail to the Hordes
Enemy of God
Phobia
Become Immortal
Satan Is Real
Hordes of Chaos (A Necrologue for the Elite)
666 – World Divided
Phantom Antichrist
Strongest of the Strong
Flag of Hate
Violent Revolution
Pleasure to Kill

Bilder vom KREATOR, LAMB OF GOD und MUNICIPAL WASTE aus der MHP Arena in Ludwigsburg:

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