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CYPECORE, LEAGUE OF DISTORTION: Konzertbericht – Backstage Halle, München – 27.04.2024

CYPECORE können auf ihre Fans zählen: Mit neuem Album im Gepäck wird das Münchner Backstage auch während der “Tour 2124” binnen kürzester Zeit zum Schmelztiegel. Daran nicht ganz unbeteiligt: LEAGUE OF DISTORTION, die im Vorprogramm schnell das Publikum hinter sich wissen.

Auch in der Post-Apokalypse scheint noch die Sonne. Ob deren Strahlung allerdings ohne Weiteres zu genießen sei, ist eine Überlegung, die wir lieber nicht auf die Probe stellen wollen. Es ist nicht der einzige Grund, sich an einem warmen Frühlingsabend lieber im Dunkeln zu verschanzen: Zuflucht bieten uns die SciFi-Metaller CYPECORE, die uns per Zeitmaschine ins Jahr 2124 holen, wo man im Münchner Backstage temporär einen provisorischen Außenposten hochgezogen hat. Nicht ganz uneigennützig, wohlgemerkt, erreichte uns doch erst am Vortag die neue Langwellen-Übertragung „Make Me Real“, deren Ruf wir kaum unbeantwortet lassen können.

Dass wir beileibe nicht die Einzigen sind, die dem Aufruf des Quartetts folgen, versteht sich von selbst. Schließlich ist das hiesige Gelände kein Neuland für CYPECORE, wo man bereits im Vorjahr die Aufnahmekapazität der Backstage Halle erschöpfte. Aufgebraucht ist das Kontingent diesmal zwar nicht – womöglich auch, weil nebenan die grotesken Monsterfratzen LORDIs ins größere Werk locken -, auf die Rückendeckung der treuen Anhängerschaft zählen kann die Band dennoch. Das stellen wir jedenfalls bereits kurz hinter den Toren fest, wo sich frühzeitig eine kleine Schlange am Händlertisch gebildet hat.


LEAGUE OF DISTORTION

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Ein wenig anders sieht es um Punkt acht Uhr im Hallenzentrum aus, wo es zu Showbeginn noch ziemlich ungezwungen zuzugehen scheint. Die Lücken im Publikum verwundern uns etwas, hat der Headliner sich mit LEAGUE OF DISTORTION doch einen Support-Act mit ins Boot geholt, dem beileibe nicht der schlechteste Ruf vorauseilt. Die Live-Qualitäten der Alternative / Modern Metal-Band zeigen sich uns dementsprechend binnen kürzester Zeit, als Sängerin Anna Brunner noch während des Openers „My Revenge“ die schwarze Robe fallen lässt und ein im Licht schillerndes silber-schwarzes Outfit präsentiert.

Viel beeindruckender ist aber die stimmliche Leistung der Frontfrau, die schon zum Auftakt mit einem energiegeladenen Refrain ihr kraftvolles Organ zur Schau stellen kann. Mittels satter Riffs und einer gehörigen Ladung Groove holen LEAGUE OF DISTORTION das Münchner Publikum schnell auf ihre Seite, sodass schon im folgenden „Solitary Confinement“ gesprungen und wahlweise auch getanzt wird. Still bleiben will zumindest in der Hallenmitte niemand, was auch den immer wieder hervorkehrenden Nu-Metal-Vibes zu verdanken ist, welche einen Song wie „It Hurts So Good“ durchziehen.

LEAGUE OF DISTORTION wissen das Publikum hinter sich

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Während vor den Brettern ordentlich Bewegung in die Bude kommt, lässt Anna Brunner bald ihrerseits die Haare fliegen, wenn sie sich für den Bandhit „Wolf Or Lamb“ nicht gerade den Rotkäppchen-Mantel umhängt. Dazu gibt’s interaktive Lichtuntermalung der Anhänger:innen, welche die Smartphones aber für „Rebel By Choice“ schon wieder gegen die geballte Faust eintauschen.

Dass wir persönlich im Laufe der Show doch ein wenig die Kanten im energiegeladenen, doch schlussendlich recht geradlinigen Sound der Band vermissen, steht im Gegensatz zu dem, was sich tatsächlich in der Halle abspielt: Auf der kommenden Headline-Tour im November dürften LEAGUE OF DISTORTION sicherlich einige alte und neue Fans wiedersehen – jedenfalls werden in der ersten Reihe schon jetzt die gekauften Tickets wie Trophäen über die Köpfe gehalten.

LEAGUE OF DISTORTION Setlist – ca. 45 Min.

1. My Revenge
2. Solitary Confinement
3. My Hate Will Go On
4. It Hurts So Good
5. The Bitter End
6. Wolf Or Lamb
7. I’m A Bitch
8. Rebel By Choice
9. L.O.D.

Fotogalerie: LEAGUE OF DISTORTION


CYPECORE

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„I don’t want to set the world on fire.” – Dafür mag es im SciFi-Kosmos CYPECOREs lange zu spät sein, der Oldie aus den 40ern ist als Pre-Show-Ritual aber mittlerweile fast nicht mehr wegzudenken. Vorab auf die richtige Gefühlslage einzustimmen, ist derweil das geringste aller Probleme, als die beschwingten Klänge aus der PA dem mechanisch-futuristischen Intro weichen müssen. Dass es in der Backstage Halle gleichzeitig recht dämmrig wird, gehört selbstverständlich zum visuellen Konzept, dem das Quartett auch diesmal wieder mittels aufwendiger Bühnenoutfits inklusive beleuchteter Brustplatten Rechnung trägt.

Immersion ist ohnehin eines der zentralen Schlüsselworte: Ihre Rollen nehmen CYPECORE durchaus ernst, vertrauen in der Folge mehr auf ihre Songs und das Gesamtpaket als langwierige Ansagen und Publikumsbespaßung. Das Resultat gibt ihnen auch heute Recht: Nach dem mächtigen „Neoteric Gods“ öffnet sich schon zum Klassiker „Where The World Makes Sense“ der Pit, ohne dass Frontmann Dominic Christoph auch nur ein Wort verlieren müsste. CYPECORE kennen eben ihr Publikum und umgekehrt: Die Anhängerschaft haben ganz offensichtlich jede Zeile der abwechslungsreichen Stücke verinnerlicht, ganz gleich, ob die Mannheimer nun Evergreens oder brandneues Material aus dem kybernetischen Ärmel schütteln.

CYPECORE präsentieren neues, aber auch länger nicht gespieltes Material

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Wobei sich das Set nicht nur auf die typischen Hit-Songs konzentriert: Mit „The Abyss“ und „The Void“ überraschen auch seltener gespielte Tracks, während das aktuelle Werk „Make Me Real“ (2024) immerhin mit fünf Songs bedacht wird. Darunter ist neben der titelgebenden Ballade auch das starke „Pinnacle Of Creation“, welches durch sein abwechslungsreiches Songwriting live zum kleinen Erlebnis wird.

Besonders deutlich zeigt sich das Spektakel natürlich bei den erprobten Ritualen, wo etwa im erstaunlich früh gezückten „Saint Of Zion“ eine kurze Geste Dominic Christophs ausreicht, um den Circle Pit anzuheizen. Dass dies kein Automatismus ist, erfahren wir im anschließenden „The Abyss“, wo der Versuch des Sängers, die Menge durch wortlose Anweisung zu teilen, im Eifer des Gefechts nicht wirklich ankommen will. Immerhin: Gemosht wird im Zentrum unterdessen trotzdem, was der Frontmann schlussendlich mit einem plakativen Mic-Drop honoriert, als wolle er ein Ausrufezeichen hinter dieses Bild setzen.

Seine Performance unterstreicht CYPECORE-Sänger Dominic Christoph mit ausdrucksstarker Mimik

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Tatsächlich ist es eine beachtliche Leistung, die das Münchner Publikum hier an den Tag legt, sind die Temperaturen in der Backstage Halle doch mittlerweile nahe des Grenzbereichs, wie wir unschwer an Gitarrist Nils Lesser erkennen können: Zwischen Hitze, Schweiß und Körpereinsatz kapituliert dessen Irokesen-Styling bereits während des vierten Songs. Hätten wir ein Mikrofon, es würde an dieser Stelle ausdrucksstark zu Boden fallen.

Denn was CYPECORE von ihren Fans einfordern, leben sie selbst mit vollem Einsatz vor. Insbesondere Tour-Schlagzeuger Simon Schröder ist hinter Helm und Maske kaum zu beneiden, bekommt dafür in Form eines kleinen Drumsolos, das als Interlude dem umjubelten „Dissatisfactory“ vorgeschaltet ist, immerhin seinen eigenen kurzen Moment im Rampenlicht. Dass selbiges zumeist Sänger Dominic Christoph vorbehalten ist, liegt freilich in der Natur der Sache. Glücklicherweise nimmt der „Commander“ diese Rolle bereitwillig an, indem er seine gesanglich wirklich runde Performance durch ausdrucksstarke Mimik unterlegt.

Die kraftvolle Darbietung CYPECOREs steckt auch das Publikum an

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Zu sehen bekommen wir davon hin und wieder sogar mehr als nur die imposante Silhouette: Die durchdachte und abwechslungsreiche Lightshow inklusive vielfarbiger Neonröhren setzt die vier Musiker heute ausgezeichnet in Szene. Einzig während „Chosen Chaos“ scheint heute etwas Sand ins Getriebe geraten zu sein: Nicht nur verschwindet Gitarrist Nils Lesser eine ganze Weile hinter der Bühne, auch der Live-Gesang wird im Refrain von dominanten Backing-Tracks übertönt.

Glücklicherweise folgt mit dem stampfenden „I’ll Be Back“ die ideale Gelegenheit, um sich wieder freizuspielen: Deutete Christoph im Intro noch gut gelaunt ein kleines Tänzchen an, sammeln CYPECORE nur Augenblicke später fleißig Punkte im Synchron-Headbangen. Den ausgestreckten Mittelfinger, den Gitarrist Pascal Oleijnik dazwischen verschmitzt grinsend in eine Kamera hält, gilt derweil kaum dem Publikum, das sich von dieser kraftvollen Darbietung binnen Sekunden selbst anstecken lässt.

CYPECORE fahren die Intensität erst zum Ende hin etwas zurück

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Ohnehin scheinen Band und Zuschauerschaft heute als Einheit zu funktionieren, wie die Stimmgewalt der Münchner:innen während des passend betitelten „The Alliance“ nur allzu gut unterstreicht. Zwischen Moshpit und CO2-Kanone zelebriert man den Höhepunkt des Abends gemeinsam, bevor „The Void“ zum Ende die Intensität in wohlüberlegter Weise zurückfährt.

Somit können wir uns allmählich an das akklimatisieren, was im Anschluss folgen soll: der Weg zurück an die Oberfläche, um im Band-Kosmos zu bleiben, wo schlussendlich wieder jeder auf sich allein gestellt ist. Wenigstens die Sonne ist mittlerweile hinter dem Horizont verschwunden, so dass wir in dieser Post-Apokalypse unsere Aufmerksamkeit auf die unmittelbare Gefahr vor uns richten können. Sind es Mutanten oder Monster, die nebenan im Werk ihr Zelt aufgeschlagen haben? Wenn wir schnell sind, schaffen wir es hoffentlich unbemerkt vorbei, bevor uns nach dem Untergang der Zivilisation auch noch die „Arockalypse“ droht.

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CYPECORE Setlist – ca. 95 Min.

1. Neoteric Gods
2. Where The World Makes Sense
3. Liquid Fire
4. Identity
5. Patient Zero
6. Saint Of Zion
7. The Abyss
8. Make Me Real
9. My Confession
10. Values Of Death
11. Dissatisfactory
12. Dreamsmasher
13. Pinnacle Of Creation
14. Chosen Chaos
15. I’ll Be Back
16. Values Of Life
17. The Alliance
18. The Void

Fotogalerie: CYPECORE

Fotos: Tatjana Braun (https://www.instagram.com/tbraun_photography/)

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