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JESTER`S FUNERAL Part 1: METALLICA sind die Größten, JESTER`S FUNERAL nicht METALLICA und Journalisten manchmal ganz schön fies

Teil 1 eines JESTER`S FUNERAL-Interview-Marathons: Stefan Schmidt, Sänger und Gitarrist der deutschen Hoffnungsträger, über die leidigen METALLICA-Vergleiche, die angeschlagene Reputation METALLICAs, die Anschläge fiesdreister Journalisten und warum es dem Metal-Nachwuchs gar nicht soooo schlecht geht…

Daß eine Band im Laufe ihrer Karriere reift, kommt vor. Daß sie sich allerdings binnen der kurzen Zeitspanne von eineinhalb Jahren vom durchschnittlichen Nachwuchsact zu einer der hoffnungsvollsten nationalen Jungcombos mausert, kommt selten vor. JESTER`S FUNERAL ist`s gelungen. Was die Jungspunde mit “Quicksilverlight” vorlegen, ist mehr als nur eine kleine Überraschung! Denn mit dem netten, aber keinesfalls aufregendem Debüt “Labyrinth” hat der Zweitling nicht mehr viel zu tun: Der leicht verspielte, aber weitgehend harmlose Melodic Metal ist einer kraftvollen, rauhen, aber nicht minder melodischen und vor allem mitreißenden Melange aus Heavy und Thrash Metal mit Hymnen-Qualität gewichen. Kurzum: Ich war erstaunt, und ein Interview unabdingbar. Als jenes schließlich stattfand, entwickelte es sich rasch zu einem ergiebigen Gespräch. Und zwar derart ergiebig, daß Gründe der Lesbarkeit gebieten, es in zwei Teile zu gliedern. Hier also JESTER`S FUNERAL Part I…

Erste Frage an Sänger und Gitarrist Stefan Schmidt: Vor allem Dein Gesang ist kaum mehr wiederzuerkennen. Bist Du in den letzten zwei Jahren in den Stimmbruch gekommen?

(lacht)Tja, die Frage ist auch insofern lustig, weil es bei den Aufnahmen des ersten Albums ein sehr prägendes Erlebnis mit unserem Produzenten Jörg Friede gab. Das weiß ich noch ganz genau: Da haben wir Soundcheck gemacht und ich habe zwei Strophen gesungen, damit er an seinen Knöpfchen herumdrehen kann. Auf einmal dreht er sich weg und geht aus dem Zimmer, um ein paar Kabel zu holen, und hat dann ein paar Effekte angeschlossen. Ich habe ihn gefragt, was er da eigentlich mache, und er meinte: “Ich probier da mal etwas aus, um Deine Stimme nicht ganz so wie die eines 15jährigen klingen zu lassen.” Das war mein Gesangseinstand: Zum ersten Mal im Studio, die erste Platte. Nein, aber grundsätzlich denke ich, ich hätte das von der Stimme damals auch schon so singen können wie jetzt, denn der Unterschied zwischen einem 19jährigen und einem 20jährigen ist ja nicht so groß. Ich hab` diesen Stil einfach noch nicht draufgehabt. Ich sag mal: Der Tonumfang war bei den Songs des erstens Albums noch gering, das war noch nicht mal eine Oktave, was ich da singe. Alles ziemlich hoch, bis ans obere Limit und tief geht überhaupt nichts. Und auch von der Stimmfärbung her habe ich nicht so viel variiert, weil da auch einfach zuviel Druck und zuviel Angst dabei war, heiser zu werden. Ich hatte ja noch nie so viel am Stück gesungen und es waren ja auch ganz andere Voraussetzungen als zuvor. Mehr Erfahrung als zuhause mal ein Demo einsingen hatten wir halt noch nicht. Bei sowas läßt man dann schon etwas stehen, auch wenn es ein bißchen schräg oder schief ist. Und dann wird ja auch nicht gedoppelt und es gibt keine Chöre, denn so viel Spuren hat man ja gar nicht frei. Im Studio merkt man erst richtig, was es heißt, fehlerfrei zu singen, sprich: Solange zu singen, bis auch kein Fehler mehr auf dem Band ist. Und da habe ich halt schnell gemerkt, daß meine Stimme sehr strapaziert wird und habe auch deswegen vorsichtiger gesungen. Bei “Quicksilverlight” habe ich das dann abgelegt und ein bißchen mehr probiert, auch die Sau rauszulassen. Dadurch ist die Stimme etwas mehr belastet worden, weil ich ja auch versuche, rauher zu singen. Aber insgesamt war das Feeling bei den Songs auch besser, das heißt, ich benötigte jeweils nur noch zwei oder drei Takes und nicht fünf oder sechs. Unterricht habe ich keinen genommen. Ich habe mich zwar darum bemüht, aber es ist sehr schwer, hier in der Gegend Leute zu finden, die einem etwas mit Gesang vermitteln, ohne dann gleich an klassischen Gesang zu denken. Ich hatte dann das Glück, daß ich in Stuttgart an einem dreitägigen Workshop namens “Powervoice” teilnehmen konnte, und das war das Geilste, was ich bislang in Sachen Musik gemacht habe! Das waren drei Tage, und der Workshop-Leiter hat halt auch gesagt: “Laß mal eben die Sau raus!” Das war also alles schon gewollt, denn die erste Platte klingt vom Gesang doch recht brav.

Wie ist das live? Ist da dieser Gesangstil nicht wesentlich anstrengender und strapaziöser?

Eigentlich ist es live einfacher als im Studio. Ein Gig ist ja nicht länger als eineinhalb Stunden, und im Studio waren das ja schon mal vier oder fünf Stunden am Stück, denn ich habe ja auch alle Chöre eingesungen. Daher ist das live gar nicht so wild. Und bei diesem Workshop habe ich mir auch einige Übungen zeigen lassen, wie man die Stimme richtig aufwärmt. Ich war echt erstaunt, denn einen Tag vor dem letzten Auftritt hatte ich mir Fieber und eine Grippe eingefangen, und da hab` ich schon gedacht: “Das war`s!”. Aber es hat dann doch noch gut geklappt, was mich gewundert hat. Aber OK, wir haben ja noch keine zweiwöchige Tour gemacht. Die Erfahrung haben wir bislang noch nicht. Aber wie gesagt, eigentlich finde ich es live einfacher als im Studio.

Du hast es gerade die Chöre angesprochen, die Du eingesungen hast. Auch die haben sich enorm verbessert und klingen sehr aufwendig…

JESTER`S FUNERALJa, beim Komponieren haben wir mehr drauf geachtet, da uns die meisten Leute, die uns hören, noch nicht kennen. Auf jeden Fall. Es ist ja von Leuten, die uns nicht kennen, recht viel verlangt, sich in ein Album reinzuhören, das nicht gleich zündet. Ich kenne das ja von mir selbst: Wenn jeden Monat x Neuerscheinungen rauskommen und ich hör‘ mir im Laden drei an, dann nehme ich natürlich auch nicht die, von der ich denke: “Die gefällt mir jetzt nicht, aber ich muß sie vielleicht erst zehn Mal hören. “Und beim ersten Album kam eben die oft die Reaktion, daß die Leute zuerst gesagt haben: “Ja, das klingt ganz nett, haut mich aber nicht so vom Hocker”. Als sie es dann öfter gehört hatten, meinten sie dann, es sei doch ganz gut. Es sollte also alles etwas mehr in den Ohren hängenbleiben, und das wollten wir vor allem durch die Refrains erreichen. Ich weiß nicht, ob’s Dir aufgefallen ist, aber bei der ersten Platte hat bis auf ein Lied jedes Lied nur zwei Refrains. Und da hat uns unser Produzent mal gefragt: “Was macht Ihr da eigentlich? Warum habt Ihr nur immer zwei Refrains?” Darauf haben wir jetzt ein bißchen mehr geachtet. Und so ein Chor und so ein Refrain ist schon das, woran man sich schnell erinnert. Deswegen haben wir da auch ganz bewußt dran gearbeitet.

Ist Euch gelungen, die Refrains haben wirklich durchweg Ohrwurmcharakter. Die Chöre wirken zudem sehr ausgefeilt, überzeugen mit polyphoner Melodieführung und beschränken sich nicht auf den üblichen Unisono-Bombast. Also eher BLIND GUARDIAN als HELLOWEEN…

Ja, BLIND GUARDIAN war jetzt das richtige Stichwort. Die “Imaginations From The Other Side” ist für mich immer noch DIE Referenz, was Chöre angeht. Die machen wirklich eine eigene, komplexe Musik und ziehen die Leute mit den Chören in ihren Bann. Ich weiß noch genau, das war die erste Platte von BLIND GUARDIAN, die ich gehört habe, und die zog mich wegen ihrer Chören in ihren Bann. Das ist natürlich nichts, was man direkt nachmachen kann, weil die Musik anders angelegt ist und das ja auch zur Stimme passen muß. Aber da ist eben dieser Effekt, daß auch bei längeren Songs, die fünfeinhalb Minuten dauern, der Refrain trotzdem Ohr hängen bleibt. Das kriegst du halt mit Chören besser hin, der Zugang ist schneller und alles bleibt besser hängen. Das ist mir bei BLIND GUARDIAN das erste Mal so richtig bewußt geworden. Mehrstimmiger Gesang ist ja an sich normal, da schreit dann mal einer was mit, aber diese wirklich mächtigen Chöre, bei denen mehrstimmige Sachen auch ineinanderlaufen, sich überlappen und diese Spielereien, da hat BLIND GUARDIAN einen deutlichen Einfluß auf mich ausgeübt. HELLOWEEN ist für mich so eine Band, da denke ich an zwei Sachen: HELLOWEEN mit Kiske und HELLOWEEN mit Deris. Da ich zu jung bin, um die Kiske-Phase miterlebt zu haben, kann ich eigentlich mit Andi Deris mehr anfangen, auch mit dem etwas moderneren Kompositionsstil. Beim ersten Album haben uns viele trotzdem mit den alten HELLOWEEN verglichen. Das fand ich ganz interessant, aber das konnte ich eindeutig dadurch widerlegen, daß ich nicht eine einzige alte HELLOWEEN-Platte besitze. Aber ich habe GAMMARAY-Alben, haha…

Eine andere Referenzband, deren Name im Zusammenhang mit JESTER’S FUNERAL seit der Veröffentlichung von “Quicksilverlight” häufig fällt, ist METALLICA. Da wäre einmal Deine Stimme, die der James Hetfields nicht unähnlich ist, aber auch Eure Riffs. Man hat Euch ja gar schon des Plagiats bezichtigt…

JESTER`S FUNERAL: Stefan Schmidt in actionKlar, wenn man nun so einzelne Sachen rauspickt, dann ist das sicherlich nachvollziehbar. Grundsätzlich mag ich METALLICA, da muß man überhaupt nicht drumrum reden, das ist schon meine Lieblingsband. Bei der Stimme denke ich aber: Das wird einem in die Wiege gelegt. Wenn ich merke, daß ich in einer rauhen Tonlage am besten singen kann, und das ist dann dieselbe wie die von James Hetfield, dann ist das halt so. Wenn ich nun so klingen wollte wie Michael Kiske, dann ginge das gar nicht. Was die Riffs angeht: Ich kann die Parallelen schon sehen, aber ich habe mich gewundert, daß das bei unserer Band so sehr markant zu sein scheint. Ich denke, METALLICA ist eben eine Band, die aufgrund ihres Status eigentlich so ziemlich jeden beeinflußt hat. Ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, daß es irgendjemanden gibt, der sich als Rhythmus-Gitarrist versteht und an James Hetfield vorbeikommt. Ansonsten sehe ich das grundsätzlich als Lob an, mit METALLICA verglichen zu werden, denn das ist nur für mich nicht nur die größte Metal-Band, sondern auch die größte Band auf dieser Welt. Und wenn wir soviel Alben verkaufen würden, fände ich das natürlich auch nicht schlecht, haha! Aber auf der anderen Seite haben wir schon immer drauf hingewiesen, daß wir – im Gegensatz zu METALLICA – so Dinge haben wie Chöre. Und unsere Gitarren sind heruntergestimmt und gegen Keyboards haben METALLICA ja auch grundsätzlich etwas. Das sind so die drei Eckpfeiler, auf die wir bauen, um uns in Zukunft etwas abzugrenzen. Denn es macht keinen Spaß, jedesmal zu hören, daß wir genauso klingen wie METALLICA.

Was mich allerdings auch sehr an frühe METALLICA-Produktionen erinnert, ist dieser trockene, harte Gitarrensound…

Das ist weniger Hall drauf als auf der ersten, richtig. Für die Leute, die wirklich harte Musik hören, war die erste zu weich, und die, die normalerweise Rockmusik hören, können halt mit Doublebass und Metal-Solo nichts anfangen. Daher saßen wir so ein bißchen zwischen den Stühlen. Aber bei dem, was wir hören und wie wir im Proberaum losfetzen, da war eigentlich klar, daß wir lieber härtere Musik machen. Naja, und wie gesagt: Ich brauch` da auch nicht drumrumreden, METALLICA ist einfach meine Lieblingsband, und das kann man auch hören. So! (lacht)

Mittlerweile sind METALLICA in Metal-Kreisen allerdings auch eine kontroverse Band…

Ja, und vor allem ist es auch einfach ein bißchen schick, METALLICA schlecht zu finden. Ich hab` manchmal das Gefühl, man muß sich auch als echter Metaller beweisen, indem man “Load” und “Reload” scheiße findet. Aber das sind eigentlich objektiv so geile Platten! Genial produziert, und James Hetfield finde ich eigentlich noch zehnmal besser als auf den alten Alben. Und allein schon die Tatsache, daß sie jetzt einfach so weitermachen, was sie wollen, zeigt ja wie groß sie WIRKLICH sind. Wenn jetzt zum Beispiel… naja, ich sollte den Namen eigentlich nicht sagen, denn die werden auch gerne benutzt, um ein wenig über sie herzuziehen… Aber ich sag`s einfach mal: Wenn HAMMERFALL auf die Idee kämen, plötzlich einen krassen Stilwandel durchzuziehen, würden sie das nicht überleben. Deswegen: Noch ein Punkt für METALLICA!

Die Auseinandersetzung mit Napster ist noch mal etwas anderes, aber ansonsten finde ich persönlich die neuen Sachen von METALLICA auch absolut OK. Allerdings liegen mir die älteren Alben doch sehr viel mehr am Herzen, aber derlei Affinitäten hat ja auch oft damit zu tun, wann und wie man aufgewachsen ist. “Master Of Puppets” hat beispielsweise eben auch eine besondere Zeit meines Lebens geprägt…

Das ist auch meine Lieblingsplatte. Gegen Geschmacksfragen ist ja auch nichts einzuwenden, aber wenn ich das Gefühl habe, es gehört zum guten Stil eine Band schlecht zu finden, dann: Naja. Man muß einfach sehen: Die haben auch vom letzten Album sieben Millionen Exemplare verkauft, und da werden bestimmt ein paar drunter sein, die sagen: “Die sind ja so scheiße!”. Und die hören`s wahrscheinlich heimlich… (lacht)

Gerade bei METALLICA finde ich es eigentlich unsinnig, ihnen bezüglich “Load” und “Reload” Ausverkauf vorzuwerfen, denn sie konnten ja nun wirklich nicht damit rechnen, Erfolg zu haben. So groß der Stilwechsel auf “Load” auch sein mag: Es war ja doch keine Musik, die gerade voll im Trend lag.

Manchmal tut mir das schon ein bißchen leid. Ich meine, METALLICA macht das ja nichts aus, aber es gibt halt auch Bands, die mit so was schwer kaputt gemacht werden. Bands, die nach dem ersten Album in eine Schublade gezwängt werden, in die mit dem zweiten nicht mehr passen. METALLICA können es sich leisten, ihr Ding zu machen, weil sie groß genug sind. Bei kleinen Bands finde ich das dann schon manchmal schade, wenn man dann sagt, das sei ja Verrat an den Fans und so. Ich denke mal, wenn ich so etwas lesen müßte, würde mir das schon sehr wehtun. Ich möchte Bands, die plötzlich andere Musik machen, nicht einfach so etwas vorwerfen, denn vielleicht haben sie ja einfach andere Sachen im Kopf gehabt und dann kamen da einfach andere Töne aus der Gitarre.

Musik ist ja auch in erster Linie Selbstverwirklichung, und wer kann sich schon anmaßen, einem Künstler zu sagen, mittels welchen Stils er sich auszudrücken hat? Und das dann am besten noch ein Leben lang? Ich sehe einen musikalischen Wandel, der von innen kommt, auf keinen Fall als Fanverrat…

Genau. Und ich meine, heutzutage hat ja jeder die Möglichkeit, sich vor dem Kauf zu vergewissern, ob das noch die Musik ist, für die man Geld ausgeben will. Wer sich heutzutage, im Zeitalter von Internet und großen CD-Läden, wo man in jede CD reinhören kann, noch eine CD kauft und sich hinterher beschwert, was das sei, das hätte er sich ja nie gekauft, der ist selbst schuld. Ich denke, man hat genug Möglichkeiten, sich vorab zu informieren und sich eine Meinung zu bilden, ohne jetzt gleich dem Ruin entgegen zu gehen. Was ich auch nicht verstehe: Es ist ja nicht so, daß die alten Sachen an Wert verlieren, wenn sich eine Band musikalisch ändert. Wenn einem die “Master Of Puppets” jetzt so gefällt wie Dir und mir, dann können METALLICA meinetwegen Country spielen. “Master of Puppets” hab` ich aber immer noch im Schrank stehen. METALLICA gibt’s jetzt schon 20 Jahre, und selbst wenn es sie nicht mehr gäbe, würde ich auch nicht sterben, weil ich die alten Sachen noch habe.

Aufforderungen wie die, die da unlängst einer ins RockHard-Diskussionsforum setzte, man solle all seine METALLICA-Alben verbrennen, schießen jedenfalls eindeutig über`s Ziel hinaus…

Da wird mir nur noch schlecht, wenn ich das sehe…

Tja, aber so Leute wird es wohl leider immer geben. Und noch ein Thema aus dem RockHard-Forum: Du hast Dich dort auch mal über die Engstirnigkeit mancher Musikjournalisten beklagt, die außer “ihrem” Stil nichts gelten lassen…

JESTER`S FUNERAL: Very Metal, very evil, very well!Naja, es gibt Redakteure, die sitzen irgendwo und bedienen eine gewisse Zielgruppe. Und es gibt ja auch Leser, die von einer Band immer wieder genau die Platten kaufen, die so klingen wie die davor. Die sind natürlich froh, wenn sie wissen, es gibt Journalisten, die genauso denken wie sie und das auch schreiben. Und da hab` ich eigentlich auch kein Problem mit. Selbst der “Hammer”, der ja wirklich viele Stilrichtungen bedient, hat mit Andreas Schöwe auch noch einen, der den traditionellen Metal pflegt und für Alben, auf denen irgendwie einer anfängt zu rappen, einen Punkt gibt. Ich denke, das braucht man schon irgendwie, aber wenn das dann geballt auftritt, dann hab` ich da halt manchmal ein bißchen Probleme mit. Grundsätzlich habe ich nichts gegen Geschmackssache. Wenn jemand unser Album nicht mag, kann er meinetwegen auch einen Punkt geben, aber dann möchte ich in der Kritik halt irgendetwas lesen wie “die können ihre Gitarre nicht gerade halten” oder “der Sänger liegt grundsätzlich einen halben Ton zu tief” oder “die haben den Drummer vergessen”. Irgendetwas möchte ich lesen, aber nicht “Der Refrain hat verzerrten Gesang und da fängt er an zu rappen: 1 Punkt!” (lacht). Dann les` ich sowas auch mal gern. Was mir auch bitter aufstößt: Die “Arschbombe des Monats” im “RockHard”. Sowas finde ich manchmal recht hart, denn das sind ganz oft Bands, die ihre erste Platte machen. Und ich finde dabei zwei Sachen komisch: Erstens, daß der Band grundsätzlich jedes Können und jeder Geschmack abgesprochen wird. Wenn Du heute die “Kill `em All” rausbringen würdest, dann würden die sie auch schlachten, denn das ist einfach vom objektiven Standpunkt aus keine gute Platte. Der Gitarrensound ist mies und so, und deswegen finde ich das manchmal etwas ungerecht, wenn das bei kleinen Bands kritisiert wird. Was ich auch nicht verstehen kann, ist, daß der Arschbombe im RockHard bald eine halbe Seite gewidmet wird. Und das manchmal mit den übelsten Beschimpfungen! Wenn ich das als Künstler lesen würde, würde mich das nicht nur ärgern, das würde mir, glaub` ich, auch sehr sehr nah gehen. Und gerade als Künstler ist man ja sehr schnell eingeschnappt und neigt dazu sich zu beschweren und… keine Ahnung, vielleicht Lesebriefe zu schreiben, und dann machen die sich da auch noch darüber lustig. Ich würde mir manchmal ein wenig mehr Sorgfalt und ein bißchen mehr Einfühlungsvermögen wünschen. Man hat als Redakteur bei einer so großen Zeitung einfach auch Macht inne, und wie mache damit umgehen, ist schon etwas traurig.

Da hast Du schon recht: Man muß sich auch als Kritiker ab und zu etwas hinterfragen. Bei einem größeren Magazin kommen eben jeden Monat 40-50 CDs auf den Tisch und da ist es oft schwer, objektiv zu bleiben und auch unbekannteren Bands oder solchen, die einem stilistisch nicht so liegen, eine faire Chance zu geben. Sollte man aber. Ein anderes Problem ist wohl das, daß man sich bei einem richtigen Verriss – anders als bei einer sachlichen Kritik – schreiberisch ziemlich ausleben kannst. So wie damals dieser RockHard-Redakteur bei den PROGRESSIVE ROCK-Bastards. Das Beispiel hattest Du ja mal im RockHard-Forum angesprochen…

Hast Du das damals gelesen? Ja genau, da ging es dem Redakteur halt mehr darum, seine Witze zu machen als um die Musik selbst. Ich hätte ja wenigstens gerne gewußt, um was es bei der Platte geht, aber ich wußte es nicht!

Das Ding ist allerdings – nebenbei bemerkt – wirklich schlecht…

(lacht) Aha! Na, wie gesagt, das kann ja auch sein, aber man muß das ja nicht so schreiben, daß das persönlich beleidigend wird.

Stimmt allerdings. Ich weiß noch, wie ich mal eine sehr böse Kritik über das deutsche Album von Lenny Wolf (KINGDOM COME) geschrieben habe, in dem ich seine Texte sehr hart angegangen bin. Später habe ich dann auch ein Interview mit ihm gemacht und mich mit ihm über das Thema unterhalten, und seitdem gehe ich mit so etwas sehr viel vorsichtiger um. Denn ich habe gemerkt: Hey, Moment, die Texte haben ihm etwas bedeutet, das waren persönliche Dinge, die er da preisgegeben hat. Die Art und Weise, in der er das getan hat, mag zwar nicht mein Ding gewesen sein, aber ihm lag etwas daran. Und ich habe eigentlich nicht das Recht, mich öffentlich und in der Form, in der ich es damals getan habe, über ihn lustig zu machen…

Ich hab` den Artikel jetzt nicht gelesen, aber wenn es ein “sich lustig machen” war, dann ist das das, was ich meine. Man kann zwar schreiben, daß man etwas schlecht findet und sagen, das reimt sich nicht und das sind platte Phrasen, die man oft gehört hat, aber man muß ja nicht sagen, daß das ein Affe ist oder so! (lacht) Mal ganz banal ausgedrückt…

Stimmt vollkommen. Naja, ich habe daraus gelernt. Man sollte sein Handeln als Musikjournalist auf jeden Fall hinterfragen, denn Du hast definitv eine gewisse Macht, sobald Du bei einem größeren Magazin sitzt und mit unbekannten Bands und deren Veröffentlichungen zu tun hast. Und ganz abgesehen davon sollte man schon aus rein menschlichen Beweggründen nicht bemüht sein, Musiker allzu persönlich anzugehen und runterzumachen. Hinter einer Veröffentlichungen stecken schließlich immer Individuen mit Gefühle…

Genau. Nicht, daß da ein falscher Eindruck entsteht: Ich bin keineswegs dafür, daß man jedes Album schönschreibt, als Konsument würde ich mir dann auch verarscht vorkommen. Wenn Du sagst, die PROGRESSIVE ROCK BASTARDS sind wirklich scheiße, dann kann da auch 0 oder 1 Punkt drunterstehen. Obwohl ich es grundsätzlich schon manchmal grotesk finde, daß in einem Bereich wie Hevy Metal, der gerne für sich in Anspruch nimmt, zu rebellieren und das Freidenken zu fördern, für Musik Schulnoten verteilt werden. Das ist etwas, daß für mich nicht unbedingt immer Sinn ergibt. Und ob da jetzt irgendwo eine acht oder eine neun druntersteht, ist sowieso egal. Ich fand auch zum Beispiel die “Heavy oder was!?”-Kritik zu “Quicksilverlight” vom Inhalt her eine der besten, da war das drin, was ich bei meiner Musik auch erwarte und nachvollziehen kann, sprich: Auch dieser METALLICA-BLIND GUARDIAN-Vergleich. Das kam da irgendwie gut raus, ohne daß wir jetzt wie im “RockHard” als Plagiat abgestempelt wurden oder es sich, wie bei anderen, im Detail verläuft. Also ich denke mal, wenn DIE jetzt einer liest, dann weiß er wahrscheinlich am ehesten , was wir für Musik machen. Darum war`s mir jetzt auch egal ob da jetzt 8 oder 9 oder 7 von 12 Punkten drunterstehen. Hast Du noch mal unsere erste Kritik im “Heavy, oder was!?” durchgelesen?

Die war nicht sehr schmeichelhaft…

Ja genau, das war halt auch so etwas. Die 4 Punkte haben mir schon etwas weh getan, aber trotzdem war die Kritik noch halbwegs nachvollziehbar. Es war ja nicht so, daß die Sachen, die da drinstehen, falsch gewesen wären. Gegen schlechte Kritiken habe ich nichts, und ich denke mal, das sind auch Sachen, die einen zum Nachdenken anregen. Und das ist auch so in Ordnung! Wenn jetzt beim Debüt alle die volle Punktzahl gegeben hätten, dann hätten wir wahrscheinlich gedacht, wir wären die Größten und dann wäre jetzt kein Album wie “Quicksilverlight” rausgekommen.

Was hast Du eigentlich generell für ein Gefühl, wie die deutsche Medienlandschaft mit einheimischen Nachwuchsbands umgeht?

JESTER`S FUNERAL: Quicksilverlight?Das ist natürlich eine gefährliche Frage! (lacht) Also, ich möcht`s mal anders rum angehen: Ich glaube, daß man heutzutage, und damit meine ich das Jahr 2000, unheimliche viel Möglichkeiten hat, auf sich aufmerksam zu machen. Gerade auch durch das Internet und so. Das ist etwas, das in den letzten zwei Jahren in der Szene grundsätzlich besser geworden ist. Das Internet bietet halt auch die Möglichkeit, Leute auf sich aufmerksam zu machen, die sonst nie was von Dir hören würden. Auf die Printpresse bezogen muß ich sagen: Ich denke wenn man sich nicht entmutigen läßt, dann kann man auch durchaus als deutsche Band auf sich aufmerksam machen. Wir sind ja bislang auch nur auf dem Wege dorthin. In der Zwischenzeit passiert es mir wenigstens manchmal, daß die Leute vielleicht schon mal den Namen gehört haben, wenn ich sage, ich sei von JESTER`S FUNERAL. Und das war nach der ersten Platte halt noch nicht so. Ich denke aber, auf der anderen Seite ist vielen Magazinen anzumerken, daß da einfach in diesem Bereich auch Beziehungen mitreinspielen. Es gibt immer Zeitschriften, da kennen sich Redakteure und Bandmitglieder oder sie kommen zufällig aus dem selben Ort. Ist auch immer sehr lustig, wenn man das so deutlich merkt! Ich möchte jetzt weder Band- noch Magazin-Namen nennen, ich denke mal, das ist bei allen so und man weiß das ja oft auch gar nicht. Auf der anderen Seite ist es, glaube ich, trotz allem noch ein Bereich, wo Du mit Qualität überzeugen kannst. Also, wenn ich jetzt Popmusik machen würde, dann hätte ich den Glauben wohl schon eher verloren, weil da einfach viel mehr das Geld und kommerzielle Aspekte eine Rolle spielen als die Musik selbst. Und wenn man jetzt den Aufwand betrachtet, den wir bisher betrieben haben, der war ja noch nicht sooo groß, auch finanziell nicht, daß wir eigentlich schon längst Popstars sein müßten. Dafür, daß wir zwei Platten aufgenommen und ein paar mal gespielt haben, bin ich eigentlich zufrieden, daß wir Reaktionen aus den wichtigen Szen-Magazinen kriegen. Ich denke mal, die großen Zeitschriften hätten es sich auch erlauben können, eine Band wie uns einfach zu ignorieren, das wäre auch keinem aufgefallen. Und wenn man bedenkt, daß wir im “!Hammer” sogar ein Interview gekriegt haben, dann freut mich das schon. Deswegen bin eigentlich so schon zufrieden. Ich denke, wenn wir in der Lage sind auch noch eine dritte Platte zu machen und uns auch musikalisch noch einmal ein bißchen steigern können, dann haben wir schon wieder eine ganz andere Ausgangsposition. Ich meine, nach drei Alben kann ich mir schon vorstellen, daß der eine oder andere etwas von uns mitgekriegt hat. Ich denke mal, einfach durch am Ball bleiben, proben und nicht schlechter werden, sich die Kritiken zu Herzen nehmen und das, was man irgendwie an Rückmeldungen bekommt, kann man auch sehr viel erreichen. Ich glaube nicht, daß das im Pop-Bereich unbedingt etwas hilft. Ich denke, da gibt es Tausende wirklich guter Musiker und begabte Songwriter, aber die können sich so viel ändern, wie sie wollen, damit hat`s nicht unbedingt etwas zu tun. Die können noch besser werden, aber das liegt einfach an anderen Strukturen innerhalb der Szene, daß du da nicht so richtig rauskommst. Wenn Du nicht auf Viva läufst und keinen Charteinstieg und keine Single hast, kommst du halt nicht durch.

Stimmt. Es gibt ja etliche hervorragende Bands, die selbst in Magazinen wie dem Rolling Stone oder dem Musik Express euphorisch bejubelt werden, da aber ihr Image nicht Viva-kompatibel ist, bleiben sie eher erfolglos. Das ist schon etwas traurig….

Ja. Und das ist bei der Metal-Szene ganz angenehm, die ist auf diese Medien überhaupt nicht angewiesen. Und da finde ich auch wiederum das Internet schön, denn da sind einfach alle Bands gleich vor dem Herrn. Falls Du eine Internet-Adresse hast, bist Du einfach für jeden erreichbar…

Hat sich Eure Homepage bislang für euch bezahlt gemacht?

Ja, eigentlich ist das Internet das Medium, über das wir bislang am meisten Feedback bekommen haben. Es wirkt einfach anders: Gestern hab` ich eine E-Mail aus Australien bekommen, und sowas ist natürlich supergeil! Wenn da Einträge aus aller Welt im Gästebuch sind, von Leuten, die die Musik geil finden: Das sind Sachen, die du sonst einfach nicht mitkriegen würdest…

Soweit also der erste Teil des Gespräch-Marathons mit JESTER’S FUNERAL-Sänger und Gitarrist Stefan Schmidt. In Teil 2 des Interviewsberichtet Stefan von seiner Neigung zur Melancholie, von Dinosauriern im Proberaum und wer eigentlich diese Typen namens Hieronymous und Damien sind…

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