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Interview mit SMOULDER: Das Kollektiv wächst!

Die Kanadier SMOULDER konnten mit ihrem Debüt “Times Of Obscene Evil und Wild Daring” bereits Eindruck bei mir und der gesamten Metal-Szene hinterlassen. Der folgende Europa-Abstecher der Band wurde allerdings dank Corona zum Desaster. Aber all das hat SMOULDER nicht aufgehalten – 2020 veröffentlichte die Band die EP “Dream Quest Ends” und nun hat die Band mit “Violent Creed Of Vengeance” ihr zweites Album veröffentlicht. Und was für eines! Für mich ist “Violent Creed Of Vengeance” ein ziemlich sicherer Kandidat für das Album des Jahres. Wir haben der sympathischen Band einen etwas umfangreicheren Fragenkatalog geschickt, den die inzwischen neben den USA und Kanada auch in Finnland ansässige Band fleißig durchgearbeitet hat.

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Hey! Wie geht es euch?

Adam: Ich habe gestern meinen letzten Arbeitstag hinter mich gebracht, ich bin also erschöpft und erleichtert. Kapitalismus ist ein Alptraum, aus dem ich wohl niemals erwachen werde, aber ich nehme jetzt erstmal eine Auszeit. Wie geht es dir?

Danke, soweit gut. Herzlichen Glückwunsch zur Veröffentlichung von “Violent Creed Of Vengeance”! Das Album ist großartig und wird sehr wahrscheinlich mein Album des Jahres, denn es ist sehr unwahrscheinlich, dass ATLANTEAN KODEX wieder im selben Jahr wie Ihr ein Album veröffentlichen werden.

Vincent: Danke dir! Es wäre sowohl Fluch als auch Segen, wenn dieses Jahr noch ein neues ATLANTEAN KODEX-Album erscheinen würde.

“Ich habe definitiv hart daran gearbeitet, ein besserer Leadgitarrist zu werden” – Das hört man “Violent Creed Of Vengenace” auch an


Mir hat das Gitarrenspiel auf “Times Of Obscene Evil And Wild Daring” schon sehr gut gefallen, aber auf “Violent Creed Of Vengeance” habt ihr das ganze noch mal auf ein neues Level gebracht. Die Harmonien sind fantastisch!

Vincent: Ich habe definitiv hart daran gearbeitet, ein besserer Leadgitarrist zu werden. Für die Harmonien kannst du Kevin danken, er hat wirklich ein gutes Ohr für geschmeidige Gitarrenläufe.

Alles in allem würde ich sagen, dass ihr deutlich mutiger klingt als auf eurem Debüt. Ein bisschen so als hättet Ihr die Handbremse gelöst und Vollgas gegeben.

Vincent: Da stimme ich dir zu. Das sind definitiv unsere bisher ambitioniertesten und schnellsten Stücke und es gibt keine Anzeichen dafür, dass wir weniger Gas geben.

Das trifft noch mehr auf den Gesang zu. Sarah, du klingst deutlich selbstbewusster. Wer inspiriert dich als Sänger*in und Liveperformer*in am meisten?

Sarah: Es sieht so aus, als ob man es der Stimme anhören kann, wenn sich alles in deinem Leben deutlich verbessert! Aber ja, der Umzug nach Finnland hat sowohl mein Leben als auch das von Vincent in allen Belangen verändert. Aber ich habe auch hart daran gearbeitet, meinen Gesang zu verbessern, seit wir unser Debüt veröffentlicht haben. Ein großer Teil davon war es zu lernen, besser mit meinen diversen gesundheitlichen Problemen umzugehen, was sich sehr deutlich ausgezahlt hat. Ich habe durch Gewichtheben und Wandern – dabei habe ich oft gesungen – deutlich Kraft hinzu gewonnen. Das hat meine Stimmbänder und meinen Körper deutlich gestärkt.

Was die eigentliche Frage angeht – was inspiriert mich am meisten? Die Sänger, die auf der Bühne völlig ausrasten und so aussehen und klingen, als wären sie besessen. Die Sänger, welche die Merkwürdigkeit und Hässlichkeit ihrer eigenen Stimmen zelebrieren. Leute, die einzigartig sind und sich nicht dafür entschuldigen. Hier ist eine Liste: Tim Baker (CIRITH UNGOL), Leather Leone (CHASTAIN), Grace Slick (JEFFERSON AIRPLANE), RONNIE JAMES DIO (RAINBOW, BLACK SABBATH, du weißt schon), Terry Jones (PAGAN ALTAR).

Und heilige Scheisse, bei “Spellforger” bist du wirklich on fire! Ich bin fast ausgerastet, als ich den Song zum ersten Mal auf dem Weg von der Arbeit nach Hause gehört habe. Beinahe wäre es zu einem Ein-Mann-Moshpit im Supermarkt gekommen. Ich kann mir vorstellen, dass die Nummer live schwer zu singen sein wird.

Sarah: Der Song ist noch nicht in unserer Setlist, aber wir wollen ihn auf unserer Europatour im Herbst auf jeden Fall spielen. Ich trainiere in Vorbereitung auf diese Tour schon mehr, ich weiß, dass das körperlich anspruchsvoll wird. Wir starten mit den Proben nächste Woche, jetzt da wir nach dem COURTS OF CHAOS FESTIVAL wieder zu Hause sind.

Wo ich gerade von Moshpits sprach – ich könnte mir das bei einigen Songs auf dem neuen Album vorstellen. “The Talisman And The Blade” ist ein echter Nackenbrecher.

Vincent: Ja, das ist sicherlich einer unserer schnellsten Songs bisher und wir tendieren dazu, ihn live noch schneller zu spielen. Ich habe bisher zwar noch keine Moshpits gesehen, kann mir aber vorstellen, dass es nur eine Frage der Zeit ist.

blankIhr habt diesmal nicht so viel doomigen Kram geschrieben. Natürlich gibt es immer noch ein paar entsprechende Passagen, aber keinen puren Doom-Song wie “Black Gods Kiss” vom Debüt. War das eine bewusste Entscheidung oder hat euch dieser ganze Misthaufen, der unsere Welt seit ein paar Jahren ist, einfach nur aggressiver werden lassen?

Sarah: Ich persönlich denke nicht, dass der Doom weg ist. “Dragonslayers Doom” ist definitiv ein epischer Doom-Song und meiner Meinung nach der beste, den wir bisher geschrieben haben. “Victims Of Fate” und “Midnight In The Mirror World” sind ebenfalls beides epische Doom-Songs. Aber ja, du hast nicht Unrecht, was die generelle Stimmung angeht. Wir sind auf diesem Album schneller geworden und das hat viel damit zu tun, die Aggressionen darüber, wie beschissen die Welt ist, abzubauen. Es lag auch daran, dass wir viel mehr Zeit und Mühe in die Perfektionierung der Songs gesteckt haben, und dieses Mal haben wir es wirklich genossen, auf seltsamen Wegen zu gehen. Vor allem bin ich unglaublich beeindruckt, wie talentiert die Jungs sind. Ich liebe es, unsere Musik zu hören, sie tut selten das, was man erwartet, und sie ist extrem interessant und eingängig.

Ihr habt eine wirklich gute Mischung aus eingängigen Songs und eher komplexem, obskuren Kram wie zum Beispiel “Midnight In The Mirror World”. Ist es hauptsächlich Shon, der die letzteren Sachen schreibt? Kevin ist ja sowas wie euer Hitmeister.

Vincent: Kevin und ich haben zwei sehr unterschiedliche Arten des Songwritings und sind dahingehend sehr bedacht vorgegangen. Ich habe eine spezifische, obskure Herangehensweise an das Songwriting, während Kevin eher einen klassischen Ansatz hat.

Welche Alben habt ihr gehört, während die Songs für das neue Album geschrieben wurden? Gab es irgendwelche speziellen Dinge, die euch beeinflusst haben?

Vincent: Für den durchschnittlichen Power Metal-Fan wird das zwar offensichtlich sein, aber BLIND GUARDIAN waren der Haupteinfluss, als ich “The Talisman And The Blade” geschrieben habe. Speziell die ersten vier Alben.

Sarah und Vincent haben mitten in der Pandemie geheiratet und sind nach Finnland gezogen. Bei euch beiden war also eine Menge los. Wie seid ihr denn alle so durch die Pandemie gekommen und was hat euch geistig gesund gehalten?

Sarah: Die Pandemie war für alle hart. Für uns begann es damit, dass wir unsere allererste Tour und gut 10.000 Dollar aus der Bandkasse verloren haben. Dann wurden wir vom kanadischen Gesundheitssystem darüber informiert, dass Diabetiker überproportional häufig an Covid sterben und sie sehr deutlich empfahlen, sich selbst zu isolieren – aus diesem Grund ließen wir etwa 300 Tage lang niemanden in unsere Wohnung.

Dann habe ich mir, direkt zu Beginn des zweiten Lockdowns, bei einem Fahrradunfall den Arm gebrochen und es wurde falsch diagnostiziert, was zu schweren Komplikationen führte, von denen ich mich erst nach Jahren und sehr viel Geld wieder erholt habe. Aber weißt du was? Am Ende haben wir gemerkt, dass wir unglaubliches Glück hatten. Wir behielten unsere Arbeitsplätze, unser Zuhause und unser Leben. Am Ende des Tages ist das alles, was zählt. Und während all dem hat Vincent mich bei Verstand gehalten.

Warum seid Ihr nach Finnland gezogen? War das schon länger geplant? Was macht ihr dort beruflich?

Sarah: Ich habe sowohl die kanadische als auch die finnische Staatsbürgerschaft und wollte schon immer in Europa leben. Als Vincent mir sagte, dass er dazu bereit wäre, es zu versuchen, haben wir Kanada so schnell wie möglich verlassen. Es gab dafür eine Menge Gründe, aber um es kurz zu halten: Die wichtigsten Gründe waren der Zugang zu Gesundheitsfürsorge und die Natur. Was unsere Jobs angeht, ich arbeite Vollzeit und Vincent ist in einer Integrationsmaßnahme.

Wie ist die Stimmung momentan in Finnland? Das Land teilt sich eine Menge Grenze mit Russland, welches sie bedroht, da Finnland der Nato beigetreten ist. Ein Schritt, den ich völlig nachvollziehen kann (Den NATO-Beitritt, nicht die Drohungen), da Russland unter Putin völlig unberechenbar und gefährlich ist.

Sarah: Ich würde sagen, die Stimmung ist düster und vorsichtig. Ich kann nicht für alle Finnen sprechen, aber ich denke, die Bevölkerung fühlt sich unwohl, ist wütend auf und verängstigt vom direkten Nachbarn und gleichzeitig mitfühlend für die Menschen, die dort leben und dringend das Land verlassen wollen, aber nicht können.

“Es war großartig, alle zusammen am selben Ort und zur gleichen Zeit zu arbeiten!” – Zum ersten mal seit dem Demo haben SMOULDER wieder als Band zusammen aufgenommen

Wie habt Ihr eure finnischen partners in crime kennengelernt, sowohl eure Produzenten als auch eure Live-Musiker?

Vincent: Aufgrund unseres gemeinsamen Engagements in der Speed Metal-Szene hatte ich schon seit Jahren Kontakt zu Dimi von RANGER, bevor wir umgezogen sind. Wir trafen ihn und Iiro zum ersten Mal bei einem Besuch in Finnland 2018 und sind seitdem in Verbindung geblieben. Kurz nachdem wir nach Helsinki gezogen sind, fingen wir an, uns einen Proberaum mit EMISSARY zu teilen und fragten, ob sie Lust hätten, live mit uns zu spielen.

Sarah: Es war toll, die RANGER-Jungs durch Vincent kennenzulernen. Sie sind kluge, fleißige, rohe, verrückte und äußerst talentierte Musiker und vernünftige Menschen mit dem Herz am rechten Fleck. Ich bin sehr dankbar für ihre Zeit bei SMOULDER und obwohl es wahrscheinlich ist, dass weder Dimi noch Iiro auf absehbare Zeit viel mit uns spielen werden, da sowohl EMISSARY als auch RANGER sehr beschäftigt sind und Dimi außerdem Vater wird, sind sie jederzeit herzlich willkommen wieder bei uns einzusteigen.

Außerdem haben wir durch einen Freund den wunderbaren Valtteri kennengelernt, der auf unserer Herbst-Tour Schagzeug spielen wird, da Kevin und seine reizende Frau ebenfalls Nachwuchs erwarten. Valtteri spielt, genau wie Dimi und Iiro in einer sehr beschäftigten Band, der Death Metal-Band ASHEN TOMB, sodass wir uns nach seinem Zeitplan richten. Also ja, um es kurz zu fassen, es sind zwei SMOULDER-Babys unterwegs, was sehr aufregend ist und auch bedeutet, dass unser Kollektiv wächst. Das Schöne ist, dass wir eine Menge wirklich talentierter Musiker in Helsinki kennen.

Das Album klingt großartig! Es klingt roh und direkt! Ist der Rest der Band für die Aufnahmen nach Finnland gekommen?

Collin: Ja, Kevin und ich sind aus den USA und Adam aus Kanada eingeflogen. Ich denke, dass die Tatsache, dass wir zusammen aufnehmen konnten, viel dazu beigetragen hat, dass das Album so geworden ist, wie es ist. Aufgrund der Entfernung konnten wir seit dem Demo nicht alle zusammen im selben Raum aufnehmen, also war es wirklich großartig, alle zusammen am selben Ort und zur gleichen Zeit zu arbeiten! Abgesehen davon war es großartig, mit den Toningenieuren im Studio (Soundwell Studios in Espoo) zusammenzuarbeiten, die wirklich sehr engagiert waren. Sie haben definitiv das Beste aus uns allen herausgeholt und uns, was Produktionen angeht, auf ein neues Level gebracht.

blankWenn die ganze Band eine “Dungeons & Dragons”-Rollenspielrunde wäre, wer würde welchen Charakter spielen?

Collin: Ok, ich denke unsere Gruppe würde so aussehen:
Sarah: Paladin
Vincent: Hexer
Collin: Barde
Adam: Zauberer
Kevin: Mönch

Michael Moorcock hat das Intro zu “Victims Of Fate” gesprochen. Wie ist es dazu gekommen?

Sarah: Es hat eine Menge Emails gebraucht, um das durchzuziehen, aber ich bin froh, dass es geklappt hat. Vincent hat vor Jahren mal erwähnt, wie cool es wäre, wenn Moorcock ein Intro zu einem Song sprechen würde, der von seinen Büchern handelt. Ich dachte mir, dass es nicht schaden kann nachzufragen und irgendwann haben wir durch einen Freund von uns bei DMR Books seine Kontaktdaten bekommen.

Über ein Jahr später hat es endlich geklappt. Er war so großzügig zu uns – eigentlich haben wir ihn gefragt, ob er eine Zeile aus einem seiner Bücher sprechen könnte, aber er hat uns gefragt, ob er stattdessen etwas Eigenes dafür schreiben kann. Unsere Köpfe sind fast explodiert. An dem Abend, als er uns den Text am Telefon vorgelesen hat, haben wir die ganze Nacht wartend verbracht. Im Bett zu liegen, während Michael Moorcock uns etwas vorliest, was er geschrieben hat, ist etwas, was wir definitiv niemals vergessen werden.

Und natürlich habt ihr ein weiteres, großartiges Werk von Michael Whelan als Cover-Artwork. Dieses Mal habt ihr euch für “Amazons 2” aus dem Jahre 1981 entschieden. Warum dieses spezielle Bild?

Adam: Das Bild wurde ursprünglich als Cover für einen Sammelband mit weiblichen Autoren und Charakteren geschaffen und diese in der griechischen Mythologie verwurzelte Ästhetik passt zu Epic Metal – die thematischen Linien vom Artwork zur Musik sind also klar. Wie auch immer, am wichtigsten ist natürlich das Artwork selbst, welches starke, kämpfende Frauen, im Kampf sterbende Männer, coole Klingenwaffen und einen glimmenden (“smouldering”), blutroten Himmel zeigt – all das mit Whelans fantastischem Realismus und Detailliertheit. Wir haben es gesehen und realisiert, dass es perfekt passt.

Ich schätze mal, es wäre ein Traum, ein speziell für euch gemaltes Cover von Michael Whelan zu haben. Ist das im Bereich des Möglichen oder für eine Band eurer Größe zu teuer?

Adam: Ich würde nicht sagen, dass es unmöglich ist, wobei es schon eine Weile her ist, dass Michael Whelan ein Bild auf Kommission gemalt hat, seit er sich in den Semi-Ruhestand begeben hat. Ich denke, es würde nicht schaden anzufragen, aber andererseits gibt es auch schon eine so große Menge an Werken, aus denen man wählen kann, wenn man seine Karriere mal durchgeht. Alles davon ist erstklassig, ich mache mir also keine Sorge darum, ob wir diese Serie kraftvoller Albumcover fortsetzen können.

Was ist euer Lieblings-Dinosaurier? Nur einer pro Bandmitglied!

Sarah: Triceratops
Collin: Pleisiosaurus
Kevin: Ich nehme den großen Jungen – Brachiosaurus

Adam, in unserem letzten Interview, nach der Veröffentlichung von “Times Of Obscene Evil And Wild Daring”, hast du gesagt, dass du auch gerne was zum Songwriting beitragen möchtest und auch schon einen Song und einige weitere Ideen auf Lager hast. Wann werden wir etwas von dir Geschriebenes hören?

Adam: Ich arbeite dran, so viel ist sicher. Aber ich habe als Songwriter weniger Erfahrung als die anderen und es gibt dadurch, dass alle am Songwriting beteiligt sind, jede Menge Songs und Ideen – was großartig ist, weil wir die stärksten Songs auswählen und andere, im Namen der Qualitätskontrolle, aus der Album-Tracklist rauslassen können, damit auf dem Album nur Killer und keine Filler drauf sind. Meine Versuche in Sachen Songwriting haben es bisher noch nicht geschafft, aber es gibt einen Song, bei dem Kevin und ich zusammengearbeitet haben, den wir für eine zukünftige Veröffentlichung im Auge behalten. Sarah hat auch schon Gesangslinien und den Text – über Pelennor Fields – geschrieben. Es macht Spaß, den Song zu spielen, aber wir müssen noch ein bisschen daran arbeiten, weil er sich meiner Meinung nach momentan noch zu schwerfällig anfühlt.

Ich nehme mir dieses Jahr eine Auszeit von der Arbeit, was mir definitiv die Freiheit geben wird, über mein Dasein als fähiger Bassist hinaus an Musik zu arbeiten. Ich werde einige alte Songideen überarbeiten, neue Riffs schreiben und an meinem Verständnis von Musiktheorie arbeiten. Unterdessen hat die Band die Freiheit, alles, was ich schreibe, zu editieren oder Teile davon zu benutzen. Und Kevin weiß immer am besten, wie man Schlagzeug-Parts schreibt, Gitarrensoli werden optimiert und auch wenn ich Texte schreibe, möchte ich, dass Sarah damit glücklich ist, wenn sie sie singt. Es wird also ein Gruppenleistung, aber ich arbeite definitiv daran, irgendwann Songwriting-Credits zu bekommen.

“Ein bisschen so, wie von einem Tornado umgeblasen zu werden?” – die beiden Auftritte auf dem KEEP IT TRUE haben Eindruck bei SMOULDER hinterlassen

Auf “Dream Quest Ends” hattet ihr ein Duett, das mir wirklich gut gefallen hat. War das eine einmalige Sache oder könnt Ihr euch vorstellen, das oder sowas Ähnliches nochmal zu machen?

Adam: Ich bin immer froh zu hören, wenn jemand “Dream Quest Ends” mag, denn der Song hat ein einzigartiges, elegantes Gefühl mit einigen deutlich sanfteren Passagen als bei uns üblich. Ich denke, der Song ist etwas Besonderes und ich bin immer glücklich, Gesangsparts zu übernehmen, solange sie zum Song passen. Die “Dream Quest Ends”-EP war irgendwie unser Experiment mit Duettgesang, weil Vincent bei “Warrior Witch Of Hel” singt. Backing vocals sind auf “Violent Creed Of Vengeance” eher rar gesät, wenn wir nicht gerade im Chor singen. Ich denke, es ist nicht auszuschließen, solange es dem Song dient.

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Eine Sache, die ich unbedingt noch sagen muss, auch wenn es etwas spät ist. Ich liebe euer Cover des MANILLA ROAD-Songs “Cage Of Mirrors”, ich finde es besser als das Original, auch wenn ich für diese Meinung vielleicht gekreuzigt werde.

Sarah: Das ist sehr nett! Wir haben das schon von einer Handvoll Leute gehört und sind immer wieder überrascht und geehrt davon. Neudi (Andreas Neuderth, letzter Schlagzeuger von MANILLA ROAD) hat uns netterweise die Erlaubnis gegeben, den Song zu covern, als wir 2018 zum ersten Mal auf dem KEEP IT TRUE waren. Wir haben MANILLA ROAD mehrere Male in diversen Städten gesehen, wir fühlen also eine gewisse Verwandtschaft mit Mark und co. R.I.P. einem echten Gentleman.

Ihr habt gerade vor ein paar Wochen auf dem KEEP IT TRUE gespielt, zweimal sogar! Wie hat es sich angefühlt vor der versammelten europäischen Die Hard-Metalszene zu spielen?

Sarah: Ein bisschen so, wie von einem Tornado umgeblasen zu werden? Wow. Das war so eine riesige und intensive Erfahrung für uns. Es war extrem spaßig, sehr anstrengend und eine großartige Lernerfahrung, soviel steht fest! Nicht nur einmal, sondern zweimal spielen zu können, am Wochenende unserer Albumveröffentlichung und mit Bands wie MESSIAH FORCE, PAGAN ALTAR, CIRITH UNGOL, SÖLICITÖR, BLOOD STAR, VISIGOTH und SANHEDRIN zu spielen… Und nicht nur das, aber ich bin total begeistert, dass die Sängerinnen von SÖLICITÖR, BLOOD STAR und SANHEDRIN am Ende von “Sword Woman” zu uns auf die Bühne gekommen sind. Es hat sich wirklich toll angefühlt, das mit mehreren Musikerinnen, die wir bewundern, machen zu können.

War das euer bisher größter Auftritt?

Sarah: Ja.

Euer neues Album wurde am Freitag des KEEP IT TRUE-Wochenendes veröffentlicht und die erste Auflage des Vinyl war noch während des Festivals ausverkauft. Das ist ne große Sache, oder? Hat Enrico (CRUZ DEL SUR Labelboss) die zweite Pressung sicherheitshalber schon mal vorbestellt oder kommt ihr in einen Engpass?

Sarah: Wir warten momentan auf die zweite Pressung. Es fühlt sich großartig an, die erste Auflage von 1500 Stück so schnell ausverkauft zu haben. Ich hoffe, wir können das Interesse aufrechterhalten, aber mal schauen, wie es läuft. Es gibt viele großartige Alben dieses Jahr.

Ich habe gerade, während ich diese Fragen schreibe (und nur wenige Stunden vor dem Bandcamp-Freitag. Sorry, ich bin ein Idiot) den Patch mit dem Cover des neuen Albums bestellt. Ich hoffe sehr, dass Ihr auch einen neuen Backpatch macht, denn ich brauche den für meine neue Kutte.

Sarah: Wir werden definitiv irgendwann einen weiteren Backpatch machen. Wir machen gerne kleine Auflagen bei Merch und stimmen diese zeitlich aufeinander ab, so dass die Leute mehr als ein Teil auf einmal bestellen können. Hab etwas Geduld und folge uns bei Bandcamp [Anmerkung des Verfassers: Als ob ich das nicht schon seit Jahren tun würde…], um darüber informiert zu werden.

Habt Ihr Pläne, euer Merch für europäische Käufer zukünftig auch aus Finnland zu versenden? Der Versand aus Kanada kostet echt ein Vermögen.

Sarah: Der Versand aus Finnland in den Rest von Europa kostet leider ebenfalls ein Vermögen. Wir haben kürzlich eine Platte von Finnland nach Kanada verschickt und es kostete 47 Euro, was einfach nur komplett irrsinnig ist. Die beste Möglichkeit ist es, bei CRUZ DEL SUR zu bestellen.

“Ich denke, die Metal-Szene und die ganze Welt haben noch einen langen Weg vor sich, wenn es darum geht, wirklich inklusiv und egalitär zu sein.”

Im Promoblatt zum neuen Album, habe ich gelesen, dass der Albumtitel daraus entstanden ist, wie Sarah ZITAT “Die Pandemie, ihren Einfluss auf sozialen Fortschritt und die nicht endende Realität von Frauenhass und Vergewaltigungskultur verarbeitet hat” ZITATENDE. Ich habe sehr ähnliche Gedanken, was den Einfluss der Pandemie, aber auch des Angriffs Putins auf die Ukraine auf unseren gesellschaftlichen Fortschritt angeht. Die Pandemie, speziell die Lockdowns, haben zu einem Anstieg häuslicher Gewalt geführt und haben eine ganze Generation von Kindern traumatisiert. Ich denke immer noch, dass ein großer Teil der Entscheidungen, die unsere Regierung während der Pandemie getroffen hat, ok war und dass wir besser durch die Pandemie gekommen sind als andere Länder. Aber die Folgen für die verwundbarsten Teile unserer Gesellschaft waren massiv.

Und der Krieg in der Ukraine wird nun von vielen Konservativen als Entschuldigung genutzt, um im Kampf gegen die Klimakatastrophe zu bremsen. Sie versuchen immer noch, den Menschen zu erzählen, dass wir größtenteils einfach weitermachen können wie bisher und vergleichen Klimaaktivisten allen Ernstes mit Terroristen. Es ist ein Desaster und wir könnten alle hysterisch darüber lachen, wenn es nicht so verdammt ernst wäre. Auch was den Teil mit Frauenhass und Vergewaltigungskultur angeht, kann ich nur zustimmen. Sobald ich mal aus meiner fröhlichen, progressiven, linken, feministischen Bubble raus schaue, kann ich nur den Kopf schütteln, was so alles immer noch als akzeptables Verhalten gegenüber Frauen gesehen wird.

Hier in Deutschland versucht, soweit ich weiß, jeden Tag ein Mann seine Partnerin umzubringen und jeden dritten Tag ist einer dabei “erfolgreich”. Das ist ein unhaltbarer Zustand, aber trotzdem werden Frauen viel zu oft nicht ernst genommen, wenn sie berichten, dass sie belästigt, bedroht oder gestalkt werden. Opfer sexualisierter Gewalt werden beschuldigt, die falschen Klamotten angehabt zu haben, alleine unterwegs gewesen zu sein oder welcher Unsinn auch immer vorgebracht wird, um männliches Fehlverhalten zu entschuldigen. Das Bewusstsein wächst, aber wir haben als Gesellschaft noch einen weiten Weg vor uns. Früher wollte ich mal glauben, dass es in der Metal-Szene etwas besser wäre als in der gesamten Gesellschaft, aber da bin ich mir nicht mehr so sicher…. Was sind eure Gedanken dazu?

Sarah: Ich denke, die Metal-Szene und die ganze Welt haben noch einen langen Weg vor sich, wenn es darum geht, wirklich inklusiv und egalitär zu sein. Ich kenne eine Menge Leute, die versuchen, sich ihres Verhaltens bewusster zu werden und es zu verbessern und das ist eine gute Sache. Aber… Es ist sehr frustrierend, eine Frau in der Metal-Szene zu sein. Bei jeder Show, die wir spielen, passiert zwangsläufig irgendwas, das mich daran erinnert. Und du hast recht, speziell Opfer sexualisierter Gewalt werden furchtbar behandelt. Das ist mein größter Konfliktpunkt mit der Metal-Szene. Jedes Mal, wenn ein Missbrauchstäter öffentlich geoutet wird, kannst du dir die Reaktionen online ansehen. Die Leute rennen sich gegenseitig dabei über den Haufen, das Opfer als Lügnerin zu bezeichnen, es oder seine Unterstützer zu bedrohen, den Täter für sein angebliches Talent zu loben oder sicherzustellen, dass jeder mitbekommt, dass der Täter “ein guter Mensch ist, der sowas niemals tun könnte”. Vergewaltiger und Missbrauchstäter werden regelmäßig als die “wahren Opfer” einer “Verleumdungskampagne” dargestellt. Es macht mich wirklich krank zu sehen, wie leicht es für Leute ist, sich brutal frauenfeindlich zu verhalten, wenn es ihnen in den Kram passt, weil sie halt “geile Riffs” schreiben.

Wenn die Metal-Szene oder die Gesellschaft als Ganzes sich wirklich um Opfer von Missbrauch kümmern würde, würde sie Täter unvoreingenommen verstoßen und die Übernahme von Verantwortung verlangen. Sei es durch Therapie, Sozialstunden, Spenden an Projekte, die Opfer unterstützen und das Eingeständnis ihres Missbrauchs, anstatt sie auf Festival-Billings und Magazincover zu setzen.

Die Entwicklung in den USA, was die Rechte von Transpersonen angeht, ist alarmierend. Auch wenn wir dahingehend durchaus unsere eigenen Probleme mit rechten Konservativen hier in Deutschland haben, wirkt der Scheiss da drüben so völlig unwirklich…!

Kevin: Leider gibt es teilweise tiefsitzende Bigotterie in den USA; speziell religiöse Bigotterie in bestimmten Teilen des Landes. Es ist völlig verrückt für mich, dass manche Leute so wütend auf Trans-Menschen sein können, nur weil diese einfach so sein wollen, wie sie wirklich sind. Das schadet doch niemandem. Was ist nur aus leben und leben lassen geworden? Immerhin behaupten die Republikaner doch, die Partei für die Freiheit zu sein.

Ich kann für die queere Community dort nur hoffen, dass jemand wie DeSantis nicht der nächste Präsident wird. Wie würdet ihr denn die Situation für Frauen und queere Menschen in Kanada und Finnland beschreiben?

Sarah: Finnland ist, was Inklusivität angeht, wirklich seltsam und unausgeglichen. Es ist seltsam, denn sowohl Frauen als auch Schwule, Lesben und Bisexuelle haben gesetzlich recht fortschrittliche Rechte. Wenn man sich aber ansieht, was dann wirklich im Privatleben geschieht, sieht es anders aus. Ein großer Teil liegt darin begründet, dass Finnland eine Monokultur ist, was du als weibliche Migrantin definitiv zu spüren bekommst. Laut Statistiken ist Finnland das zweitgefährlichste Land für Frauen innerhalb der EU und ein Drittel aller Frauen hier wird in ihrem Leben Opfer von Gewalt durch ihre Partner (https://yle.fi/a/3-12204299).

Es dauerte bis Februar 2023, also gerade mal vor ein paar Monaten, bis Finnland das Gesetz änderte, welches Transpersonen dazu zwang, sich sterilisieren zu lassen, wenn sie eine Geschlechtsanpassung vornehmen ließen. Transpersonen haben starke Probleme, Zugang zu medizinischen Ressourcen zu bekommen. Finnland hat also noch einiges zu verbessern. Ich hoffe wirklich, dass diese Verbesserungen kommen und ich werde gemeinsam mit unseren Kameraden dafür auf den Straßen kämpfen.

Ihr habt gerade einige Shows in Europa gespielt. Leider hatte ich nicht die Möglichkeit euch zu sehen. Wie habt ihr diese Shows erlebt und gibt es ein paar Anekdoten, die ihr teilen wollt?

Sarah: Die letzten Shows waren eine Menge Arbeit und eine Menge Spaß. Wir haben viel gelernt, besonders weil unser Publikum so schnell wächst, ist es hart mitzuhalten. Wir haben eine Menge Zeit damit verbracht zu proben, was wirklich sehr hilfreich war. Jede Stadt und jedes Festival war eine andere, einzigartige Erfahrung.

Gibt es schon Pläne für weitere Konzerte? Köln ist eine sehr schöne Stadt 😉

Sarah: In der Tat! Wir werden im September durch Europa touren und wir haben noch weitere Festivals am Horizont, die noch bestätigt werden müssen.

Was ist denn bei EZRA BROOKS (Projekt von Gitarrist Shon Vincent) los? Das letzte, was ich gelesen habe, ist, dass das Debütalbum in Arbeit ist. Wann wird es veröffentlicht?

Vincent: Die Aufnahmen laufen. Einige Texte sowie der Gesang und einige andere kleine Details müssen noch fertiggestellt werden. Das Album sollte 2024 das Tageslicht erblicken!

Das wars, ihr habt das Ende dieses viel zu langen Interview erreicht. Danke für eure Zeit, eure Antworten und natürlich für dieses großartige Album! Und last but not least dafür, die Dinge, die in der Szene und der Gesellschaft an sich scheiße laufen, anzusprechen. Die letzten Worte gehören euch!

Sarah: Vielen Dank für das Interview, wir wissen es wirklich zu schätzen!

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