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Interview mit ANTRISCH: “Ich habe seit jeher einen sehr ausgeprägten Konzept-Fetisch”

Der Würzburger Atmospheric Black Metal-Band ANTRISCH ist mit ihrer Debüt-EP “Expedition I : Dissonanzgrat” ein erfreulich guter, abwechslungsreicher und giftiger Einstieg in das Bergmassiv des Metals gelungen. Grund genug, um von den Expeditionsteilnehmern Maurice Wilson [MW], Robert Falcon Scott [RFS] und Игорь Дятлов [ИД] mehr in Erfahrung zu bringen.

Vorab einmal Gratulation zu eurer neuen EP “Expedition I : Dissonanzgrat“. Wie angespannt seid ihr vor dem ersten Release einer neuen Band gewesen?

MW: Grüß dich Christian. Herzlichen Dank, auch für das sehr wohlmeinende Review von Dir. Vampster war uns seinerzeit immer recht wohlgesonnen gegenübergestanden, von daher freut es mich umso mehr, dass wir diese Tradition bei ANTRISCH weiterführen. Eine gewisse Form der Anspannung war schon deutlich spürbar. Wir hatten am Sonntag vor dem offiziellen Veröffentlichungsdatum ein Streaming der gesamten EP auf dem YouTube-Kanal von Black Metal Promotion organisiert und das Gefühl, als der Countdown lief, ging schon stark Richtung “noch fünf Minuten bis zum Auftritt”.

ANTRISCH wirkt wie ein – von vorne bis hinten – stimmiges Projekt: Thematik, Bandfotos, Pseudonyme, Artwork, Lyrics. Wie viel Planung habt ihr im Vorfeld in die Band und die EP investiert?

MW: Vielen Dank. Zu Beginn gab es meine fünf Texte [jeweils mit einem prosaischen Begleittext], die ich im Jahr 2014 verfasst habe und welche zu der Zeit weder auf eine Band noch ein weiterführendes Konzept gemünzt waren. Als Mr. Scott mir dann im vergangenen Jahr seine fünf komponierten Stücke präsentiert hat, habe ich den letzten Funken Glauben an Zufälle verloren. Die Verbindung seiner Musik mit meinen Texten ist geradezu natürlich und selbstverständlich abgelaufen, als wären zwei füreinander geformte Passteile endlich vereint worden. Ich habe seit jeher einen sehr ausgeprägten Konzept-Fetisch, der sich dann eben so äußert, dass die Band inhaltlich und visuell danach ausrichtet, wobei das hierbei fast schon automatisch passiert ist. Wir kamen irgendwann an den Punkt, an dem für uns klar wurde, dass es sich nicht um eine einmalige Sache handelt, sondern dass wir das Konzept weiterentwickeln und als Band fortführen wollen. So kam es letztlich eher nach Beendigung der Aufnahmen zu “Expedition I” zu derartigen Planungen und gar nicht so sehr im Vorfeld.

Werden kommende Veröffentlichungen an dieses Konzept anknüpfen – schließlich liegt es anhand der Titelgebung “Expedition I” nahe?

MW: Korrekt. Jede weitere Veröffentlichung wird “Expedition X” als Zusatz im Namen tragen. Historische Expeditionen jedweder Art sind unser großes Leitmotiv für alle zukünftigen Werke.

Die Lyrics sind auf Deutsch gehalten. Was sind die Vorteile in der Muttersprache zu singen? Und welche Nachteile hat die deutsche Sprache beim Gesang?

MW: Der größte Vorteil für mich ist, dass ich mehr Experimentier-Spielraum habe. Ich arbeite vornehmlich mit Wortspielereien, Doppel- oder Mehrdeutigkeiten und habe einen Tick für vertrackte Neologismen, all das wäre auf Englisch zwar auch irgendwie machbar, würde aber deutlich mehr Recherche und notwendige Rückversicherung mit sich bringen als bei meiner Muttersprache, in der ich mich doch mit einer größeren Sicherheit bewege. Zumal Deutsch einfach eine der passendsten Sprachen für Black Metal ist. Wenn ich mich recht entsinne wurde auch von allen Bandmitgliedern im Vorfeld kategorisch auf deutsche Texte bestanden.

Ehrlich gesagt ist mir in all den Jahren, in denen ich schon deutschsprachige Texte geschrieben und gesungen habe, noch kein wirklicher Nachteil untergekommen. Außer natürlich dem offensichtlichen, dass wir den Kreis derer beschränken, die die Texte verstehen können.

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“Die Verbindung von Musik und Texten ist geradezu natürlich und selbstverständlich abgelaufen, als wären zwei füreinander geformte Passteile endlich vereint worden.”

Große Teile von ANTRISCH waren ja schon bei KROMLEK aktiv. Mir ist aus dieser Zeit noch euer Engagement für das tibetische Volk in Erinnerung. Spielte das Nahverhältnis zu dem Bergstaat auch eine gewisse Rolle bei der alpinen Themenwahl?

MW: Das stimmt, 50% von KROMLEK bilden heute 75% von ANTRISCH. Naja, dieses Engagement damals ging wohl ausschließlich auf meine Karte. Ich war seinerzeit auch sehr überrascht bzw. betroffen, welch negative Reaktionen das in Teilen der “Pagan Szene” hervorgerufen hat. Aber das soll jetzt hier nicht das Thema sein. Ich habe meine Lehren und Konsequenzen daraus gezogen.

Sicherlich ist mein starkes Interesse an der gesamten Himalaya Region in irgendeiner Form auch Teil des konzeptuellen Komplexes, denn wenn man sich mit Alpinismus [der Terminus ist immer etwas irreführend, weil er eben nicht nur für die – europäischen – Alpen angewandt wird] beschäftigt, führt ja buchstäblich kein Weg vorbei am Himalaya, ob nun Chomolungma oder Nanga Parbat, ob Mallory oder Buhl. Allerdings wird dies nur bei entsprechendem Expeditionsziel zum Tragen kommen und deutlich kryptischer verpackt werden.

Von Menschen, die ihr Drama bereits in sich tragen und auf den Berg projizieren

Für euren Bandnamen habt ihr euch von Reinhold Messner inspirieren lassen, der in einem Buch von einem “antrischen Licht” gesprochen hat. Was sind eure Verbindungen zum Alpinismus, dem Bergsteigen oder Reinhold Messner?

MW: Es müsste aus dem Buch “Der gläserne Horizont” stammen, wenn ich mich recht entsinne. Mir war der Begriff vorher gänzlich unbekannt und blieb irgendwie sofort im Gedächtnis hängen. Ich persönlich bin leidenschaftlicher Bergwanderer und Berge sind mein Element. Wenn mir jemand sagen würde, ich könne bis zum Ende meines Lebens kein Wasser mehr sehen, dann wäre das tragisch, aber gut verkraftbar. Ohne Berge hingegen würde ich irgendwann eingehen. Leider ist mein Gedächtnis jüngst nicht mehr das allerbeste, aber ich meine mich zu erinnern, dass ich bereits als Kind mit meinem Vater auf einem Vortrag von Messner gewesen war und irgendwie hat der Mann wohl schon immer eine gewisse Faszination auf mich ausgeübt. Weißt Du, Reinhold Messner hat eine ganz wichtige Wahrheit herausgestellt, nämlich dass Berge einfach nur Berge sind. Von kontinentaler Plattentektonik über Jahrmillionen aufgetürmte Erdfalten. All die Dramen, all die Schicksale sind nicht einem Everest oder Nanga anzulasten, sondern lediglich dem, der sie dorthin trägt. Und dieses Spannungsfeld von Menschen, die ihr Drama bereits in sich tragen und auf den Berg projizieren, auf der einen Seite und einer lebensfeindlichen, unbändigen, aber dabei absolut teilnahmslosen Naturgewalt auf der anderen ist es, was mich zu erkunden reizt. Ich muss dabei allerdings betonen, dass wir keine reine Alpin Black Metal Band sind, es wird sicherlich auch Expeditionen in völlig andere, aber definitiv nicht minder lebensfeindliche Regionen dieses Planeten geben.

Ihr verwendet ja Pseudonyme von Expeditionsteilnehmern. Konnte sich hier jedes Bandmitglied jemanden aussuchen – oder nach welchen Kriterien habt ihr die Wahl getroffen?

MW: Das war tatsächlich jedem selbst überlassen. Ich kann jetzt nur für mich selbst sprechen. Mit meiner Wahl habe ich tatsächlich längere Zeit gehadert, weil “Maurice Wilson” wohl das mit Abstand untypischste, “un-böseste” und am wenigsten mystische BM-Pseudonym aller Zeiten ist. Je länger ich mich allerdings mit der Person Maurice Wilson und seiner faszinierenden Geschichte bis hin zum tragischen aber unvermeidlichen Tod am Everest auseinandergesetzt habe, umso klarer wurde die Wahl. Für mich zählt hierbei, dass ich mich in vielen Aspekten wiederfinden kann und dass die Geschichte meines Pseudonyms etwas in mir bewegt. Und das ist definitiv der Fall. Falls es gestattet ist, möchte ich an dieser Stelle auf das Buch “Wo die Schneelöwen tanzen” hinweisen, in welchem der ganze Werdegang des englischen Exzentrikers vortrefflich erzählt wird.

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“Ich persönlich bin leidenschaftlicher Bergwanderer und Berge sind mein Element.”

Zwei Punkte stachen für mich auf “Expedition I : Dissonanzgrat” besonders positiv hervor: die sehr aktive Lead-Gitarre und der giftige Gesang. Wo seht ihr die besonderen Stärken der EP?

MW: Ich denke in der sehr dichten Atmosphäre und dem stringenten Narrativ. Letzterer ist prinzipiell sogar doppelt ausgeprägt, weil Mr. Scott bereits so komponiert, dass die Gitarren an sich schon einen starken narrativen Charakter besitzen und die Stücke auch als Instrumental Songs durchaus funktionieren würden.

Würdet ihr im Nachhinein irgendwelche Änderungen an den Kompositionen oder der Produktion vornehmen?

MW: Nun, da ich mich nicht als Musiker sehe und mein technisches Verständnis und Interesse extrem limitiert sind, kann ich nur eine rein subjektive Antwort liefern: Ich persönlich bin hochzufrieden mit dem Sound und dem Endergebnis. Man muss wohl dazu sagen, dass Mr. Шмидт sich über Jahre ein eigenes Studio zusammengestellt hat und er gemeinsam mit Mr. Scott ebenfalls über Jahre an Equipment und Sounds gefeilt hat. All dieser enorme Aufwand an Zeit, Nerven und auch Geld zahlt sich nun aus in einem Klang, der fast schon als Markenzeichen für ANTRISCH herhalten kann.

RFS: Ich habe “Expedition I” in einer kreativen Phase von ca. drei Monaten komponiert. Für mich wirkt die finale Umsetzung der damals entstandenen Entwürfe immer noch vollkommen. Also kurz gesagt: Nein. 🙂

ИД: Kompositorisch würde ich den einen oder anderen Übergang zwischen einzelnen Drum Parts mittlerweile anders gestalten – Erfahrungswerte, die dann bei “Expedition II” ihre Anwendung finden werden. Was die Produktion angeht bin ich vollends von der Arbeit von Mr. Scrott und Mr. Шмидт überzeugt.

Mit welcher Band würdest du ANTRISCH musikalisch am ehesten vergleichen?

RFS:. Es gibt einige Bands, die mich persönlich beeinflusst haben – jedoch keine auf die ANTRISCH meiner Meinung nach genau passt. Ich schöpfe heute noch Kraft und Inspiration aus meiner Zeit mit KROMLEK. Das prägt mich bis heute. Ohne das wäre “Expedition I” nie so geworden.

Und wo würdest du inhaltliche Vergleiche ziehen?

MW: Bei sehr ausgeprägten Erzählsträngen fällt mir immer CARACH ANGREN ein. Ansonsten könnte man inhaltlich möglicherweise Parallelen ziehen zu “Wetterkreuz” von EÏS. Allerdings hinken diese Direktvergleiche ein wenig, weil ich mich nicht wirklich willentlich und wissentlich beeinflussen lassen habe von diesem Album, wenngleich ich es sehr schätze.

Da ihr ja schon früher mit anderen Bands Label-Erfahrungen gesammelt habt, “Expedition I : Dissonanzgrat” jedoch in Eigenregie erschienen ist, stellt sich mir die Frage, ob dies bewusst so geschehen ist? Bzw. seid ihr aktiv auf der Suche nach einem Label?

MW: Wir hatten für “Expedition I” den Anspruch, dass alles aus eigener Hand entsteht, vom Komponieren über das Aufnehmen bis hin zur Veröffentlichung. Natürlich wären wir bei entsprechender Anfrage nicht uninteressiert, aber eine aktive Suche ist gegenwärtig nicht auf unserer Agenda.

ИД: Wir wollten die Musik möglichst schnell für andere Menschen verfügbar machen, ohne erst langen Gesprächen über Verträge etc. führen zu müssen. Darüber hinaus konnten wir bereits mit 7TH ABYSS Erfahrung im Selbst-Release sammeln, was enorm geholfen hat.

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“Wir hatten für “Expedition I” den Anspruch, dass alles aus eigener Hand entsteht, vom Komponieren über das Aufnehmen bis hin zur Veröffentlichung.”

Wie habt ihr als Band für dieses Projekt zusammengefunden – wer ist da auf wen zugegangen?

MW: Nach dem Ende von KROMLEK haben sich Mr. Scott und Mr. Шмидт recht schnell wieder zusammen gefunden, um mit Mr. Дятлов die Melodic Death/Groove Metal Band 7TH ABYSS zu gründen, die bis heute existiert. Mr. Scott und ich hatten ein paar Jahre Funkstille, was nach Beendigung von KROMLEK gut, gesund und wichtig war. Nach und nach haben wir uns wieder angenähert und häufig über die Möglichkeiten eines Black Metal Projektes sinniert. Letztes Jahr ist er dann mit fünf fertig komponierten Songs zu Mr. Шмидт ins Studio gegangen und hat mir im Anschluss das Ergebnis präsentiert. Damit war ANTRISCH geboren, denn ich habe umgehend und kategorisch zugesagt.

Welche anderen Releases von Neben- / Hauptprojekten von euch stehen noch in der nächsten Zeit an?

RFS: Der Release von “Expedition I” ist erst ein paar Tage alt. In nächster Zeit werde ich mich weiterhin mit “Expedition II” und weiteren 7TH ABYSS Songs beschäftigen.

Welche Alben laufen gerade auf deiner Anlage?

MW: Die Rohfassung von “Expedition II”.

RFS: Ambient aller Art

ИД: KAUAN “Ice Fleet”, ILLYRIA “The Carpathian Summit”, MØL “Jord”

Expedition I : Dissonanzgrat” ist derzeit nur digital erschienen. Hat das etwas mit eurer eigenen Vorliebe zu tun, wie ihr Musik konsumiert? Oder anders gefragt, auf welchem Format bevorzugt ihr Musik zu hören? Und gibt es Pläne für einen physischen Release?

MW: Dieser Umstand ist eher dem Budget als irgendeiner Vorliebe geschuldet. Es ist bei mir tatsächlich so, dass ich Musik eher digital höre, weil ich viel am PC arbeite. Allerdings nutze ich keine Streaming-Dienste, sondern eher konservativ gekaufte mp3s. Die Frage nach physischer Veröffentlichung und Merchandise drängt momentan tatsächlich viel häufiger auf uns ein, als wir erwartet hatten. Mögliche Optionen hierzu werden im Augenblick von uns intern diskutiert.

Wordrap mit ANTRISCH

Würzburger Kickers

MW: Toter Winkel.

ИД: Das passiert, wenn man den Gipfel stürmen möchte und direkt nach Aufstiegsbeginn seinen Bergführer entlässt: Freier Fall.

Erstes Band-T-Shirt

MW: ICED EARTH (darf man das noch sagen?)

ИД: BLIND GUARDIAN

Letztes Band-T-Shirt

MW: FORNDOM

ИД: CONJURER

Live-Stream-Konzerte

MW: Verzweiflungstaten

Bandfotos

MW: Image

EP vs. Album

MW: Zur Zeit EP.

Trollzorn

MW: herzliche Idealisten

Unterfränkische kulinarische Spezialität

MW: Presssack

bestes Bier

MW: Prinzipabstinenz

Gitarrenhersteller

MW: Skervesen

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