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HERZEL: Das bretonische Bollwerk

HERZEL sind für mich bisher die Überraschung des Jahres. Nachdem ich das starke Demo “Unis dans la gloire” auf bandcamp gehört habe, war ich sofort heiß auf das, kurz vor der Veröffentlichung stehende Debütalbum “Le Dernier Rempart”. Ebenjenes entpuppte sich dann in der Tat als ein Juwel des leicht melancholischen Epic Metals. Bei so viel Begeisterung wollte ich den Bretonen natürlich mal auf den Zahn fühlen, genug interessante Punkte gab es sowohl was die Musik als auch die Texte angeht. Sänger Thomas Guillesser nahm sich die Zeit, meine per Email gestellten Fragen zu beantworten. 

Salud deoc’h, mont ara mat? / Hallo, wie geht es euch?

Thomas: Salud Daniel, mad eo! Schön, ein paar Worte bretonisch zum Einstieg in das Interview zu lesen. Das finde ich super! Der Band geht es gut. Wir sind alle zufrieden mit den ersten Rückmeldungen zum Album.

Wie ist die Lage bezüglich Covid19 in eurer Gegend? Ich hoffe, ihr seid alle gesund und sicher?

Thomas: Die Situation in der Bretagne ist besser als in vielen anderen Teilen von Frankreich. Wird sind alle in Sicherheit. Momentan können wir rausgehen, es gibt aber eine Ausgangssperre von 19:00 bis 06:00 Uhr. Aber die Lage entwickelt sich momentan so schnell, in ein paar Tagen kann es schon wieder anders aussehen.

Glückwunsch zur Veröffentlichung von “Le Dernier Rempart”. Ich mag das Album wirklich sehr, tatsächlich denke ich, dass es zu meinen Highlights des Jahres zählen wird. Ich liebe die langen, ausufernden Songs und die elegische, melancholische Atmosphäre, welche das Album hat.

Thomas: Vielen Dank für deine Unterstützung und die netten Worte über das Album.

Ich höre viel alte IRON MAIDEN, speziell was die Gitarrenharmonien angeht. Aber auch einiges an obskurem US Metal und Prog. Welche Bands haben den Sound von HERZEL geformt?

Thomas: Das mit den IRON MAIDEN-Einflüssen hören wir von sehr vielen Leuten. Natürlich haben wir – wie vermutlich jeder – IRON MAIDEN gehört, sie sind aber ehrlicherweise nicht unsere Lieblingsband und ich sehe sie auch nicht als großen Einfluss – zumindest für mich. Mordiern (Le Dissez, Bassist) kann sie nicht ausstehen und ich muss immer lachen, wenn ich ihm wieder erzähle, dass in einer Rezension jemand “eine Menge MAIDEN” hört, speziell wegen des Bassisten ha ha ha. Aber ich verstehe deinen Punkt total. Doppelte Gitarrenharmonien, Melodien und vielleicht auch der historische Aspekt in den Texten können zu diesem Vergleich führen. Aber ich denke tatsächlich, dass US Power Metal-Bands mehr Einfluss auf uns hatten, da wir Fans von Bands wie VIRGIN STEELE, MANILLA ROAD oder QUEENSRYCHE – um nur ein paar zu nennen – sind. Außerdem sind wir stark von progressiver Musik beeinflusst und ganz speziell von bretonischen Folk/Prog/Rock-Bands wie GLAZ, SEVEN REIZ, DAN AR BRAZ, AR RE YAOANK und so weiter.

2015 habt ihr eurer Zwei Song-Demo “Unis dans la gloire” veröffentlicht. Nun, sechs Jahre später erscheint euer Debütalbum “Le Dernier Rempart”. Was habt ihr in der Zwischenzeit so getrieben?

Thomas: Sechs Jahre zwischen dem Demo und dem Debütalbum… Ein Jahr für jedes neue Stück, wie Ion es mit Humor sagen würde. Ehrlich, wir nehmen uns Zeit, um zu tun was wir wollen und genießen die Shows und das Leben. Wir hatten die Chance zu verschiedenen Festivals eingeladen zu werden und jedes von ihnen war ein spezieller Moment für uns. Wir haben außerdem auch noch andere Dinge, mit denen wir uns beschäftigen. Meine Bandkollegen haben andere Projekte, größtenteils ebenfalls musikalischer Natur. Ion und Kevin sind die Organisatoren eines Heavy Metal Festivals namens COURTS OF CHAOS FEST, Gurvan spielt in seiner anderen Band AMAROK und hat noch ein Ein-Mann-Projekt. Checkt beide Bands, sie sind großartig!

Eure Texte sind auf Französisch, was sie auf der einen Seite schwerer verständlich macht und es somit vielen Hörern erschwert, sich damit zu beschäftigen. Auf der anderen Seite, ist es auch ein Alleinstellungsmerkmal. Würdest du es eher als Vorteil oder als Nachteil betrachten?

Thomas: Für mich war es eine natürliche Entscheidung, auf Französisch zu singen, da es meine Muttersprache ist. Und ihr wisst ja, dass wir alle nicht in der Lage sind, englisch zu sprechen oder zu singen ha ha ha. Ich mache nur Spaß, es ist aber einfacher für mich meine Texte auf Französisch zu schreiben und zu singen. Ehrlicherweise verstehe ich nicht, wieso die Leute sich da so drauf fokussieren. In den Siebzigern und Achtzigern haben viele Bands in ihrer Muttersprache gesungen – nicht nur französische sondern Bands aus der ganzen Welt, inklusive international anerkannter Bands.

Und nicht nur früher, auch jetzt. Sieht dir zum Beispiel lateinamerikanische Bands an und schau, wie viele von denen auf Spanisch singen und nicht auf Englisch – sehr viele! Und das macht Sinn, als erstes spielst du schließlich für ein lokales Publikum. Für manche Leute von außerhalb scheint es komischerweise irgendwie merkwürdig zu klingen, Heavy Metal auf Französisch zu spielen, während andere Ausländer es sehr gut finden. Ich habe zum Beispiel einige Freunde in Kolumbien, die alles über französisch singende Bands wie SORTILEGE, BLASPHEME und so weiter wissen. Die sehen das nicht im geringsten als Nachteil, glaube mir!

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Ich persönlich mag den französischen Gesang und finde, dass er sehr gut zu eurer speziellen Art von epischem Heavy Metal passt. War englischer Gesang je eine Option für dich?

Thomas: Ich könnte es mir niemals vorstellen, meine Texte auf Englisch zu singen. Seit den Anfängen der Band wollte ich, dass die Leute hier vor Ort unsere Texte verstehen und bei den Konzerten mitsingen können. Als wir unsere erste Show in Nantes gespielt haben, hat das Publikum sehr laut mit erhobenen Fäusten mitgesungen. Die Atmosphäre war sehr intensiv und es war magisch für uns, das zu erleben.

Eure Texte sind auf Französisch. Sprichst du auch Bretonisch und würdest du es in Erwägung ziehen, zukünftig Texte auf Bretonisch zu schreiben?

Thomas: Ja, unsere Texte sind auf Französisch, nicht auf Bretonisch, was übrigens kein französischer Dialekt ist. Ich spreche kein Bretonisch, auch wenn ich wünschte, dass ich es täte. Aber ich könnte mir tatsächlich vorstellen, zukünftig einige Texte auf Bretonisch zu singen. Die Heavy Metal-Band OVERSTEP aus Lorient hat das auf ihrem zweiten Album getan. Aber ich bräuchte eine Menge Hilfe und ich weiß nicht, ob das im Entstehungsprozess funktionieren würde. Die Zeit wird es zeigen.

Deine Texte handeln teilweise von historischen Ereignissen aus der Bretagne. Der erste Song “Maîtres de L’océan” handelt von einer großen Seeschlacht zwischen den Venetern und den Römern im Jahre 56 vor Christus. Die Veneter verloren diese Schlacht, was letztendlich zur Eroberung der Bretagne durch Cäsar führte. Nichtsdestotrotz waren die Veneter als Herren des Ozeans bekannt, daher der Songtitel, korrekt?

Thomas: Genau. Die Veneter dominierten die Meere und wurden daher als sehr mächtig wahrgenommen. Daher beschloss das römische Imperium sie zu vernichten, um zu vermeiden, dass sie später zu einer großen Bedrohung werden könnten. In dieser Schlacht hatten die Veneter eine Menge großer und schwerer Schiffe, während die Römer in der Unterzahl waren, aber schneller und wendigere Schiffe hatten. Dank ihrer cleveren Strategie haben die Römer die Herren der Ozeane bezwungen.

“La Flamme” handelt von Johanna von Flandern, welche die Stadt Hennebont verteidigte und den Erbfolgekrieg gewann. Wird Sie in der Bretagne als Heldin gesehen?

Thomas: Sie ist wichtig, nicht so berühmt, aber ich habe ihre Geschichte sofort geliebt. Auf der einen Seite kann man sie als mutige und intelligente Kriegsherrin bezeichnen. Auf der anderen Seite beschloss sie auch das Lager ihrer Gegner heimlich in Brand zu stecken, was mich zu der Annahme führt, dass sie auch bösartig war, sozusagen mit dem Bösen geflirtet hat. Eines ist sicher: Sie ist faszinierend und wenn du mich fragst, ein echter Heavy Metal-Charakter.

Der Titelsong ist ein Instrumental, bei dem ihr mit Ronan Le Dissez zusammengearbeitet habt, einem bretonischen Musiker und der Bruder eures Bassisten Mordiern. Mir gefällt dieses Zusammenspiel seines mittelalterlichen Instruments, der Tallabard und den Rock-Gitarren sowie Schlagzeug sehr gut. Ich mag das Stück wirklich sehr gerne und finde, es passt hervorragend zum generellen Sound eurer Musik. Werdet ihr das auch in Zukunft beibehalten?

Thomas: Erneut, vielen Dank für die netten Worte über unsere Musik. Das ist mit Sicherheit etwas, was wir auch in Zukunft machen werden. Der Song “Le Dernier Rempart” kann als Tribut an DAN AR BRAZ gesehen werden, welcher einer unserer liebsten Komponisten und Gitarristen ist. Er hat seine typische und persönliche Art, eine bretonische Folk Melodie mit einem Prog Rock-Anstrich zu adaptieren. Er lebt wie wir in Quimper und wir fänden es toll, wenn er dieses Stück hören würde.

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“Le Dernier Rempart” heißt “Das letzte Bollwerk”. Wer oder was ist dieses letzte Bollwerk und vor welcher Bedrohung schützt es?

Thomas: Sehr interessante Frage, danke, dass du sie stellst. Bei HERZEL geht es vor allem um Freiheit und bei diesem Album kannst du verschiedene Perspektiven einnehmen. Ist die Mauer auf dem Cover oder der Held Herzel das letzte Bollwerk? Wenn die Mauer das letzte Bollwerk ist, so ist sie nun zerstört, wie man auf dem Cover sehen kann. Wenn unser Held Herzel das letzte Bollwerk ist, so ist er lebendig und versperrt den zerstörten Teil des Bollwerks, bereit sich seinem Schicksal zu stellen.

Die zweite Hälfte des Album ist eine fiktionale Geschichte über einen Helden namens Herzel. Was ist seine Geschichte und wird Sie auf den nächsten Alben fortgesetzt?

Thomas: Ich habe die Geschichte geschrieben. Es ist als Trilogie / Saga geschrieben und besteht aus drei Episoden im Leben des Helden. Zu den ersten beiden Songs gibt es jeweils noch einen vorausgehenden Text auf französisch im Booklet, die eine Idee des globalen Kontext geben. Der erste Song “Berceau de Cendres“ handelt von der Geburt des Helden. Das ganze spielt in Quimper, der Stadt in der wir leben, und ist von der Legende “Gwerz Ar Tour Plomb” inspiriert.

Der zweite Song, “L’Epée des Dieux“, handelt vom Schicksal des Helden, der Befreiung der Bretagne dank des Schwertes der Götter. Der dritte und letzte Song “L’Ultime Combat“ fungiert als Abschluss als Conclusio. Hier wirst du verstehen, was die wirkliche Schlacht ist und wer tatsächlich Herzel ist. Wir denken darüber nach, den gesamten Inhalt ins Englische zu übersetzen.

Wie ist die Metal-Szene in der Bretagne? Welche Bands kannst du empfehlen? Kennst du eure Labelkollegen MEURTRIERES aus Lyon?

Thomas: Wir haben großartige Bands hier in der Bretagne. Um mal von Metalbands zu sprechen, da muss ich direkt an unsere großartigen Freunde HEXECUTOR aus Rennes denken. Sie spielen furiosen Thrash Metal mit einer Mischung aus alter Schule und frischen Ideen. Stell dir KREATOR und CORONER mit einer Heavy Metal-Schlagseite vor. Was MEURTRIERES aus Lyon angeht, wir kennen die Band nicht persönlich. Ich kenne den Namen, aber ich habe, um ehrlich zu sein, noch nichts von ihnen gehört – Schande über mich, ich weiß. Wir sind mit TENTATION aus Torreilles befreundet. Die haben ebenfalls einen Vertrag mit Gates Of Hell / Cruz Del Sur unterschrieben. Sie werden dieses Jahr ein neuen Album veröffentlichen und wir freuen uns sehr für sie, da wir viele tolle Momente während diverser Shows in Frankreich zusammen hatten. Diese Jungs sind freundlich und talentiert, sie haben unsere volle Unterstützung.

In der Vergangenheit gab es immer wieder Autonomiebestrebungen in der Bretagne, nicht immer auf friedliche Art und Weise. Ist das immer noch ein Thema, auch bei den jüngeren Leuten? Wie stehst du dazu?

Thomas: Ich werde nicht über Politik sprechen, schon gar nicht im Namen der Band. Ich denke, dass wir alle in der Band der Meinung sind, dass die Bretagne eine starke Identität und eine großartige Kultur hat und dass wir nicht wollen, dass diese verschwindet.

Was sind eure Pläne für die nähere Zukunft, mal vorausgesetzt, dass wir Covid19 in den nächsten Monaten unter Kontrolle kriegen?

Thomas: Momentan haben wir nichts geplant. Die Veröffentlichung des Albums war eine sehr schöne Angelegenheit, es war aber auch anstrengend, speziell für Gurvan, der einen Großteil der Aufnahmen und des Mixens übernommen hat. Das erste, was wir natürlich tun werden, wenn Covid unter Kontrolle ist, ist wieder auf die Bühne zu gehen. Live Musik zu spielen ist eine der aufregendsten Dinge für Musiker. Zumindest für uns ist es das!

Das war´s, du hast es zum Ende des Interviews geschafft. Danke für deine Zeit und viel Glück und Erfolg mit HERZEL! Hoffentlich sieht man sich mal auf Tour. Die letzten Worte gehören dir.

Thomas: Danke für das großartige und freundliche Interview. Ich habe es wirklich genossen und hoffe, dass wir bald mal ein Bier zusammen trinken können.

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