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DEVILDRIVER: Niemals zurück zum Chorus!

Ein kurzes Gespräch über Songwriting, Drumming und, ach ja, eine fantstische neue Platte…

Für DEVILDRIVER könnte es ein gutes Jahr werden. Ein Klasse-Album, lästige und unberechtigte Nu-Metal-Vergleiche endlich überstanden, und selbst die Vergangenheit des Sängers beginnt langsam zu verblassen. Die dritte Veröffentlichung als Make it or break it deutet klar in Richtung Make it big. Und vor dem Release des fantastischen The last kind Words-Abums weilte die Band für einen Promo-Tag in Köln, so dass Vampster die Chance wahr nahm, mit Drummer John Boecklin ein paar Worte über das Meisterwerk, die Band und ihre Mitglieder sowie Drumming im Allgemeinen zu wechseln. Und natürlich die abgenudelte Vergangenheit des von Dez Farafa wieder aufzuwärmen. Aber nur am Schluss und nur ganz kurz und anders. Versprochen!

Wessen Last Kind Words sind denn gemeint? Und zu wem werden sie gesagt?

Das ist eigentlich eine Frage für Dez (Fafara – Sänger – der Verf.). In der Hauptsache bezieht sich der Titel auf den Song Tirades of Truth und die Zeile The last kind words ever said will be, you will live below angels and above beasts. Das bezieht sich auf das Mensch-Sein an sich und die ganze damit verbundene Hässlichkeit. Die Platte ist ohnehin sehr bösartig. Selbst die letzten freundlichen Worte sind keine schönen.

Der Sound klingt dafür sehr schön und natürlich. Produziert wurde das Album von Jason Suecof, der auch TRIVIUM und CHIMAIRA produziert hat…

Oh ja. Man muss aufpassen heutzutage, sonst lässt man sich von den ganzen Trigger-Geschichten und der Technik verführen. Wir haben Jason aber vor allem wegen seiner Arbeit mit BURY YOUR DEAD ausgewählt. Die Platte hat uns wirklich gefallen.

Erscheint da langsam der neue State-of-the-Art-Produzent am Horizont?

Absolut. Er ist der Mann der Stunde.

Ist das nicht auch immer ein Risiko? Viele Produzenten, die einen ausgeprägten und markanten Stil haben, neigen dazu, die Bands gleich klingen zu lassen. Man denke nur an Ross Robinson…

Ja, aber vor allem bei Ross wollten viele Bands einfach nur wie KORN klingen, vor allem musikalisch und nicht nur vom Sound her. Sie dachten sie könnten es über die Produktion erreichen, Da lag der Fehler und deswegen klangen diese Bands alle gleich. Jason arbeitet nicht so und wir klingen auch definitiv nicht wie TRIVIUM ! So lange man den Produzenten nach dem Sound, den man erreichen will und nicht nach einer musikalischen Vision aussucht, ist es der richtige Weg.

Welche Aufgabe hat ein Produzent bei euch? Einfach die Sachen aufs Band zu bringen oder mehr?

In der Hauptsache tatsächlich einfach nur die Sachen aufs Band zu bringen. Das Songwriting und Arrangieren ist unsere Sache. Manchmal braucht man dann aber noch eine unabhängige Meinung, so nach dem Motto: ´Dieser Part ist doch Scheiße, oder? – Yep. Ist er – Ok, ich wollte es nur noch mal hören.´ Früher haben Produzenten etwas mehr in die Songs eingegriffen und wollten ständig irgendwelche zusätzlichen Harmonien einfügen. Das war dieses mal nicht so. Keine Harmonien!

Das
Die Platte ist ohnehin sehr bösartig. Selbst die letzten freundlichen Worte sind keine schönen. – John Boecklin über das neue Album The Last Kind of Words

Es gibt trotzdem ein paar interessante Details in den Songs, zum Beispiel die lässige Orgel am Ende von The Axe shall fall…

Naja, das war ganz am Ende der Aufnahme-Sessions, als der Studio-Besitzer offenbart hat, dass er Orgel spielt. Also hat er einfach mal mitgespielt. Er war so professionell, dass er nur nach der Tonart gefragt und improvisiert hat. Eben die Sachen, die einem so im Studio einfallen.

Wie die akustische Gitarre im Mittelteil vom These fighting Words?

Genau. Das war die Idee von Gitarrist Michael Spreitzer. Er hat früher klassische Gitarre gelernt und ist damit auch aufgetreten. Er wollte diese Seite nun auch in der Band einbringen. Ursprünglich sollte der Part zwei Minuten lang sein, aber wir haben es dann etwas gekürzt. Er hat trotzdem einen ganzen Tag im Studio damit verbracht (lacht – der Verf.).

Eines deiner Trademarks scheint mir das Verdoppeln des Snaredrum-Tempos am Ende eines Parts zu sein, bevor ein Fill kommt oder anstelle eines Fills.

Ich versuche halt, es dynamisch zu halten. Es ist immer wichtig, zwei Parts gut miteinander zu verbinden. Gerade unser erstes Album war sehr statisch, mit vielen Wiederholungen. Das zweite war schon besser und dieses ist von den Songaufbauten unser bestes.

End of the Line von The Fury of our Maker´s Hand hat da schon die Richtung gewiesen.

Definitiv. Ich meine wir sind jetzt nicht von PANTERA zu PRIMUS mutiert, aber wir wollten mehr Abwechslung und Experimente. Aber nur im Bereich Heavy Metal, wir werden keine Jazz-Parts spielen oder so etwas. Lediglich etwas mehr Herausforderung für uns als Musiker.

Ich finde es interessant, dass ihr Einflüsse aus verschiedenen Metal-Sub-Genres vermischt – hier mal eine Black- oder Viking-Gitarre, da mal etwas klassischen Groove. Aber ihr hört immer genau dann damit auf Black Metal zu spielen, bevor es langweilig und klassisch wird oder bevor der Eierkneifer kommt.

(lacht – der Verf.) Genau. Aber das sind eben die verschiedenen Einflüsse unserer Gitarristen, oder auch meine. Michael Spreitzer hört neben Klassik auch viel Black Metal, der Unterschied ist ja zumindestens bei dem Bombast-Zeug wie DIMMU BORGIR auch nicht so groß. Von mir kommt dann eher ein PANTERA -Groove dagegen und Jon Miller (Bassist – der Verf.) steht eher auf schwedischen Melo-Death. Jeff (Kendrick – Gittarist – der Verf) hat dagegen einen ganz merkwürdigen, aber guten Stil zu schreiben. Manchmal denke ich, er könnte auch genau so gut Werbejingles schreiben. Der Anfang von I could care less (von The Fury of our Maker´s Hand) ist von ihm.

Mein Eindruck von dieser Platte ist, dass ihr alle Trademarks und die komplette letzte Platte einfach noch ins Extrem, zum Optimum geführt habt.

Genau! Wir waren sehr stolz auf die letzte Platte, aber auf Dauer haben wir gemerkt, dass ihr doch etwas fehlte. Etwas Intensität und Geschwindigkeit. Oder auch Überraschungen Wir haben zum Beispiel auf dieser Platte versucht, möglichst nicht immer am Ende des Songs wieder den Chorus zu spielen, denn das ist immer sehr vorhersehbar. Und wir hatten uns darin auch etwas verrannt. Das haben wir bisher, glaube ich, bei jedem Song auf jeder Platte gemacht. Auf dieser Platte passiert das nur noch in wenigen Stücken.

Diskutiert ihr denn über so etwas wie Songstrukturen vorher als Band?

Auf jeden Fall. Wir müssen wissen, wo wir hinwollen. Manchmal muss man dann für einen eigentlich fertigen Song noch mal eine komplett neue Struktur finden. Für mich als Drummer lief es dieses mal so, dass unser Bassist an den Demos, die wir aufnehmen, ständig rumnörgelet: Das ist doch schwach! Spiel mal was vernünftiges, mit ordentlich Doubebass! Mich spornt das an. Wir wollten dieses mal eben schnellere Songs. Das stand schon vor dem Songwriting fest und es ist uns auch gelungen.

Ihr habt auch auf dieser Platte wieder eine düstere, satanische Aura in den Songtiteln und dem Artwork.

Devil
Dez legt sehr viel Wert auf ein düsteres Erscheinungsbild der Band. Und ich finde es passt auch recht gut zu uns. Es macht uns aber nicht aus.

Es ist sehr blackish. Dez legt sehr viel Wert auf ein düsteres Erscheinungsbild der Band. Und ich finde es passt auch recht gut zu uns. Es macht uns aber nicht aus. Wir werden definitiv nicht mit Corpsepaint auf die Bühne gehen oder so etwas. Da bleiben wir doch normal. Es gibt aber keinen Beschluss, der unser Image bestimmt. Diese Artworksachen und natürlich die Texte sind eben sehr wichtig für Dez. Es geht mehr um das Vermitteln einer bestimmten Atmosphäre. Ich kann aber dahinter stehen. Vor allem hinter den Texten, die ja eher reale Inhalte haben. Dez vermittelt eine sehr gute Fuck you-Attitüde. Mir haben solche Texte als Jugendlicher auch geholfen. Ich habe oft gedacht, dass ich es nicht schaffe, Musiker zu werden und als Loser ende. Aber solche kraftvollen, vielleicht auch etwas arroganten Texte haben mir immer geholfen, meinen Traum am Leben zu erhalten. So nach dem Motto: Fuck you all, ich weiß es doch besser! Natürlich liegt mein Fokus auf den Drums, aber trotzdem sind mir solche Sachen wichtig. Wir reden auch über die Texte und auch da herrscht Demokratie. Aber Dez hat noch nie etwas geschrieben, bei dem wir sagen mussten: Was soll das denn heißen? Wie kannst du so etwas schreiben? Er wird sicher nie ein Konzept-Album über Herr der Ringe schreiben oder so etwas. Zumindestens so lange wir nicht auch ein Power-Metal-Album dazu schreiben. (lacht – der Verf.)

Hast du auch den Eindruck, dass sich besonders das Drumming in den letzten 20 Jahren enorm geändert hat? Wenn man eure Platte mit einer Platte aus den 80ern vergleicht, ist meiner Meinung nach ein enormer Unterschied zu hören, zum einen technisch, zum anderen, was die Stellung des Schlagzeugs als Instrument im Song angeht.

Vielleicht. Obwohl es schon immer fantastische Drummer gab. Hör dir nur mal Gene Krupa (bekannter Jazz-Drummer aus den 20er/30er-Jahren) an! Unglaublich, was der gespielt hat. Aber du hast recht, das ist eben die normale Weiterentwicklung in der Musik. Das kann man sicher auch über die Gitarre sagen. Von BLACK SABBATH bis zu uns ist es auch ein weiter Weg.

Ich denke auch, dass es da einen Unterschied gibt, aber er ist nicht so groß, denn es werden immer noch Riffs gespielt, auch wenn sie heute einen anderen Sound haben. Das Schlagzeug hingegen hat eine neue Rolle in der Band bekommen. Weg vom reinen Rhytmus-Gerät zum Mitgestalter.

Da hat es auf jeden Fall eine Entwicklung gegeben. Für mich waren besonders FEAR FACTORY wichtig. Dieses Drumming hat mich echt umgehauen. Double-Bass Drums hat es auch schon in den 70ern gegeben, aber sie wurden nie so benutzt. Das hat eine Menge Leute – auch mich – inspiriert, auch so gut zu werden und solche Bassdrums spielen zu können. Heutzutage ist das Standard. Es wird mehr Wert auf einfallsreiches Drumming gelegt, schon beim Songwriting. Ich habe auch nach wie vor keine Angst vor einfachen Bumm-Zack Rythmen a la Tommy Lee. Oder 16tel auf der Hihat mit Disco-Feeling. Manchmal kommt so etwas richtig gut.

Wäre das alles denn ohne die gleichzeitige Entwicklung der Trigger-Systeme möglich gewesen?

Ich benutze live keine Trigger. Im Studio zum Teil, aber eher aus Soundgründen. Aber ich spiele auch nicht so schnell wie Nick Barker, zumindestens nicht den ganzen Abend. Bei so einer Performance sind Trigger sicherlich notwendig. Ich könnte das aber sowieso nicht spielen, diese ganzen Blastbeats (lacht – der Verf.).
Aber man sollte nicht denken, dass Trigger nur Vorteile haben, denn jeder Schlag hat die gleiche Lautstärke, also sind auch Fehler nicht mehr zu verschleiern.

Hast du eigentlich damals vor deinem Einstieg bei DEVILDRIVER darüber nachgedacht, dass du in die neue Band eines schon bekannten Sängers einsteigst, denn Dez hatte ja mit COAL CHAMBER schon einigen Erfolg? Hast du gezögert?

Einen ganz kurzen Moment habe ich gezögert. Vielleicht weniger aus Zweifel, sondern weil die Situation neu für mich war, dass ein Bandmitglied schon eine bekannte Band hatte. Ich wusste, dass es Leute gibt, die uns wegen COAL CHAMBER keine Chance geben würden.

Devildriver
Vor allem bei Ross wollten viele Bands einfach nur wie KORN klingen, vor allem musikalisch und nicht nur vom Sound her. Sie dachten sie könnten es über die Produktion erreichen, Da lag der Fehler und deswegen klangen diese Bands alle gleich – DEVIL DRIVER sehen den Einfluss des Produzenten relativ gelassen.

Oder euch nur als Dez UND seine neue Band sehen würden?

Das ist auch so! Immer noch. Das hat sich auch nach 5 Jahren nicht geändert. Allerdings stört es mich auch nicht. Ich weiß aber, dass die Band aus 5 Musikern besteht, die zusammen die Musik schreiben und jeder ist gleich wichtig. Wenn es andere Leute anders sehen: Fuck it! Wir wissen wer wir sind. Außerdem ist der Sänger sowieso immer die Person, die die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Und Dez hat auch das nötige Charisma, um die Blicke auf sich zu ziehen.

Stört es dich eigentlich nicht nach COAL CHAMBER gefragt zu werden, obwohl du mit dieser Band gar nichts zu tun hast?

Nein, nicht wirklich. Das ist eigentlich auch normal, wenn es eine bekannte Band in der Vergangenheit eines Mitgliedes gibt. DEVILDRIVER ermöglicht mir das Leben als Musiker, das ich immer führen wollte, wir touren mit tollen Bands und nehmen Platten auf. Da kann mich so etwas doch nicht wirklich stören, oder?

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