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VOIVOD: Forgotten In Space (The Noise Records Years)

Anschnallen und Festhalten: VOIVOD präsentieren mit “Forgotten In Space (The Noise Records Years)” ihre frühen Alben aus der Noise Records-Ära. Die erste Veröffentlichung “War and Pain” erschien 1984 noch bei Metal Blade, doch nach diesem kantigen Punk-Metal-Bolzen starteten die Kanadier mit Noise durch: “Rrrröööaaarrr” (1986), “Killing Technology” (1987) und “Dimension Hatröss” (1988) ebneten den Weg für eine inzwischen 40 Jahre andauernde Erfolgsgeschichte. Und diese drei bahnbrechenden Alben gibt es nun samt Bonusmaterial in einer Box.

Nach dem Öffnen der CD-Box ist erstmal sortieren angesagt. Die drei Alben sind schnell identifiziert (auch wenn mir als VOIVOD-Fan der frühen Stunde die CD-Cover unfassbar klein vorkommen), dann sind da aber noch zwei weitere CD- bzw. DVD-Schuber mit Konzertmitschnitten und weiterem Bonusmaterial sowie ein Booklet mit Liner Notes und Anekdoten von Schlagzeuger und VOIVOD-Mastermind Michel “Away” Langevin sowie einiger Live-Fotos der frühen Tage enthalten. Wer sich die LP-Box gönnt, wird mit einem USB-Stick samt sämtlicher Audio-Files sowie der Alben in buntem Vinyl belohnt.

“Rrröööaaarrr” ist wild, rau, ungeschliffen, laut

blankWer erst etwas später auf die Franko-Kanadier gestoßen ist, dürfte mit dieser Box also einen einen guten Einblick in das Frühwerk von VOIVOD erhalten. Schade natürlich, dass der Erstling “War and Pain” nicht enthalten sein kann (you remeber, der erschien damals bei Metal Blade), dadurch würden die Entwicklungssprünge noch deutlicher werden. Klangen VOIVOD auf “War and Pain” doch noch ein Stück rauer, noch punkiger, noch deutlich mehr nach MOTÖRHEAD meets METALLICA zu Demo-Zeiten mit einem guten Gespür für gute Songs (wie der Opener “Voivod” oder Killer wie “Warriors Of Ice” beweisen). So ist der chronologische Einstieg mit “Rrröööaaarrr” etwas verfälscht. Auf dem Zweitwerk ging man schon etwas mit der brachialen Zerre der Gitarre zurück und legte beim Drumming – trotz jeder Menge bolziger Thrash-Parts – schon mehr Wert auf Technik und Abwechslung. Klar “Rrröööaaarrr” ist wild, rau, ungeschliffen, laut, unbequem, anstrengend, kaputt und irrwitzig. Also genau das richtige Material, um einerseits erschreckt und verwundert zu sein, andererseits entzückt ob des Diamanten, der in Songs wie “Fuck Off And Die”, “Horror” oder “Korgüll The Exterminator” bereits durchschimmert.

“Killing Technology” zeigt schon 1987, wohin die Reise geht

blankDiese Entwicklung geht auf “Killing Technology” 1987 weiter. Eröffnet vom nicht mehr wegzudenkenden Intro (“We are connected!”) ballern sich VOIVOD beginnend mit dem wilden Opener “Killing Technology” durch weitere neun Songs voller technischen, irrsinnig verqueren Songs mit unglaublich sexy Breaks, ungewöhnlichen Wendungen und einem guten Schuss Prog im Thrash Metal. Die Gitarrenarbeit von Piggy ist etwas (ok, nur “etwas”!) weniger wild, das Drumming von Away technisch noch besser, so zeigen VOIVOD einmal mehr, wie man rasenden Thrash, der 1987 gerade seine erste weltumspannende Blüte erreicht, mit intelligenten Passagen so gekonnt anreichert, dass man einerseits die kuttetragenden, schwitzenden und tobenden Fans in den ersten Konzertreihen Headbangen garantiert, sich dabei gleichzeitig aber wohltuend von der Masse der aus dem Boden sprießenden Thrash-Bands abhebt. Mit “Killing Technology” konnten VOIVOD ihren Status als einzigartige Thrashband also festigen. Songs wie das geniale “Tornado” (das sich ob seiner Rauheit auch gut auf dem Vorgängeralbum gemacht hätte) – das ich ja auch aus einem ganz anderen Grund immer genial fand: Welche Band außer VOIVOD schafft es, einen Spannungsbogen über 1:40 so aufzubauen, um sich dann in einem nur 10-sekündigen Torando im Refrain zu entladen? Andere Bands hätten diese geniale Wendung im Refrain mindestens doppelt so oft und dreimal so häufig im Lied gebracht, um dann wieder brav in die Strophe zu schwenken. VOIVOD machen das natürlich NICHT. Diesen kurzen, befreienden Refrain gibt es nur ganze zwei Mal während der sechs Minuten Spielzeit zu hören. Aber hier geht es ja schließlich auch um einen Tornado! Das fand ich immer genial, bezeichnend und so sympathisch unkonventionell an dieser Band. Weitere Pflichtnummern auf “Killing Tecnology”: Das zehrende, im – keine Ahnung 3/4-6/8-27/12? – Takt tobend-explodierende “Forgotten in Space” (ja, Takt- und Rhythmuswechsel beherrschten sie damals schon perfekt) oder das darauf folgende “Ravenous Medicine” mit seinen fast schon rockigen Gitarrenpassagen (soweit man das in diesem Thrash-Geballer so bezeichnen kann),  oder das von Tempi- und Rhythmuswechseln geprägte “Order Of The Blackguards” mit seiner ganz eigenen Stimmung (“your mind running slow”).

Mit “Dimension Hatröss” katapultieren sich VOIVOD in ihre eigene Dimension

blankWar “Killing Technology” an Einfallsreichtum, Abwechslung und Energie kaum zu übertreffen, ließen VOIVOD 1988 die nächste Neutronenbombe platzen: “Dimension Hatröss” schickte sich an, VOIVOD in die nächste Dimension zu katapultieren und Kritiker wie Fans in schiere Verzückung zu versetzen. Ich weiß noch genau, wie ich die LP damals zum ersten Mal in Händen hielt. Das düstere Cover, der handgeschriebene Albumtitel auf der Vorderseite von Away – und die Faszination, die mich bis heute ergreift, wenn ich das Album umdrehe und die Rückseite betrachte, dieses Live-Foto einer von gleißend weißen Scheinwerfer umhüllten Band, so geheimnisvoll (ja, ein stets verfügbares Informationsnetzwerk wie das Internet gab es damals höchstens in der Fantasie von VOIVOD), so einmalig, so bezaubernd. Und die garantierte Gänsehaut, die mich auch heute nach rund 40 Sekunden Spielzeit ergreift, wenn das Intro in den ersten Song “Experiment” übergeht. Was passiert hier nur?!

VOIVOD klingen aber auch gereift. Nicht nur konzeptionell und inhaltlich haben VOIVOD bei diesem Konzeptalbum, geprägt von den Zukunftsängsten, der damals schon sichtbaren Umweltzerstörung und herrschenden Atomkriegsangst (dass diese Themen damals schon so präsent waren, macht mir heute auf eine seltsame und falsche Art irgendwie Hoffnung), wie uns Away erst vor einigen Jahren bei einem Interview in einem anderen Zusammenhang beschrieb, ihre persönliche nächste Dimension erreicht, auch musikalisch war eine kaum erwartbare Steigerung zu hören. VOIVOD klingen erwachsener. Der Thrash ist noch allgegenwärtig. Aber: Die Instrumente sind intelligenter eingesetzt. Die Gitarre nimmt sich immer wieder zurück. Das Zusammenspiel von Away und Bassist Blacky ist noch ausgetüftelter und noch mehr auf den Punkt. Sänger Snake bewegt sich noch selbstverständlicher und souveräner zwischen geschrienen Parts, gesprochenen Texten und gesungenen Passagen. Und das Beste: VOIVOD schreiben trotz aller Komplexität, verbliebenem Prog Thrash und der allgegenwärtigen Verschrobenheit nun richtige Hits! “Tribal Convictions”, bis heute einer ihrer großartigsten Songs und damals schon mit Video (huh!) ausgestattet oder das fast schon manische “Macrosolutions To Megaproblems” mit seinem ungewöhnlichen Anfang, und dem vertrackten Verlauf und den ungewöhnlichen Breaks, sowie der leicht psychedelische Rausschmeißer “Cosmic Drama” ließen erahnen, dass dieser Band noch ganz großes bevorsteht.

Leider habe ich VOIVOD nach der “Dimension Hatröss”-Phase für einige Jahre aus den Augen verloren. Das darauf folgende “Nothingface”-Album erschein zu einer Zeit, als sich der Thrash für mich langsam totzulaufen schien und mir viele Produktionen zu “clean” klangen und ich mich musikalisch mehr im schmutzigen Hardcore und Punk wiedergefunden habe. Umso schöner war es, VOIVOD später und in alter Frische auch live wieder entdecken zu können. Aber dazu und zu einer eventuell später erscheinenden VOIVOD-Box gerne mehr. 😉

Als Bonus gibt es noch etwas Livematerial von ’86 und ’87, die für Fans wirklich hörenswerten Demos zum “Dimension Hatröss-Album” sowie zusätzliches Material mit einer Mini-Doku auf DVD.

VOIVOD  “Forgotten In Space – The Noise Years Deluxe Box Set“

Das Vinyl-Set kommt nochmals aufwändiger, es enthält folgende Goodies:

blank“Rrröööaaarrr” – Remastered auf rotem & schwarzem Splatter Vinyl

“Killing Technology” – Remastered auf grünem & lila Swirl Vinyl

“Dimension Hatröss” – Remastered auf grauem & rotem Swirl Vinyl

“No Speed Limit Live ’86” – Zum allerersten Mal auf Vinyl: grünes & schwarzes Splatter Vinyl

“Dimension Hatröss – The Demos” – Zum allerersten Mal auf Vinyl: blaues & weißes Splatter Vinyl

“Chaosmongers” – DVD mit Mini-Doku, einem unveröffentlichten Konzert von 1987 sowie einem Audio-Mitschnitt von der “WWII”-Show von 1985

12” x 12”, 40-seitiges Buch inklusive Linernotes und neuen Interviews mit Gründungsmitglied Michel ‘Away’ Langevin sowie bisher unveröffentlichte Bilder.
“Körgull The Exterminator” als USB-Stick mit den Alben als MP3 inklusive der Bonustracks
Eine exklusive Kunstkarte, signiert von Michel Langevin

VÖ: 29.07.2022

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