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TANITH: Voyage

Schon das erste Album “In Another Time” der englisch-amerikanischen Band TANITH um SATAN-Gitarrist Russ Tippins, der sich hier neben seiner markanten Gitarrenarbeit den Gesang mit Cindy Maynard teilt, schaffte es in meine Jahres Top-Ten 2019, denn es bot einfach perfekten Hardrock an der Schwelle zum Heavy Metal, mit Twin-Guitars und viel Herzblut. So schrieb ich damals. Und wartete seitdem auf den Nachfolger.

Beim zweiten Album ist es oftmals leider so, dass die Qualität der in einer kurzen Zeitspanne geschriebenen neuen Werke mit den Songs des Debüts, die man über Jahre entwickeln und dutzende Male live aushärten konnte, nicht mithalten kann, weil man jung und unerfahren ist und einfach alles viel besser machen will und auch Leute einem plötzlich „helfen“ wollen, und am Ende hat man dann plötzlich Haarspray-Frisuren und denkt ans College Radio.

 “Auswimpen” – der neue Retro-Trend?

Zumindest in den 80ern war das so und wir reden hier ja von “Retro”. Also müsste folgerichtig irgendwann auch „auswimpen“ als Retro-Trend mega-kultig wiederkommen, natürlich modern-ironisch gebrochen, so wie ein Schnauzbart in Berlin-Mitte, und eine Band wie UADA präsentiert dann sowas wie „Cold Lake“ und alle feiern es ab, obwohl bzw. weil es miserabel ist… aber ich schweife ab.

Unerfahrenheit ist natürlich etwas, dass man bei Russ Tippins nicht befürchten muss. Und reinlabern lassen hat er sich auch noch nie, so dass in diesem Fall jede Sorge völlig unbegründet war. 

“Voyage” bietet alle Qualitäten des Debüts

Denn auch auch „Voyage“ bietet alle Qualitäten des Debüts und beschert eine fantastische Platte voller packender, handwerklich erstklassiger Songs, die in eine warme, aber dennoch nicht altbackene Produktion gekleidet, einfach gute Laune und Energie verbreiten. Mitwippen mit den Fingern auf dem Lenkrad, mit dem Fuß in der Bahn, oder, wenig überraschend, mit dem Kopf, sind bei Songs wie „Mother of Exile“ mit dem zurückhaltenden, aber doch so dynamischen Drums von Keith Robbins und den einfach genialen, vertraut wirkenden, aber dennoch nicht geklauten Riffs trotz größter Anstrengung nicht zu verhindern.

Tanith machen glücklich, aber auch wehmütig

Dieses Album ist wie alte Freunde treffen, die man seit Jahrzehnten kennt, und die sich Gott sei Dank in den letzten Jahren nicht völlig freakig entwickelt haben, sondern mit denen man wieder zu dem alten Platz fahren kann, um deutlich weniger Bier als früher zu trinken, sich aber glücklich, und trotzdem wehmütig an alles zu erinnern. Naja, vielleicht besser nicht an alles, aber an manches. 

Wenn man der Platte eines vorwerfen möchte, dann dass sie etwas verschlossener ist als das Debüt, vielleicht auch weil ein offensichtlicher „Hit“ wie „Citadel“, der einen beim ersten Hören anspringt und nicht mehr loslässt fehlt. Aber andererseits verstellt so ein Song manchmal auch den Blick auf die Qualität der anderen Songs und es gibt auf dieser Platte keinen Song,  der nicht das hohe Niveau der anderen erreicht. Immer wieder Riffs aus dem Riff-Paradies, schöne dynamische Breaks, Atmosphäre, darüber der natürliche Gesang von Russ Tippins und die klare, wunderbare Stimme von Cindy Maynard.

Beide Stimmen zeichnen sich sicher nicht durch immensen tonalen Umfang oder irgendwelche Sperenzchen aus, aber beide, vor allem Cindy, transportieren eine leichte Gebrochenheit, eine Ehrlichkeit, die zumindesten mich sofort in ihren Bann zieht und begeistert. 

Und ausserdem hat „Falling Wizard“ nach dem ersten Moment der Verwundern ob des sehr hard-rockigen Einstiegs (Rudolf Schenker lässt grüßen) durchaus das Hit-Potenzial, dass „Citadel“ nur etwas offensichtlicher hatte. Genau wie „Adreasteia“. Oder „Architects of Time“ – alle springen einen spätestens beim dritten Hören an und lassen einen dann ebenfalls nicht mehr los.

Eine warme Decke für den Herbst

Dazu kommen die wunderbar eskapistischen Texte, mit Zauberern, Tigern, ewiger Weisheit und Fantasy, die perfekt zu der annehmen Kauzigkeit der Band passen. Kauzigkeit übrigens nicht im üblichen Keep-it-True-Sinne, mit falschen Tönen und Dilettantismus, sondern mit Können, Authentizität und Wärme.

Wärme ist ohnehin ein Schlagwort, das “Voyage” sehr treffend beschreibt: Die Platte ist wie ein weiche Decke, die noch die Wärme des Sommers in sich trägt, und die man sich dann umlegt, wenn bereits die ersten Herbststürme aufziehen und schon die frische Kälte des kommenden Winters in die Knochen kriecht, während man eine Meerschaumpfeife rauchend, den Kobolden im Garten dabei zusieht, wie sie die Blätter bunt anmalen. 

Ich bin glücklich, dass es TANITH gibt.

 

Release Date: 21.04.2023

Tanith line-up:

Russ Tippins – Guitars, Vocals

Cindy Maynard – Bass, Vocals

Keith Robinson – Drums

TANITH “Voyage” Tracklist

01. Snow Tiger (Video bei YouTube)
02. Falling Wizard
03. Olympus by Dawn (Video bei YouTube)
04. Architects of Time
05. Adrasteia
06. Mother of Exile
07. Seven Moons (Galantia Pt. 2)
08. Flame (Video bei YouTube)
09. Never Look Back

https://www.facebook.com/TanithNYC/    

https://www.instagram.com/tanithnyc/ 

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