SHEPHERD: The Coldest Day

Genial und verstörend, oder: Wie doomig ist eine Woche?

Eine Woche ist schon etwas seltsames. Montags beginnend ist die Laune erstmal am Boden, zumindest wenn man nicht das Wort Workaholic auf die Stirn tätowiert hat. Dienstags realisiert man, dass es noch ganze vier Tage bis zum Wochenende sind. Mittwoch, Donnerstag und Freitag sind dann meistens die stressigen Tage und wenn man sich Samstags und Sonntags beginnt zu erholen, so hat man irgendwann an diesen Tagen im Hinterkopf, dass bald schon wieder Montag ist. Ein Dilemma. Im wirklichen Leben vielleicht nicht so drastisch wie eben dargestellt, aber dieses Nichtentrinnen des Alltags ist irgendwo… doomig.

Ich weiß nicht, ob das der Grundgedanke von SHEPHERD war, doch sie hatten die Idee ihre Woche um einen Tag zu verlängern. Von Monday bis Sunday und dem abschließendem Doomsday wälzen sich die Berliner Doom Metaller postmortem durch die wohl doomigste Woche die es jemals gab und zelebrieren ihren Abgesang. The Coldest Day ist ein genial-abwechslungsreiches Album, das sich in einem derart undefinierten Genre wie Doom Metal jeder möglichen Stilistik bedient, die Mollriffs beinhaltet. Dass sich die Band aufgrund musikalischer Differenzen getrennt hat kann man sich beim Hören dieser Scheibe nur schwer vorstellen, denn dieses Album klingt nicht nur originell sondern auch durchdacht und logisch.

Wie schon auf ihrem Debüt reichen die Inspirationsquellen BLACK SABBATH bis SAINT VITUS, doch SHEPHERD nehmen dieses mal noch mehr mit: So finden sich auch Querverweise zu Slugde und – vor allem im abschließenden Doomsday – zu Ambient-Gedröhne wie wir es von SUNN O))) kennen und lieben. Somit ist für jeden Fan von lavaartigen Tönen was geboten, selbst wenn die Arrangements und Übergänge durchaus mal etwas sperrig und unbequem anmuten. Dennoch wird The Coldest Day von mal zu mal logischer, aber nicht weniger schwer verdaulich. Seien es das lärmige Tuesday, das fies kriechende Wednesday oder das leicht hymnische und erhabene Thursday, jeder Song hat eine eigene Identität und packt den Hörer und zieht ihn tief hinab in seine kranke, psychedelische Welt.

Doch das Album als durch und durch negativ abzustempeln wäre falsch. Das relaxte und rockige Friday macht ebenso Laune wie das stellenweise gar schöne Sunday. Dafür kommt es abschließend mit dem monolithischen Doomsday knüppeldick. Dieser Song ist die böseste und finsterste Komposition, die den Proberaum von SHEPHERD je verlassen hat. Neben markerschütterndem Gedröhne vernimmt man in weiter Ferne Schmerzensschreie und sogar Mellotron und Saxophon – eingespielt von BOHREN UND DER CLUB OF GORE-Mitglied Christoph Clüser – weshalb man diesen Song unbedingt sehr laut hören sollte. Fassungslos über solche Boshaftigkeit geht das Album zu Ende, es herrschen 15 Minuten Stille vor dem rockigen Hidden Track.

Musikalisch ist dieses Album absolut erhaben: Kreativ, anspruchsvoll, voller Leidenschaft und Kraft. Großen Anteil daran hat Sänger Andreas Kohl, dessen Vocals geschrien, gewimmert und sogar melodisch gesungen, eine enorme Bandbreite bieten und die souveränen Instrumentalisten unterstützen. Produziert von THE HIDDEN HAND-Bassist Bruce Falkinburg gibt es einen erdigen, rauhen Sound der perfekt zur Musik passt. Verfeinert wird das eh schon feine Album durch Soli in drei Songs von Wino und seiner charakteristischen Stimme in Sunday. Zusätzlich ist das Album wieder absolut genial aufgemacht, das Cover unterstützt die Musik auch optisch hervorragend.

The Coldest Day ist der Abgesang einer der talentiertesten Doom-Bands dieses Planeten und für Fans von TROUBLE bis BLACK SABBATH und sogar den Southern Lord-Bands schwer zu empfehlen, auch wenn es dauern kann, bis man damit warm wird. Für mich jedoch stellt SHEPHERDs Requiem eines der besten Doom-Alben dieses Jahres dar.

Veröffentlichungstermin: 20. September 2004

Spielzeit: 66:00 Min.

Line-Up:
Andreas Kohl – Vocals

Oliver Bojoski – Guitar

Nico Kozik – Bass, Vocals

Tobias Engl – Drums

Produziert von Bruce Falkinburg
Label: Exile on Mainstream Records

Tracklist:
1. Monday

2. Tuesday

3. Wednesday

4. Thursday

5. Friday

6. Saturday

7. Sunday

8. Doomsday

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