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MASTER BOOT RECORD: Floppy Disk Overdrive

Ein interessantes Instrumentalalbum, das klingt, als wäre JEAN-MICHEL JARRE ein beinharter Metaller und der trifft sich mit Proberaumnachbar JOHANN SEBASTIAN BACH zum gepflegten Musizieren.

Damals war alles besser!!! Irgendwie, oder auch mal nicht ganz so. Wer hier alt genug ist, dass er an dem alten grauen Kasten, den man stolz PC nannte, seine Befehle noch im DOS eintippen musste, der erinnert sich! Ein Tippfehler, ein Zahlendreher, und der Tag war gelaufen… Den „Rechner“ hochfahren bedeutete, man konnte erstmal Kaffee machen, ein Bad nehmen, oder sich HELSTAR´s „Nosferatu“ oder ein FORBIDDEN-Scheibchen anhören, um nicht einzuschlafen beim Warten.

Die gleichen Erfahrungen hat anscheinend auch der hinter dem Kürzel MBR steckende Italiener gemacht. Schön, dass der 486DX-33MHz-64MB auch mein erster Rechner war, MBR würdigt diesem High Tech-Oldie gar ein ganzes Projekt. So steht von MASTER BOOT RECORD mit „Floppy Disk Overdrive“ eine neue Reise an in Klangwelten, die aus den Tiefen eben dieses Gerätes und der Gemütsverfassung des dieses bedienenden Helden zu kommen scheint. Wenn der zum Beispiel mit den Rollen des Computerstuhls über die runter gefallene Diskette gefahren ist und mit einem Knnnnackk die Arbeit von Stunden vernichtet hat.

MASTER BOOT RECORD vertont die Gefühlswelten eines 486DX!

Ohne Gerätetreiber ging nichts, „ANSI.SYS“ schiebt passend alles an. Garstig heavy zerrt die durch den Synthie gejagte Gitarre, verspielte Melodien erheben sich wie aus einem alten Commodore 64-Game, es … äh treibt gut. Da wird man von zarten klassischen Klängen ungarnt, um dann in thrashige Raserei abzudrehen im Stil frühester METALLICA, „Fight Fire With Fire“ bringt das Mainboard zum Kochen. Fast fröhlich „FDISK.EXE“, bis die Sludge-Walze kommt, so eine Formatierung tut sicher weh. Bunt war damals anders, groß die Wut, wenn der Monitor wieder mal schwarz blieb. Und wenn es doch klappte konnte man sicher sein, dass im unpassendsten Moment der Monitor einfriert. „DISPLAY.SYS“ vertont dies wunderbar.

Eben das gelingt auf „Floppy Disk Overdrive“: die Klangbilder erzählen Geschichten, malen vertonte Bilder, in denen man den titelgebenden Befehl durchaus wiederfindet. Wenn man denn weiss, worum es geht. Ansonsten bleibt hier ein wirrer Mix zurück aus Synthesizer-Gewabber, das gnadenlos klassische Elemente, Electronic-Musik, Thrashige Ausbrüche, derbe Death Metal-Parts bis hin zu Black Metal-Blasts paart und mit dem Soundtrack uralter Games in einen Topf wirft. Und das alles in einem Soundgewand, das jede Space Rock-Band in ein schwarzes Loch haut.

Thrash, Death, Klassik, Space- und Synthie-Orgien – ein „Floppy Disk Overdrive“ halt

Wenn in „DEFRAG.EXE“ die Cluster musikalisch erst in überlegten Zügen verteilt werden, dann letztendlich in einem Redikalumschlag gnadenlos auseinandergerissen werden, um sie am Ende stimmig wieder zusammenzuführen, dann macht sich durchaus ein Schmunzeln breit. Oder wenn bei „DBLSPACE.EXE“ mit Helden Metal-Anleihen mit dem Kriegshammer Platz auf der Festplatte geschaffen wird. „Smartdrv.exe“ klingt, als würden wieder frühe METALLICA zur Geschwindigkeitsoptimierung durch den Uralt-PC gejagt, Zeit mal wieder „Battery“ zu hören!

Was MASTER BOOT RECORD hier auf „Floppy Disk Overdrive“ bietet, das ist schon sehr speziell. Durchaus interessant, dass man damit tatsächlich bei einem Label wie Metal Blade gelandet ist. Wobei hier verdammt viel Metal drin ist, und die Darbietung sehr treffend und nachvollziehbar klingt. Dass vieles hier nicht kopflastig in filigraner Studioarbeit ausgetüfftelt wurde, sondern beim Aufnehmen oft spontan und live festgehalten wurde, das erwartet man nicht, wenn man es nicht weiss. Ok, spätestens im letzten Drittel hört man nicht mehr so genau hin, weil der Überraschungsfaktor wegfällt und man vom fordernden Gesamtsound zugewabbert ist. Aber insgesamt macht es echt Spaß, diesem Werk zu folgen. Wenn man einen Bezug hat zur vertonten Thematik! Wenn nicht, dann bekommt man ein interessantes Instrumentalalbum, das klingt, als wäre JEAN-MICHEL JARRE ein beinharter Metaller und der trifft sich mit Proberaumnachbar JOHANN SEBASTIAN BACH zum gepflegten Musizieren. Und dass genau beim Tippen der letzten Zeile der PC mit einen schweren Fehler abschmiert, das zeigt, dass damals doch alles besser war. Da wusste man, dass der größte Fehler VOR dem PC sitzt … oder eben heute auch noch?

Veröffentlicht am 20.03.2020

Spielzeit: 68:30 Min.

Label: Metal Blade Records

Homepage: http://mbrserver.com

Mehr im Web: https://www.facebook.com/masterbootrecordmusic

Die Tracklist von „Floppy Disk Overdrive“:

1. ANSI.SYS
2. EDIT.COM
3. FDISK.EXE
4. DISPLAY.SYS
5. CHKDSK.EXE
6. DEFRAG.EXE
7. RAMDRIVE.SYS
8. DBLSPACE.EXE
9. SMARTDRV.EXE
10. DISKCOPY.COM
11. EMM386.EXE
12. HIMEM.SYS

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