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KVELERTAK: Endling

Hardcore-Punk und Classic Rock, Stadionrock und Black Metal – was sich abstößt und ausschließt wird hier vereint. Dazu eine Message, die man auch versteht, wenn man kein Norwegisch spricht. Ein ganz starkes Album.

KVELERTAK drehen wieder durch – und bringen zusammen, was gar nicht zusammenpasst: Schon der Opener „Krøterveg Te Helvete“ baut über drei Minuten Spannung auf, die sich in einer räudigen Punk-Nummer entlädt, bevor der poppig-eingängige Refrain wieder das Tempo rausnimmt. Und so geht’s es fast acht Minuten weiter. Genaugenommen sogar dauert der wilde Ritt einmal quer durch die Plattensammlung der Norweger gute fünfzig Minuten – denn auch bei ihrem fünften Album „Endling“ nehmen die Norweger alles mit, was ihnen gefällt: Hardcore-Punk und Classic Rock, Stadionrock und Black Metal – was sich abstößt und ausschließt wird hier vereint. Eingängiger sind sie trotzdem geworden, mit catchy Refrains („Likvoke“) und Melodienbögen zum Niederknien („Endling“) – damit setzten sie den etwas eingängigeren Style des Vorgängeralbums „Splid“ fort. Doch diese Band bleibt auch mit “Endling” so unberechenbar wie alle ihre Songs seit Erscheinen des Debütalbums “Kvelertak” im Jahr 2010.

„Endling“ hat eine starke Message – die man auch ohne Norwegisch-Kenntnisse versteht

Denn gleichzeitig ist „Endling“ aggressiver, angepisster und aufrüttelnder. Das mag am Thema des Albums liegen. In den Ankündigungen der Singles verrieten KVELERTAK immerhin soviel, dass unter anderem die Geschichte von Helmut von Botnlaus, einem geheimnisumwitterten norwegischen Einsiedler und Umweltaktivisten, eine Inspiration für „Endling“ war. Die Texte von “Endling” sind diesmal wieder ausschließlich auf Norwegisch – was ziemlich typisch für KVELERTAK ist: Die machen einfach, was sie wollen und geben einen Dreck darauf, dass englischsprachige Texte vielleicht die ein oder andere internationale Türe weiter öffnen könnte. Denn: Wenn die irgendwo reinwollen, treten sie die Tür einfach ein.

Andererseits ist es sehr schade, dass man die Texte nicht mal eben mitlesen kann. Man kann ziemlich sicher sein, dass Sänger Ivar Nikolaisen etwas zu sagen hat. 2018 lockte in der Sängerposten bei KVELERTAK aus der Einsiedelei im Wald, erst kürzlich versteigerte er einige seiner Bühnenoutfits seiner anderen Band THE GOOD THE BAD AND THE ZUGLY, um Geld zu sammeln für eine Umweltschutzorganisation, die sich für den Schutz der Fjorde mit dem norwegischen Staat anlegt. Aber vielleicht kommt seine Message ja in seinem Heimatland in der Muttersprache deutlicher an. KVELERTAK meinen es jedenfalls ernst, das versteht man auch ohne Norwegisch zu sprechen.

Auf Unerwartetes folgen Überraschungen – das zeichnet “Endling” aus

KVELERTAK haben als Songwriter dazugelernt, gleichzeitig aber nichts von ihrer jugendlichen „Mir-doch-alles-scheißegal“-Attitude verloren. Vielleicht schreiben sie sich heute ja Songideen auf, aber nicht in ein Notizbuch, sondern eher auf die halb vermoderte Papphülle eines Sixpacks, die im Proberaum rumliegt. Eines von vielen Beispielen für die Unverschämtheit, mit der KVELERTAK ständig mit Erwartungen spielt, sie erst enttäuscht und dann übertrifft: „Fedrekult“ ist unfassbar eingängig, ausgeglichen wird das mit einem Riff, für dessen schneidige Kälte so manche Black Metal-Band drei Kreuze machen und auf die Knie fallen würde. Grandios ist auch, wie KVELERTAK gegen Ende des Songs das Tempo verschleppen, obwohl gerade dieser Track danach verlangt, mit einem großen Knall zu enden. KVELERTAK machen das Gegenteil. Genau das zeichnet „Endling“ musikalisch aus: Auf Unerwartetes folgen Überraschungen.

Eskalation und Entdeckungsreise: KVELERTAK können alles

„Morild“ schlägt am ehesten den Bogen zu „Splid“ – KVELERTAK nehmen das Tempo raus und progressieren psychedelisch vor sich hin. Dass trotzdem alles zusammenhält, liegt an Ivar Nikolaisen der zwischen den ruhigen Teilen einfach wieder so lange rumbrüllt, dass man sich wieder Zuhause fühlt. „Paranoia 297“ ist dreckigster Skandi-Rock mit überraschenden Wendungen, den Verfolgungswahn kann man an zwei ganz kurzen Stellen im Song hören, spüren, fühlen. Bei “Døgeniktens Kvad” und “Skoggangr” scheppert plötzlich ein banjo-artiges Saiteninstrument über die maximal verzerrten Riffs. Nach der Hälfte der Spielzeit ist in “Skoggangr” einer der besten Parts des ganzen Albums zu hören, die Band spielt ihn aber nur ein einziges Mal und verstört direkt darauf mit verstimmten Gitarren. Diese und so viele andere Details machen “Endling” so spanndend, so mitreißend.

Nikolaisens Gesang, Geschrei und Gekeife ist durchgehend Weltklasse. Das Gitarristen-Trio Vidar Landa, Bjarte Lund Rolland und Maciek Ofstad muss damit klarkommen, dass man erstmal gar nicht wahrnimmt, wie gut sie tatsächlich sind. „Endling“ zeichnet nämlich noch eine weitere Sache aus, die eigentlich gar nicht geht: Die Platte ist perfekt für eine Party, die so richtig eskaliert. Man kann sich „Endling“ aber auch ganz in Ruhe anhören und ob der unzähligen Details und Ideen staunen. Ganz großes Album!

Veröffentlichung: 8. September

Label: Rise Records

Spielzeit: 51:08

KVELERTAK “Endling” Tracklist

Krøterveg Te Helvete (Video bei YouTube)
Fedrekult
Likvoke
Motsols
Døgeniktens Kvad
Endling (Lyrics-Video bei YouTube)
Skoggangr (Lyrics-Video bei YouTube)
Paranoia 297
Svart September
Morild

Lineup:
Vidar Landa – Gitarre
Bjarte Lund Rolland – Gitarre, Backing Vocals
Marvin Nygaard – Bass
Maciek Ofstad – Gitarre, Backing Vocals
Ivar Nikolaisen – Vocals
Håvard Takle Ohr – Drums

Mehr im Netz:
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