Sie können einfach nicht anders. Die niedergeschlagene Sicht der Dinge, dieses Gefühl der Ausweglosigkeit und Ohnmacht vor dem eigenen Schicksal, ist HANGMAN’S CHAIR offenbar in die Wiege gelegt. Nicht ohne Grund trägt der Nachfolger des Trilogie-Auftakts „A Loner“ (2022) seinen Titel. „Saddiction“ bringt kurz und knapp auf den Punkt, was die Franzosen eine gute Dreiviertelstunde lang im Detail eruieren.
Dabei ertrinkt das Quartett keineswegs nur in Selbstmitleid, auch wenn es bereitwillig darin badet. Zwischendurch bäumen sich Stücke wie „To Know The Night“ oder „Healed?“ bewusst und fast schon kämpferisch auf, nur um letztendlich doch wieder im tristen Sog zu verenden. Es ist ein existenzieller Schmerz, der uns bald vereinnahmt – ein wohlvertrauter noch dazu, denn die Stilmittel des Vorgängers geben auch diesmal wieder den Ton an.
HANGMAN’S CHAIR offenbaren auf „Saddiction“ eine Zerrissenheit, die ihr unterkühlt interpretierter Doom perfekt einzufangen vermag
Dass die Pariser ihren unterkühlt interpretierten Doom Metal nicht auf den Kopf stellen, ist nicht nur vor dem Hintergrund des Trilogie-Konzepts nachvollziehbar. Immerhin haben sich HANGMAN’S CHAIR damit ein gewisses Alleinstellungsmerkmal geschaffen. Zwischen Beton und Stahl klingen auch die clean akzentuierten Gitarren erschreckend gefühlskalt, während Cédric Toufoutis klagende Stimme mit viel Hall angereichert auf Distanz zu gehen scheint.
Das offenbart eine Zerrissenheit, wenn sich der Sänger nach zwischenmenschlicher Bindung sehnt, doch selbst nicht aus dem anonymen Großstadtdschungel auszubrechen vermag. In instrumentaler Hinsicht liegt somit der Fokus weniger auf großen Riffs als auf der passenden Atmosphäre. Zwar lassen uns Julien Chanut und Kollege Toufouti zwischendurch die raue Seite des Asphalts kennen lernen („In Disguise“; „2 AM Thoughts“), doch selbst hier gilt der Schwerpunkt dem großen Ganzen.
„Saddiction“ ernennt die triste Szenerie zum Hauptakteur
„Saddiction“ ist letzten Endes nämlich ein homogen und stringent komponiertes Werk, dessen Charme darin besteht, die Szenerie selbst zum Hauptakteur zu ernennen: Die Tristesse der Pariser Vororte, die grauen Wolken über den Straßenschluchten, die massiven Betonbauten bringen selbst den hoffnungsvollsten Tagträumer schlussendlich auf den harten Boden der Realität zurück.
Dort spenden „Kowloon Nights“ oder das sehnsuchtsvolle „Canvas“ wenigstens ein paar Minuten lang Trost, so dass wir an der Seite von HANGMAN’S CHAIR die verquere Schönheit dieses Elends zumindest erahnen dürfen. Ob sich schlussendlich doch ein Ausweg aus der Misere offenbart, lässt die Band bis zum Trilogie-Finale unbeantwortet. Die Antwort jedoch ist allen Indizien nach zu urteilen längst absehbar: Wir wissen doch, dass die vier Mannen gar nicht anders können.
Veröffentlichungstermin: 14.02.2024
Spielzeit: 46:55
Line-Up
Julien Chanut – Guitar
Cédric Toufouti – Guitar, Vocals
Mehdi Thepegnier – Drums
Clément Hanvic – Bass
Produziert von HANGMAN’S CHAIR und Francis Caste (Mix und Mastering)
Label: Nuclear Blast
Facebook: https://www.facebook.com/hangmanschair
Instagram: https://www.instagram.com/hangmans_chair
Bandcamp: https://hangmanschair.bandcamp.com/
HANGMAN’S CHAIR “Saddiction” Tracklist
- To Know The Night
- The Worst is Yet To Come (Visualizer bei YouTube)
- In Disguise (Video & Stream)
- Kowloon Lights (Video bei YouTube)
- 2 AM Thoughts (feat DOOL)
- Canvas
- Neglect
- 44 YOD
- Healed? (Visualizer bei YouTube)