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BARONESS und BOTOX COMBO am 1. August 2012 im 59to1, München

Ein einziger Rock and Roll-Siegeszug.

Es ist ja nicht so, als ob es nicht eh schon 30°C hätte. Und dann noch der Gedanke, dass BARONESS auch im Winter den Schweiß in Strömen fließen lassen und dass das 59to1 genauso klein wie das Orangehouse ist, BARONESS aber einen gewaltigen Sprung nach vorne gemacht haben, lässt uns schon im Vorfeld erschaudern. Aber welche Temperaturen im Laufe des Abends erreicht werden, das glauben wir jetzt noch nicht. Der Band von der Ostküste eilt zu recht ein Ruf voraus, eine der besten Livebands überhaupt zu sein. Ob die Songs von deren neuem Streich Yellow & Green live auch funktionieren? Zweifellos. Also noch einmal tief vergleichsweise frische Augustluft geholt und rein ins Getümmel.

 BOTOX
Beschwingter Mix aus TURBONEGRO, KYUSS und BLACK SABBATH: Die BOTOX COMBO gibt Gas.

Das Publikum braucht eigentlich kein Vorglühen. Es glüht schon von selbst. Und trotzdem steht die BOTOX COMBO auf der etwas verkleinerten Bühne, eine bunt zusammengewürfelte Truppe, die mit ein paar METALLICA-Riffs ein instrumentales Intro bietet, das unspektakulär, aber groovy klingt. Nach dem Intro steht plötzlich ein Typ mit knapper Denimausstattung auf der Bühne, einer Mähne aus den Achtzigern und einem Mustache, für den andere töten würden, und das Spektakel zwischen TURBONEGRO, KYUSS und BLACK SABBATH kann beginnen. Die BOTOX COMBO bietet nichts Weltbewegendes, aber die Songs sind ordentlich geschrieben. An den Instrumenten werden keine Wunderwerke vollbracht, aber es geht in Ordnung, es gibt ein paar Unsicherheiten zu hören, aber wir sind ja nicht beim Progressive Metal. Alles in allem ein netter, halbstündiger Auftritt, der nicht wirklich zum Hauptact passen mag, der das Publikum nicht mehr anfeuern muss, weil es eh schon brennt. Aber Spaß hat das sehr gemacht.

 BARONESS
Spielt trotz der irren Temperaturen mit Leidenschaft und Ausdauer: John Baizley

Eine schier endlose halbe Stunde dauert es, bis BARONESS startklar sind. Endlos, weil niemand seinen Platz verlassen kann. So müssen sich die Menschen fühlen, die in den Schwellenländern in den Zügen herum reisen. Immerhin ist im 59to1 mehr Bewegung angesagt. BARONESS beginnen mit A Horse Called Golgotha von Blue Record und haben im Bruchteil einer Sekunde ausnahmslos alle auf ihrer Seite. Es dauert ein wenig, bis aus dem in die Luft recken der Fäuste ein Rumgehüpfe und Gepoge wird, dann aber dafür umso ausdauernder. Ausdauernd sind vor allem auch BARONESS selbst, denen Sturzbäche von der Stirn laufen, die gleichzeitig nimmermüde sind und mit einer Leidenschaft und Freude spielen, dass das Herz jedes Zuschauers einen Freudensprung macht. Es ist eine positive Energie im Raum, die sogar körperlich spürbar ist – weil sich schwitzende, klebrige Leiber an einem reiben, egal wo man sich befindet.

 BARONESS
Neudefinition des Terms schweißtreibender Rock and Roll: Bassist Matt Maggioni

Die Setlist ist grandios, hauptsächlich gibt es Songs von Blue Record und Yellow & Green zu hören, neben neuen Hits wie Take My Bones Away und March To The Sea, die beim Publikum ankommen wie Evergreens, stehen die begeistert aufgenommenen Swollen And Halo, The Gnashing und The Sweetest Curse. Es ist schön zu sehen, wie im Laufe der Tour die Songs von Yellow & Green älteres Material verdrängen. Neu im Programm sind das entspannende Foolsong, ein Ruhepol für das erschöpfte Publikum, Cocainium, das live deutlich besser wirkt, als auf Platte. The Line Between ist ein kräftiger, erdiger Rocksong und das gefühlvolle Eula sorgt für Gänsehaut. Red Album kommt gegen Ende der anderthalb Stunden wenigstens mit Isak und zur Zugabe mit Grad zum Tragen. Der Sound ist einwandfrei, diese Wand aus Riffs, leidenschaftlichen, zweistimmigen Melodien, an denen Pete Adams großen Anteil hat, dem kräftigen Schlagzeugspiel von Allen Bickle und wuchtigen Bass von Neuzugang Matt Maggioni kommt direkt und massiv beim Hörer an. Die instrumentalen Fähigkeiten in Verbindung mit eingängigen, aber dennoch komplexen und verspielten Songs, das begeistert an BARONESS nicht nur auf Platte, sondern vor allem live. Das ist einfach für die Bühne gemacht. Kein Wunder, dass heute die Objektivität Pause hat, obwohl: Eigentlich muss sie gar nicht Pause haben. Es gibt an diesem Auftritt nicht das Geringste auszusetzen. Nur eine Flasche von dem Wasser, das John Baizley inflationär verschlingt, hätte ich gerne.

 BARONESS
Beseelte Gitarrenläufe, starker Gesang, großartige Performance: BARONESS-Gitarrist Pete Adams in seinem Element.

Um kurz vor Mitternacht öffnet sich in der Münchener Sonnenstraße dann eine Tür, eine Dampfwolke und eine Schar von torkelnden Menschen tritt heraus. Nein, keine Giftgaswolke mit anschließender Zombieapokalypse fällt über München her – auch wenn das längst überfällig wäre. Es sind die Leute, die glücklich sind, BARONESS noch einmal in so einem kleinen Club gesehen zu haben, bevor das Ostküstengespann jetzt wirklich groß werden wird. Wer soll diese Band jetzt noch aufhalten? Mit dieser Spielfreude, dieser Leidenschaft, diesen Live-Qualitäten und Yellow & Green in Gepäck? Wie gesagt, Objektivität hat heute Hitzefrei. Alle anderen Shows der nächsten Wochen und Monaten aus dem Stromgitarrenbereich haben keine Chance gegen diesen atemberaubenden Auftritt anzukommen. Und alles, was wir jetzt noch brauchen ist Wasser, Wasser, Wasser.

 BARONESS
Das vermutlich letzte Mal in so einem kleinen Club zu sehen: Frontmann John Baizley

Setlist BARONESS:
Intro
A Horse Called Golgotha
March To The Sea
Foolsong
Swollen And Halo
The Gnashing
Take My Bones Away
Ogechee Hymnal
Eula
Cocainium
The Line Between
The Sweetest Curse
Isak

Jake Leg
Grad

Livebilder: (c) Christoph Ziegltrum

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