DIE MASCHINE LEBT! – In zweierlei Hinsicht sogar: Einerseits haben MESHUGGAH ewig nichts von sich hören lassen und wurden von vielen Fans schon abgeschrieben, doch das im September veröffentlichte Album Nothing bewies, dass man mit MESHUGGAH noch immer rechnen muss. Andererseits klingt das neue Album viel organischer und weniger steril als die Vorgängeralben. Klar, dass ich einige Fragen an Drummer Tomas Haake stellte und, oh Wunder, auch diesmal reichte die Zeit wieder mal nicht für alles was mir am Herzen lag. Dass Mr. Haake nicht ganz so motiviert war wie erhofft, ist leicht nachvollziehen, schließlich kamen die Jungs gerade von einer US-Tour zurück und nach zwei Wochen mit vielen Interviews hieß es: Back to the USA. Da hätte wohl jeder lieber was anderes zu tun, als einem nervigen Captain Chaos Fragen zu beantworten…
Hi Tomas. Endlich ist ein neues Album von euch raus, nach nunmehr vier Jahren. Warum dauerte es so lange?
Dieses Mal können wir wirklich niemandem die Schuld dafür zuschieben. Zwischen Destroy Erase Improve und Chaosphere gab es wenigstens ein paar Gründe wir zogen von Umeah nach Stockholm, was ungefähr ein Jahr dauerte und Fredrik arbeitete an seinem Solo-Album Sol Niger Within. Dieses Mal war es eher ein Warten auf Inspiration und den richtigen Schritt vorwärts. Wir wollten, dass sich Nothing deutlich von Chaosphere abhebt. Wir fanden lange Zeit nicht die richtige Linie, außerdem mussten Fredrik und Marten lernen, die achtsaitigen Gitarren zu spielen. Das waren die wichtigsten Gründe, doch leider waren keine dabei, aufgrund derer wir das jemand anderem in die Schuhe schieben könnten.
Besser lange warten, als ein schlechtes Album zu hören…
Dieser Meinung waren wir auch immer. Wenn Du keine Inspiration hast, ist es schwer Dich selbst zu motivieren ein gutes Album zu schreiben. Wir wollen nicht ideenlos ein mittelmäßiges Album abliefern; das ist keine Arbeitsweise für uns.
Die letzten Alben klangen wie eine gigantische Maschine, kalt und unbeirrt ihren Weg folgend. Nothing hingegen wirkt wie eine Maschine, die lebt und atmet.
Es ist ein Schritt zur Seite, definitiv weit weg von Chaosphere, das wie eine wütende Maschine klang. Es war einfach mehr ein Schlag mitten ins Gesicht. Das neue Album ist viel organischer, mit viel mehr Dynamik versehen. Ich finde auch, dass Nothing mehr Leben beinhaltet.
Die Songs sind viel langsamer. Seit ihr nicht mehr so wütend wie früher? Richtet sich eure Aggression mehr nach innen?
Ich glaube wir waren vorher auch noch nie so richtig wütend, aber ich verstehe, was Du meinst. Wir wollten mit Chaosphere einfach ein wirklich brutales Album abliefern. Durch die achtsaitigen Gitarren fanden wir zu einer völlig neuen Art des Spielens; sie passen besser zu einem anderen Stil. Mit der angewandten, verstärkten Dynamik konnten wir mehr Details einfügen. Andererseits gibt es einige Songs auf Nothing, die, wenn man sie etwas schneller spielt, Chaosphere-Stücke sein könnten. Es gibt aber auch die Songs, wie Nebulous und Closed Eye Visuals, die für MESHUGGAH-Verhältnisse extrem langsam sind. Bei diesen Stücken haben wir viel mit Tonleitern und den unterschiedlichen Gimmicks, die man mit Gitarren anstellen kann, herumexperimentiert. Auf dem letzten Album, stand eher die Attacke der Gitarre im Vordergrund.
Eure achtsaitigen Gitarren sind einzigartig. Kam nach Gustaf´s Ausstieg die Idee, diese zu nutzen?
Nicht wirklich, denn Gustaf spielt, zumindest live, immer noch mit uns. Wir suchen auch immer noch nach einem neuen Bassisten. Gustaf hat einfach nicht den selben musikalischen Background wie wir. Außerdem kennen Jens, Fredrik, Marten und ich uns schon sehr lange, weshalb es für ihn nicht leicht war, sich zu integrieren. Darüber hinaus brauchen wir nicht noch eine kreative Stütze in der Band. Ich denke, vier Leute, die Musik schreiben sind genug.
Die Idee, achtsaitige Gitarren zu verwenden kam einige Zeit nach Chaosphere, nachdem wir ein paar Tourneen hinter uns gebracht haben und mal ein wenig Zeit hatten, noch nicht ans nächste Album zu denken. Wir begannen mit der Idee nur mit Bässen auf dem folgenden Album zu spielen, aber so recht wollte es nicht in die Gänge kommen. Eines Tages lernten wir einen Custom-Builder hier in Schweden kennen, der allerhand verrückte Gitarren baut. Er zeigte uns eine solche achtsaitige Gitarre, wir hörten sie uns an und verliebten uns sofort darin. Das Ergebnis war durchaus verblüffend, denn wir konnten nicht glauben, dass eine Gitarre auch bei solch tiefen Tönen funktionieren würde. Die neuen Klampfen sind ähnlich wie ein Bass zu bedienen, denn der Hals ist viel länger und dementsprechend sind auch die Bünde weiter auseinander. Sie sind irgendwo zwischen Bass und Gitarre anzusiedeln.
Wer hat denn eigentlich die Bass-Parts auf Nothing übernommen?
Fredrik und Marten haben die Bass-Arrangements übernommen und Fredrik hat sie eingespielt. Es war genau wie auf Chaosphere. Auf diesem Album hat Gustaf nur zwei Songs eingespielt. Bei uns ist das nicht so schlimm, denn die Bässe unterscheiden sich nicht allzu stark von den Gitarren.
Bei Spasm hast Du die Vocals beigesteuert.
Spasm ist ein wirklich experimentelles Stück. Wir wollten wenigstens einen solchen Song mit ins Studio bringen, das verschafft uns mehr Spaß während der Aufnahmen. Es ist einer jener Songs, die funktionieren können und wenn nicht, schmeißen wird er einfach weggeschmissen, das macht nichts. Ich habe übrigens auch schon zu Sublevels auf Destroy Erase Improve und The Exquisite Machinery of Torture auf Chaosphere Vocals beigesteuert. Jens´ Stimme ist für diese Sprechpassagen weniger geeignet. Ich habe den Text und die Drumparts dazu geschrieben, also war es logisch auch die Vocals zu übernehmen. Wir werden Spasm aber nicht live spielen, denn dann würde Jens dazu singen müssen und der Song wäre nicht mehr der Selbe.
Experimentell ist auch, dass Dein Drumming viel tom-orientierter ist, es klingt ein wenig tribal-mäßig. Das war noch nie ein Markenzeichen von MESHUGGAH.
Auf Chaosphere hatten wir ein paar Songs, die ein bisschen mehr tom-orientiert waren, Neurotica und The Exquisite Machinery of Torture zum Beispiel. Auf Nothing haben wir diese Art des Drummings viel weiter ausgebaut, zumal es auch sehr gut zu einigen Riffs passt, die geradezu nach diesem Tribal-Drumming schreien. Wenn Du ein normales Drumkit benutzt, ist die einzige Möglichkeit ein Tribal-Feeling zu erhalten, wenn Du auf den Toms spielst.
Das neue Album wurde in drei verschiedenen Studios aufgenommen. Hattet ihr die Angst, einen nicht homogenen Sound zu bekommen?
Diese Angst hatten wir nie. Wir haben die Drums wieder bei Daniel Bergstrand im Dug Out-Studio aufgenommen, der jetzt übrigens umgezogen ist. Er hat einen größeren Aufnahmeraum für die Drums, in denen man allerhand Effekte benutzen kann. Es klingt wirklich sehr gut. Die Gitarren und Bässe haben wir in Fredriks Wohnung aufgenommen, denn heutzutage braucht man dafür keine Amps mehr, alles ist digital. Es macht keinen Sinn, mit derselben Ausrüstung in einem teuren Studio aufzunehmen, wenn es eh auf das gleiche Ergebnis hinausläuft. Die Vocals haben wir in unserem kleinen Studio aufgenommen, das wir uns letztes Jahr zusammen mit CLAWFINGER gekauft haben. Hierfür ist es ideal geeignet, für die Aufnahmen der Drums ist es zu klein.
Kommen wir mal zu was gänzlich anderem. Ich habe diesen Song noch nie gehört, aber es gibt eine Coverversion von euch, die Attacked by a Shark heißt. Was hat es damit auf sich?
(lacht) Das ist ein Song von einer Rockband aus den Achtzigern, könnte sogar sein, dass es sie noch gibt. Die Jungs sind aus Upsala. Wir waren zu den Chaosphere-Aufnahmen dort und hörten sie zum ersten Mal. Das ist eine richtig lustige Band mit sämtlichen Gimmicks der 80er und in Upsala gibt es einen richtigen Kult um sie. Wir spielten auch eines Tages dort und uns kam zu Ohren, dass die Jungs vorbeikommen würden. Also zockten wir einen ihrer Songs, Attacked by a Shark, live und diese Band war wirklich aus dem Häuschen. Irgendjemand hat es mitgeschnitten und so landete dieser Song auf dem Tribute-Sampler Sweden Rocks the World. Es ist einfach eine wirklich schlechte Cover-Version.
Was denkst Du, sagen eure Fans zu Nothing?
Die Leute, die uns von Chaosphere her kennen und schätzen gelernt haben mögen das neue Album vielleicht weniger, denn sie könnten denken, es wäre ein Schritt zurück. Sie hätten von uns wohl eher ein schnelles und brutales Album erwartet. Die Fans, die uns schon länger kennen, wissen sicherlich die ganze Dynamik, die wir in Nothing eingebaut haben zu schätzen, weil es sie auch schon auf Destroy Erase Improve gab. Ich glaube, wir werden eher Fans verlieren, was wir natürlich nicht wollen, aber viele Fans werden doch überrascht ob des dunkleren und heavieren Sounds sein.
Dennoch bin ich vorsichtig mit Vergleichen zu Destroy Erase Improve, denn dieses Album war, zumindest in meinen Ohren viel thrashiger.
Das stimmt, aber ich beziehe das eher auf die Dynamik, speziell im Drumming. Das war auf Destroy Erase Improve sehr ähnlich. Ansonsten ist Nothing natürlich anders.
Was meinst Du, welche Bands hört der MESHUGGAH-Fan noch?
Oh, das ist wirklich schwierig. Wir waren viel auf Tour und haben natürlich viele Fans getroffen. Ich denke, ihre musikalische Bandbreite variiert sehr. Aber ich glaube viele Fans mögen so verrückte Sachen wie THE DILLINGER ESCAPE PLAN und FANTOMAS.
Kennst Du eigentlich die neue CD von THE DILLINGER ESCAPE PLAN mit Mike Patton?
Klar kenne ich sie. Irony is a Dead Scene ist einfach fantastisch. Leider sind nur vier Songs darauf und so weit ich weiß, war dies eine einmalige Zusammenarbeit. Aber es ist einfach klasse! Ihr Drummer ist superb, der ist total verrückt. Vor ein paar Jahren haben sie für uns mal eröffnet, das war wirklich klasse.
Das wäre doch ein gutes Tour-Package, oder? Übrigens, ich habe gehört, ihr geht auf Tour mit TOOL. Stimmt das?
Das stimmt, wir werden zwei Monate mit TOOL in den USA auf Tour gehen. Wir kamen just von einer Tour aus den USA zurück und fliegen in anderthalb Wochen wieder hin.
Was bedeutet der Titel Nothing? Dass lyrisch gesehen nichts Positives enthalten
Das könnte man meinen, aber das ist nicht der eigentliche Gedanke dahinter. Das Konzept dahinter, der Titel mit dem Artwork – das komplett schwarz ist – verbunden, erschien uns schlüssig. Wir hätten das Album genauso gut Everything nennen können, aber wir nannten es Nothing, denn es steckt die Frage – oder besser noch Philosophie – dahinter, wie die Menschen funktionieren: Sind wir irgendwas, alles oder nichts? Wenn wir sterben, werden wir Alles oder Nichts? Das Artwork stellt dazu den Menschen, der stirbt bzw. geboren wird dar. Es hat aber nichts mit den Texten zu tun.
Dazu kommen wir jetzt. Ich habe mal versucht, alle Texte in ein übergreifendes Wort zu fassen. Wenn es nicht stimmt kannst Du mir kurz erläutern, um was es sich wirklich handelt.
Stengah dreht sich um Diktatoren.
Nicht wirklich. Es geht um Drogenmissbrauch.
Drogen sind ja auf eine metaphorische Art und Weise Diktatoren.
Da hast Du Recht. Das finde ich gar nicht schlecht, es zeigt mir, wie offen die Texte sind. Wenn Du das hier rausliest, zeigt es aber, dass Du Dich mit den Texten beschäftigt hast und das ist mir wichtig.
Rational Gaze ist über Täuschung.
Wieder falsch, es ist inspiriert von einem Buch namens The Cosmic Serpent. Da geht es um jemanden, der durch Südamerika reist und mit Schamanen zu tun hat, die ihm Wege, sein Leben ins Reine zu bringen, zeigen. Ich war also nicht auf irgendwelchen Drogen, als ich das schrieb.
Perpetual Black Second handelt von Heimatlosigkeit. Ich glaube, ich liege schon wieder falsch.
Es könnte von Heimatlosigkeit handeln, aber für mich geht es um die menschliche Schwäche, Dinge zu tun, die man eigentlich nicht tun will.
Geht es in Closed Eye Visuals über eine Transformation in eine Maschine?
Auch wenn ich versuche deine Interpretation nachzuvollziehen, dreht sich der Song nicht darum, selbst wenn er könnte. Es ist mehr über einen psychotischen Trip in das Innere des Menschen.
Glints Collide scheint eine Art Armageddon darzustellen.
Das könnte gut sein. Ferner handelt es von Paradoxen und Widersprüchen. Jedes Mal, wenn Du meinst, Dir geht es gut, gibt es noch jemanden, der Dich peinigt. Sorry, wenn ich das hier jetzt abbrechen muss, aber wir sind schon sehr spät dran.
Gut, dann lassen wir das mit den Texten. Ihr standet schon mit großen Rockbands auf einer Bühne und ihr seid auf dem besten Wege dazu auch berühmt zu werden. Seit ihr stolz auf euren Status?
Sicherlich macht uns das stolz, besonders wenn wir von vielen großen Bands Respekt gezollt bekommen und wenn viele Leute extra wegen uns auf Konzerte kommen. Wir sind zwar immer noch weit weg einen Status zu haben wie TOOL oder Ozzy Osbourne, aber es ist trotzdem sehr cool.
Ihr habt sicher auch schon gehört, dass Lars Ulrich und Kirk Hammet von METALLICA gesagt haben, ihr neues Material geht unter anderem in eure Richtung. Was denkst Du darüber?
Ich hab das schon gehört, aber zweifle ernsthaft, dass es stimmt. Trotzdem, ich freue mich schon darauf ihre neuen Sachen zu hören, damit ich verstehe, inwiefern sie Vergleiche mit uns ziehen.
Letzte Frage: Irgendwie scheint es schon wieder 20 Jahre her zu sein, dass ihr durch Europa getourt seid. Ist diesbezüglich was geplant?
Ja, zur Zeit planen wir daran und hoffen im Februar oder März in Europa wieder ausgedehnt zu touren. Wir freuen uns schon darauf, denn es ist wirklich schon ewig her, dass wir in Europa unterwegs waren.
Irgendwelche letzten Worte noch?
Oh, darin bin ich wirklich schlecht. Ich hoffe allen Fans gefällt Nothing und wir werden uns bald wieder sehen.