ASPHYX, PATH OF GOLCONDA, PESTILENT, BÖSEDEATH: Oberhaus, Alzey: 10.10.2009

Lohnen sich dreieinhalb Stunden Autofahrt, um einen Clubgig von ASPHYX zu erleben? Aber sowas von JA.
 

Oft liegen Locations für härtere Metalkonzerte irgendwo im Karacho draussen, ergo ist man ohne Lokalkenntnisse und motorisierten Untersatz aufgeschmissen. Anders das Oberhaus in Alzey. Dieses liegt mitten in der Altstadt. So kommt man in den Genuss, in Vollmontur an einer Altherrengruppe, welche historische Bauten erklärt bekommt, vorbeizuschlendern und froh zu sein, dies sicheren Schrittes in Tottretstiefeln tun zu können. Diese Fähigkeit erweist sich beim Oberhaus angekommen als nützlich, denn die Klos liegen im Innenhof und die steile Treppe rauf in den Club ist nicht ohne.

Die Securities sind auf jeden Fall freundlich und im Innern des Oberhaus fühlt man sich wie in einem urigen Dachstock. Aber statt Oktoberfest vergnügt man sich hier an diesem Abend bei einer veritablen Death Metal-Schlachtplatte. An die 200 Nasen haben das auch verstanden und verteilen sich locker im Club – an der Bar, im Pit oder bei den Tischen, wo man sich bei Kerzenlicht und Holzromantik BÖSEDEATH, PESTILENT, PATH OF GOLCONDA und ASPHYX reinziehen kann. Bei Kerzenlicht gibts auch Merchandise zu anständigen Preisen und vom Trinken wird man an diesem Abend ebenfalls nicht arm.

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Suchen trotz gutem Sessionklampfer einen neuen Gitarristen: BÖSEDEATH 

Kurz vor halb neun erklingt dann das Beavis and Butthead-angereicherte Intro der Opener BÖSEDEATH. Die fünf Darmstädter haben eindeutig zuwenig Platz auf der kleinen Bühne, somit fehlen allzu wilde Grindcore-charakteristische Bewegungsradien an diesem Abend. Davon lassen sich BÖSEDEATH indes nicht beirren und geben sich gleich von Anfang ihrem brachialen Death Metal hin. Hier und da driftet es in Brutal Death Metallische ab, dann wieder fallen die total unverständlichen Grindcore-Vocals auf. Settechnisch berücksichtigt das Quintett vor allem seine …Of death-Scheibe, die mit den Songs Fistfuck to death, Stirb or die und No gnade vorgestellt wird. Den anderen Bands des Abends widmen BÖSEDEATH noch das SEPULTURA-Cover Troops of doom – wie die eigenen Kreationen wird der Song anständig gespielt und die Band performt durchaus motiviert, aber einen bleibenden Eindruck hinterlassen BÖSEDEATH dennoch nicht. Vielleicht ändert sich dies, wenn die Darmstädter wieder einen neuen, permanenten zweiten Gitarristen gefunden haben – der gut spielende Flying V-Gitarrist agiert an diesem Abend nämlich lediglich als Aushilfe. Zu wünschen wäre es BÖSEDEATH auf jeden Fall und Opfer einer Emokiddieweltverschwörung werden die Darmstädter schon nicht werden.

 

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Routinierter Fronter: Frog (PESTILENT) 

Gegen neun ist es Zeit für PESTILENT, die sich als Quartett schon wesentlich uneingeschränkter auf der Bühne bewegen können. Trotz diesem Umstand und dem Heimvorteil müssen PESTILENT den Opener in der Mitte abbrechen und nochmals neu beginnen, da der Drummer offenbar nichts vom Monitoring hört. Allerdings spielen PESTILENT an diesem Abend auch mit einer komplett neuen Saitenfraktion – sowohl für Gitarrist Seppel wie auch für Bassist Patrick ist es die Live-Premiere. Spielerisch lässt sich so die eine oder andere Unsicherheit nicht vermeiden, wenngleich Fronter Frog mit viel Black Metal-mässiger Mimik und Gestik oftmals davon ablenkt und seine Routine mehr als nur durchblitzen lässt.

Musikalisch haben sich PESTILENT der angethrashten Death Metal-Schiene verschrieben, wo sowohl stampfende Parts wie auch die eine oder andere Melodie ihren Platz finden. Die erste Reihe im Oberhaus ist mittlerweile erwacht und schüttelt in Bühnennähe die Köpfe, auch Reaktionen auf die Die Die Die-Publikumsinteraktion lassen sich ausmachen. Langsam aber sicher steigt die Temperatur im Oberhaus, wenngleich einen die gemütliche Atmosphäre der Location zeitweise etwas in wohliger Gemütlichkeit vom Ausflippen abzuhalten scheint. Das ändert sich indes, als PESTILENT den AT THE GATES-Kracher Blinded By Fear anstimmen. Klar wirkt der Göteborgklassiker nicht ganz so fett wie mit zwei Gitarren, aber ein echtes Schweden Death-Riff kann man einfach nicht töten (auch wenn diese Aussage nur auf die eine genannte Band aus Göteborg zutrifft)… Unterm Strich können PESTILENT also einen passablen Gig für sich verbuchen.

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Wenn mal kurz der Kopf nicht kreist: Rüdiger (PATH OF GOLCONDA) 

Mittlerweile ist es angenehm voll geworden im Oberhaus und mit PATH OF GOLCONDA ist es Zeit für eine Band, die einiges an Vorschusslorbeeren ihr eigen nennen kann. Dummerweise schert sich der eine Gitarrenverstärker überhaupt nicht darum und steigt frecherweise aus. Gerettet werden PATH OF GOLCONDA von einem BÖSEDEATH-Engl, doch wegen der verlorenen Zeit müssen die Oberhausener ihre Setliste zusammenstreichen. Hier rächt sich dann etwas die Versiertheit und Professionalität, da PATH OF GOLCONDA mit Intros arbeiten und diese Ordnung so durcheinander gebracht wird.

Spielerisch lassen sich PATH OF GOLCONDA jedoch nichts anmerken. Sorgfältig aufeinander abgestimmte Bühnenoutfits und eine Doppel-Jacksongitarrenfraktion sorgen für visuelle Konstanz, Fronter Manuel – der vom Aussehen her an eine Mischung aus Satyr und Pete Steele erinnert – hat die Meute fest im Griff und Gitarrist Rüdiger fällt mit einer guten Kreisbangingkondition auf. Abwechslungsreicher Death Metal mit einem grossen Schuss Melodie steht nun auf dem Programm, sei es mit Songs wie Promises in fire and stone und Metropolis rotting vom Album The threshold diaries oder mit dem Titeltrack Return des am 13. November erscheinenden gleichnamigen Albums. Die Spielfreude von PATH OF GOLCONDA steckt das Publikum sichtlich an und mittlerweile sind mehr als nur die erste Reihe im Headbanging-Modus angelangt. Am Ende der Spielzeit ist die Meute sichtlich im Dilemma – einerseits gebietet der Zeitplan und die Vorfreude auf ASPHYX den Abschluss des PATH OF GOLCONDA-Auftritts, andererseits überzeugen die Oberhausener so sehr, dass man sie fast nicht gehen lassen will. Am Ende gewinnt der Zeitplan gegen die Zugaben und es bleibt zu hoffen, dass PATH OF GOLCONDA das nächste Mal ihren Plan ohne Verstärkertrötzeleien durchziehen können.

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Motiviert bis in die Haarspitzen: Wannes Gubbels

Aber eben – der Anreiz, ASPHYX mal nicht auf einer grossen Bühne, sondern im gemütlichen Club geniessen zu dürfen, ist einfach zu gross. Kaum betritt Frontmann Martin van Drunen die Bühne, setzen spontane ASPHYX-Chöre ein. Forderungen à la Martin, gibs uns! ernten ein freundliches Grinsen vom Holländer und nicht nur durch seine Antwort Habt ihr genauso Bock wie wir? wird offensichtlich, dass er sich genauso auf den Gig freut wie das Publikum. Wirklich zur Ruhe kommt somit auch während des Intros niemand. Und ASPHYX servieren mit dem Opener Vermin gleich die volle Breitseite ihrer todesmetallischen Walze, die sogar die Schweiz so platt machen würde wie ihr Heimatland.

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Meistert auch Doomdrumming mit Gänsehautfaktor: Bob Bagchus

Nahtlos und fast schon DJ-elegant mixt das Quartett danach den Hammersong Scorbutics an das Ende von Vermin, was beim Publikum für uneingeschränkte Begeisterung sorgt. Headbanging wird auf und vor der Bühne zelebriert, dort bildet sich zudem ein happiger Moshpit. Dieser verschwindet nicht, als ASPHYX in Bloodswamp das Tempo etwas drosseln. Warum auch? Schliesslich sind die Holländer nicht nur wegen dem stetigen, unerbittlichen, authentisch-dynamischen Drumsound von Bob Bagchus wesentlich krasser und brutaler als das Gros der Nähmaschinenbruddubands. Bob mag zwar den bewegungsintensiven Teil der Performance seiner Dreierfront überlassen, am Ende von Asphyx II (They Died As They Marched) liefert er allerdings leidenschaftlich zähflüssige Doomperformance ab, die eine Turn loose the swans-Gänsehautbildung auslöst. Einfach klasse.

 

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Charismatischer Fronter mit Humor: Martin van Drunen 

Der Rest der Band fällt hinter diesem Verdikt nicht zurück. Allen voran überwältigt Martin van Drunen mit seiner humorvollen, sympathischen und charismatischen Art. In der Ankündigung zu MS Bismarck fragt er nach den Geschichtskenntnissen der Anwesenden, nach Eisenbahnmörser erforscht er mit einem Augenzwinkern die Altersstruktur des Publikums Gibt es auch welche in meinem Alter hier? So diese Old School Fans zwischen 40 und 45?. Ein herzhaftes Johlen aus dem Publikum bestätigt ihm auf jeden Fall die Präsenz dieser Fraktion, die dann gleich mit Diabolical Existence vom 1991er Werk The Rack in alte Zeiten zurückversetzt wird.

Der Sprung in die Gegenwart – sprich zum Titeltrack des aktuellen Albums – klappt danach nicht. Death…the brutal way als Drum`n`Bass-Track funktioniert nicht wirklich und ASPHYX sind somit schon die zweite Band des Abends, die von Verstärkerproblemen gebeutelt wird. Während sich Gitarrist Paul Baayens um die Behebung des technischen Problems kümmert, macht Martin spontan das Beste aus der ungewohnten Situation und stellt die Band vor – wie immer mit dem abschliessenden, bescheidenen Tja, und ich heiß` Martin, was vom Publikum reichlich Applaus erntet. Da der eine Verstärker noch immer bockt, fragt der Fronter nach dem Fussballergebnis des Spiels Deutschland gegen Russland. Mit Smalltalk ist danach Schluss, da die BC Rich Warlock wieder in erwünschter Lautstärke mörsert und ASPHYX Death…the brutal way mit der nötigen Brutalität auf die Meute niederprasseln lassen können.

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Ständig in Bewegung: Paul Baayens 

Spielerisch fit ist an diesem Abend – abgesehen von der genannten Verstärkerzwangspause – auch die Saitenfraktion. Bassist Wannes Gubbels groovt ordentlich und liefert hasserfüllte Vocals, wenn er nicht gerade die Matte kreisen lässt. Gitarrist Paul Baayens tobt sich ebenfalls nach Herzenslust aus und scheint mit grenzenloser Energie erfüllt zu sein. Nach Wasteland of terror holt Martin etwas weiter aus für eine Ankündigung: Jetzt kommen wir zu etwas, was wir alle eigentlich hassen… Die Kunstpause nutzt ein Fan im Publikum, um den Satz brüllend mit dem Wort Holländer! zu beenden. Das Timing, die Situation – unbezahlbar!

Paul lacht, das Publikum auch und Martin sagt grinsend mit gespieltem Ernst Gut, dann gehen wird jetzt. Nein, ich meine Kinderschänder, Steuerberater… Klar, dass jemand aus dem Publikum dann auch noch die Franzosen erwähnen muss. Die Stimmung indes ganz klar auf dem Höhepunkt, denn bei diesem ASPHYX-Gig stimmt nicht nur die musikalische Komponente, sondern auch die persönliche Chemie zwischen Publikum und Band. Einfach nur geil.

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 Shredden bis zum Schluss: Paul

Aber wenns am schönsten ist, ist es leider auch Zeit für das Ende. Bei ASPHYX kommt dieses wie so oft in der Form von The Rack. Martin nimmt in seiner Ankündigung nochmals Bezug zur vorherigen Holländerliebeserklärung – Ja, die blöden Holländer. Ich reiß` dir die Eingeweide raus. Ich spritz dich ins Gesicht…. Und natürlich gibts an The Rack nichts zu rütteln, der Song killt alles, was nicht bei drei vom Blutaltar gesprungen ist. ASPHYX geben nochmals alles und werden entsprechend von den Anwesenden abgefeiert. Lauter Applaus, glückliche Gesichter und Zugabenrufe sind ihr Lohn, doch leider macht der Zeitplan letzteres zur Unmöglichkeit. Aus der Live-Darbietung von Black hole storm wird somit leider wiederum nichts. Das Publikum will seine Holländer nicht gehen lassen, ASPHYX scheinen sich auch nicht verabschieden zu wollen, aber letzten Endes bleibt es aus vorschriftsmässigen Gründen bei diesem Abschluss. Trotzdem – das Konzert ist sowohl musikalisch wie auch stimmungsmässig einer der Live-Höhepunkte des Jahres. Und ASPHYX bleiben eine der wenigen Bands, die dem Wort Reunion eine würdevolle Assoziation verleihen. Hervorragende Band, herausragender Gig!

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Flyer: Hell Is Open
Fotos und Layout: Arlette Huguenin Dumittan

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