Rob Halford: „Ich bekenne. Die Autobiografie des Sängers von JUDAS PRIEST”

Heavy Metal (zumindest in seiner klassischen Spielart) ist immer dann so richtig gut, wenn er schön schwul ist. Das liegt an Robert John Arthur Halford. Als Sänger und Frontmann der britischen Heavy-Metal-Legende JUDAS PRIEST definierte er in den ausklingenden 1970er Jahren nicht nur den Sound, sondern vor allem auch den Look jener Rockmusik-Unterform, nachdem er in New York City die Lederschwulen-Szene entdeckt hatte. Den originär homosexuellen Dresscode verankerte er knietief im Mainstream, seine eigene Homosexualität jedoch behielt der selbsternannte „Metal God“ über Jahrzehnte für sich. Über diese Diskrepanz hat der Brite nun ein Buch geschrieben.

Sex, Drugs und Rock’n’Roll

Es geht um Sex, Drugs und Rock’n’Roll – in dieser Reihenfolge. Ab den ersten Masturbationsversuchen im Kinderzimmer ist man hautnah dabei im Sexualleben des jungen Halford, der sich zweimal angestellt hat, als seinerzeit das Selbstbewusstsein verteilt wurde. Und doch ist da dieser Bruch, der sich wie eine Narbe durch sein Leben zieht: Hier der stolze, flamboyante Ultra-Macho-Rocker, der in seiner prächtigen Arroganz ganze Stadien rockt, dort der einsame, verunsicherte Kleinstadtbub.

Dafür, dass Halford (Jahrgang 1951) gerne so tut, als sei bei ihm wenig gelaufen, säftelt es auf den 528 Seiten doch recht ordentlich. Trotzdem findet sich der Sänger regelmäßig auf sich selbst zurückgeworfen, versucht über Jahre hinweg seine Einsamkeit mit dem bodenlosen Konsum von Alkohol und Kokain zu betäuben.

Es hat etwas unfreiwillig-amüsantes, wenn Halford beschreibt, wie er eben noch in einer ausverkauften US-Arena den unnahbaren Metalgott gegeben hat und sich wenige Stunden nach der Show an einem texanischen Rastplatz auf der Herrentoilette wiederfindet, wo er Stunden in einer Kabine neben dem Glory Hole ausharrt, in der Hoffnung auf eine schnelle anonyme Sex-Begegnung.

Rob Halford beim Bang Your Head 2008 (Foto: M.Veyhle/vampster.com)

In Birmingham wird wenig geredet, dafür umso mehr getrunken

Seine Bandkollegen hätten immer gewusst, dass er schwul sei, schreibt er – es wurde nur nie thematisiert. Weil im Black Country rund um Birmingham, wo die Musiker herkommen, generell wenig geredet, dafür umso mehr getrunken wurde. Es waren andere Zeiten, und man darf es sich aussuchen, ob sie schlechter gewesen sind als heute, wo die Dinge pausenlos zerredet werden, bis sich auch der/die Letzte publikumswirksam als Opfer inszeniert hat.

Halford spart sich die Opfernummer, ein wenig tragisch mutet sein Versteckspiel trotzdem an. Im Ernst: Jeder, der das Plattencover von „Unleashed In The East“ gesehen hat, die Videoclips zu „Don’t Go“ und „Hot Rockin‘“ oder den Mitschnitt vom Auftritt beim US-Festival ’83 im kalifornischen San Bernardino, wo Halford vor 670.000 Zuschauern die Lederuschi gibt (die Band steht schon auf der Bühne und spielt „Electric Eye“, als Halford – die ersten Textzeilen singend – mit den lässigen Schritten eines Hühnerdiebs gemächlich durch die Menge stolziert, in vollem Ornat mit Handschellen, Lederpeitsche, Kuhtreibermütze und dieser prächtigen, unnahbaren Arroganz unter der brennenden Nachmittagssonne – wie geil ist das denn bitte?!!), wusste Bescheid. Selbst in seinen Liedtexten („Eat Me Alive“) versteckt Halford eindeutige Botschaften, die jedoch nie dechiffriert werden – zumindest nicht offiziell. Es ist zu offensichtlich.

In seinen Texten versteckt Halford eindeutige Botschaften

Trotzdem schleppt der Sänger sein Bündelchen mit sich. Als er sich nach Jahrzehnten der Selbstverleugnung schließlich eher durch Zufall beim Musiksender MTV outet („Die meisten Leute wissen doch sowieso, dass ich schwul bin. Es hat einfach unheimlich lange gedauert, bis ich endlich über dieses Thema reden konnte …“), bleibt der erwartete Aufschrei aus. Sauer sind die Fans einzig, dass Halford zu diesem Zeitpunkt dem Heavy Metal den Rücken gekehrt hat und mit Trent Reznor an einem Nine-Inch-Nails-für-Arme-Soloprojekt schraubt, statt weiter das heilige Eisen zu schmieden, wie es seine Bestimmung ist.

Seit 2004 dient Halford wieder als Oberpriester, versöhnt mit sich und der Welt. Das ist die gute Nachricht. Und die Botschaft von „Ich bekenne“, das wie die meisten Autobiographien von Musikern leider im besseren Schulaufsatz-Stil mit den üblichen kleinen Schlampigkeitsfehlern verfasst ist.

Amüsant und wie immer das Salz in der Suppe sind die Anekdoten, die sich im Laufe einer über 50-jährigen Karriere zugetragen haben: Wie er aus der Villa von Ringo Starr den Obelisk mopst, der im John-Lennon-Video zu „Imagine“ zu sehen ist, wie er Andy Warhol im legendären Studio 54 mit Handschellen an sich kettet, wie Lady Gaga vor ihm auf die Knie sinkt und er mit der Queen über Heavy Metal quatscht (Die Königin: „Mut dat immer so laut?“, und Halford so „Jawohl, Euere Majestät, damit wir dazu headbangen können“).

Rob Halford beim Bang Your Head 2002 (Foto: M.Veyhle/vampster.com)

JUDAS PRIEST = ein bestens geschmiertes Geschäftsmodell

Über Musik geht es auch, am Rande. Eher nebenbei erfahren wir, warum „Point Of Entry“ (1981) so lahm geraten ist, dass auf „Ram It Down“ (1988) tatsächlich ein Drumcomputer zu hören ist und warum die Themaverfehlung „Nostradamus“ (2008) in Halfords Welt trotzdem ein Spitzenalbum ist (weil Journalisten nun mal alle „Besserwichser“ sind). Bis auf die Gitarristen Glenn Tipton und Richie Faulkner ist Halford auch an seinen Bandkollegen nicht sonderlich interessiert. Über jede seiner Affären erfahren wir mehr als über die Menschen, mit denen er jahrzehntelang rund um den Erdball getourt ist. Und wir lernen, dass PRIEST – mögen sie in ihrer Karriere auch ein Bündel an unsterblichen Heavy-Metal-Hymnen geschrieben haben – hinter den Kulissen vor allem immer auch ein bestens geschmiertes Geschäftsmodell waren.

Über 400 Seiten braucht es, bis endlich schwarz auf weiß da steht: „Ich war schwul und hatte es der Welt gesagt – fertig.“ Ein banaler, aber scheinbar doch so unendlich schwieriger Satz, der ein ganzes Leben zusammenfasst. Guter Mann, nettes Buch.

Rob Halford: Ich bekenne. Heyne, München. 528 Seiten, 24 Euro

 

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