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THE AMITY AFFLICTION, COMEBACK KID, ALPHA WOLF, MUGSHOT: Konzertbericht – TonHalle, München – 13.12.2023

Neues Album, neue Tour und neue Ziele: THE AMITY AFFLICTION füllen dank Hits, Spielfreude und einer beeindruckenden Produktion selbst größere Bühnen wie die der Münchner TonHalle mit Leben. Die kompetente Schützenhilfe des Vorprogramms aus COMEBACK KID, ALPHA WOLF sowie MUGSHOT wäre da eigentlich gar nicht nötig.

Eigentlich waren THE AMITY AFFLICTION dieses Jahr bereits in Deutschland unterwegs. Warum die Australier nun also im Dezember ein weiteres Mal auf Headliner-Tournee gehen, hat gleich zwei gute Gründe: Zum einen holte man im Januar und Februar primär die Shows nach, die ursprünglich für das Vorjahr angesetzt waren, dann jedoch verschoben werden mussten. Zum anderen veröffentlichte die Band im Frühling ihr achtes Studioalbum „Not Without My Ghosts“, dessen Release nun mit einer eigenen Konzertreihe gefeiert werden soll.

Hierfür haben THE AMITY AFFLICTION nicht nur ein recht rabiates Supportpaket aus COMEBACK KID, ALPHA WOLF sowie MUGSHOT geschnürt, sondern sogar ein komplett neues Bühnenbild entwickelt, mit dem man nun eine Nummer größer plant: Nach dem ausverkauften Backstage Werk im Februar pilgern die Fans heute Abend in die Münchner TonHalle, wo im Idealfall gut 2.000 Anhänger:innen Platz finden. Von dieser Zahl sind wir gegen halb sieben aber noch ein bisschen entfernt, als wir die Location im hippen Werksviertel nahe des Ostbahnhofs ansteuern: Wohl aufgrund des frühen Beginns schaffen es an diesem Mittwoch nicht alle Fans rechtzeitig zum Start des Anheizers.


MUGSHOT

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Über eine immerhin achtbare Menge im Zentrum dürfen sich MUGSHOT, die ohne Intro oder sonstige Sperenzchen loslegen, dennoch freuen. Und jene nimmt Sänger Ringo Waterman umgehend in die Pflicht: „Open the fuck up!“, heißt es nonchalant zum Auftakt, bevor das Quartett mit „Hatespeech“ bretthart wie humorlos loslegt. So richtig aus der Reserve locken kann der rohe Deathcore die Münchner:innen in diesen Anfangsminuten jedoch nicht, wie auch dem Frontmann nicht verborgen bleibt: „I want everyone in the middle to do fucking better!“.

Immerhin lassen MUGSHOT auf diese markigen Worte selbst Taten folgen: Während Drummer Conor Haines geradezu leidenschaftlich auf sein Instrument einprügelt, hält es Gitarrist Michael Demko nur dann an seinem angestammten Platz, wenn er an der Seite seines Frontmanns selbst ein paar gallige Screams beisteuert. Diese höchstbrachiale Mischung zündet zwar nicht sofort, aber findet in der sich stetig füllenden TonHalle doch mit jeder Minute mehr Anklang. Bis zum ersten richtigen Circle Pit dauert es dennoch fast zwanzig Minuten, was insbesondere deshalb ein wenig bedauerlich ist, weil MUGSHOT damit bereits am Ende ihres kompakten Sets angelangt sind. Immerhin wissen wir dank der US-Amerikaner nun, dass hartnäckige Breakdowns wohl nicht das schlechteste Mittel gegen kältebedingte Schockstarre sind.

Fotogalerie: MUGSHOT


ALPHA WOLF

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Zum Selbstläufer wird die nachfolgende Performance dennoch nicht: Auch ALPHA WOLF-Shouter Loachie Keogh zeigt sich 20 Minuten später nicht ganz zufrieden mit der anfänglichen Resonanz auf den unnachgiebigen Metalcore seiner Formation. Obgleich hier und da ein paar besonders engagierte Fans zu „Acid Romance“ auf und ab springen, herrscht in puncto Intensität zunächst doch ein Ungleichgewicht zwischen Bühne und Hallenmitte.

Als hätten die Australier die Münchner:innen zunächst auf dem falschen Fuß erwischt, dauert es einen Moment, bis beide Parteien auf einer Wellenlänge liegen. Dann aber öffnet sich der Pit in „Sub-Zero“ doch noch wie gewünscht, bevor schon kurz darauf die mit Daumen und Zeigefingern geformte Herz-Geste Loachies in „Bleed 4 You“ bereitwillig erwidert wird.

ALPHA WOLF müssen das Publikum erst für sich gewinnen

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Dass die hier eingestreuten Clean-Vocals seitens Bassist John Arnold dabei maximal zweckmäßig ausfallen, bringt letztlich niemanden aus dem Konzept: Die Aufmerksamkeit gilt vielmehr adrenalingeschwängertem Pit-Zündstoff à la „60cm Of Steel“ oder „Akudama“, die ALPHA WOLF zum Ende hin doch noch ein kleines Happy End bescheren.

ALPHA WOLF Setlist – ca. 30 Min.

1. Rot In Pieces
2. Acid Romance
3. Sub-Zero
4. Bleed 4 You
5. 60cm Of Steel
6. Bring Back The Noise
7. Akudama

Fotogalerie: ALPHA WOLF


COMEBACK KID

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Wofür die beiden Anheizer hart kämpfen mussten, scheint COMEBACK KID um zehn nach acht fast schon in die Wiege gelegt: Kaum erfüllen die eröffnenden Takte von „Heavy Steps“ den Raum, sehen wir auch schon die ersten Crowdsurfer auf dem Weg nach vorne. Nicht ohne Grund, wie wir kurz darauf feststellen. Denn schon im folgenden „False Idols Fall“ sucht Sänger Andrew Neufeld den Kontakt zu seinen Fans, indem er im Fotograben den vorderen Wellenbrecher erklimmt.

Immer wieder zieht es den Shouter von der Bühne in Richtung Publikum, um sich etwa in „Talk Is Cheap“ den Circle Pit aus der Nähe anzusehen oder sich im punkigen „G.M. Vincent And I“ ein wenig stimmliche Unterstützung zu sichern. Dank des transparenten Sounds – lediglich die Gitarren könnten eine Spur lauter sein – überträgt sich die Energie der treibenden Songs quasi unmittelbar auf die feiernde Meute, die nun wie ausgewechselt scheint.

COMEBACK KID dürfen sich in München wie zu Hause fühlen

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Klar, COMEBACK KID genießen nicht nur aufgrund ihrer Erfahrung ein gewisses Standing, sondern sind auf Anhieb auch etwas zugänglicher, indem sie mit dem eingängigen „Somewhere, Somehow“ auch mal so etwas wie einen Singalong einstreuen. Das natürliche Gegengewicht bildet derweil Material wie „Absolute“ oder das obligatorische „All In A Year“, das den Pit in ähnlicher Weise anzustacheln weiß wie der rastlose Endspurt aus „Wasted Arrow“ und schließlich „Wake The Dead“. Zum Abschluss wird in München daher nicht nur lauthals gesungen, sondern nochmal das eigene Schrittziel ordentlich nach oben korrigiert. Zumindest im Zentrum dürften nach dieser Dreiviertelstunde die zurückgelegten Meter denen auf der Bühne kaum nachstehen.

COMEBACK KID Setlist – ca. 45 Min.

1. Heavy Steps
2. False Idols Fall
3. Do Yourself A Favor
4. Talk Is Cheap
5. Crossed
6. G.M. Vincent And I
7. All In A Year
8. Absolute
9. Somewhere, Somehow
10. Dead On The Fence
11. Wasted Arrow
12. Should Know Better
13. Wake The Dead

Fotogalerie: COMEBACK KID


THE AMITY AFFLICTION

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Eine halbe Stunde später staunen wir nicht schlecht, als sich uns mit dem einsetzenden Intro die komplette Produktion der Jahresabschlusstour offenbart. Ein etwa brusthohes LED-Panel läuft hinter der Band über die komplette Bühnenfront, während darüber liegend die zweite Etage des Sets sowohl das Schlagzeug als auch das Mikrofon von Gitarrist Dan Brown beherbergt. Es ist ein aufgeräumtes und doch imposantes Bühnenbild, das dank einer abwechslungsreichen und bisweilen fantastischen Lightshow perfekt in Szene gesetzt wird.

In der Tat spricht jedes Detail dieser Tourproduktion dafür, dass THE AMITY AFFLICTION bereit für den nächsten Schritt sind und diesen auch trittsicher zu nehmen wissen: Dank eines kraftvollen Klassikers wie „Death’s Hand“ jedenfalls explodiert die TonHalle in Rekordzeit, zumal die gleißenden Flammensäulen während des Breakdowns den ohnehin intensiven Anfangsminuten eine zusätzliche Ladung Dringlichkeit verpassen. Dass der Pit im Zentrum kaum mehr zu stoppen scheint, ist augenscheinlich fest einkalkuliert, immerhin lässt das Quartett auch im Folgenden nicht locker.

THE AMITY AFFLICTION reihen einen Hit an den anderen

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Mit dem aggressiven „All My Friends Are Dead” sowie dem melancholischen “Drag The Lake“ reihen THE AMITY AFFLICTION einen Hit an den anderen, während ein beständiger Strom an Crowdsurfern gekonnt den Strudel in der Mitte umschifft. Bevor der Circle Pit in „Shine On“ aber neue Dimensionen erreicht, lässt es sich in „Don’t Lean On Me“ noch ein wenig entspannter auf den Händen des Publikums aushalten. Sogar Shouter Joel nutzt zwischendurch die Gunst der Stunde, um einem gerade im Graben angekommenen Fan die Hand zu reichen.

Zweifeln wir die Live-Qualitäten der Australier nach ihrem letzten Gastspiel in München ohnehin schon längst nicht mehr an, müssen wir heute dennoch ein weiteres Mal unseren Hut ziehen. Dank des klaren Soundmix stechen heute die unterstützenden Backing-Vocals Dan Browns besonders positiv hervor. Obwohl der Gitarrist das Scheinwerferlicht zumeist seinen Kollegen überlässt, darf er während „All Fucked Up“ sowie „Not Without My Ghosts“ gleich zweimal zur Akustikgitarre greifen und dadurch in letzterem an der Seite von Bassist Ahren Stringer für den intimsten Augenblick der Show sorgen.

Auch die neuen Songs machen sich gut im Live-Programm THE AMITY AFFLICTIONs

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Die wenigen nachdenklichen Momenten setzen auch deshalb nachhaltige Akzente, weil THE AMITY AFFLICTION ansonsten eher klotzen statt kleckern: So trifft das massive „I See Dead People“ im Live-Format mit bislang nicht gekannter Wucht, wohingegen bewährte Evergreens à la „Pittsburgh“ oder „Open Letter“ bald von hunderten Kehlen in Einklang gesungen werden. Dass es Letzteres als Fan-Favorit überhaupt ins Set geschafft hat, ist ohnehin eine willkommene Überraschung. Immerhin verrieten sowohl Joel Birch als auch Kollege Ahren Stringer erst dieses Jahr in einer Online-Fragestunde, dass sie selbst von dem Stück auf absehbare Zeit eigentlich genug hätten.

Dass es sich also lediglich um ein Zugeständnis an die Fangemeinde handeln könnte, ist am heutigen Abend nicht zu spüren, ganz im Gegenteil: Die Spielfreude der Band ist regelrecht elektrisierend, wenn Bassist Ahren seine überschüssige Energie immer wieder in giftige Screams kanalisiert oder Frontmann Joel zum Karate-Kick ansetzt. Die Ansagen halten THE AMITY AFFLICTION dabei angenehm kurz, ohne distanziert zu wirken: Am Ende lässt man doch lieber die Musik sprechen, die heute auf jeden Fall die Adressat:innen zu erreichen scheint.

THE AMITY AFFLICTION können selbst größere Bühnen mit Leben füllen

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Auch deshalb freut sich die TonHalle nach der aktuellen Single „It’s Hell Down Here“ über die Zugabe „Soak Me In Bleach“, die bereits im Februar den Schlusspunkt setzen durfte und auch heute wieder ihren Zweck nicht verfehlt. Mit etwas über 70 Minuten Spielzeit hält es die Band zwar weiterhin kurz, lässt dafür allerdings auch keinerlei Längen aufkommen. Stattdessen drehen THE AMITY AFFLICTION an exakt den richtigen Stellschrauben, um ihre Show pünktlich zum achten Studioalbum auf das nächste Level zu heben. Und das gar nicht schlecht: Wenn wir uns schon nach und nach von der Intimität kleinerer Hallen verabschieden müssen, ist es doch schön zu sehen, dass die Australier auch die größeren Bühnen mit Leben füllen können.

THE AMITY AFFLICTION Setlist – ca. 70 Min.

1. Death’s Hand
2. All My Friends Are Dead
3. Drag The Lake
4. Like Love
5. Don’t Lean On Me
6. Shine On
7. All Fucked Up
8. Open Letter
9. Death Is All Around
10. Show Me Your Good
11. I See Dead People
12. Not Without My Ghosts
13. Pittsburgh
14. Ivy
15. Fade Away
16. It’s Hell Down Here
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17. Soak Me In Bleach

Fotogalerie: THE AMITY AFFLICTION

Veranstalter: Backstage Concerts GmbH (https://backstage.eu/)

Fotos: Tatjana Braun (https://www.instagram.com/tbraun_photography/)

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