blank

THE AMITY AFFLICTION, FIT FOR A KING, GIDEON, SEEYOUSPACECOWBOY: Konzertbericht – Backstage Werk, München – 04.02.2023

Fast drei Jahre sind seit dem letzten Gastspiel vergangen, doch nun sind THE AMITY AFFLICTION zurück in Europa: mit eigener Headline-Tour und einem starken Support-Gespann aus FIT FOR A KING, GIDEON und SEEYOUSPACECOWBOY. Wir schauen für das Tourfinale im Münchner Backstage vorbei.

Wir kennen die Sache mit den Nachhol-Shows mittlerweile ja leider nur zu gut. Nur war diesmal ausnahmsweise nicht die Pandemie der ausschlaggebende Grund für die Verzögerung, sondern eine dringend benötigte mentale Auszeit, weshalb THE AMITY AFFLICTION ihre Herbsttermine 2022 ins neue Jahr verlegen ließen. Gesundheit geht natürlich immer vor – und was sind schon ein paar Wochen mehr, wenn der letzte Auftritt des Gespanns ohnehin fast drei Jahre zurückliegt? Dementsprechend heiß erwartet ist die Show an diesem frostigen Samstag, wo bei unserer Ankunft bereits eine stattliche Besucherschlange geduldig vor dem Backstage-Areal wartet. Aufgeregt ist die Atmosphäre dennoch, schließlich mussten die Münchner:innen sogar ein wenig länger warten: Die bayerische Landeshauptstadt ist der letzte Termin der gut dreiwöchigen Tournee, welcher man heute hoffentlich zu einem würdigen Abschluss verhelfen mag.

Die Zeichen jedenfalls stehen gut, allein schon weil mit FIT FOR A KING ein absolut hochkarätiger Special Guest das Support-Package anführt, während die musikalisch recht gegensätzlichen GIDEON und SEEYOUSPACECOWBOY alternierend die Rolle des Anheizers übernehmen.


SEEYOUSPACECOWBOY

blank

Anders als etwa in Nürnberg müssen somit heute zuerst die Letztgenannten auf die Bretter. Da sich der innere Arenabereich trotz ausverkaufter Show so früh am Abend nur langsam füllt, ist die Aufgabe des Openers allerdings eine eher undankbare. Dass es nur wenige Meter hinter der vorderen Absperrung zunächst merklich dünn wird, scheint das explosive Quintett indes nicht im Mindesten zu stören. Im Gegenteil, bereits im eröffnenden „Life As A Soap Opera Plot, 26 Years Running“ legen SEEYOUSPACECOWBOY die Karten auf den Tisch, indem zwischenzeitlich sogar Drummer AJ Tartol für ein paar Zeilen die Lead-Vocals übernimmt.

Neben dem unterstützenden Klargesang von Gitarrist Ethan und Bassist Taylor, welcher sein Instrument zwischendurch nonchalant durch die Luft segeln lässt oder gar zur Gewehrattrappe umfunktioniert, hat Frontfrau Connie Sgarbossa somit auf jeden Fall genug Rückendeckung, um ihre autobiografischen Texte mit maximaler Intensität auf die Bühne zu bringen. Dabei entspricht das Stageacting in etwa dem ungezügelten, kontrolliert-chaotischen Metal-/Mathcore-Verschnitt: Zwischen affektierter Diva und beeindruckenden Martial-Arts-Demonstrationen beansprucht Sgarbossa das Rampenlicht oftmals für sich – und damit auch die Aufmerksamkeit des noch zögerlichen Publikums.

Mit dem Energielevel SEEYOUSPACECOWBOYs kann sich das Publikum am frühen Abend noch nicht messen

blank

In Teilen ist an der anfänglich verhaltenen Resonanz wohl der unglückliche Soundmix nicht ganz unschuldig: Während der Bass zahlreiche Details verschluckt, geraten selbst die Vocals öfter mal in den Hintergrund – gerade für die anarchische Genre-Interpretation SEEYOUSPACECOWBOYs eine denkbare schlechte Ausgangslage. Etwas Bewegung kommt somit erst zum Ende des 30-minütigen Gigs auf, als zu „Misinterpreting Constellations“ die ersten Moshversuche unternommen werden. Das Eis bröckelt also langsam, als in „Self Help Specialist Ends Ist Own Life“ der Platz im Innenbereich gar für ein wenig Two Step genutzt wird – allein das Energielevel der Band selbst erreicht zu diesem Zeitpunkt noch niemand: Fronterin Connie dreht sich während ein paar Spinning Kicks so oft um die eigene Achse, dass sie selbst das Gleichgewicht verliert und so die letzten Zeilen eben vom harten Bühnenboden aus in die Nacht schreit.

Fotogalerie: SEEYOUSPACECOWBOY


GIDEON

blank

Nach den fast schon hyperaktiven SEEYOUSPACECOWBOY wirken GIDEON wie der krasse Gegenentwurf. Als die US-Amerikaner um kurz nach halb acht dem Backstage Werk mit dem mächtig drückenden „Bite Down“ einheizen, öffnet sich umgehend der Pit in der Arena. Mittendrin: Connie Sgarbossa, die kurz nach ihrem eigenen Auftritt die überschüssige Energie mit Violent Dancing abzubauen sucht, nachdem ihr Bandkollege kurz zuvor noch einen Trip durch den Fotograben wagte.

Mit heavy Riffs und dem langsam walzenden Tempo lassen GIDEON in der Zwischenzeit den Hardcore-Einschlag ihres Stilmix sprechen, was beim gut aufgelegten Publikum zusehends auf offene Ohren zu stoßen scheint. Seinen Anteil dazu trägt natürlich Frontmann Dan bei, der mit Cowboy-Hut, Stiefeln und Jeansjacke keinen Südstaaten-Stereotyp auszulassen scheint. Stimmlich lässt der Shouter jedenfalls nicht anbrennen, auch wenn er den Klargesang in „Champions“ dann doch lieber seinem Kollegen Tyler an der Gitarre überlässt.

Die motivierten GIDEON kommen beim Publikum gut an, obwohl es musikalisch etwas eindimensional bleibt

blank

Spätestens hier scheint das Quartett endgültig angekommen zu sein, wie die unerwartet riesige Wall of Death zu belegen scheint. Allein die Crowdsurfer bleiben während der halbstündigen Performance eine gefährdete Spezies: Der einzige Vertreter sucht sich zum vergleichsweise melodischen „Take Me“ einen Weg nach vorn, bevor die vier Musiker mit „No Love/No One“ einen Schlussstrich unter einen soliden, wenngleich musikalisch etwas eindimensionalen Auftritt ziehen.

Fotogalerie: GIDEON


FIT FOR A KING

blank

Abwechslung gibt es dafür nur 20 Minuten später mehr als genug: FIT FOR A KING scheinen im Werk schon sehnlichst erwartet zu werden, so dicht gedrängt stehen die Fans nun vor der Bühne. Der Eindruck täuscht nicht, als sich die Anspannung kurz darauf entlädt und München plötzlich zum Pulverfass wird. Schon beim eingängigen „Breaking The Mirror“ herrscht allerorts Bewegung, bevor Sänger Ryan Kirby zum heftigen „Annihilation“ die Richtung vorgibt: Der folgende Circle Pit dreht sich ekstatisch, aber dennoch nur halb so schnell wie Bassist Tuck, der zwischen Dreh- und Sprungkicks auch in aller Regelmäßigkeit sein Instrument auf Flugreise schickt.

Die Intensität bleibt während des 40-minütigen Auftritts konstant hoch, auch weil FIT FOR A KING weder uns noch sich selbst eine Pause gönnen. Ansagen gibt es kaum, stattdessen geht es Schlag auf Schlag, wobei sich melodische Tracks wie der Singalong „Locked (In My Head)“ mit ungleich härteren Eskapaden à la „Eyes Roll Back“ in etwa die Waage halten. Die Begeisterung in der Halle scheint dabei auch vor dem sympathischen und stimmlich gut aufgelegten Frontmann nicht verborgen zu bleiben. Immerhin quittiert Kirby den Einsatz der Meute nach dem fantastischen „End (The Other Side)“ mit einer aufrichtigen Herz-Geste in Richtung Publikum.

Selbst FIT FOR A KING-Bassist Tuck kann ein breites Grinsen nicht verbergen

blank

Da gibt man im Backstage natürlich gerne Vollgas, obwohl der Sound heute nicht das Gelbe vom Ei ist. Die Snare zu laut, die Gitarren viel zu leise verlieren die Tracks mit nur einem Gitarristen etwas an Durchschlagkraft. Auf die Stimmung wirkt sich das glücklicherweise keineswegs aus, denn auch im Hit „The Price Of Agony“ springt man in der Arena ungebrochen enthusiastisch auf und ab. Da kann selbst ein unermüdlicher Performer wie Bassist Tuck, der in „When Everything Means Nothing“ selbst ein paar Zeilen Lead-Gesang beisteuern darf, ein breites Grinsen nicht verbergen. Den letzten Brecher „God Of Fire“ verbringt selbiger schließlich teils im Graben, teils auf den Händen der Fans. Stünde nicht noch ein Headliner auf dem Programm, wir hätten den Eindruck bekommen, FIT FOR A KING hätten das Backstage Werk komplett eigenhändig ausverkauft.

blank

FIT FOR A KING Setlist – ca. 40 Minuten

1. The Hell We Create
2. Breaking The Mirror
3. Annihilation
4. End (The Other Side)
5. The Price Of Agony
6. Locked (In My Head)
7. The Path
8. Eyes Roll Back
9. When Everything Means Nothing
10. God Of Fire

Fotogalerie: FIT FOR A KING


THE AMITY AFFLICTION

blank

Denken wir im Anschluss noch, wir wüssten nun, wie ein Zustand der absoluten Ekstase aussieht, müssen wir uns eine halbe Stunde später schon wieder korrigieren. THE AMITY AFFLICTION brauchen nur drei Töne, um das hiesige Backstage komplett zum Ausrasten zu bringen: Die einleitende Lead-Gitarre des Evergreens „Pittsburgh“ ist offenbar der Startschuss, alle Zügel loszulassen. Die Menge singt ab der ersten Sekunde jede Textzeile in ohrenbetäubender Lautstärke mit, Crowdsurfer segeln im Sekundentakt nach vorne und der Moshpit nimmt in „All My Friends Are Dead“ beängstigende Ausmaße an.

Würde man uns von diesem Spektakel nur berichten, hielten wir es wohl selbst für Übertreibung, doch die Hingabe der Fans ist an diesem letzten Tourtag tatsächlich beispiellos. Selbst wenn THE AMITY AFFLICTION mit „Drag The Lake“ ein wenig Tempo rausnehmen, findet man im Zentrum kaum einen Fleck, der still steht: Die Münchner:innen klatschen, singen, tanzen, sind ständig in Bewegung. Dabei ist es völlig einerlei, ob das Quartett auf der Bühne gerade mit Blasts bzw. der neuen Single „Show Me Your God“ den Härtegrad anschraubt oder eben seine gefühlvolle Seite in den Vordergrund rückt.

THE AMITY AFFLICTION lassen uns nur kurz zu Atem kommen, als Gitarrist Dan die Akustikgitarre zückt

blank

Zugegeben, Letztere ist uns auf Platte manchmal etwas zu rührselig und melodramatisch, wenn Ahren Stringers klare Singstimme im Refrain wieder arg dick aufträgt. Im Live-Kontext aber agieren die Australier deutlich härter als erwartet, indem der Bassist selbst Tracks wie „Like Love“ oder „Don’t Lean On Me“ durch gellende, fast schon schwarzmetallisch anmutende Screams anreichert. Das funktioniert im Übrigen auch im Verbund mit Fronter Joels typisch brutalen Shouts absolut hervorragend, insbesondere weil der Soundmix im Backstage beim Headliner endlich die richtige Balance gefunden hat.

Zu Atem kommen wir in der Folge nur zur Halbzeit, als Gitarrist Dan für „All Fucked Up“ kurzzeitig die Akustikgitarre auspackt. Gesungen wird der Track natürlich gemeinsam mit den Anhänger:innen, die jede Zeile bis zur letzten Silbe sicher rezitieren können – einzig beim Klatschen den Takt zu halten, offenbart sich so spät am Abend als ernstzunehmende Herausforderung. Vielleicht sind es aber schlicht die vielen Crowdsurfer, welche die Konzentration stören; groß ins Grübeln kommenwollen wir deshalb aber nicht, denn THE AMITY AFFLICTION reihen in der Zwischenzeit quasi einen Song an den nächsten.

Bei aller Ekstase bleibt das Gastspiel THE AMITY AFFLICTIONs ein kurzes Vergnügen

 

blank

Dass sich das Set fast ausschließlich auf die letzten zehn Jahre beschränkt – mit „Chasing Ghosts“ gibt es nur einen älteren Track vom gleichnamigen Drittwerk -, spielt derweil keine Rolle. Stattdessen gibt der Moshpit im finalen „Death’s Hand“ nochmal alles, bis sogar die Schuhe fliegen. Mindestens ein Exemplar scheint jedenfalls unfreiwillig den Besitzer gewechselt zu haben, falls wir die Gesten im Zentrum richtig deuten. Die Auflösung dieser Vermisstenmeldung müssen wir indes schuldig bleiben, denn nach kurzer Wartezeit kehren THE AMITY AFFLICTION doch nochmals für eine Zugabe zurück. „Soak Me In Bleach“ setzt schließlich den Schlusspunkt des 60-minütigen Auftritts, an dessen Ende die Band einen kurzen Einblick in ihre Gefühlswelt offenbart. „Ich liebe dich!“, lauten die letzten Worte in deutscher Sprache und an die Müncher:innen gerichtet – mit Akzent natürlich, doch dadurch freilich nicht weniger aufrichtig.

Ein Geständnis, das – zieht man die vergangene Stunde heran – offenbar auf Gegenseitigkeit beruht. Nur über die Dauer müssen wir im Nachhinein sprechen: Denn obwohl THE AMITY AFFLICTION keine Sekunde ungenutzt lassen und quasi das Maximum aus der Spielzeit herausholen, sind läppische 60 Minuten für einen Headliner-Auftritt schon ziemlich dürftig. Unglücklich scheint man derweil im Backstage Werk dennoch nicht: Es überwiegt die Freude, nach fast drei Jahren endlich wieder die Songs live erlebt zu haben, die nicht selten auch im Pandemie-Alltag zu treuen Begleitern wurden. Und wer so lange gewartet hat, der sucht natürlich auch nicht das Haar in der Suppe.

blank

THE AMITY AFFLICTION Setlist – ca. 60 Minuten

1. Pittsburgh
2. All My Friends Are Dead
3. Like Love
4. Drag The Lake
5. Shine On
6. Death is All Around
7. All Fucked Up
8. Ivy (Doomsday)
9. Show Me Your God
10. Don’t Lean On Me
11. Chasing Ghosts
12. I Bring The Weather With Me
13. Death’s Hand
—————————————–
14. Soak Me In Bleach

Fotogalerie: THE AMITY AFFLICTION

Fotos: Tatjana Braun (https://www.instagram.com/tbraun_photography/)

Veranstalter: Avocado Booking (Tour) / Backstage Concerts GmbH (lokal)

Aktuelle Empfehlungen des vampster-Teams

Cookie Consent mit Real Cookie Banner