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SKYND, KNIFE BRIDE: Konzertbericht – Technikum, München – 08.11.2023

Kann man mit lediglich einigen EPs und einer Handvoll Singles im Gepäck auf Headliner-Tour gehen? Zumindest für SKYND, die mit ihrem Genre-Cocktail Fans verschiedenster Stilrichtungen um sich scharen, erübrigt sich die Frage.

„Damn, my neck hurts!“ Was für den gemeinen Metalhead nach einer relativ vertrauten Feststellung am Morgen danach klingt, erfährt an diesem frostigen Mittwochabend im Münchner Technikum eine völlig andere, ungleich makabere Bedeutung. Das anonyme True-Crime-Duo SKYND hat sich im Rahmen ihrer Europatour angekündigt und sind dabei keine Unbekannten: Erst im Mai war die Band in der gegenüberliegenden TonHalle zu Gast, als man die amerikanischen Metalcore-Durchstarter ICE NINE KILLS begleitete.

Dass SKYND nun mit lediglich einigen EPs und einer Handvoll Singles als Headliner zurückkehren, mag ungewöhnlich erscheinen, ist auf den zweiten Blick aber keineswegs überraschend. Schließlich erreicht der eigenwillige Mix aus Industrial, Alternative und Electronic-Pop nicht nur hartgesottenes Metal-Publikum. Vielmehr fischt die Musik in so ziemlich allen Gewässern, wie das bunt gemischte Publikum in der kleinen, doch gemütlichen Halle nahelegt. Zwischen Horror-Make-Up und Band-Cosplay tummeln sich natürlich Teile der Alt- und Goth-Szenen, aber auch – auf den ersten Blick zumindest – eher unbescholtene Konzertgänger:innen.


KNIFE BRIDE

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All jene gleichermaßen ins Boot zu holen kann man also durchaus als Herausforderung sehen, gerade weil der Genre-Cocktail des Haupt-Acts als kleinster gemeinsamer Nenner doch so unterschiedliche Gäste anlockt. Dass die Briten von KNIFE BRIDE gerade einmal eine halbe Stunde Zeit haben, die ob der winterlichen Temperaturen ausgekühlten Münchner:innen vorzuwärmen, macht die Sache dabei nicht einfacher.

Exakt das ist in den ersten Minuten auch zu spüren, obwohl sich das Quintett schon beim Opener „Sacrifice/Surrender“ ins Zeug legt: Trotz beengter Platzverhältnisse schwingt Lauren Wise hinter dem Sampler die Hüften, während Gitarrist Sean Windle auf der gegenüberliegenden Seite vollen Körpereinsatz zeigt. Ein wenig wirkt es gar so, als spielten KNIFE BRIDE mit aller Macht gegen die leicht widrigen Umstände an: Die spärliche Lichtuntermalung lässt Teile der Formation über weite Strecken im Dunkeln, was die Bindung zum mittlerweile halb gefüllten Technikum natürlich schwerer macht, als es sein sollte.

KNIFE BRIDE haben mit den Rahmenbedingungen zu kämpfen

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Da der basslastige und matschige Soundmix darüber hinaus die Samples nahezu komplett verschluckt, kommt auch atmosphärisch nur wenig in der Halle an: Zwar spendet die bayerische Landeshauptstadt höflich Applaus, Bewegung will vor der Bühne trotz groovender Nu-Metal-Riffs in „Grenade“ sowie knackiger Breakdowns aber erst im abschließenden „Permanent Smile“ einkehren. Einen Vorwurf machen können wir KNIFE BRIDE derweil nicht. Es sind wohl primär die Rahmenbedingungen, die dem Alternative- / Melodic Metalcore-Mix um die motivierte Sängerin Mollie Buckley heute Abend einen Strich durch die Rechnung machen.

Fotogalerie: KNIFE BRIDE


SKYND

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Mit derlei Problemen muss sich der Headliner natürlich nicht herumschlagen, obwohl wir zwischendurch schon das Schlimmste befürchten: Minutenlanges, bisweilen ohrenbetäubendes Dröhnen lassen so manchen Fan während des Changeovers erst an der Technik und schließlich am eigenen Verstand zweifeln, bevor sich jegliche Sorge um Punkt neun doch in Wohlgefallen auflösen soll. Der Klang im Technikum ist glasklar, die nun komplett freigelegte Bühne eine stimmige Kulisse für das folgende Gruselkabinett: Während im Hintergrund Schlagzeug und Synthesizer das schlichte Setdesign einrahmen, wird der vordere Bereich zur Spielwiese für Frontfrau Skynd, die im Laufe der Show auch jeden Zentimeter zu nutzen weiß.

Zunächst aber eröffnet das Kollektiv den Abend in zurückhaltender und bedeutungsschwangerer Weise: Mit der charakteristischen Stimm-Modulation der Band kriecht „Richard Ramirez“ zum Auftakt unheilvoll nach vorne, um im Refrain dann erstmalig zu explodieren. Zu beschwingten Piano-Akkorden und einem sägenden Bass demonstriert Sängerin Skynd erstmals ihre gesamte Stimmgewalt, welche sich in kraftvoller Gestik und ausdrucksstarker Mimik widerspiegelt.

SKYND faszinieren das Technikum mit ihrem audiovisuellen Konzept

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Keine Frage, das audiovisuelle Konzept SKYNDs ist gerade im Live-Kontext für einen nicht geringen Teil der Faszination verantwortlich, welche das Publikum quasi im Handumdrehen ergreift. Mit verstörendem Make-up, dem markanten Kopfschmuck und einer zugehörigen Performance bleibt die Musikerin zu jeder Zeit fest in ihrer Rolle, selbst wenn sie die makaberen Texte in „Jim Jones“ oder dem eindringlichen „Michelle Carter“ durch eine dezente Choreografie zu untermalen weiß.

Dass das Duo dabei mit zusätzlichem Live-Schlagzeuger arbeitet, aber um Backing Tracks nicht komplett herumkommt, liegt in der Natur der Sache: Zum Vorwurf machen will das im Technikum heute niemand, zumal sich SKYND bemühen, selbst rhythmische Feinheiten – wo möglich – durch live gespielte Drumpads wiederzugeben. Die impulsiven Streicher in der noch unveröffentlichten Single „Aileen Wuornos“ oder die eine oder andere zusätzliche Vocal-Spur in „John Wayne Gacy“ nehmen wir da gerne auch vom Band in Kauf, zumal der Gesang vor allem in den packenden Refrains über jeden Zweifel erhaben ist. Auf diese Weise geht natürlich auch das eingangs erwähnte Zitat der aktuellen Single “Bianca Devins” besonders unter die Haut – trotz oder gerade aufgrund des entsetzenerregenden True-Crime-Kontexts.

Neben einem neuen Song präsentieren SKYND nahezu ihr komplettes Werk

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Obwohl SKYND im Verlauf der Show auf reguläre Ansagen und nähere Ausführungen verzichten, bleiben die Hintergründe der besungenen Morde nicht gänzlich unkommentiert: Gesprochene Intros im Stil klassischer TV-Berichterstattung versorgen die Menge zwischen den Stücken mit einigen Informationshäppchen, um den schaurigen Inhalt der Stücke nicht gänzlich in den Hintergrund zu drängen. Der ohrenbetäubende Beifall in den Pausen gilt dagegen allein der Band, welcher es in der zweiten Hälfte gelingt, mit den groovenden „Columbine“ sowie „Tyler Hadley“ weite Teile der Halle zum intensiven Training der Nackenmuskulatur anzuregen. Klar, dass es sich angesichts dieser Bilder selbst Bassist Father nicht nehmen lässt, sein Podest im Hintergrund in Richtung Bühnenrand zu verlassen.

Den vorgezogenen Höhepunkt runden SKYND schließlich mit dem gespenstischen wie atmosphärischen „Gary Heidnik“ ab, bevor nach rund 70 Minuten doch die Maske für einen Augenblick fällt: „Thank you and good night!“, heißt es kurz, aber aufrichtig in Richtung der bayerischen Landeshauptstadt, die sich vom grausigen wie vereinnahmenden Konzept der Band gerne hat gefangen nehmen lassen. Dass es keine Zugabe gibt, erklärt sich dagegen mit Blick auf die Diskografie: Mit Ausnahme eines Songs präsentierten uns SKYND heute ihren kompletten Backkatalog, dessen Hitformel uns wohl auch Morgen noch in bester Erinnerung bleiben wird, wenn vielleicht nicht unser Hals, aber definitiv der Nacken schmerzen wird.

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SKYND Setlist – ca. 70 Min.

1. Richard Ramirez
2. Elisa Lam
3. Michelle Carter
4. Robert Hansen
5. Bianca Devins
6. Aileen Wuornos
7. Armin Meiwes
8. Jim Jones
9. John Wayne Gacy
10. Chris Watts
11. Columbine
12. Edmund Kemper
13. Tyler Hadley
14. Gary Heidnik

Fotogalerie: SKYND

Fotos: Tatjana Braun (https://www.instagram.com/tbraun_photography/)

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