ROADBURN 2009: Festival-Quickie

Nachdem das ROADBURN FESTIVAL bereits nach 45 Minuten ausverkauft war, wurde der Besuch vieler Fans leider nur zu einem unerfüllbaren Traum. Nun denn, die Wege des Doom sind unergründlich, und so war uns zumindest der Besuch am Freitag gesichert.

Nachdem das ROADBURN FESTIVAL bereits nach 45 Minuten ausverkauft war, wurde der Besuch vieler Fans leider nur zu einem unerfüllbaren Traum. Da nach kurzer Zeit auch schon Haufenweise Tickets über die bekannten Onlinebörsen zu natürlich unmenschlichen Preisen zu bekommen waren und das ROADBURN trotzdem rappeldickevoll war, so dürfte sich so manches A….loch ganz geplant ein dickes Urlaubsgeld eingefahren haben. Nun denn, die Wege des Doom sind unergründlich, und so war uns zumindest der Besuch am Freitag gesichert.

Eingeleitet wird der Tag ganz slow mit einem 20km-Stau, sodass es gerade noch reicht, ANGEL WITCHs Angel witch mitzusingen. Der große Saal ist gut am Kochen, die Herren um Kevin Heybourne haben offensichtlich gut abgeliefert. Der anschließende Bummel durch das Tilburger 013 mit vielen vertrauten Gesichtern zeigt dann wieder ein typisch holländisches Ambiente. Alles ist irgendwie zu klein, zu wenig Platz überall, und trotzdem passt alles und die Stimmung ist trotz dem Gewusel unterschiedlichster Freunde harter Sounds immer locker und fröhlich. Überall gibt es Bars und Essen, hier werden auch die Veganer und Vegetarier gut versorgt. Zudem hat der Kulturkomplex 013 überall Toiletten, sodass stundenlanges Anstehen erspart bleibt. Letztendlich ist man ja mitten in der Stadt und mal eben in die Büsche gehen ist hier nicht möglich. Amüsant bis sonderbar: Tabak rauchen darf man hier nicht, das Verbrennen bewusstseinserweiternder Kräuter hingegen ist erlaubt. Wenn es also überall dampft und qualmt, dann ist man als stiller Teilhaber schon irgendwann etwas stoned, genießt den süßlichen Duft und ist permanent in der passenden Stimmung für dieses Festival. Die sonst auf Festivals überall herumliegenden Alkoholleichen findet man hier hingegen nicht.

ROADSAWDas Widersehen mit alten Bekannten sorgt dann für Verwirrung. Von den Schweinerockern ROADSAW, mit denen man mal die Bühne geteilt hat, sind nur noch Basser Tim und Gitarrist Darryl an Bord. Der nette Plausch mit Drummer Jeremy im Merchandisehaus auf der anderen Straßenseite zeigt einen gepflegten, wohlerzogenen Knaben, der… ja, dann bei der Show nicht Widerzuerkennen ist. Im kleinen Bad-Cave entert die Band aus Massachusetts/USA die Bühne, und hinter dem Schlagzeug sitzt nun ein entfesseltes Tier. Allein Jeremy zuzuschauen lässt schon die noch erträgliche muffige Luft in dem kleinen Raum vergessen, herrlich, wie er sein Kit wild verprügelt. Die Band haut ihren dreckigen, puren Rock`n´Roll raus und sorgt sofort für Stimmung. Sicher werden viele schnell den Stoner-Stempel rausziehen, was bei dem fuzzy Sound und der staubigen Grundstimmung auch nicht unpassend ist. Aber irgendwie haben die Herren ROADSAW weitaus dickere Eier als viele ihrer Wüstenkollegen. Dazu passt auch Sänger Riggs, der mit den schmutzigen Texten als Trucker genauso durchgeht wie als Cowboy oder Saloonproll und weitaus mehr Dreck in die Songs bringt als sein Vorgänger Graig, der dafür wiederum etwas mehr Charme und Melodie rüber brachte. ROADSAW treten mächtig in die Weichteile, bringen die immer zahlreicher werdenden Leute im Cave in Bewegung, selbst nebenan die durchgepiercte düstere Gothic/Blackie-Mieze hottet hemmungslos ab. Die Songs kommen von den letzten beiden Alben Rawk n´ Roll und Takin´ out the trash, als man auch alte Schinken wie Black flower auspackt drücken wir uns bereits aus dem nun prall gefüllten Bat Cave, um auch was vom anderen Programm mitzunehmen. Dabei ist man treppauf/treppab unterwegs, alle Wege führen irgendwie irgendwo hin, nur nicht dorthin, wo man hin will.

So streift man mehrmals die Japaner MONO, die mit ihrem psychedelischen, erzählendem Soundgewand den großen Saal zum Abheben und vertieften Zuhören bringen. Egal, wie oft man wieder vorbei kommt, es steht immer noch oder wieder der gleiche endlose Ton im Raum und man schwebt in Sphären fernab dieser Welt, ist allein vom Sound schon stoned. Die Zeit am Grünfutterstand verschönen kurz THE OUTSKIRTS OF INFINITY im mittelgroßen Green Room. Der JIMI HENDRIX trifft CREAM-Sound der Briten ist durchaus nett, fesselt aber nicht genug, um nicht im Namen des Doom Weiterzuziehen.

CATHEDRALNun denn, CATHEDRAL steigen überraschend mit Blaster caster ein und haben den großen Saal sofort im Griff. Also alles Bestens? Für fanatische Fans durchaus, die sich mit der rosaroten Fanbrille den Sound der Engländer hingeben. Sehr cool: statt mit einem Programm voller Hits die Mainstage mit flottem Hippie-Doom zum fröhlich dröhnenden Partyplatz zu machen, ziehen die Herren lieber einen Haufen freakiger Lavasongs aus dem Hut, machen es den mit diesem Sound weniger Vertrauten schwer und beglücken die echten Fans. Man drückt Melancholy emporer aus den Boxen, Empty mirror, lädt mit North Berwick witch trails zum Tanze. Der Fokus liegt auf dem letzten Album The garden of unearthly delights, das immerhin auch schon bald fünf Jahre alt ist. Wie gehabt macht es Spaß, dem Stageacting von Frontmann Lee Dorrian zuzuschauen. Sein Getänzel hat immer wieder was unfreiwillig Lustiges, seine Stimme ist, nicht immer garantiert, heute voll da. Leider zeigt sich Herr Dorrian nicht bei bester Laune, kann das aber recht gut verpacken. Anders sieht es bei den Kollegen aus, Spielfreude hat man schon mal anders kennen gelernt, auch bei dieser Band. Basser Leo Smith und vor allem Drummer Brian Dixon wären offensichtlich lieber zuhause geblieben, während Dorrian und Gary Jennings an seiner Gitarre ihre kleinen Kämpfe deutlich ausfechten. Während Dorrian es sich nicht verkneifen kann, immer wieder kleine bis überdeutliche Pöbeleien zur Seite zu schicken, wehrt sich Jennings, indem er nach jedem Song die beiden Amps noch etwas aufdreht. Dass er dies nicht für sich selbst macht ist offensichtlich – er selbst steht die ganze Show über soweit seitlich, dass der Bühnensound ihn eh nicht erreicht. Nein, hier zuzuschauen macht keinen Spaß. Das wissen auch CATHEDRAL, und so gibt es als Hintergrund einen früh-70er Horrorfilm Richtung Nacht der reitenden Leichen. Hier wird stumm geschrien, theatral gestorben, wenn CATHEDRAL dröhnen und im Hintergrund erheben sich die Kuttentragenden Skelettmonster aus ihren Gräbern, dann vergisst man schnell die schlechte Stimmung auf der Bühne. Die Engländer zeigen hier wieder deutlich, dass sie als Band schon lange nicht mehr funktionieren, sondern nur in ihren Songs bestehen können. Da sind sie immer noch einzigartig und das haben sie wieder lautstark unter Beweis gestellt. Als Fan wurde man gut bedient, als kritischer Beobachter bleibt ein fahler Nachgeschmack.

SAINTDas ist aber schnell vergessen, die Vorfreude auf SAINT VITUS ist natürlich viel zu groß, um sich weiter über Zickereien anderer Leute aufzuregen. WINO lief uns vorher bereits über den Weg, war aber vom permanenten Meet-and-Greet sichtlich genervt und überfordert, sodass wir ihn in Ruhe ziehen lassen. Als die Doom-Pioniere dann die große Bühne betreten ist sofort eine euphorische Stimmung im Saal, die durchaus vorhandene Skepsis geht unter im Abfeiern dieser Legende. Natürlich gibt es Gassenhauer, die man als Klassiker bezeichnen muss wie Living backwards oder I bleed black, die im Saal entsprechend gnadenlos abgefeiert werden. Natürlich sind die Augen zum Einen auf Scott Wino Weinrich (WINO, SPIRIT CARAVAN, THE OBSESSED) gerichtet. Der fühlt sich definitiv hinter seiner Gitarre wohler, wirkt hier als reiner Sänger etwas verloren und unglücklich. Dafür ist er gut bei Stimme und seine anfängliche Unzufriedenheit weicht dank der Reaktionen des Publikums zumindest immer mehr einem zufriedenen Gesichtsausdruck. Anders Dave Chandler (DEBRIS INC.), der schon dafür sorgt, dass alle Blicke auf ihn gerichtet sind. Fernab der Bühne ein höflicher, absolut freundlicher Geselle, präsentiert er sich auf der Bühne als Derwisch. Optisch passend genauso auf einer Flower-Power-Demo, als Waldschrat und Catweazle-Kumpel oder als hasse mal´n Euro-Opa im Stadtpark, lässt er auf der Bühne die Sau raus und sich selbst feiern. Kann er auch, seine Bühnenpräsenz ist beeindruckend, ebenso seine Grimassen und wirren Gesten. Dazu haut er Riffs für die Ewigkeit aus seiner SG, denen man sich nicht entziehen kann. Dazu gehört auch sein ganz eigenes Solo-Spiel, dass man so nur diesem Mann abnehmen kann. Zugegeben wieselflink beschrubbt er seine Saiten in einem rauschenden Endstellung Wahwah durch den Flanger gejagt-Schrammelsound, der für erkennbare Tonfolgen keinen Platz lässt. Das bietet er mit soviel Inbrunst und kranker Leidenschaft, dass man alles Musikerdenken ablegt und diesen Krach begeistert abfeiert.

SAINTIm Vergleich zu vorherigen Reunionshows greifen SAINT VITUS zudem tief in die Schatzkiste und ziehen Songs heraus, die man so nicht auf seiner Liste hatte. Wer rechnet schon mit einem Walking dead, klasse! Hier gibt es ein je nach Empfinden doofes bis fantastisches (siehe oben) Gitarrensolo und als Krönung noch ein sehr belangloses und dafür viel zu langes Drumsolo von Armando Acosta. Der hat deutlich Babyspeck abgelegt, versteckt sich hinter einem viel zu großen Drumkit. Basser Mark Adams wirkt anfangs recht verloren auf der großen Bühne, findet aber immer mehr in die Show und tänzelt und lächelt im Verlauf des Gigs immer mehr vor sich hin und findet seinen eigenen Spaß an dem Gig. Den hat auch das Publikum, es wird gefeiert, gesungen, gejubelt. So muss man dann noch mal raus zur Zugabe, unter anderem mit der Bandhymne Saint vitus. Schön, dass man dann noch mal für eine weitere Zugabe zurück kommt, um einen für die Fans sofort erkannten, für die Band erst im Laufe des Sets gelungenen Höhepunkt des Tages abzuschließen.

Trotz aller Euphorie muss man doch versuchen, schnell in den Green Room zu gelangen für einen weiteren zu erwartenden Höhepunkt. Immer noch mit Dank an unseren Captain für seinen Tipp The wake, beginnt hier SCOTT KELLY seine Seelenreise. Da steht er nun, the guy and his guitar, ganz allein und ohne Schutz und Versteckmöglichkeit, menschlich nackt auf der kleinen Bühne. Es braucht keine Minute, und der Raum wird nur noch erfüllt von SCOTT KELLY, der die ROADBURN-Show von NEUROSIS ebenso wie Kollege STEVE VON TILL nutzt, um sich abseits der lauten Klänge ihrer Band zu präsentieren. Im Publikum herrscht nahezu komplett Stille, die befreite, lockere Stimmung des Festivals weicht aus den Gesichtern, man fühlt sich verletzt von den Worten SCOTT KELLYs, weil sein Schmerz, den er spürbar weitergibt, in jedem einzelnen Anwesenden vorhanden ist. Was auch immer Du erlebt hast, was immer Dich verletzt hat oder in Trauer versetzte, hier kommt es hervor, ohne Gegenwehr, ohne Scheu, die Atmosphäre im Green Room gleicht einem Pool aus persönlichen und gemeinsamen Schatten, bis heute verborgen, hier aber greifbar und spürbar. Sucht man den Begriff Intensität in der Musik, dann hätte man hier sein sollen. Es bedarf keiner großen Arrangements und Bombastsound, the guy and his guitar is here! Immer wieder geht die Tür auf und es geht Entrüstung durch die Zuhörer, wenn kurz der Sound von OMEGA MASSIF aus dem Bad Cave herüber dröhnt. KELLY möchte, dass die Band mal `ne halbe Stunde Ruhe gibt, aber keiner mag rüber gehen und das klären, um dadurch hier etwas zu verpassen. Wie kann man gehen, wenn dort dieser Mann ganz allein auf der Bühne steht, seine Gefühle offenbart und mit The ladder in my blood, Figures und The searcher (Gänsehaut!) zu Tränen rührt. Der einzige Grund, hier zu gehen, ist der anstehende 4-Stundenritt nach Hause, den man nicht erfüllt von Schwermut und Seelenleid antreten möchte.

Die Hoffung, noch etwas von OMEGA MASSIF mitzubekommen, weicht dann sehr schnell Ernüchterung. Der Bat Cave ist dermassen vollgestopft, dass man nicht mal um die Ecke schauen kann zur kleinen Bühne. Das ist mehr als verständlich, für mich waren die Würzburger ein persönlicher Höhepunkt auf dem DOOM SHALL RISE am letzten Wochenende. So sieht man dann noch mal zur Mainstage, um sich die Münchner COLOUR HAZE zu gönnen. Die sorgen gerade mit Moon erfolgreich für Gänsehaut. Es ist schon fantastisch, wie die Jungs ihre eigentlich recht kopflastige Musik in einen relaxten Hippie-Sound verpacken und so für ein herrliches Psychedelic-Flair sorgen, dem man sich nicht entziehen kann. Ha, eindeutig und witzig, wie viele Leute das Ende des Songs nicht kennen und von den vielen Stop-and-Goes irritiert sind. Das bestätigt Aquamaria noch mal deutlich: solange wir Bands mit soviel Musikalität haben in unserer Heimat, da brauchen wir uns trotz irgendwelcher platten Castingstars nicht um Musik Made in Germany zu sorgen. High vom Sound von COLOUR HAZE entschweben wir in die Nacht Richtung Heimat.

Fotos: WOSFrank

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