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Metalstorm-Festival, Oberhausen, Schilda Halle, 19.05.2001

Die Zeichen standen auf Sturm. Auf Metallsturm sozusagen, denn Metalstorm.de hatte zum Angriff geblasen und gleich elf Bands verpflichtet, um sich selbst und den Heavy Metal zu feiern. Die Auswahl war spitze, der Ort, ein privates Theater mit einem Volumen von etwa 400 Leuten, perfekt und auch sonst gab es nichts zu meckern…

Die Zeichen standen auf Sturm. Auf Metallsturm sozusagen, denn das zweitbeste Internetmagazin für metallische Musik, metalstorm.de, hatte zum Angriff geblasen und gleich elf Bands verpflichtet, um sich selbst und den Heavy Metal zu feiern. Die Auswahl war spitze, der Ort, ein privates Theater mit einem Volumen von etwa 400 Leuten, perfekt und auch sonst gab es nichts zu meckern. Bis auf die Tatsache natürlich, dass meiner Wenigkeit kotzübel war, ich Halsschmerzen hatte und spätestens auf der A42 kurz vor dem Kreislaufkollaps stand. Wie durch ein Wunder jedoch schaffte ich es, meine Begleiter und mich nach Oberhausen zu kutschieren (obwohl ich meinen verehrten Mitfahrer durch waghalsige Aktionen wie das dreiste Durchqueren einer Busspur fast zur Raserei gebracht hatte). Dort angekommen wurden wir von Metalstorm-Chef Tequila zunächst freundlich mit einem boshaften Scherz („Die Reiter haben abgesagt!“) begrüßt, was jedoch niemandem die gute Stimmung (und mir den Brechreiz) vermiesen konnte. Aber ich musste die Reiter sehen! Nur deshalb war ich gekommen! Na gut, nicht nur deshalb, aber Reitermania live – das ist ein Erlebnis, das man nicht versäumen darf. Warum, erfahrt ihr später.

Zunächst standen also

WITCHTOWER,

eine unbekannte Demo-Band, auf der Bühne, und sie verstanden ihren Job als Anheizer recht gut. Ordentlich geknüppelten Death/Thrash skandinavischer Prägung gab es zu hören und sorgte bereits für einige fliegende Matten in der leider nur spärlich gefüllten Halle. Die Band hatte das Privileg hier zu spielen, bei einem Wettbewerb erkämpft und machte das beste draus. Namen merken!

Danach kam ein Tier auf die Bühne. Groß, kräftig und langhaarig versprach der Anblick des Sängers von

DOWNSTROKE

bereits exzellentes Geprügel. Und das gab es dann auch. Death Metal der alten Schule, erste „Zugabe“-Rufe und ein begeistertes Publikum – Sieg auf der ganzen Linie. Meine Sympathien hatte die Band spätestens beim gitarrenstimmbedingten Zwischenstopp mit gegrunzter „La Bamba“-Einlage – der erste Vorgeschmack auf die bevorstehende Reitermania?

NINNGHIZHIDDA

enterten daraufhin die Bühne und versuchten, sehr mystisch zu wirken, was ihnen mit ihrem symphonischen Black Metal auch ganz gut gelang, wenn auch die schwarzen, langen, dicken, sehr warmen Ledermäntel in einer stickigen Halle nicht so ganz passend erscheinen mochten… wie dem auch sei, die Band mit dem unmöglichen Namen erspielte sich einige Sympathien, hat jetzt offenbar auch endlich einen Deal und wird bald ein Album veröffentlichen. Mitten im Gig kam übrigens Tequila zum Sänger und raunte ihm etwas zu. Die darauf folgende Ansage des finsteren Black Metallers – „Scheiße, Bayern is Meister“ – wollte irgendwie nicht so ins mystische Flair der Musik passen… aber egal. Übrigens, nach dem Konzert wurde meinen Mitfahrern und mir ein weiteres NINNGHIZHIDDA-Live-Konzert geboten: die Jungs standen mit ihrem Auto direkt neben uns und verbreiteten mit Unmengen von König Pilsener sowas wie Festival-Atmosphäre und in mir den Wunsch, betrunken und gesund zu sein. Beide ging nicht, und so hielt mich nur die Aussicht auf das bevorstehende Reiter-Konzert auf den Beinen…

Vorerst jedoch wurde es wahrmetallisch.

WIZARD,

die für STORMWARRIOR auf das Billig gesprungen waren, verbreiteten weit mehr als nur einen Hauch von MANOWAR-Atmosphäre. Bei einem Song wie „Defenders Of Metal“ („Defenders of Metal – fight and kill! Defenders of metal – kill with steel!“) MUSSTE einfach Partystimmung aufkommen; und so war es dann auch. WIZARD machten wirklich ausgezeichnet Stimmung, und auch wenn sich hier mal wieder das frauenfeindliche Idol des wahren Wahrmetalls (Zitat: „No Tits – No Music“) deutlich wurde – so richtig gestört hat das nicht mal mich, zu beschäftigt war ich immer noch mit der Vorfreude auf die einzig wahren Reiter…

Die jedoch ließen immer noch auf sich warten. Auf WIZARD folgten nämlich

REPRESSION,

eine alte Hard Rock-Combo, die zwar gute Musik machte, irgendwie aber kaum jemanden vom Hocker reißen konnte. Offenbar waren wirklich die meisten wegen Knüppelbands gekommen, und so bot sich in der Halle ein sehr leerer Anblick. Das störte die alten Hasen aber nicht, die mit Feuereifer bei der Sache waren und wirklich das letzte aus sich herausholten. Tequila jedenfalls war begeistert. Keep on rocking!

DARK AGE

boten danach einen ersten wirklichen Höhepunkt des Festivals aus meiner Sicht. Ihr eigenständiger, sehr melodischer und ungemein mitreißender Dark Metal füllte die Halle in nullkommanichts und verwandelte sie wieder in eine Art Vorstufe zum bald folgenden Reitermania-Inferno. Besonders auffallen konnte hierbei der Leaditarrist, der einige exzellente Soli abzog und deshalb sogar einen meiner normalerweise nur wahrmetallischen Freunde zu begeistern wußte. Super Auftritt, der mich sehr neugierig auf das Album der Jungs gemacht hat!

ADORNED BROOD

bliesen uns danach einen.

Mit der Flöte natürlich! Meine Güte, was ich wieder denke… tut hier nichts zur Sache. ADORNED BROOD ließen das Publikum in mittelalterlichen Harmonien schwelgen, verzauberten die anwesenden Lang- und Kurzhaarigen mit ihrem hochmelodischen Pagan Metal und bewiesen erneut, dass sie nicht nur auf Platte zu den besten ihres Genres zählen. Erneut kochte die Stimmung hoch, und man durfte mit „Die Wiederkehr“ sogar eine Zugabe spielen. Schade aus meiner Sicht war nur, dass man nicht „Mighty Swords“ gespielt hat – dazu hätte ich mir die Rübe vom Kopf gehobelt. Gut, das tat ich ohnehin mittlerweile, unbeachtet meiner Übelkeit und meiner Nackenschmerzen. Aber wie war das noch, Indianer kennen keinen Schmerz? Und außerdem war da ja noch die Reitermania… wir hatten übrigens inzwischen Dr. Pest und Sir G. auf dem Gelände gesichtet, letzterer mit… mit… BANDAGIERTEN ARMEN!!!! Ob das ein Hindernis sein konnte für das Inferno? Man war gespannt…

NIEDERSCHLAG

sorgten danach dafür, dass man sich auch mal ausruhen konnte. Wie ein Blick in die Halle bestätigte, wollte wirklich kaum einer diese Band sehen – irgendwie passten die aber auch überhaupt nicht hierher. Deutschsprachiger, moderner Metal zwischen ADORNED BROOD und GODDESS OF DESIRE? Nein, das mußte einfach als Pause gedacht sein… und die machten wir dann auch. NIEDERSCHLAG bemühten sich zwar, aber sie passten einfach nicht aufs Billing. Schade drum.

GODDESS OF DESIRE

Ja, was soll man dazu noch schreiben? Musikalisch IMO eine Katastrophe (wenn auch gut zum Moshen), showtechnisch einsame Spitze. Und wäre ich fit gewesen, wäre ich sicherlich auch richtig abgegangen – so jedoch blieb mir nur das fassungslose Staunen bei dieser Feuer-, Titten-, Kostüm- und Metal-Show, die wirklich alle Klischees bediente, die ich mir nur irgendwie vorstellen konnte. Drei Langhaarige in Fellpanzern und -höschen, mit Schwertern und Gitarren, zwei leichtbekleidete Frauen, alle irgendwie am Feuerspucken… Ich weiß nicht, ob die sich wohl in der Kabine insgeheim ins Fäustchen lachen und Hip Hop hören? Kann soviel Klischee ernst gemeint sein? Oder ist das jetzt einfach Kunst? Wahrscheinlich letzteres. Wie dem auch sei, GODDESS OF DESIRE wurden frenetisch bejubelt und abgefeiert, man spielte zwei Zugaben und verließ dann für

NIGHT IN GALES

die Bühne. Mittlerweile war es tiefe Nacht, alle waren müde, und nur noch die Aussicht auf die Reiter hielt uns wach. Daran lag es dann wohl auch, dass die Halle bei NIGHT IN GALES relativ leer war und keiner noch wirklich abging. Alle hatten sich offenbar bei GODDESS OF DESIRE so richtig ausgetobt und hatten jetzt schlichtweg keinen Bock mehr – und ich, gezeichnet von Krankheit und Wahnsinn, hatte sowieso die Schnauze voll und lief nur noch „Die Reiter kommen, die Reiter kommen“ stammelnd durch die Gegend. NIGHT IN GALES allerdings ließen sich davon nicht beirren, zogen routiniert ihre energiegeladene Show ab und spielten ausgezeichnet. Angesichts des mageren Applauses fragte der Sänger dann: „Sind wir so scheiße oder ihr so müde?“ und ich kann versichern: Wir waren so müde.

Dann war es soweit. Die Spannung wuchs ins Unerträgliche.

DIE APOKALYPTISCHEN REITER

kamen auf die Bühne.

Mein Herz setzte aus.

Mir wurde schwindelig.

Ich starb.



Nun ja, nicht ganz. Eigentlich begann ich nur, wie ein fünfzehnjähriges Teenie-Mädchen zu schreien. Aber das machte die Sache auch nicht besser. Denn SIE kamen auf die Bühne und – bauten das Schlagzeug ab. Und jetzt kann ich ja endlich sagen, was ich schon von Anfang an gewußt hatte – Sir G. hatte eine Armentzündung in beiden Armen und konnte deshalb nur mit den Füßen spielen. Aber die REITER wären nicht die REITER, wenn sie einfach absagen würden – nein, die REITER betraten (durch eine hölzerne Standuhr) die Bühne (dekoriert mit eben jener Uhr, einem uralten Fernseher, einem Kleiderständer und einer Kaffemaschine mit kaltem Kaffee), und Eumel rief: „Herzlich willkommen!! DIE REITER SIND DA! – aber wir können nicht spielen.“

Stattdessen trommelte man. Eumel und Dr. Pest trommelten, Volkmar zupfte grinsend den Bass, und Sir G. spielte Bass-Drum, grinsend. Dann schrie Eumel: „ICH WILL EUCH BRÜLLEN HÖREN!“ Und als sei es gestern gewesen, höre ich noch den Schrei:

„AAAAAAARRRRRGGGGGHHHHAAAAARRRRRRGGGGHHHHHHLLRRRRAAAAAHRRRRGGGHHHH!!!

Das nur als kurzer Eindruck. Die Reitermania nahm ihren Lauf, unaufhaltsam, NICHTS kann diese Flut stoppen, NICHTS diese Macht vernichten. Es war ein Happening. Erneut Eumel: „WOLLT IHR SAUFEN???“ Oh ja, das wollten wir – ich durfte nicht, aber was soll´s, hab trotzdem mit ihnen angestoßen, denn sie hatten uns, den Fans, eine Kiste Bier spendiert. Aber damit war des Wahnsinns es noch nicht genug – die Fans durften trommeln! Und Gitarre spielen, während Volkmar es sich auf einem Sessel bequem machte und Kaffe trank. HEAVY METAL, liebe Freunde, DAS IST HEAVY METAL! Oh ja, ich bin froh, dieses Ereignis miterlebt zu haben. Ein Happenning mit den REITERN, ein apokalyptisches Inferno ohne Snare-Drum und Becken, dafür aber „Metal Will Never Die“ in einer umso enthusiastischeren Version, gegröhlt aus -zig Kehlen, ins Mikro, das Eumel ins Publikum schmiss. Nach einer halben Stunde war der Spuk vorbei, er endete mit einer Fanversammlung auf der Bühne und einer netten Ansprache betrunkener Wahnsinniger (Zitat: „Ich weiß nicht, was für Pilze die Reiter heute zu sich genommen haben, aber man kann sie, glaub ich, nur weiterempfehlen!“). Und mit diesen Worten und dem Gedanken an ein unvergeßliches Erlebnis im Herzen möchte ich diesen Bericht schließen, mich selbst, der ich dank der Kraft, die mir die ultimative Reitermania verliehen hat, heile nach Hause gekommen bin, erschießen (mittels Alkoholika und/oder Antibiotika, vielleicht aber auch nur mit einer schönen Reiter-CD), und, schließlich, mich freuen auf den Auftritt der Reiter in Wacken – mal schaun, was uns da erwartet. REITERMANIA!!!

P.S.: Noch ein paar abschließende Worte zum Festival: Es waren defintiv zu viele Bands. Drei weniger hätten es auch getan. Ansonsten jedoch ein gut organisiertes und sehr spaßiges Ereignis, das ruhig seine Wiederholung finden muss. Bis dahin.


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