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IMMINENCE, NOVELISTS FR, PORT NOIR – Backstage Werk, München – 11.05.2022

Nur wenige Tage nach ihrem Akustik-Stopp in der Matthäus Kirche bringen IMMINENCE endlich ihr aktuelles Album “Heaven In Hiding” ins Münchner Backstage. Mit dabei sind die schwedischen Alternative-Rock-Innovatoren PORT NOIR und die Prog-Metalcore-Formation NOVELISTS FR, die beide ebenfalls neues Material im Gepäck haben.

Keine zwei Wochen ist es her, da haben IMMINENCE in der Münchner St. Matthäus Kirche mit einem Akustik-Set ihre bislang größte Headliner-Show gespielt. Dass es die Schweden innerhalb von wenigen Tagen nun erneut in die bayerische Landeshauptstadt verschlägt, ist natürlich der Pandemie geschuldet: Nach mehreren Verschiebungen und Neuterminierungen bot sich für beide Tourneen eben das Frühjahr 2022 an. Und wo man schon ein paar Tage zuvor einen Rekord feiern durfte, ist die nächste Bestmarke nicht weit: Auf ihrer Album-Release-Tour bespielen IMMINENCE mit dem Werk erstmals die größte der drei Backstage-Hallen, die an diesem schwülen Frühlingsabend zwar Schutz vor der Sonne, allerdings kaum vor den brütenden Temperaturen bietet, welche sich auch innerhalb der Location bemerkbar machen.

Das liegt zum Teil natürlich in der Natur der Sache – eine feierwütige Meute auf begrenztem Raum -, nicht zuletzt aber am abwechslungsreichen Tour-Package, das neben dem Headliner mit NOVELISTS FR und PORT NOIR gleich zwei weitere schlagkräftige Argumente bereithält, die Betriebstemperatur und damit den Sauerstoffverbrauch in der Lokalität zuverlässig nach oben zu treiben.

PORT NOIR

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Dass PORT NOIR stilistisch etwas aus der Reihe tanzen, ist für die Schweden derweil kein Problem: Die Außenseiterrolle kennt das Trio ja schon von der gemeinsamen Tour 2019 mit LEPROUS und THE OCEAN. Dass es für die Band darüber hinaus schon zehn Minuten früher als offiziell angesetzt auf die Bühne geht, soll kein großes Handicap sein, da sich die Halle mit den ersten Tönen von „All Class“ schnell zu füllen beginnt.

Wohin die Reise am heutigen Abend geht, wird indes schnell klar: Im Mittelpunkt steht das jüngst veröffentlichte Album „Cuts“ (2022), das den Alternative Rock PORT NOIRs durch Prog- und Pop-Elemente gleichermaßen erweitert: Wenn Gitarrist Andreas Hollstrand nicht gerade mit seinem Instrument über die Bühne tänzelt, findet man ihn wahrscheinlich an den Synthesizern, um neuem Material wie „Preach“ oder „Deep Waters“ ein paar markante Stempel aufzudrücken.

PORT NOIR rücken das neue Album “Cuts” in den Mittelpunkt

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Bassist und Sänger Love Andersson sucht dagegen gar nicht so sehr das Rampenlicht: Erst nach einem guten Drittel der halbstündigen Spielzeit richtet der Frontmann das Wort an die Zuschauerschaft, welche sich dem Sound der drei Musiker in der Zwischenzeit immer bereitwilliger zu öffnen scheint. In der Arena teilt sich das Publikum in überwiegend zwei Gruppen: Es gibt diejenigen, die den erdigen Arrangements à la „Champagne“ aufmerksam lauschen, und solche, die das rockige „Old Fashioned“ als Anlass sehen, schon früh das Tanzbein zu schwingen. In beiden Fällen setzt es jedenfalls entsprechenden Applaus, den PORT NOIR schließlich mit einer sympathischen Geste erwidern: Am Ende des Sets spendiert Gitarrist Hollstrand den Münchnern per beherztem Wurf ein gratis Shirt, das in den vorderen Reihen schnell einen willigen Abnehmer findet.

PORT NOIR Setlist – ca. 30 Minuten

1. All Class
2. Preach
3. Young Bloods
4. Sweet & Salt
5. Champagne
6. Deep Waters
7. Old Fashioned

Fotogalerie: PORT NOIR

NOVELISTS FR

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Rund 20 Minuten später kommt Farbe ins Spiel: Wie bereits PORT NOIR setzen auch NOVELISTS FR statt gewöhnlichem Backdrop auf ein beleuchtetes Banner, welches im Fall der Franzosen allerdings nicht auf einfaches Weiß festgelegt ist. Zusammen mit den zusätzlichen LED-Elementen entsteht so ein buntes wie futuristisches Bühnenbild, welches erstaunlich gut mit dem modernen Metalcore der Formation harmoniert.

Dass NOVELISTS FR auch in München auf eine treue Fanbasis bauen können, merken wir unmittelbar im Opener „Lost Cause“, wo auf Aufforderung von Fronter Tobias Rische (ex-ALAZKA) umgehend im Takt geklatscht wird. Der deutschstämmige Sänger nutzt den Heimvorteil, indem er die Münchner an seiner Stimmungslage teilhaben lässt, und findet auf diese Weise schnell den richtigen Draht zu den Besuchern: Vor dem Klassiker „Souvenirs“ erklärt Rische etwa, warum genau dieser Song ihn dazu bewogen habe, Teil der Band zu werden, und erntet im Gegenzug ein umso wilderes Treiben des motivierten Publikums.

NOVELISTS FR sorgen für die erste Wall of Death des Abends

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Selbiges sprang zuvor bei „Gravity“ schon unermüdlich auf und ab und will auch in der zweiten Hälfte des Sets noch keine Ermüdungserscheinungen aufkommen lassen. Zu „Do You Really Wanna Know?“ gibt es die erste Wall of Death des Tages, während der Circlepit bei „Terrorist“ am Ende gut und gerne zwei Drittel der Arena in Beschlag nimmt. NOVELISTS FR könnten sich auf der Bühne also eigentlich zurücklehnen und doch ist das heutige Set für die Formation offenbar mehr als nur ein paar Songs, die runtergezockt werden sollen: Immer wieder überbrücken die beiden Gitarristen Florestan Durand und Pierre Danel, welcher hin und wieder auch kurzzeitig hinterm Keyboard verschwindet, die Pausen zwischen den Stücken mittels einiger filigran gespielter Interludes.

Das ist eigentlich stimmig und passt gut zum musikalischen Konzept der progressiv orientierten Band, geht innerhalb des Tumults im Backstage Werk aber leider etwas unter: Gerade die leisen, zerbrechlichen Parts werden von Jubel und Getöse verschluckt – schade. Das gut aufgelegte Münchner Publikum bekommt das aber kaum mit, hier wird lieber beim abschließenden „The Light, The Fire“ nochmal Gas gegeben, selbst wenn es aufgrund eines technischen Fauxpas erst im zweiten Anlauf funktionieren will.

NOVELISTS FR Setlist – ca. 40 Minuten

1. Lost Cause
2. Smoke Signals
3. Gravity
4. Souvenirs
5. Do You Really Wanna Know?
6. Terrorist
7. The Light, The Fire

Fotogalerie: NOVELISTS FR

IMMINENCE

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Dass die Spannung während der 20-minütigen Changeover-Pause immer weiter ansteigt, ist in der Halle mittlerweile zu spüren. Ein schwarzer Vorhang weckt die Neugier, was IMMINENCE wohl dahinter gerade aushecken, um die bayerische Landeshauptstadt zu überraschen. Aufgeregtes Raunen folgt auf lauten Jubel, als dann endlich das Intro ertönt und das Leinen fällt: In eingefrorener Pose stehen die Musiker am vorderen Bühnenrand in aufsteigenden Nebelsäulen. Ein Auftritt mit Stil und Theatralik, welcher einen kurzen Moment gewährt, die aufgestaute Energie zu spüren, bevor sie sich mit „Ghost“ im kompletten Werk entlädt. Von der ersten Sekunde an singen die Münchner lautstark mit, wobei der erste Pit nicht lange auf sich warten lässt. Im Folgenden „The Sickness“ wächst selbiger dann um einige Meter an, als sich gleichzeitig ein paar Crowdsurfer ihren Weg nach vorne bahnen. Dass in „Disconnected“ auf Bitten von Sänger Eddie Berg nahezu die komplette Arena auf- und abspringt, nehmen wir zu diesem Zeitpunkt mit anerkennendem Nicken fast schon als Selbstverständlichkeit hin.

Überhaupt ist es in diesem Hexenkessel ohnehin beachtlich, mit welcher Hingabe IMMINENCE selbst über die Bühne fegen. Es würde ja offensichtlich auch ohne ihr Zutun laufen und dennoch ist Gitarrist Harald Barrett unermüdlich unterwegs, dreht sich im Kreis oder lässt seine imposante Haarpracht rotieren. Kollege Berg am Mikro sucht in der Zwischenzeit den Kontakt zum Publikum, sei es durch aufrichtige Dankesbekundungen, gemeinsames Animationsprogramm wie der Sprung aus der Hocke in „Lighthouse“ oder auch nur ganz simple Gesten: In „Chasing Shadows“ ist nicht mehr als eine Armbewegung nötig, um die Meute in der Mitte für eine spontane Wall of Death zu teilen.

Das Akustik-Stück “This Is Goodbye” untermalen die Münchner mit einem Lichtermeer

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Getoppt wird diese Spielfreude wenig später durch einen Ausflug in den Graben, wo Eddie Berg in den vorderen Reihen gesangliche Unterstützung für „Saturated Soul“ zu suchen scheint – er bekommt einen ohrenbetäubenden Chor aus hunderten Kehlen, der ihm wahrscheinlich sogar für die komplette Dauer der Show die Arbeit abnehmen würde, wenn es denn nötig wäre.

Man könnte meinen, bei so viel Power müsse der Schweiß mittlerweile von der Decke tropfen. Auch deshalb nehmen IMMINENCE alsbald das Tempo raus, indem Gitarrist Barrett für „Alleviate“ am Keyboard / Piano platznimmt, woraufhin Fronter Eddie den gefühlvollen Gesang selbst mit ein paar Geigenspuren veredelt – passagenweise tatsächlich zur gleichen Zeit. Die Violine spielt dann auch eine zentrale Rolle im akustisch vorgetragenen „This Is Goodbye“, welches das Münchner Publikum mit einem Lichtermeer zu untermalen weiß.

IMMINENCE lassen sich sogar zur einer extra Zugabe hinreißen

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Die kurze Verschnaufpause war selbstverständlich taktisch klug platziert, um für die folgende Strecke nochmal alle Energiereserven bündeln zu können. Als dann IMMINENCE ein paar Songs und eine gute Handvoll Crowdsurfer später mit „Paralyzed“ ihren vorerst letzten Song ankündigen, rastet die Halle komplett aus: Es wird gesprungen, gesungen, gemosht, als gäbe es kein Morgen – wohl aber einen Zugabenblock.

Allein mit der Violine unterm Kinn kehrt Eddie Berg auf die Bühne zurück, um mit dem instrumentalen “∞” den ruhigen Titeltrack des aktuellen Albums „Heaven In Hiding“ einzuleiten, an dessen Ende kurioserweise der härteste Breakdown der Show den Hallenboden zum Beben bringt. Und weil der Hunger der Münchner selbst nach dem finalen Hit-Song „Temptation“ immer noch nicht gestillt scheint, lassen sich IMMINENCE tatsächlich zu einer weiteren Zugabe hinreißen: Zum zweiten Mal an diesem Abend lautet die Botschaft „This Is Goodbye“, diesmal jedoch mit Verstärker und auch im wahrsten Sinne des Wortes: Nach 85 Minuten am Limit gehen endgütlich die Lichter in der Halle wieder an – Einwände haben wir zu diesem Zeitpunkt aber keine.

Intensiv, vielfältig, schweißtreibend – IMMINENCE würde auf diesem Niveau wohl auch ein Konzert-Hattrick gelingen

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Nicht etwa weil wir nach zwei Shows innerhalb von zwölf Tagen genug von den Schweden hätten, sondern weil uns der intensive Konzertabend mit seiner musikalischen Vielfalt, dem klasse Publikum und den hervorragend aufgelegten Bands alles abverlangt hat. Eine Einschätzung im Übrigen, die mit Blick auf die zufriedenen Gesichter der Musiker auf Gegenseitigkeit zu beruhen scheint und die Frage aufkommen lässt, ob man es beim nächsten Besuch der Millionenstadt nicht sogar mit einem Konzert-Hattrick versuchen möchte. Wahrscheinlich ist es nur die Freiluftwatschn auf dem Weg zur S-Bahn, die uns absurde Ideen füttert. Für den Moment aber sind wir uns sicher: Wir wären auch ein drittes Mal dabei, solange die Show nur halb so intensiv ausfällt wie an diesem schweißtreibenden Frühlingsabend.

IMMINENCE Setlist – ca. 85 Min.

1. I am Become A Name (Intro)
2. Ghost
3. The Sickness
4. Disconnected
5. Erase
6. Surrender
7. Chasing Shadows
8. Lighthouse
9. Saturated Soul
10. Alleviate
11. This Is Goodbye (Acoustic)
12. Up
13. Infectious
14. Paralyzed
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15. ∞
16. Heaven In Hiding
17. Temptation
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18. This Is Goodbye

Fotogalerie: IMMINENCE

Fotos: Tatjana Braun

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