Wie gut „Joy“ ist? In meinen Top 25 aus dem Jahr 2024 hat das im November erschienen Album einen Platz ergattert. Doch vier Wochen nach dem Jahresrückblick und zahlreichen weiteren, intensiven Hördurchgängen, Entdeckens und Wachsens hätte das Album locker 10 Plätze gut gemacht und würde deutlich weiter vorne stehen. Die Vielschichtigkeit von „Joy“ erschließt sich erst nach und nach, da der Doom Metal von WITNESSES sowohl in der Epik, also auch im Schmerz des UK-Dooms und der Kraft des Power Dooms fußt. Greg Schwan, das einzige feste Mitglied der Band aus New York City, hat dabei ein kreatives Momentum: „Joy“ ist sein viertes Doom Metal-Album seit 2019, daneben veröffentlicht er experimentelle EPs und Alben im Ambient-Bereich. Im Interview erläutert er ausführlich seine Arbeitsweise, was er an seinen Sessionmusikern schätzt und welche Aufgaben er künftig lieber outsourct.
WITNESSES ist ein spannendes Musikprojekt mit einer großen stilistischen Bandbreite. Du hast mit Ambient bzw. elektronischen Alben begonnen, bevor du dich in Richtung Doom Metal bewegt hast. Wie kam es dazu?
Das ist eine gute Frage. Im Grunde genommen habe ich mich acht bis zehn Jahre lang von der Musik zurückgezogen. Von meinen frühen Zwanzigern bis zu den frühen Dreißigern. Ich hatte bis dahin Metal und sehr Metal-ähnlichen Rock gespielt. Ich dachte wirklich, ich hätte damit abgeschlossen. Ich hatte einfach keine Lust darauf, Musik zu machen und wollte mich auf andere Prioritäten in meinem Leben konzentrieren. Aber als ich mich dann überraschend dazu entschloss, wieder musikalisch aktiv zu sein, wollte ich mich weiterentwickeln und andere Dinge tun. Ich habe schon immer Ambient und Soundtracks geliebt – einige der am inspirierendsten Musikstücke kommen aus diesen Bereichen. Und so schrieb ich, ohne eine Ahnung davon zu haben, was ich tat, „I“ und „II“. Ich blicke sehr gerne auf diese Zeit zurück. Auch wenn ich das Gefühl habe, dass diese Werke eine Menge Unreife zeigen (verständlicherweise), bin ich mit dem, was ich mit „IV“ erreicht habe, ziemlich zufrieden.
Aber trotzdem konnte ich den Wunsch nicht abschütteln, Metal oder etwas Metal-ähnliches zu machen. Die Frage war nur, ob es WITNESSES oder ein anderes Projekt sein sollte. Ich entschied mich dafür, einen Namen beizubehalten. Natürlich wollte ich, dass die Leute die Musik hören, aber ich hatte einfach das Gefühl, dass es egal sei, in mehreren Genres Musik zu veröffentlichen. Ich sah es nicht als Hindernis an. Jetzt denke ich allerdings anders darüber – es ist ein gefährlicher Weg, der die Leute eher verwirrt. Offensichtlich haben die großartigen ULVER es geschafft in vielen Genres unter einem Namen zu operieren, aber wenn man bedenkt, wie besonders und selten sie sind, sagt das etwas darüber aus, wie schwierig es ist, das zu schaffen.
„Also, ohne Frage: Keine Kollaborateure, kein WITNESSES. Aber die Gesamtvision ist meine. Und zu dieser Vision gehört auch, dass begabte Musiker*innen kommen und gehen, wo es angebracht ist. Ich liebe diese Arbeitsweise, ganz ehrlich. Und ich möchte, dass die Mitmusiker ihre kreative Freiheit haben, solange ich mein Veto einlegen kann!“ – Greg Schwan sieht WITNESSES nicht als Ein-Mann-Band, sondern als Projekt mit nur einem Vollzeitmusiker und Gästen.
All diese Musik unter dem Namen WITNESSES zu vereinen, mag eine knifflige Sache sein, aber wenn man beispielsweise an die frühen ANATHEMA denkt, hatten sie auch von Anfang an Ambient in ihrer Musik. Andererseits sind Musikfans mittlerweile offen genug, um über Genregrenzen hinwegzusehen und sich an der Handschrift eines Musikers zu erfreuen, egal in welcher musikalischen Sprache er oder sie schreibt.
Ich bin mir einfach nicht sicher. Was ANATHEMA angeht, liegst du goldrichtig, und ich liebe einfach alles, was sie je gemacht haben, mehr oder weniger. „The Silent Enigma“ und „Weather Systems“ sind sehr unterschiedliche Alben, und beide sind ein Wunder. Aber ich habe einfach das Gefühl, dass ich hier nicht viel mehr als meine eigenen persönliche Erfahrungen habe. Und die sind ziemlich gemischt. Es gibt definitiv Leute, die für alles offen sind, was WITNESSES gemacht hat, aber auch viele, die sich nur für eine der Dimensionen interessieren. Ich bin also etwas zurückhaltend, wenn es darum geht, zu allgemein zu sein. Für mich scheint es gemischt zu sein. Ich hoffe auf jeden Fall, dass mehr Menschen aufgeschlossen bleiben; es gibt tiefe Verbindungen, die sich durch alle musikalischen Facetten ziehen.
Die letzten 10 Jahre waren sehr intensiv für WITNESSES. Du hast eine hohe Zahl an Alben und EPs veröffentlicht du hast mit vielen Musiker*innen zusammengearbeitet. Im Vergleich dazu war dein musikalischer Output davor kleiner – zumindest was ich aus den Metal Archives ersehen kann. Gab es zwischendurch andere Projekte?
Da gab es nichts! Ich war mir nicht sicher, ob ich jemals wieder Musik machen würde. Also gab es eine lange Zeit absolut keine Aktivitäten. WITNESSES war wie ein Neuanfang. Ich hatte nicht nur als Musiker stagniert, sondern habe mich in mancher Hinsicht wahrscheinlich sogar rückentwickelt. WITNESSES war also eine Reise, auf der ich die Musik wiedergefunden habe. Und bis zu einem gewissen Grad habe ich herausgefunden, wie ich mein eigenes Material mischen und mastern kann. Ich bin sehr gewachsen und habe viel gelernt, aber ich vermute, dass ich mich in nächster Zeit von dieser Seite der Dinge mehr zurückziehen werde.
Im Grunde genommen besteht die Band nur aus dir, mit einigen häufigen Kollaborateuren, wie Jørgen Munkeby auf den elektronischen Alben, Sängerin Gabbi Coenen und Gitarrist Matt Kozar. Wie hast du dein Netz von Gastmusikern aufgebaut und wie bist du mit ihnen in Kontakt gekommen?
Ich denke, man muss alle Ängste vor Ablehnung beiseiteschieben und einfach loslegen. Fragt einfach die Leute. Fragt, wen immer ihr wollt. Das Schlimmste ist ein „Nein“, und das ist mir auch schon passiert. Ich finde, ein Vorteil des Internets ist, dass die Kontaktaufnahme viel einfacher ist. Du kannst die Kontaktdaten von fast jedem finden, also sei einfach respektvoll, sei du selbst, und erkläre, was dein Projekt ist. Es ist wirklich nicht mehr als das. Zu „Joy“: Ich kannte Arianna Mahsayeh vorher überhaupt nicht. Ich habe sie einfach auf Instagram gefunden – diese bad-ass Ambient/Metal-Cellistin. Und ich sagte: OK, ich brauche diese Person – also habe ich ihr geschrieben.

Arbeitest du gerne mit Musikern außerhalb der Metalszene für die Metal-Alben von WITNESSES zusammen? Entsteht dadurch eine neue Sichtweise auf eine traditionelle Musik wie Doom Metal?
Ja, mehr als alles andere. Es gibt so viele Dinge, die ich in der Zusammenarbeit mit Nicht-Metal-Musikern erreichen möchte. Ich sehne mich nach Perspektiven, Herausforderungen und frischen Ideen. Im Metal gibt es viele davon – da passiert sehr viel. Aber ich sehe keinen Grund, mich darauf zu beschränken. Und es macht mir einfach Spaß, Nicht-Metaller einzubinden. Ich finde es selbst spannend, zu sehen, was sie einbringen und wie sie es interpretieren werden.
Das vielleicht jüngste Beispiel war „Holy Water“. Diese EP war ein Experiment, und ich persönlich finde, es hat funktioniert. Ich meine, hey, wenn du nicht auf ätherische Vocals und 45 BPM stehst, ist das nicht die richtige Musik für dich. Aber denen, die dafür offen sind, gefällt das, was wir gemacht haben, sehr gut. Aber wie auch immer, Gabbi hat nie gezögert. Sie hat einfach etwas gemacht, was nicht zu ihrem Spezialgebiet gehört, und hat Großes geschafft.
Sänger Anlaik hat nur auf „The Collapse“ gesungen, Kody Ternes auf den ersten beiden Doom-Alben. Jetzt ist mit Simon Bibby (THY LISTLESS HEART) euer männlichen Sänger Nummer drei. Seine Performance passt sehr gut zu eurem neuen Ansatz. Aber auch die anderen Stimmen haben mir sehr gut gefallen. Werden Simons Vorgänger zu WITNESSES zurückkehren?
Nein, das werden sie nicht. Ich denke, die Arbeit mit ihnen war Teil des Entdeckungsprozesses und der Entfaltung, die WITNESSES machen mussten. Ich finde ihre Beiträge sind erstaunlich, und sie haben sich beide in diesen für sie fremden Musikstil hineingesteigert. Die Reaktion auf „Doom II“ war für mich geradezu schockierend. Einige Leute sagen immer noch Dinge über dieses Album, die ich nicht begreifen kann (in Bezug darauf, wie viel es ihnen bedeutet). Aber nein, aus verschiedenen Gründen werden sie nicht zurückkehren. Aber ihre Arbeit wird sehr geschätzt, und sie ist ein wichtiger Teil der Geschichte von WITNESSES, Punkt.
Simon ist ein Szene-Veteran, während Kody und Anlaik von außerhalb der Metal-Szene kamen. Hattest du das Gefühl, dass „Joy“ eine traditionellere Metal-Stimme braucht?
Das hatte ich, genau. Aber auch das war ein Glücksfall. Simon und ich hatten schon eine Weile auf Instagram gechattet, bevor „Pilgrims On The Path Of No Return“ von THY LISTLESS HEART herauskam. Ich war von diesem Album ziemlich angetan und bestand darauf, dass Simon der Mann für die nächste Veröffentlichung sein würde. Er war die Stimme, nach der ich gesucht hatte, auch wenn ich es damals noch nicht wusste. Um das klarzustellen: Es ist nicht unbedingt so, dass „Joy“ geschrieben wurde und ich danach jemanden gesucht habe. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Simons THY LISTLESS HEART-Album herauskam, bevor auch nur eine Note für „Joy“ geschrieben wurde. Als ich mit dem Schreiben begann, stand Simon also entweder schon fest oder ich hatte ihn im Kopf. Eine Tatsache, die ich fast vergessen hatte, war, dass ursprünglich nur eine EP mit zwei Songs geplant war. Aber sie ist gewachsen, und ich bin sehr froh darüber.
Welche Songs von „Joy“ hätte es nicht gegeben, wäre es eine EP geblieben?
Die gesamte zweite Hälfte war ungeplant. Ich kann mich nicht erinnern, welcher Song aus der ersten Hälfte ebenfalls später hinzu kam, aber „Joy (The Endings)“ und „Joy (Safety in Me)“ sind auf jeden Fall spontan entstanden.
„[Kürzere Alben] lassen die Hörer nach mehr verlangen. Sie haben kein Füllmaterial und dauern nicht länger als nötig. Alles andere sind meiner Meinung nach große Fehler, die es schwer machen, ein Album ganz durchzuhören, ohne Teile zu überspringen.“ – q.e.d.: Auf „Joy“ leisten sich WITNESSES keinen schwachen Moment.
Während die letzten beiden Alben programmierte Drums hatten, konntest du diesmal Angel Hernandez als Schlagzeuger gewinnen, und sein Spiel gibt der Musik wirklich mehr Dynamik, aber auch mehr Aggression. Wie hat er das Drumming auf „Joy“ entwickelt und hast du diese Art des Schlagzeugspiels gesucht, um einen besseren Live-Sound zu erreichen?
Ich stimme dem zu 100% zu. Ich bin froh, dass ich mit dem Programmieren herumgespielt habe, aber bei „Joy“ wurde schon früh klar, dass es so einfach nicht geht. Drum-Samples sind heutzutage wirklich erstaunlich, und man kann einige großartige Sounds erzielen, aber es geht nichts über einen echten Schlagzeuger. Die Kreativität, die Dynamik und das Wissen um das Handwerk sind unerlässlich.
Was die Zusammenarbeit mit ihm angeht, so habe ich ihm nur ein grundsätzliches Feeling und die Arrangements vorgegeben. Ich kann keinen Song ohne ein paar grundlegende Drums schreiben und kann ohne das nicht herausfinden, wo es hingehen soll. Ich kann die Höhen und Tiefen nicht definieren. Meine einzige Anweisung an Angel war also: „Bitte behalte dieses Gefühl bei, ansonsten mach, was du willst“. Er ist ein geschmackvoller Schlagzeuger und ich glaube, er wusste genau, was gebraucht wurde. Ich kann mich also nicht an viele, wenn überhaupt, Überarbeitungen an seiner Arbeit erinnern. Wenn es welche gab, dann waren es nicht mehr als eins oder zwei. Du wirst noch mehr von Angel hören.
Wo wir gerade beim Sound sind: Zum ersten Mal könnte ich mir vorstellen, dass WITNESSES als Live-Band auftritt – gibt es da eine Chance in der Zukunft, oder willst du es so belassen, wie es ist?
Da stimme ich dir zu. Und es gibt eine Chance, da ich in den letzten Jahren viele großartige Musiker im Raum NYC kennengelernt habe. Aber es wird trotzdem nicht einfach sein. Ich möchte, dass es Spaß macht, und ich vermute, dass es anstrengend sein wird und viel Arbeit bedeutet. Es muss also ganz natürlich und ohne Qualen vonstatten gehen. Sonst lohnt es sich nicht, um ehrlich zu sein. Die Tür ist also offen, und das ist ein Novum. Aber es darf wirklich nicht mühsam sein, das ist die wichtigste Voraussetzung. Ich habe sogar schon eine Setlist im Kopf, falls es dazu kommt.
Was den Mix betrifft, so klingt das Album sehr voll und reichhaltig. Du hast das Album ja selbst abgemischt: War das eine schwierige Aufgabe? Es klingt sehr durchdacht, da spricht also einiges an tontechnischer Erfahrung. Macht dir die Tontechnik genauso viel Spaß wie das Songwriting?
Du hast völlig recht, dass es absichtlich war. Ich wollte, dass es so klingt, als wäre es in den 1990er Jahren erschienen, und ich war nicht so besorgt über den einen oder anderen Makel. Das ist offensichtlich kein üblicher Ansatz, aber das ist mir scheißegal. Ich bin mit dem Metal der 90er aufgewachsen, und das Zeug klang nicht wie der Metal von heute. Es gab viele „Mängel“ in den Produktionen, aber auch eine Menge Einzigartigkeit. Es gab verschiedene Sounds von Unisound, Woodhouse, Sunlight – all diese coolen Orte. Heutzutage habe ich das Gefühl, dass zu viel danach strebt, gleich zu klingen. In Interviews hat Fenriz diesen Sound als „Plastik“ bezeichnet, und ich stimme ihm zu. Mir gefällt das überhaupt nicht, auch wenn ich manche Bands sehr bewundere und respektiere.
Die einzige Erfahrung, die ich beim Abmischen habe, ist die bei WITNESSES, und dabei ging es vor allem darum, mir ein Verständnis und eine Grundlage zu schaffen. Auf dem Weg dorthin habe ich viele Fehler gemacht – so lernt man. Davon abgesehen, nein, es macht mir nicht viel Spaß. Ich empfinde es als ziemlich harte Arbeit und als anstrengend. In Zukunft möchte ich so wenig wie möglich davon machen. Sich die Musik auszudenken, ist wirklich genug!
Kommen wir endlich zum Songwriting! „Joy“ war fünf Jahre in der Mache, dazwischen hast du eine Menge anderer Musik veröffentlicht. Wie verwaltest du deine Ideen und die Projekte, an denen du arbeitest? Hast du mit dem Schreiben von „Joy“ aufgehört, als du dich in einer Sackgasse befandest und dich einem anderen Projekt zugewandt?
Die fünf Jahre, die in den Release Notes erwähnt werden, beziehen sich eher auf die gesamte Entwicklung des Doom-Sounds von WITNESSES. Ich kann mich nicht daran erinnern, wann ich mit dem Schreiben von „Joy“ begonnen habe, aber zum Glück hat es nicht so lange gedauert. „Joy“ wurde in einem kontinuierlichen Zeitraum geschrieben. Ich habe vielleicht ein paar andere Dinge währenddessen skizziert, aber mehr nicht.
Ansonsten, eine weitere gute Frage. Das variiert wirklich und hängt davon ab, wie inspiriert ich bin. Im Moment arbeite ich an drei sehr unterschiedlichen Dingen, und ich liebe das. Es hilft mir, nicht zu frustriert zu sein, wenn ich mit einer Sache nicht weiterkomme. Mit anderen Worten: Wenn ich zwei bis drei Projekte am Laufen habe, ist es selten, dass ich bei allen komplett feststecke.

Da du das einzige vollwertige Mitglied der Band sind, liegt die gesamte kreative Arbeit in deinen Händen. Aber haben deine Mitstreiter auch einen Anteil an der kreativen Arbeit?
Die Mitwirkenden sind sehr wichtig, und ich versuche sicherzustellen, dass sie die gebührende Aufmerksamkeit und Anerkennung erhalten. Wenn Leute WITNESSES als Ein-Mann-Band bezeichnen, ist das nicht korrekt; es ist nur ein Projekt mit einem Vollzeitmusiker, der gerne die Fäden zieht. Um deine Frage zu beantworten: Ja, die Mitwirkenden schreiben ihre Parts meistens selbst. Ich bin kein Sänger, also lasse ich den Leuten freie Hand, obwohl ich darauf bestehe, die Texte zu schreiben. Für die Cello-Parts auf „Joy“ hatte ich die Idee für die Grundlinie, aber Arianna hat sie mit einer Harmonie und den richtigen Artikulationen verbessert. Dieses Modell funktioniert auch.
Also, ohne Frage: Keine Kollaborateure, kein WITNESSES. Aber die Gesamtvision ist meine. Und zu dieser Vision gehört auch, dass begabte Musiker*innen kommen und gehen, wo es angebracht ist. Ich liebe diese Arbeitsweise, ganz ehrlich. Und ich möchte, dass die Mitmusiker ihre kreative Freiheit haben, solange ich mein Veto einlegen kann!
„Joy“ fühlt sich etwas anders an als die meisten eurer anderen Alben, ich würde sagen, es kommt am ehesten an „Doom II“ heran, ist aber viel epischer und komplexer. Hast du all die epischen Ideen in den „Joy“-Ordner gepackt und die dunkleren Ideen für „The Collapse“ verwendet?
Schwierige Frage. Ich glaube, dass es nach der Pause der „Holy Water“-EP einfach bestimmte Dinge gab, die ich musikalisch umsetzen wollte. Ich wollte einfach mehr Harmonien, ausufernde Arrangements, die Rückkehr des Live-Schlagzeugs, und ich wollte mit einigen Tempo-, Takt- und Tonartwechseln abenteuerlicher sein. Ich meine, nichts wirklich Kompliziertes, wenn du mich fragst.
Bisher hat nur eine Person bemerkt, dass der Schreibstil auf diesem Album den frühen OPETH nicht unähnlich ist. Das ist genau richtig. Ich wollte einfach diesen „Wandteppich“ entfalten, der immer weitergeht und eine Geschichte erzählt. Ob man es liebt oder hasst, das ist im Grunde das, was ich getan habe.
Ich liebe den Fluss der Songs. In jedem der Tracks passiert eine Menge, aber meistens geht es so sanft ineinander über, dass es sich sehr natürlich anfühlt. Ich kann mir vorstellen, dass es schwierig war, die Songs auf diese Weise zu arrangieren, richtig? Oder war es eher so, dass die Songs relativ schnell geschrieben waren, als die Ideen aufkamen.
Ja, einige der Songs zu arrangieren war schwieriger als andere, keine Frage. Aber ehrlich gesagt fühlt es sich an, als wäre das Schreiben des Albums schon zehn Jahre her. Das ist schon seltsam. Man hat so eine intensive, konzentrierte Phase, und dann verblassen die Dinge ziemlich schnell, zumindest für mich. Ich kann mich also nicht an ein besonders teuflisches Arrangement erinnern. In diesem Zusammenhang war die Reihenfolge der Tracks auch sehr einfach zu entscheiden. Ich glaube, es gab noch eine andere Version, aber darüber gab es nie eine größere Debatte.
Ein witziges Detail dabei ist, dass mein Lieblingssong „Joy (Safety In Me)“ ist. Ich wollte also sichergehen, dass das nicht der erste Song des Albums ist. Es ist doch schade, wenn der erste Song der Beste ist! Und ich wollte ihn aus einem ähnlichen Grund nicht als Single veröffentlichen. Ich wollte nicht, dass irgendjemand, der einen ähnlichen Geschmack wie ich hat, das Gefühl hat, dass er schon das Beste von den Singles hat. Schon eine einzige Person hätte mich gestört!
„[…]nein, es macht mir nicht viel Spaß. Ich empfinde es als ziemlich harte Arbeit und als anstrengend. In Zukunft möchte ich so wenig wie möglich davon machen. Sich die Musik auszudenken, ist wirklich genug!“ – Greg Schwan ist kein Freund von der Arbeit als Tontechniker.
„Joy“ ist relativ kurz. Viele Doom Metal-Alben erstrecken sich über 50, 60 oder mehr Minuten und haben dabei weniger Ideen versammelt. „Joy“ fühlt sich dabei vollständig an, und nicht gehetzt. Stehst du persönlich eher auf kompakte Alben?
Das ist ein großartiges Thema. Für mich ist ein Album fertig, wenn es fertig ist. Aber ja, ich mag ehrlich gesagt kürzere Alben. Sie lassen die Hörer nach mehr verlangen. Sie haben kein Füllmaterial und dauern nicht länger als nötig. Alles andere sind meiner Meinung nach große Fehler, die es schwer machen, ein Album ganz durchzuhören, ohne Teile zu überspringen. Und ich möchte, dass das Album dem entgegenkommt, keine Songs zu skippen. Das war auch angesichts der Vinyl-Veröffentlichung ein Glücksfall. Ich weiß noch, wie ich Dan Swanö von der Gesamtlänge des Albums erzählte, und er war ziemlich begeistert davon. Ich nehme an, das bedeutet, dass er beim Mastering nicht viele Abstriche machen musste. Obwohl ich die Details des Masterings für Vinyl nicht persönlich kenne, war es sehr beruhigend zu wissen, dass die Länge des Albums ideal für dieses Format war.
Was den musikalischen Stil angeht, war das Album eine Überraschung: Zuerst hörte ich hauptsächlich Epic Doom, dann merkte ich mehr und mehr, dass es auch Peaceville Three-Doom und diese melancholischen Twin-Leads des Melodic Doom gibt, die so sehr an WARNING erinnern. Welche Bedeutung hatten die verschiedenen Richtungen im Doom Metal für dich persönlich?
Die duellierenden Leads und Harmonien sind alles für mich. Viele Hörer sind auf der Suche nach dem ultimativen Riff, und daran ist sicher nichts auszusetzen. Aber ich persönlich bin ein großer Fan davon, das Zusammenspiel der Gitarren zu hören. Ich finde, das ist ein sehr lohnendes Element, weil beim wiederholten Hören kleine Nuancen herausspringen und deine Aufmerksamkeit erregen. Und es ist kaum zu übertreffen, wenn man ein nettes Delay einsetzt und eine Atmosphäre schafft. Es macht auch sehr viel Spaß, sie zu schreiben. Oft improvisiere ich einfach und behalte das, was am besten ist. Ich setze mich nicht hin und plane sie im Voraus.
Das lyrische Konzept hinter „Joy“ ist überraschend erbaulich. Als ich die Texte las, hatte ich, knapp zusammengefasst, den Eindruck, dass es darum geht, sich vom Schwarz-Weiß-Denken zu lösen und im Hier und Jetzt zu sein, aber sich seiner Verantwortung bewusst zu sein. Stimmt das?
Ja, es geht absolut um Verantwortung und die Kunst des Lebens. Es wäre ein Leichtes gewesen, sich auf die „Gott ist tot“-Themen des ersten Songs zu beschränken. Aber das hätte ich langweilig und zu sicher gefunden. Ich bin nicht wirklich daran interessiert, mich mit Blasphemie zu beschäftigen und Religion zu beschimpfen. Ich gehe lieber davon aus, dass das alles Blödsinn ist und frage: „OK, was nun?“ Ich wollte weiter gehen und darüber sprechen, was diese Welt nach Gott eigentlich bedeutet. Obwohl das Album also eher aufmunternd wirkt, ist nicht alles darin hoffnungsvoll und positiv. „Joy (Safety In Me)“ ist extrem, extrem pessimistisch. Und es spiegelt wirklich wider, wie ich mich in diesen Tagen fühle. Was genau hinterlassen wir den zukünftigen Generationen an diesem Punkt? Wenn man sich über so etwas keine Gedanken macht, ist das für mich schockierend. Die Zeilen in dem Text über die Nachwelt sind wörtlich zu nehmen. Angenommen, ich lebe lange genug, dann frage ich mich, was ich zu meinen Lebzeiten sehen werde. Ich glaube nicht, dass das gut sein wird. Und bei wem genau werde ich Sicherheit finden?

Welchen Stellenwert haben für dich die Texte? Bei vielen Bands sind sie zweitrangig, aber ich spüre, dass sie hier wichtig sind. Nicht nur, weil sie reichhaltig und intensiv sind, sondern auch, weil Simon die Texte mit so viel Leidenschaft vorträgt.
Du hast absolut Recht. Sie bedeuten mir sehr viel, was heißt, dass sie manchmal extrem schwierig sein können. Du hast vorhin nach den Arrangements gefragt; Texte sind für mich zehnmal schwieriger. Es ist unheimlich knifflig, Klischees zu vermeiden – das ist ein wahres Minenfeld. Und was wollen sie eigentlich aussagen? Letztendlich ist es für mich am wichtigsten, wie die Zuhörer die Worte interpretieren, aber schon allein die Kohärenz ist schwierig. Ich mag Metaphern, Bilder und Geschichten sehr gerne. Texte, die zu sehr aus „Du“ und „Ich“ bestehen, sind für mich sehr anstrengend.
Ich liebe die unglaublichen Artworks des Künstlerduos Welder Wings. Sie sind sehr talentiert und haben exzellente Ideen und Realisierungen. Das Artwork für „Joy“ passt perfekt zu eurer Musik und Doom Metal im Allgemeinen. Welder Wings sind in der Metalszene noch nicht wirklich bekannt – wie hast du sie gefunden?
Ich kann mich nicht mehr genau erinnern, welches Werk ich zuerst gesehen habe, aber ich glaube, ich bin gerade auf Instagram auf sie gestoßen. Und wow, sie sind einfach wunderbare Menschen. Sie haben jede Erwartung übertroffen, die ich jemals in Bezug auf eine Zusammenarbeit haben konnte. Super freundlich, geduldig und großzügig. Und ich stimme zu, dass es perfekt passt. Es ist fast unheimlich. Ich denke auch, dass es eine bestimmte Vorstellung davon vermittelt, was mit „Joy“ auf dem Album gemeint ist. Aber die Texte machen das Bild noch komplizierter, oder ich hoffe, dass er das tut.
Ich habe sie nicht erhalten, aber die LP-Version von „Joy“ wird garantiert wunderschön sein. Könnte es eine Chance auf weitere Wiederveröffentlichungen von früheren Alben geben? Vielleicht über euer neues EU-Label THESE HANDS MELT?
Ich hoffe, du hast die LP inzwischen bekommen! Die Pressung ist exzellent geworden und hat eine Aufmachung, auf die alle Beteiligten sehr stolz sein können. Wir haben nicht nur eine schöne Vinylausgabe bekommen, was das Artwork und das Layout angeht, sondern das durchsichtige grüne Vinyl ist das Sahnehäubchen auf dem Kuchen.
Ich werde manchmal nach Re-Releases gefragt, und ich denke, das ist eine schwierige Frage. Letztendlich wäre ich wahrscheinlich dumm, wenn ich nein sagen würde, aber meine Psyche priorisiert immer das Weitermachen. Wenn jemand, der hier mitliest, das tun möchte, kann er sich melden! Aber es ist nichts, das ich aktiv verfolge, und ich wurde noch nicht offiziell angesprochen. Aber Fans haben gefragt, definitiv. Es ist sehr schmeichelhaft, wenn es zur Sprache kommt.
„Wenn ich zwei bis drei Projekte am Laufen habe, ist es selten, dass ich bei allen komplett feststecke.“ – Greg Schwan arbeitet am liebsten an mehreren Projekten parallel.
Was steht als Nächstes bei WITNESSES an? Arbeitest du schon an neuen Projekten?
Für WITNESSES ist es schwer zu sagen. Es war eine Menge Arbeit über die Jahre hinweg, und eine Art sanfte Pause fühlt sich angemessen an. Ich will damit nur sagen, dass ich wahrscheinlich in einem gemächlicheren Tempo schreiben und mich nicht zu sehr um das Timing kümmern werde. Ich denke, das ist gesund und zum jetzigen Zeitpunkt der richtige Schritt. Ich möchte, dass der Nachfolger von „Joy“ genauso bedeutsam ist, wie es „Joy“ im Vergleich zum vorherigen Werk war. Ich habe kein Interesse daran, auf der Stelle zu treten.
Es sind jedoch einige Nebenprojekte in Arbeit. Ich freue mich sehr auf diese Projekte, sowohl um ihrer selbst willen als auch als Möglichkeit, WITNESSES zu stärken. Ich brauche ein Ventil für bestimmte Dinge, die sich für WITNESSES ein wenig unpassend anfühlen würden, also habe ich mich diesen verpflichtet. Ich habe keine wirklich kohärente Strategie, ich will es einfach tun. Es ist ziemlich bald eine Single zu erwarten, aber mehr möchte ich nicht verraten! Ich werde darüber in den sozialen Netzwerken von WITNESSES berichten, wenn die Zeit reif ist.
Letzte Frage: Welche Facette von WITNESSES macht dir mehr Spaß? Die Doom Metal-Seite oder die Ambient-Seite? Und: Gibt es vielleicht noch mehr unbekannte musikalische Territorien, die darauf warten, kartographiert zu werden?
Das hängt wirklich von meiner Stimmung ab! Ich brauche wirklich beides, um als Künstler gesund und motiviert zu bleiben. Ich denke, wenn ich mich für einen Stil entscheiden müsste, den ich für immer und ewig machen würde, wäre es wohl der von „Poltergeists“. Das ist wahrscheinlich eine sehr unerwartete Antwort, da es bisher nur vier Songs in diesem Stil gibt. Aber etwas an dieser kleinen EP passt für mich wirklich zusammen. Sie fühlt sich ziemlich dunkel, befreit und mühelos an. Aber diese Befreiung ist der Schlüssel. Ich habe das Gefühl, dass ich mit diesen Elementen fast alles machen kann und mir keine Sorgen um Regeln machen muss. Ich habe auch einige meiner beiden persönlichen Texte geschrieben, die mir am meisten Spaß machen. „One more thing about living in Santa Carla“ ist ein Song über den 80er-Jahre-Film „The Lost Boys“. Leider hat ihn noch nie jemand erwähnt. Aber es ist eine meiner liebsten kleinen Hommagen von allem, was ich je gemacht habe.
Greg, vielen Dank für deine Zeit! Wenn du uns noch etwas mitteilen möchten, kannst du das gerne hier tun!
In diesem Interview wurde so viel behandelt, dass ich nicht sicher bin, ob ich überhaupt noch etwas sagen kann. Die Fragen waren großartig und haben mich gezwungen, über Einiges nachzudenken. Ich weiß das wirklich zu schätzen! Ich hoffe, eure Leser werden sich „Joy“ anhören, und vielleicht sogar noch mehr von uns.