2004 n. Chr.! Ganz Gallien ist von uninspirierten, langweiligen Bands besetzt. Ganz Gallien? Nein, eine kleine Undergroundband mit dem dolldreisten Namen PORN leistet dem Dilettantismus mittels eingängigem Industrial Rock beharrlich Widerstand, zuletzt in Form ihrer ersten Full-length-CD Glitter, Danger & Toyboyz. Sänger, Gitarrist und Bandhäuptling Val Porn berichtet aus dem Bandlager.
Hattet ihr keine Sorge, dass ihr euch mit der Wahl eures Bandnamens viel Ärger durch Missverständnisse und Vorurteile einheimst?
Ach Quatsch. PORN repräsentiert, was wir sind, der Name steht für unsere Musik. PORN sind aggressiv und verrucht. Außerdem gefällt uns die Vorstellung, dass PORN quasi einen musikalischen Orgasmus darstellen.
Wie fügt sich da der auf eurer Homepage zu findende Slogan We are PORN – You are PORN ein?
Das ist für uns eine Art Beschwörungsformel, ein Mantra, das man spricht, bevor man in den Krieg zieht. Für uns bedeutet der Spruch, dass wir uns unseren Fans sehr verbunden fühlen, wir empfinden großen Respekt für sie. Ohne sie wären wir nichts.
Eure Musik bezeichnet ihr als Glamour Rock´n´Roll, euer Albumtitel Glitter, Danger & Toyboyz lässt ebenfalls eine Schwäche für Glam Rock erkennen. Um ehrlich zu sein, kann ich in eurer Musik davon aber nichts entdecken…
Glam Rock ist auch mehr Einstellung als Musikstil. Nimm POISON, TWISTED SISTER, KISS, T-REX, MÖTLEY CRÜE, DAVID BOWIE oder L.A. GUNS – sie alle spielen Glam Rock und trotzdem wirst du mir zustimmen, dass zwischen BOWIE und POISON ein deutlicher Unterschied zu hören ist. Wir wollen keine bloße Kopie einer dieser Bands sein. Der Albumtitel steht schlicht für das, was wir sind. Es gibt zwei Seiten an PORN, die glamourösen, poppigen Momente, für die Glitter steht, aber auch eine finsterere, gequälte Dimension, die durch Danger angedeutet wird. PORN sind gewissermaßen eine leckere, verlockende Frucht, in der eine Rasierklinge versteckt darauf wartet, dass man reinbeißt.
 |
|
Das Cover von Glitter, Danger & Toyboyz
|
Ein wenig Kritik ist sicherlich angebracht angesichts der etwas mauen Spielzeit eurer CD. Warum habt ihr nicht mehr Songs auf Glitter… draufgepackt? Keine Kohle für´s Studio übrig?
Der Grund dafür liegt darin, dass unser alter Gitarrist direkt vor dem Studiotermin die Band verlassen hatte und sein Liedmaterial mitnahm, das wir eigentlich zusätzlich zu den Songs, die jetzt auf der CD sind, aufnehmen wollten.
Don´t Be a Lady feiert einen zweiten Auftritt auf dem Album, firmiert da allerdings unter Toyboy. Was steckt hinter diesen zwei alternativen Versionen?
Den beiden Tracks liegen ziemlich verschiedene Konzepte zugrunde. Don´t Be a Lady handelt davon, dass jeder Mann auch feminine Seiten an sich hat, engstirnige Spießer jedoch immer gleich schreien, ein Mann soll kein Mädchen sein, sondern vor Virilität nur so strotzen. Da geben wir gar nichts drauf, sondern leben auch unsere femininen Seiten aus. Toyboyz hingegen behandelt das Gefühl, dass das Musikbusiness dich früher oder später zu einer Hure macht, eine Hure für das Label, für den Journalisten, für die Öffentlichkeit, manchmal auch für dich selbst. Wir sind Unterhalter, das ist unser Job. Doch dabei verlieren wir nie unsere Ziele aus den Augen, deshalb kann uns nichts aufhalten.
Was für eine Maschine besingt ihr eigentlich in Soft Machine/Porn Machine?
Das ist ein Lied über Alexx Kid, den Helden eines alten Videospiels. Alexx Kid lebt nur, wenn das Computerspiel am Laufen ist. Das finde ich eine treffende Metapher dafür, dass viele Menschen heutzutage nur dann wirklich am Leben sind, wenn sie die Aufmerksamkeit unserer Blicke bekommen. Daher kann diese Maschine jeder sein, bildlich gesprochen, du, ich, jeder.
Und wer ist der ausgefreakte Automechaniker im Text von Recycle?
Vermutlich ich selber.
Aha. Themawechsel: Eure CD wurde von Slalom Musik und Freaksound Entertainment veröffentlicht. Handelt es sich da um einen waschechten Plattendeal oder sind das nur Undergroundlabels, die euch zu der Aufmerksamkeit eines größeren Labels verhelfen sollen?
Bei Freaksound handelt es sich um unser eigenes Label, während Slalom eine mittelgroße Plattenfirma in Frankreich ist. Sie kümmern sich um den französischen Markt für uns. Im Ausland werden wir hingegen noch nicht repräsentiert. Daher schauen wir sicher auch nach einem größeren Label, wobei ich mir nicht sicher bin, dass wir das in Frankreich finden können.
Was bringt euch dazu, genau die Musik zu spielen und zu schreiben, die ihr macht?
Irrsinn und Hingabe. Es ist nicht einfach, diese Musikrichtung in Frankreich an den Mann zu bringen, daher bin ich vermutlich verrückt, meine Zeit in die Band zu investieren. Es wird erst recht schwierig, zu einer größeren Firma oder ins Radio zu kommen, wenn man nicht französisch singt. Den Radiostationen wurde von der Regierung eine Quote verordnet. Die Mehrheit der gespielten Songs muss in französischer Sprache gehalten sein. Aber solange der Zusammenhalt in der Band so groß ist wie jetzt, macht uns das wenig aus.
Stellen andere Industrial-Rock-Bands wie MARILYN MANSON, NINE INCH NAILS, GRAVITY KILLS oder ZEROMANCER, mit denen allen ihr schon verglichen worden seid, einen großen Einfluss für euch dar?
Nun, MARILYN MANSON und NINE INCH NAILS sind sehr populär in Frankreich, während sich kein Mensch mehr an GRAVITY KILLS erinnert und von ZEROMANCER noch kein Schwein hier jemals was gehört hat. Mir gefallen alle diese Bands. Gerade mit ZEROMANCER wäre es witzig, gemeinsam auf Tour zu gehen. Aber als musikalischen Einfluss würde ich sie alle nicht bezeichnen. Für mich waren DAVID BOWIE, THE DOORS, THE STOOGES und ALICE COOPER wichtiger. Auf der nächsten CD wird dies besser zu hören sein, da sie weniger elektronisch als die aktuelle CD sein wird, dafür aber rockiger, persönlicher.
Wie weit wird euch Glitter… bis dahin gebracht haben?
Ich hoffe, dass wir uns bis dahin eine Fanbasis in Deutschland erspielt haben, da inzwischen SX Distribution den Vertrieb bei euch übernommen haben. Eine Tour bei euch wäre besonders genial. Glitter… ist als Weckruf gedacht, der Lust auf mehr machen soll. Und mehr ist in Arbeit, ich denke, dass uns die musikalisch beste Zeit noch bevorsteht.
Wohin wird euch rational betrachtet Glitter… bringen?
Bis zur Weltherrschaft natürlich, hehe…
Das Album wurde von euch selbst produziert und abgemischt. War das ein Vorteil oder habt ihr den kreativen Input eines außen stehenden Produzenten vermisst?
Es ist sehr schwierig, für unsere Art von Musik einen kompetenten Produzenten hier bei uns in Frankreich zu finden. Das kommende Album soll jedoch in Zusammenarbeit mit einem Produzenten entstehen. Momentan verhandeln wir gerade mit einem nicht ganz unbekannten Knöpfchendreher. Da müssen wir abwarten, was dabei rauskommt.
Leider wurden die Gitarren bei Glitter… sehr weit in den Hintergrund gemischt…
Das war Absicht. Wir entschieden uns für den Sound, den du auf der CD hören kannst, weil wir ihn beim Abmischen für die ausgewogenste Lösung hielten.
 |
|
PORN: Auf der Bühne sind wir weitaus brutaler und mehr Rock´n´Roll …
|
Wie geht es live bei euch zur Sache? Unterscheiden sich eure Songs von der Albumversion?
Die Songs klingen live schon noch ähnlich, aber einfach noch kraftvoller. Auf der Bühne sind wir weitaus brutaler und mehr Rock´n´Roll. Wir stehen für unser Leben gerne auf der Bühne, das ist für uns wie eine zweite Haut. Ich könnte mich nie auf´s Musizieren im Studio beschränken. Dazu bin ich viel zu süchtig nach Liveauftritten!
Einen Livedrummer habt ihr aber nicht, oder? Auf den CDs war ja ein Drumcomputer zum Einsatz gekommen…
Momentan haben wir keinen Sessiondrummer. Aber vielleicht tut sich da in Bälde mal was.
In meiner Kritik zu eurer MCD hatte ich geschrieben, dass die französische Szene nicht sehr auffällig ist. Kriegen wir hier von euren guten Bands lediglich nichts mit oder ist eure Szene wirklich so klein?
Es stimmt schon, die Szene hierzulande ist wirklich winzig und nicht sehr lebendig. Sie ist nichts, worauf man stolz sein könnte. Frankreich ist musikalisch einfach grausig, daher ist es uns sehr wichtig, auch in Deutschland und dem restlichen Europa live zu spielen, um auf uns aufmerksam zu machen. Wir würden am liebsten die ganze Zeit durch Europa tingeln.
Layout: Uwe