LANA LANE – Märchen im Bombastgewand

Man nennt sie die "Queen Of Symphonic Rock": Lana Lane. Und nicht zu Unrecht, denn ebenso pompös wie dieser Titel klingt auch ihr aktuelles Album "Secrets Of Astrology". Während ihres Urlaubaufenthaltes in Las Vegas nahm sich die Bombast-Königin Zeit, um über Musik, Märchen und die Freude an blutigen Leinwandmetzeleien zu plaudern…

„The Queen Of Symphonic Rock“: ein prätentiöser Titel, fürwahr. Und dennoch: in Hinblick auf Lana Lane gar nicht so überzogen, wie man ob einer solchen verbalen Adelung glauben möchte. Denn erstens ist die gute Lana im Genre des opulenten Art Rocks eine der wenigen weiblichen Frontstimmen überhaupt, zweitens eine der kraftvollsten und drittens hat ihre aktuelle Veröffentlichung `Secrets Of Astrology` im Vergleich zum Vorgängerwerk `Queen Of The Ocean` noch ein paar Pomp-Brickets nachgelegt. Nicht zuletzt die – großzügig eingestreuten – Gitarrenparts Arjen Lucassens (AYREON) verleihen dem Klang der Band eine ungeheure Dichte. Und einen Härtegrad, den man in dieser Form von LANA LANE noch nicht kannte. Die Frontdame, die zum Zeitpunkt des Gespräches gerade auf Urlaub in Las Vegas weilte, sieht es ebenso:

Ja, das ist korrekt. Das war auch unsere Absicht, denn wir wollten eine Mischung aus `Queen Of The Ocean` und `Garden Of The Moon`, und ich denke, das ist uns gelungen. Es ist etwas härter, aber die symphonischen Teile sind beibehalten worden, ebenso die einprägsamen Melodien.

Was die Zusammenarbeit mit Arjen Lucassen angeht: Da bahnt sich wohl nicht nur eine dicke Freundschaft, sondern auch eine stete Kooperation an, denn Du hast ja auch erneut auf seinem neuesten Doppelschlag `Universal Migrator` mitgewirkt…

Ja, und das ist sehr schön. Ich war ja schon eine ganze Weile ein großer Fan von ihm. Ich denke, er wußte lange nicht, wer LANA LANE ist, bis eine seiner CDs in Japan erschien. Bei der Veröffentlichung waren Liner Notes beigefügt und in einer von diesen wurde ich erwähnt. Es wurde so etwas gesagt wie: „wenn Du ein Fan von LANA LANE bist, wirst du AYREON mögen“. Allerdings war der Text mit Ausnahme meines Namens komplett auf Japanisch. Er hat dann im Internet nachgeforscht, fand unsere Webseite, hat ein paar Songs heruntergeladen und mochte meine Stimme. Er bat mich bei AYREON mitzumachen. Das habe ich natürlich gemacht, und war dabei ganz schön aufgeregt (lacht). Hinterher habe ich dann ihn gebeten, auch bei meiner Platte auszuhelfen. Es ist eine schöne Freundschaft geworden. Er und Erik (Norländer, Keyboarder und Co-Songwriter bei LANA LANE – der Verf.) scheinen so etwas wie musikalische Seelenverwandte zu sein. Sie haben sehr viel gemein, was Geschmack, Produktion und Musik angeht. Es paßte einfach, es war irgendwie Schicksal.

Arjen hat ja auch für `Days Of Oblivion`, dem aktuellen Album der ROCKET SCIENTIST (Band von Erik Norländer und Mark McCrite – der Verf.) kräftig in die Seiten gegriffen…

Genau. Es ist erstaunlich, irgendwie wird die Welt immer kleiner. Das ist wirklich aufregend! Es passiert nicht oft, daß man einen Musiker trifft, der fast den glichen Geschmack hat und die gleichen musikalischen Vorstellungen hat. Und zudem noch so bekannt ist! Nun, für Erik und Arjen war es jedenfalls eine sehr angenehme Überraschung…

Eine Überraschung war für mich auch die Gitarrengewalt auf `Secrets Of Astrology` (elegante Überleitung, was? 😉 ), zu der Arjen offensichtlich eine Menge beigetragen hat…

Ja, er hat die ganze Rhythmusarbeit übernommen. Erik und ich mögen diese monumentale, schwere Rhythmusarbeit und wollten jemanden, der das umsetzen kann. Allerdings hatte Arjen ansonsten gar nicht so viel Einfluß, wie viele glauben. `Tarot` ist der einzige Sing, an den er mitgeschrieben hat. Der Rest des Materials stammt aber komplett von Erik und/oder mir. Mit Ausnahme von `Guardian Angel`, da hat auch Mark McCrite mitgewirkt.

Da können wir ja gleich mal auf die Texte eingehen: `Guardian Angel` handelt ja, wie bereits der Titelsong von `The Queen Of The Ocean` von Schutzengeln. Glaubst du an die Existenz eines solcher Wesen?

Ich glaube sehr daran. Ich entnehme das meinen eigenen Erfahrungen. Ich fühle, daß ich einen Schutzengel habe, der seit meiner Geburt über mein Leben wacht. Denn es gab oft Zeiten und Ergebnisse, in denen mir sehr viel Schlimmes hätte widerfahren können. Gerade, als ich nach Los Angeles zog, als sehr junge Musikerin, und die ersten Erfahrungen mit dem Business machte. Da gab es oft Gelegenheiten, den falschen den Weg zu wählen. Aber ich kam jedes Mal wieder unbeschadet aus allem raus und hatte hinzu gelernt. Ich denke, das liegt daran, daß ich einen Engel habe, der über mich wacht.

Du glaubst also an eine Führung von oben?

Ja, das tue ich.

Glaubst du also auch an einen schöpferischen Geist, ob man ihn nun Gott oder anders nennen mag?

Ja. Ich denke, ich bin eher ein spiritueller als ein religiöser Mensch. Ich denke, daß es die Geistwesen um uns und ihr Handeln sind, die den Menschen durchs Leben helfen. Du wirst geführt, wenn du es zuläßt, wenn du versuchst, ein gutes Leben zu führen, ehrlich und aus dem herzen heraus und mit guten Absichten handelst. Ich denke, das ist die Art, wie du leben solltest. Ich weiß nicht, ob ich notwendigerweise an die Existenz eines Gottes im Sinne einer Kirche glaube. Es gibt so viele verschiedene Formen von Religion und so viele Menschen, die verschiedenen Glaubensrichtungen angehören. Die meisten Menschen wissen in ihrem Herzen, was richtig und was falsch ist. Dann dem Richtigen zu folgen, ist, denke ich, der richtige Pfad.

Du bezeichnest Dich also als spirituell. Beinhaltet das auch bestimmte Aktivitäten oder Praktiken?

Nun, nichts Verrücktes, wie kleine Statuen, die ich überall im Haus aufstelle oder dergleichen (lacht). Ich versuche einfach nur, den goldenen Regeln zu folgen. Ich denke, die meisten Menschen spüren durchaus, ob sie ein gutes und ehrliches Leben leben, ob man die Mitmenschen und Umwelt angemessen behandelt und so weiter. Ich konzentriere mich auf diese Form der spirituellen Praxis: ich versuche gut zu sein. Das heißt nicht, daß ich in jeder Hinsicht vorbildlich lebe! Letzte Nacht habe ich beispielsweise getrunken, gespielt und so weiter (lacht). Aber das schadet niemanden außer mir selbst.

Ich sehe all das ähnlich. Das Problem mit religiösen Menschen scheint mir oft, daß sie in dem Bestreben, gemäß ihres Glaubens perfekt zu sein, vor lauter unreflektierten Dogmen und Ritualen oft das wesentliche vergessen: wie sie mit sich und ihrer Umwelt eigentlich umgehen…

Genau richtig. Ich habe einige Freunde, die so sind: ein bißchen… hmm… verdreht. Ein bißchen. Ich denke, sie gehen die Dinge zu extrem an. Was niemals gut ist. Ich denke, Menschen sollten einfach richtig leben, versuchen, der beste Mensch zu sein, der man eben sein kann. Und man sollte nicht versuchen, andere zu bedrängen, sie zum eigenen Glauben zu bekehren und zu überzeugen versuchen.

Tja, dem habe ich nichts hinzuzufügen. Um nun wieder zum Album zurückzukehren: insgesamt sind die Textinhalte doch etwas anders als bisher ausgefallen. Neben den üblichen Texten, die sich mit den Naturgewalten auseinandersetzen, findet sich vermehrt mit eben jenen spirituellen und auch anderen quasi übernatürlichen Themen, wie zum Beispiel im Titelsong `Secrets Of Astrology`. Glaubst du denn persönlich an astrologische Vorhersagen?

Das tue ich. Ich beschäftige mich sonst mehr mit Göttern und Göttinen und diesen Dingen, aber Astrologie ist auf jeden Fall sehr interessant. Ich lese jeden Tag mein Horoskop! (lacht) Ich würde nicht sagen, daß man alles glauben und befolgen soll, was da so drin steht, aber ich schaue es mir schon sehr genau an.

Mit ´Tarot` findet sich ein weiterer Text, der sich mit einer Technik beschäftigt, die benutzt, vielleicht auch mißbraucht werden kann, die Zukunft vorherzusagen. Liegt in solchen Dingen nicht auch eine Gefahr?

Ich denke eigentlich nicht. Aber natürlich, wie bei allen Dingen, gehen manche Menschen einfach zu weit und lassen den gesunden Menschenverstand außen vor. Für einen spirituell interessierten Menschen ist auch ein gesunder Menschenverstand wichtig. Wenn dir eine Religion vorschreibt, von der Brücke zu springen, weil es gut für dich ist, würde ich das nicht tun, denn mein Verstand sagt mir natürlich, daß das nicht wahr ist und daß alles was passieren wird ist, daß ich dann ein Matschfleck bin (lacht). Ich denke, manche Menschen übertreiben es einfach und nehmen diese Dinge zu ernst. Ich denke, das ist auch der wunderbare Aspekt der Phantasie: man kann auch in Fantasy-Geschichten und Märchen sehr weit gehen, aber all das läuft nur in deinem Geist ab. Man geht keine Risiken ein. Du kannst alles ausprobieren, nur ohne Konsequenzen.

Insgesamt handeln ja die meisten deiner Texte von eben solchen Phantasie-Welten…

Ja. Bei den anderen Texten des Albums war es so: ich habe eine Reihe Kurzgeschichten von Hans Christian Andersen, den Gebrüdern Grimm und Lewis Caroll gelesen und über die geschrieben, die ich interessant fand und die mich bewegt haben.

Nun könnte man die genannten Autoren ja als Märchenerzähler bezeichnen…

Genau das waren sie. (lacht)

Ich nehme dann mal an, daß für dich ein Märchen nicht nur eine Geschichte für Kinder ist. Was können diese Geschichten einem Erwachsenen geben?

Nun, für mich ist es so: ich betrachte Musik gerne als einen positiven Einfluß. Für mich ist es wichtig, daß die Songs, die ich schreibe, etwas Positives ausstrahlen, daß sie sich von den häßlichen und abstoßenden Aspekten des Lebens abheben. Denn diese werden uns täglich in den Medien gezeigt. Ich möchte lieber Songs schreiben, die mich in eine Phantasie-Welt entführen und mich träumen lassen. Das ist ein großartiger Teil des Lebens: die Fähigkeit, geistig auf Reise gehen zu können. Deshalb konzentriere ich mich beim Songwriting auf die Fantasy-Aspekte.

Märchen beinhalten aber doch in der Regel auch viele grausame Elemente…

Ja, definitiv. Ich schreibe aber nicht über DIESE Dinge (lacht). Ich versuche, das zu vermeiden. Wenn eine Geschichte, die ich gelesen habe, ein grausames Ende hat, dann mache ich normalerweise ein glückliches daraus. Oder nicht unbedingt ein glückliches Ende, aber zumindest ein akzeptables. Niemand stirbt, niemand wird umgebracht, und wenn jemand stirbt und von dieser Welt geht, dann hat das gute Aspekte, er hinterläßt etwas Besonderes oder dergleichen. Ich mag keine schlimmen, häßlichen Dinge! (lacht)

Dann bevorzugst du sicher auch Filme mit Happy End…

Nun, DAS ist nun wiederum merkwürdig: ich bin ein großer Horrorfilm-Fan. Ich liebe diese Aufschlitzerei (lacht), diese wirklich üblen Horrorfilme, die natürlich auch irgendwie Teil einer Phantasie-Welt sind. Ich möchte dergleichen natürlich niemals selbst mitmachen, es ist aber unwirklich genug, um mir keine Probleme zu bereiten. Wenn es nun aber um das Übernatürliche geht, zum Beispiel Voodoo oder dergleichen, dann jagt mir das mehr Angst ein als `Freitag der 13.`, `Halloween` oder `Scream`. Mit diesen Filmen komme ich besser klar als mit solchen, bei denen es um Übernatürliches oder ähnliche Inhalte geht. Das Übernatürliche ist irgendwie merkwürdige. Ich weiß nicht so recht, ob es nicht doch real ist (lacht). Nun, auf jeden Fall würde man wohl nicht vermuten, daß Horror-Filme etwas für Lana Lane wären, aber sie sind es. (lacht)

Warum auch nicht… immerhin bieten sie die Möglichkeit, sich seinen Ängsten zu stellen, ohne sich wirklich in Gefahr zu begeben.

Genau! Das ist sicherlich wahr. Das ist möglicherweise ein wichtiger Teil meiner Heim-Therapie: Horrorfilme anschauen!

Nicht das Schlechteste… und vor allem billiger als die Sitzung beim Couchwächter. Doch um noch einmal auf das Thema Märchen zurückzukommen: hast Du diese schon als Kind geliebt oder erst als Erwachsene entdeckt?

Ich habe sie als Erwachsene entdeckt. Denn als ich aufwuchs, gab es bei uns zu Hause nicht viele Bücher. Ich wünschte, es wäre anders gewesen. Mein Eltern entstammen der Mittelklasse, sie arbeiteten sehr hart. Sie interessierten sich weit mehr für Musik, wofür ich sehr dankbar bin, weil es mich geprägt hat. Aber ich denke, ich hätte gerne eine bißchen mehr gelesen. Doch der musikalische Kontext, in dem ich aufgewachsen bin, war enorm wichtig für mich. Auch das war eine Anregung für meine Phantasie und eine großartige kreative Erfahrung. Fantasy und Märchen habe ich erst so richtig entdeckt, als ich selbst Songs geschrieben habe. Da fing ich erst an, Kurzgeschichten, Fantasy-Romane und Märchen zu lesen.

Denkst Du, Kinder laufen in unserer durch Medien geprägten Welt Gefahr, die Gabe des kreativen Umgangs mit der Phantasie zu verlieren? Immerhin werden ihnen ja überall, sei es nun in Film, Fernsehen oder Videospielen bereits fertige Phantasiewelten präsentiert, die sie nur konsumieren müssen…

Eine gute Frage. Ich hoffe nicht, aber die Gefahr besteht vielleicht. Aber ich denke und hoffe, daß diese Kinder, da sie ja eines Tages Erwachsene sein werden, den Unterschied sehen. Und daß sie versuchen, ihre eigenen Erfahrungen zu machen und ihr Inneres erkunden. Denn ich weiß, daß viele Kinder nicht genug lesen. Dadurch entgeht einem aber das Wunderbare an Märchen und Fantasy-Geschichten: wenn Du liest, entdeckst du neue Welten, neue Denk-Ansätze und dergleichen. Ich hoffe, es geht ihnen nicht verloren, aber bei einigen wird es wohl so sein. Aber es ist wie überall und immer: man kann nicht jeden retten. (lacht)

Und wenn man es zu sehr versucht, verliert man sich vielleicht eines Tages selbst…

Genau, aber so weit werde ich nicht gehen! (lacht)

Das beruhigt mich. Denn es bedeutet: wir werden auch weiterhin in den Genuß formidabler Bombast-Alben der Marke `Secrets Of Astrology` kommen…

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