Zwei Jahre nach ihrem grossartigen Roman “Highway to Hel” wendet sich die Kölner Autorin ULRIKE SEROWY wieder düsteren Räumen zu. “Im Schutzraum” hat diese ähnlich unheimliche, erwartungsvolle Atmosphäre, wie sie die Autorin in “Die Festung” heraufbeschworen hatte. Das Unheil schwelt irgendwo in den Mauern und man weiß beim Lesen, dass es nicht gut kommen kann oder wird. “Im Schutzraum” transportiert diese Voraussetzung allerdings in eine zeitgenössisch wirkende Ernstfall-Situation: Was, wenn es zum Ernstfall kommt und die Bevölkerung in einen Schutzraum flüchtet, um sich dort vor der nuklearen Katastrophe zu schützen?
Was hätte ich in dieser Situation getan?
Auf gerade mal 55 Seiten wird die Lesende als “du” angesprochen und zur Postbeamtin gemacht, die sich in die Organisation des Schutzraums einspannen lässt und dann von ihren Erlebnissen berichtet. Immer wieder rücken persönliche Schicksale kurz ins Scheinwerferlicht, um dann wieder in der allgemeinen Klaustrophobie und Panik unterzugehen. ULRIKE SEROWY schildert die Geschehnisse anschaulich und schafft es, eine bedrückende und beklemmende Erzählung zu kreieren. Schnell gelesen ist “Im Schutzraum” nicht, denn dank der Erzählperspektive hält man immer wieder mal inne und fragt sich “Was hätte ich in dieser Situation getan?”
Brandaktuell und kafkaesk
Natürlich eignet sich ULRIKE SEROWYs “Im Schutzraum” zu 100% nicht als eskapistisches Werk. Es erscheint in einer Zeit, in der Europa irgendwo zwischen “Wir brauchen keine Schutzräume mehr” und Prepper-Paranoia pendelt, während mehrere Nationen provokatives Säbelrasseln betreiben. Aber vielleicht macht gerade dies “Im Schutzraum” umso aktueller, denn es bringt uns zum Innehalten und zum Sinnieren über die Frage, ob es denn einen räumlichen Schutz überhaupt gibt, oder ob am Ende noch immer gilt “Homo homini lupus est”. In dem Sinne: Ein kleines, aber brandaktuelles Werk, das einem mit seiner kafkaesken Natur lange im Gedächtnis bleibt.
Veröffentlichungsdatum: 15.10.2025
Verlag: Edition Outbird
Seitenzahl: 63